Kapitel 6

„Gut gut, war vielleicht gar nicht so schlecht, dieser ungewollte Selbstversuch", stand Arabella ächzend vom Sofa auf.
„Wie ist das denn eigentlich passiert? Wie lange haben sie geschlafen?", fragte Snape neugierig.
„Wie lange?", schaute sie fragend an die Uhr, „keine Ahnung, hab nicht darauf geachtet. Ich hab Snowy rasiert und hab meinen Fingernagel mit der Tinktur bestrichen. Dann war es auch schon dunkel um mich."
„Ach so, demnach hat die Katze gar nichts davon abbekommen? Unsre Sorge war vielleicht ganz umsonst und sie wären in wenigen Minuten von ganz allein aufgewacht", schlug sich Hermine vor die Stirn.
„Gut möglich, aber es war schon richtig, dass ihr mich informiert habt. Schließlich ist das Elixier noch in der Entwicklung und keiner von uns weiß, wie es auf Menschen wirkt", antwortete Snape knapp.
„Das tut mir schrecklich Leid, dass ich euch einen Schrecken eingejagt hab, aber ich wollte euch nicht wecken", nuschelte Arabella und nestelte dabei nervös an ihren Fingern rum.
„Alles halb so schlimm, ist ja nichts weiter passiert", beruhigte Hermine sie und nahm Arabellas nervös zitternde Hände in ihre.
„Oh, jetzt hab ich aber Glück gehabt", riss sich Hermine erschrocken wieder los, „sie hat doch noch immer das Elixier an den Fingern."
„Wenn es so wäre, dann würde sie jetzt bereits wieder schlafen", entgegnete Snape schnarrend.
Er betrachtete sich Arabellas Finger, um zu schauen, ob irgendwelche Spuren zu sehen waren und entdeckte dabei, dass einer der Nägel eingerissen war.
„Da haben wir wohl schon den Übeltäter dieses Missgeschicks", deutete er auf den Mittelfinger, „das Elixier muss sich so den Weg zur Haut gebahnt haben. Aber das werden wir gleich mal testen, Potter..., Hand her!"
Harry war entsetzt, dass er jetzt als Versuchskaninchen herhalten sollte, wagte aber nicht, Snape zu widersprechen. Zögernd hielt er seine linke Hand hin, die anfing zu zittern.
„Angst Potter? Wir werden dich schon nicht umbringen, hast doch gesehen, dass das Gegenmittel dich sofort zurückholen würde."
Sicher würde es das, aber würde Snape es ihm auch geben? Er war froh, dass Arabella und Hermine da waren und er ihm jetzt nicht allein ausgesetzt war.
Mit einem feinen Pinselchen bekam Harry einen Nagel lackiert. Nicht passierte, das Mittel schien so zu funktionieren, wie es gedacht war.
Hoch erfreut klatschte Arabella in die Hände und reichte Harry ein Taschentuch, mit dem er sich den Nagel wieder abwischen sollte.
„Moment", schritt Snape dazwischen und entriss Harry das Tuch. „Das wäre doch Verschwendung."
Verdutzt schauten alle Drei ihm nach, als er in die Küche ging, wo sich Snowy an ihrem Fressnapf zu schaffen machte. Mit der Katze unterm Arm kam er zurück und hielt sie Harry erwartungsvoll hin.
Der wusste überhaupt nicht, was er jetzt mit ihr anstellen sollte, ja er mochte diese Tiere gar nicht mal besonders.
„Na das war es doch was Arabella vorhatte", fuhr Snape ein wenig genervt fort und griff sich Harrys Finger, den er an Snowys kahler Stelle abwischte.
Augenblicklich schlief die Katze ein und hing ihm nun schlaff vom Arm herunter.
„So, und nun wisch dir die Reste vom Finger, nicht dass noch jemand schlafen geschickt wird", befahl Snape, während er die Katze in Hermines Obhut übergab.
„Wie wär's mit einem Tee?", fragte Arabella in die Runde.
„Gerne", antwortete Snape, während Hermine und Harry sie ungläubig ansahen.
„Wollen wir Snowy denn nicht aufwecken?", wollte Hermine entsetzt wissen.
„Das wäre doch ziemlich dumm, Ms Granger. So werden wir nie erfahren, wie lange die Wirkung des Elixiers anhält", gab Snape ihr zu wissen.
Hermine lief knallrot an, was war nur heute mit ihr los, dass sie nicht selbst ihre dümmlichen Fragen beantworten konnte oder sie am besten gar nicht erst stellte.
Während Arabella den Tee aufbrühte, betrachtete sich Snape den Trank.
„Ich würde vorschlagen, das Elixier noch etwas einzudicken. Dann ist die Gefahr geringer, dass er beim Auftragen ungewollt auf die eigene Haut tropft."
„Guter Tipp, Flubberwurmschleim hab ich in rauen Mengen vorrätig", entgegnete Arabella dankbar.
„Und für die Alptraumstimmung würde ich Glumbumbelsirup vorschlagen. Darf ich mir mal ihre Aufzeichnungen anschauen?", fragte Snape, der jetzt ganz in seinem Element war.
„Liegt alles drüben im Speisezimmer", deutete sie auf die offene Tür.
Snape verschwand nach nebenan.
„Könnten sie mir den Glumbumbelsirup besorgen?", rief Arabella ihm hinterher, bekam allerdings keine Antwort darauf.
Hermine holte derweil den Katzenkorb, der oben in ihrem Zimmer stand und legte Snowy hinein. Sie musste ja jetzt unter ständiger Aufsicht sein, wenn man den genauen Aufwachzeitpunkt feststellen wollte.
Snape war in die Unterlagen vertieft, als sie mit dem Teegeschirr das Zimmer betraten.
„Was hatten sie gefragt?", schaute er Arabella halb abwesend an.
„Ich wollte wissen, ob sie mir den Glumbumbelsirup besorgen könnten. Ich komm doch nicht so schnell in die Winkelgasse."
„Ja ja, natürlich, keine Problem", winkte er schnell ab und hielt seine lange Nase auch schon wieder zwischen die Seiten.
Schweigend schlürften sie ihren Tee und lauschten auf das eine oder andere „Aha"das von Snape herüber kam.
Snowy schlief noch immer und zuckte mit ihren Beinen im Schlaf. Sie war scheinbar gerade hinter einer sehr großen Maus her.
„Ich bin schwer beeindruckt Arabella. Ich hätte es nicht besser machen können und dass es wirkt, haben wir ja heute schon gesehen. Die eine oder andere Feinheit, wird sich im Laufe der Zeit von ganz allein ausbügeln."
„Es ist mir eine Ehre mal etwas richtig Nützliches für den Orden machen zu können, wenn ich sonst schon nicht weiter zu gebrauchen bin", antwortete sie geschmeichelt.
„Na na, nicht so selbstzweifelnd. Jedes Ordensmitglied hat seine Stärken und Schwächen", munterte er sie auf.
Harry glaubte seine Ohren würden rauchen. Snape sah die Stärken und Schwächen der einzelnen Ordensmitglieder? Und was war damals mit Sirius? Kein gutes Haar hatte er an ihm gelassen.
Wütend über das eben gehörte, wandte er sich vom Tisch ab und setzte sich zu Snowy auf den Boden.

