Kapitel 10

Am folgenden Dienstag kam Hedwig mit den beiden Einkaufslisten angeflogen, nachdem sie einen Brief zu Hermines Eltern gebracht hatte.
„Wir werden sofort Ron schreiben, dass wir am Donnerstag in die Winkelgasse kommen. Und auch an Snape, damit er uns wieder eine oder zwei Begleitpersonen vorbeibringt", beschloss Hermine.
„Oh, in die Winkelgasse möchte ich auch gern mal wieder. Ob ich mitkommen könnte?", fragte Arabella. „Allein ist das immer so beschwerlich für mich."
„Das wär bestimmt nett", stimmte Hermine zu, die sich wahrscheinlich am meisten auf Flourish & Blotts freute. „Ach, und du darfst dein Buch nicht vergessen, zum umtauschen", erinnerte sie Harry.
„Und wenn wir Ron nicht treffen? Der muss das doch zurückgeben", überlegt sich Harry.
„Wieso sollten wir ihn nicht treffen, wo er doch zur Zeit in der Winkelgasse wohnt? Und außerdem hab ich mein Buch auch von dort, also wäre es egal, wer es zurückgibt", winkte Hermine entwarnend ab.
„Na, ich mach mal eben die beiden Briefe fertig", übernahm Harry freiwillig diesen Job und begab sich auf sein Zimmer.

‚Wie lange hatte er diesen Duft nicht mehr eingeatmet', dachte sich Harry, als sie den Tropfenden Kessel betraten. Eine Mischung aus Butterbier, Odgens Feuerwhiskey und dem Rauch von Zigarren und Pfeifen.
„Oh mein Gott", verfiel Hermine in Panik. „Ich hab vergessen, meinen Eltern Bescheid zu geben, dass wir heute hier sind. Ich wollte sie doch noch mal treffen."
„Ich kann dir Geld borgen", versuchte Harry sie zu beruhigen.
„Nein nein, ich habe ein Verlies bei Gringotts, das ist nicht das Problem. Aber ich wollte sie so gern noch mal sehen. Dann werde ich wohl dieses Jahr auf alle Fälle Weihnachten mit ihnen verbringen."
Sie traten in den kleinen Hinterhof des Pubs und Tonks, die sie wieder begleitete, klopfte die Steine ab, um den Durchgang zu öffnen.
Es herrschte das selbe bunte Treiben, das Harry von seinem ersten Besuch hier in Erinnerung hatte, aber der erste Weg führte sie an den bunten Auslagen vorbei zu Gringotts, wo sie ihre Geldbeutel füllten.
Ron hatte ihnen geantwortet und mitgeteilt, dass Fred und George die ganze Woche Eröffnungstage in ihrem Laden feierten. Deshalb beschlossen sie zuerst in die Nr. 93 der Winkelgasse zu gehen, um ihren Freund dort zu treffen.
„Hallo", begrüßte er sie kühl.
„Hallo ihr beiden, kommt herein und schaut euch um", kam es von den Zwillingen schon viel erfreuter, die sie voller Stolz in ihr Prachtstück von Lädchen führten.
Harry sah, dass seine Spende recht gut angelegt worden war, obwohl die wahrscheinlich schon in der Entwicklungsphase der neuen Produkte draufgegangen war.
„Und, hast du schon deine Bücher gekauft", versuchte Harry bei Ron die Laune abzutasten.
„Hm, nö. Weiß nicht ob ich hier jetzt wegkomme", murmelte er mehr, als dass er mit Harry redete.
„Aber klar, kleiner Bruder", legte George seine Hand auf Rons Schulter. „Wir wollen doch nicht dafür verantwortlich sein, dass dir in Hogwarts was fehlt. Außerdem sind Mum und Dad heut auch hier."
„Was meinst du, wir sollten für Arabella ein Abschiedsgeschenk kaufen", sagte Hermine zu Harry, als sie den Laden verließen.
„Wer ist Arabella?", fragte Ron neugierig.
„Arabella Figg. Wir haben die letzten Wochen bei ihr gewohnt", antwortete Harry.
„Und was soll daran so geheim sein, dass ihr mir das nicht sagen konntet?"
„Dumbledore hat ihr Haus mit dem Fidelius belegt", beschwichtigte Hermine den beleidigten Ron.
„Gehen wir zuerst zu Flourish & Blotts?", beendete Harry die Fragerei, bevor Ron noch mehr ins Detail gehen konnte. „Ich hab keine Lust den Wälzer die ganze Zeit mit mir rum zu schleppen."
„Ihr seid doch beide verrückt", sagte Harry, nachdem er 22 Galleonen und 10 Sickel für Rons Geburtstagsgeschenk ausgezahlt bekommen hatte.
Ihre Schulbücher nahmen sie bei der Gelegenheit gleich mit, es waren nur drei neue Werke, die nicht all zu schwer waren. Beim Herausgehen blieb Hermine gefesselt am Wühltisch stehen und las den Buchrücken eines ziemlich abgegriffenen Buches.
„Das wäre doch was für Arabella, das hab ich bei ihr auch nicht im Regal stehen sehen", wandte sie sich an Harry.
„Hm, ein Buch? Find ich nicht so prickelnd. Ich hatte eher an was Nützliches gedacht", lehnte er Hermines Vorschlag ab.
„Bücher sind immer nützlich", sagte sie entrüstet.
„Aber ich glaube sie würde sich über eine Eule viel mehr freuen", zwinkerte Harry ihr mit sicherer Miene zu und klimperte dabei mit seinem gut gefüllten Geldbeutel.
„Das finde ich aber auch eine sehr schöne Idee", mischte sich Tonks ein, die sich eigentlich im Hintergrund hielt. „Damit könnte sie auch immer gut mit dem Orden in Kontakt bleiben."
„Also abgemacht?", strahlte Harry freudig, diese geniale Idee gehabt zu haben.
„Ron, hallo Ron", rief es von weitem, als sie die Tür von Flourish & Blotts hinter sich schlossen.
Mrs Weasley kam mit Ginny im Schlepptau angerauscht und wuschelte ihrem Jüngsten durchs Haar, der seinen Kopf genervt wegzog. Langsam fühlte er sich für solche Liebesbeweise zu alt. Aber man konnte es Molly nicht verübeln, jetzt wo seit Wochen nur noch Ginny zu Hause wohnte.
„Brauchst du noch etwas, Ronnie Schätzchen?", betütelte Molly ihren Sohn.
„Ach wenn du schon so fragst, die Quidditchausrüstungen der Schule sind nicht sehr bequem", sah er sie hoffnungsvoll an und schlug schon den Weg Richtung ‚Qualität für Quidditch' ein.
„Au ja, da kommt ich mit", war auch Harry gleich Feuer und Flamme, auch wenn sein Feuerblitz noch immer in Hogwarts eingeschlossen war. Aber er hoffte, dass Dumbledore und McGonagall das von Umbridge verhängte Verbot aufheben würden.
„Dir passt doch sicher eine Ausrüstung von Fred oder George", hetzte Molly atemlos hinter ihnen her.
„Aber mir bestimmt nicht", erklang das ebenso hoffnungsvolle Stimmchen von Ginny, die ja für Harry als Sucherin nachgerückt war, aber jetzt doch eher auf eine Jägerposition spekulierte. „Außerdem bekomme ich doch sicher auch ein Geschenk, für meine Wahl zur Vertrauensschülerin."
„Oh, herzlichen Glückwunsch Ginny, das freut mich aber", umarmte Hermine, die sich noch sehr gut erinnern konnte, wie sie sich letztes Jahr gefühlt hatte, ihre Freundin.
„Gut gut gut, ich gebe mich geschlagen. Ihr seid ja die beiden letzten, für die wir noch Schulzeug kaufen müssen. Ihr bekommt beide eine neue Ausrüstung und Ginny dazu einen Sauberwisch 7", hob Molly nachgebend die Hände.
Freudig strahlend, obwohl Harry nichts gekauft hatte, verließen sie den Quidditchausstatter und steuerten auf direktem Wege Eeyloops an.
„Was wollt ihr denn hier? Kaufst du dir eine Eule Hermine? Oder du Tonks?", schaute Molly fragend zwischen den beiden hin und her.
„Wir kaufen für Arabella eine, als Abschiedsgeschenk", erklärte Hermine ihr Vorhaben.
„Da wird sie sicher überrascht sein", freute sich selbst Mrs Weasley mit.
„Oh, da kommt sie gerade", deutete Harry in Richtung Apotheke, aus der eine bepackte Arabella heraustrat. Er zog Hermine und Tonks ins Dunkel des Eulenkaufhauses.
Die Wände waren voller Stangen auf denen die Tiere saßen und teilweise vor sich hindösten, teilweise aufgeregt mit den Flügeln schlugen. Es roch genauso penetrant wie in der Eulerei in Hogwarts, denn der Boden rechts und links des Ganges war mit ihren Exkrementen und Futterresten übersät.
„Wie wär's mit der hier?", zeigte Harry auf ein Sperbereulenweibchen.
„Wie soll die Eule denn eingesetzt werden?", kam fragend der Verkäufer, ein knorpeliger Zauberer mit wüstem Haar, auf sie zu. „Diese Art ist nur für Kurzstreckenflüge geeignet."
„Oh nein, dann besser doch nicht diese", sah sich Harry weiter um.
„Was können sie denn in der unteren Preisklasse empfehlen?", fragte Hermine, die einen fragenden Blick von Harry einfing. „Naja, einen Käfig sollten wir ja auch gleich mit kaufen, den sollten wir in unserer Kalkulation nicht vergessen."
„Da hätten wir hier eine sehr schöne Zwergohreule, ein Männchen in diesem Fall", lockte der Verkäufer sie in die hinterste Ecke des Ladens.
„Oh ja, der ist auch wunderschön", war Hermine sofort begeistert, beim Anblick des gepflegten Gefieders. „Den nehmen wir, oder?", wandte sie sich fragend an Harry.
„Ja klar und einen passenden Käfig dazu", beschloss er das Geschäft.
Arabella war in der Zwischenzeit zu Molly, die wartend vor dem Laden stehen geblieben war, herangetreten, um ein Schwätzchen zu halten.