Sicher war Sirius für den Orden auch eine Last, aber er konnte doch nichts dafür. Er war unschuldig in Askaban, konnte sich befreien und seine Unschuld beweisen. Aber Sirius war ja auch nicht ganz unschuldig, dass Snape ihn in Grimmauldsplace so niedergemacht hatte....

Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Hermine ihre Hand auf seinen Arm legte. Hatte sie begriffen, was Harry so übel aufgestoßen war? Oder was war der Grund, wieso sie sich zu ihm setzte?
„Professor Snape wollte wissen, ob wir noch etwas brauchen, bevor er für heute verschwindet", fragte Hermine ihn.
Am liebsten hätte Harry ihn angebrüllt, dass er bleiben kann, wo der Pfeffer wächst und er seine Hilfe nicht benötige, aber dann fiel ihm ein, dass nur er dafür sorgen konnte, dass sie hier auch mal andere Leute zu Gesicht bekamen.
„Ich müsste demnächst mal zu den Dursleys, meine restlichen Sachen für die Schule abholen. Wäre nett, wenn ich eine Begleitperson bekommen könnte. Lupin oder Tonks vielleicht", antwortete er noch immer leicht verbittert.
„Das lässt sich einrichten. Also dann, auf Wiedersehen", verabschiedete sich Snape und apparierte mit einem Knall.
Schulterzuckend sah Harry Hermine an, die ihm einen verwirrten ‚War-das-wirklich-Snape-Blick' zuwarf.
Snowy zuckte noch immer in ihrem Körbchen. Die Maus, die sie im Traum verspeiste, schien lecker zu sein, denn ihr lief der Speichel aus dem Maul.

„Sollten wir uns langsam mal wieder bei Ron melden?", fragte Hermine Harry mit einem Ausdruck schlechten Gewissens.
„Er hat doch bisher auch nicht an uns geschrieben, wir scheinen ihm auch nicht grad zu fehlen", antwortete Harry mit wenig Begeisterung.
„Harry, sag mal!", fuhr ihn Hermine entsetzt an.
„Was denn, ist doch so."
„Eben nicht, schon vergessen? Nur Hedwig wird dieses Haus finden", sah ihn Hermine mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Hatt ich wirklich vergessen", gab er kleinlaut zu.
„Willst du oder soll ich? ... Schon ok, ich schreibe", hob Hermine nachgiebig die Hände, als sie Harrys mürrischen Gesichtsausdruck sah.
„Soll ich ihn fragen, ob er herkommen will?"
„Meinetwegen, vielleicht hat er ja eh schon was besseres vor", antwortete Harry mit einem Unterton, der sagte, dass er ihn nicht unbedingt hier haben wollte.
Während Hermine sich in ihr Zimmer verzog, setzte er sich zu Snowy und kraulte ihr durchs Fell.

Wieso war ihm Ron so gleichgültig? Er war doch sein bester Freund und er hatte ihm nichts getan. Jedenfalls nicht persönlich, wenn man seinen verbalen Ausrutscher bei Hermine mitzählte, über den er sich auch sehr geärgert hatte.
Aber so war eben Ron, gerade drauf zu, ohne darüber nachzudenken, ob er damit jemanden verletzen konnte.
Und trotzdem war es Harry lieber, wenn Ron hier nicht aufkreuzen würde. Er hatte keine Lust ihm alles, was sie in den 2 Wochen, die sie mittlerweile hier waren gemacht hatten.
Er hatte noch weniger Lust darauf, dass Ron vielleicht sogar mitmachen wollte, obwohl der froh darüber war, dass er die Stunden bei Snape nicht mehr besuchen musste.
Aber am allerwenigsten wollte er ihn wegen Hermine hier haben.

Snowy erwachte und holte ihn so aus seinen miesen Gedanken. Mit großen Augen sah sie Harry an und leckte sich das Maul.
„Na du, was schönes geträumt?", fragte Harry, nicht wirklich auf Antwort wartend. Doch es kam ein stummer Mauzer, der in ein herzhaftes Schnurren überging.
Harry war bei diesem Anblick froh, dass das Elixier noch nicht mit dem Glumbumbelsirup versetzt war. Die Katze konnte schließlich nichts dafür, dass sie als Versuchstier dienen musste.
Hermine kam mit dem Brief wedelnd die Treppe herunter.
„Willst du ihn erst noch lesen, bevor ich ihn abschicke?"
„Nein nein, ich vertrau dir voll und ganz", winkte Harry ab.
„Oh, Snowy ist wach. Wie lange schon?", fragte Hermine überrascht.
„Ungefähr eine Minute."
„Das wären dann so ziemlich genau 2 Stunden. Wenn man ihre Größe betrachtet, würde ein erwachsener Mensch bei der gleichen Dosis schätzungsweise 20 Minuten schlafen. Kann eigentlich gar nicht sein. Dann wäre Arabella doch selbst erwacht, als wir auf Snape gewartet haben", grübelte Hermine.
„Vielleicht ist es ja egal, wie groß das Opfer ist. Man müsste einen Hippogreif haben, an dem man das testet", strahlte Harry voller Enthusiasmus.
„Ja, oder Kreacher, der wäre das perfekte Opfer. Da würde ich mir keine Vorwürfe machen, wenn doch was schief gehen sollte", warf Hermine ein.
Harry sah sie entsetzt an. Ausgerechnet Hermine will einen Hauselfen opfern? Er griff ihr an die Stirn um festzustellen, ob sie wirklich gesund wäre.
„Was ist denn in dich gefahren? Du als B.Elfe.R-Gründerin opferst einen Elfen?"
„Kreacher verdient nicht länger mein Mitleid. Er hat uns verraten, Sirius und den Orden. Mit dem bin ich fertig", antwortete sie mit bösem Blick, „So und nun schick ich erstmal den Brief an Ron."
Hedwig kam erst am nächsten Tag mit einer Antwort zurück.
Hermine las den Brief zuerst. Ihre Miene verriet, dass ihr nicht ganz gefiel, was darin stand. Leicht angesäuert gab sie Harry das Pergament.

Hallo Hermine, hallo Harry!

Nett dass ihr euch auch mal meldet. Pig kam dreimal mit meinen Briefen an euch zurück.
Danke für die Einladung, aber das kommt mir jetzt zu plötzlich. Sind ja eh nur noch 10 Tage Ferien und die verbringe ich bei Fred und George in der Winkelgasse.
Vielleicht sehen wir uns ja beim Einkauf der Schulsachen.

Bis dahin,
Ron

„Er ist sauer auf uns und wenn man's genau nimmt, zu Recht", grummelte Hermine.
„Er kriegt sich auch wieder ein. Denk nur mal an vorletztes Jahr, ich war Luft für ihn, nur weil er eifersüchtig auf mich war und das zu Unrecht", konterte Harry beschwichtigend.
„Trotzdem tut er mir Leid. Aber du hast Recht, wir hatten ja auch ziemlich viel hier zu tun, auch wenn wir uns das selbst aufgehalst haben", sagte sie mit schon viel freundlicherem Gesichtsausdruck.
„Und ich muss sagen, dass es mir sehr viel Spaß gemacht hat. Wäre schön, wenn wir unsere Tests ausweiten könnten. Vielleicht könnte ich mich ..."
„Vergiss es Harry!", wurde er abrupt von Hermine unterbrochen.
„Aber es ist doch sicher, die letzten Mäuse, Snowy und sogar Arabella, sind alle wieder aufgewacht. Und wir haben immer noch das Gegenmittel."
„Harry, ich hätte kein gutes Gefühl dabei", sah sie ihn traurig an.
„Und wenn wir warten bis Snape wieder da ist? Ich nehm es auf mich und am besten noch, bevor es mit Glumbumbelsirup angesetzt ist", zwinkerte Harry ihr aufmunternd zu.
„Wir sollten das mit Arabella besprechen, sie soll das entscheiden", stand Hermine händeringend vor ihm.
„Und du würdest das wirklich wollen?", sah auch Arabella ihn, mit sich selbst hadernd, an.
„Ja, ich will es versuchen. Wir könnten ja den ersten Test mit Entgiftungstrank machen, also dass ihr mich sofort zurückholt und wenn das geklappt hat, dann ein zweiter Versuch bis zum Aufwachen", schlug Harry vor.
„Also gut und wann ...", fragte Arabella.
„Jetzt gleich", antwortete Harry mit fester Stimme.
Hermine stand wie ein welkes Blümchen da, entsetzt, verzweifelt, ängstlich. Harry nahm sie in den Arm und streichelte ihr übers Haar.
„Es wird alles gut gehen", flüsterte er ihr ins Ohr.
Mit festem Willen ging er ins Speisezimmer und holte die beiden Fläschchen, einmal ‚Medusas Rache' und zum anderen das Gegengift, das er Hermine überreichte.
Ohne weitere Vorwarnung strich er sich einen Tropfen des Elixiers auf den Fingernagel und fuhr sich über die eigene Haut.
Er schlief augenblicklich ein.
Arabella, die beruhigend eine Hand auf Hermines Schulter gelegt hatte, schob sie nun zu Harry.
„Nun weck ihn auf Kindchen. Und falls er nicht erwachen sollte, dann können wir immer noch Severus holen."
Mit zitternden Händen träufelte Hermine Harry das Gegenmittel auf die Lippen.