Erstaunt sah sie sich um, als Harry und Hermine aus dem Eulenkaufhaus traten.
„Oh, die ist ja schön. Für dich Hermine?", fragte sie bewundernd. Doch Hermine streckte sofort voller Stolz ihre Hand aus und reichte Arabella den Käfig hinüber.
„Nein, die ist für sie."
„Für mich?", verschlug es Arabella fast die Sprache. „Aber wieso denn? Ich habe doch gar keinen Geburtstag."
„Als Dankeschön, dass sie uns so selbstlos bei sich aufgenommen und unsere Neugier ertragen haben", schaute Hermine sie ein wenig verschämt an. „Außerdem können sie damit jederzeit mit jedem in Kontakt treten", fügte sie hinzu.
„Das war aber wirklich nicht nötig und auch noch so ein teures Geschenk", umarmte sie dankbar Harry und Hermine.
„Wo ist eigentlich Arthur und Moody?", fragte Tonks an Molly gewandt.
Die winkte nur ab und meinte, dass sie im Tropfenden Kessel Mundungus getroffen und sich sicher dort festgesessen hätten.
„Na dann, wie wäre es mit einem Eisbecher als krönenden Abschluss?", lud Mrs Weasley alle in Fortescues Eissalon ein. „Wir müssen ja wenigstens ein bisschen mit Ginny feiern."
Hier hatte Harry vor seinem dritten Schuljahr viel Zeit verbracht, als er im Tropfenden Kessel gewohnt hatte und Florean hatte ihm bei seinen Schulaufgaben geholfen.
Auch diesmal machte er für Harry einen ganz besonders großen Eisbecher.
„Dann bis Sonntag, King's Cross", winkte Hermine Ron hinterher, als sie sich verabschiedeten und die Tür vom Tropfenden Kessel Richtung London hinter sich schlossen.

„Das war schön", ließ sich Arabella erschöpft auf ihr Sofa fallen. „Und diese wunderbare Eule, ich danke euch vielmals dafür. Ich werde ihn Merlin nennen, oder was meint ihr?"
„Find ich auch toll, klingt so ... kraftvoll, so magisch", stimmte Hermine energisch zu.
„Bin schon sehr gespannt auf diese Madam Bowman", sagte Harry, als er sich mit dem neuen Buch für Verteidigung gegen die Dunklen Künste im Sessel niederließ.
„Weiß eigentlich jemand von euch, wie wir am Sonntag nach King's Cross kommen?", fragte Hermine, die es sich auch mit einem Buch gemütlich gemacht hatte.
„Hm, nein", antwortete Harry ohne aufzuschauen und auch Arabella schüttelte nur unwissend mit dem Kopf.
„Na dann hab ich doch gleich den ersten Auftrag für Merlin. Ich werd Dumbledore einen Brief schicken", sprang Arabella freudig auf und kramte Feder und Pergament hervor.
Voller Stolz sah sie ihm nach, als er sich auf den Weg nach Hogwarts machte.
Bald würde auch Harry wieder dort sein. Es war sein zu Hause, mehr als alles andere. Aber auch in den letzten Wochen hatte er ein Heim gefunden, wo er so geachtet wurde, wie er war.
Voller Wehmut packte er am Samstagabend seinen Koffer. Was würde das neue Jahr bringen? Die Zeiten sind trotz Umbridges Verurteilung mit Sicherheit nicht leichter geworden, denn das eigentliche Übel war nach wie vor stark, auch wenn die Reihen seiner Anhänger geschwächt waren. Alles wird er dafür geben, dass nicht noch einer seiner Freunde, dass niemand, mehr zu Schaden kommt. Er legte den Spiegel, den er die ganze Zeit krampfhaft in den Händen hielt, wieder zurück in den Koffer, ganz nach unten, wo ihn niemand finden würde, der ihn nicht in die Hände bekommen sollte.

Dumbledore persönlich kam am nächsten Morgen, um Harry und Hermine zum Bahnhof zu begleiten.
„Na kommt, beeilt euch. Stan wartet schon ungeduldig, hat ein paar eilige Gäste an Board", wies Dumbledore auf das purpurne Ungetüm vor dem Gartentor.
‚Na prost Mahlzeit', dachte Harry missmutig an die letzten Fahrten mit den Fahrenden Ritter.
„Hi Stan, hi Ernie. Lasst es ruhig locker angehen, wir haben noch genügend Zeit", hoffte Harry den Fahrer zu beschwichtigen, heute mal eine geruhsamere Fahrt einzulegen.
Doch kaum war Dumbledore mit seinem im Wind wehenden Schottenrock in den Bus gesprungen, knallten auch schon die Türen zu und Ernie gab Vollgas.
Harry wünschte sich, dass der Wagen seines Onkels nicht zu Seite springen würde, als sie am Ligusterweg 4 vorbeipreschten. Er sah nur durch die Heckscheibe einen verdutzten Vernon, der aus der Haustür getreten war und ein bockendes Auto vorfand.
Erst jetzt suchten sie sich einen Platz und bemerkten, dass heut alles wie in einem Straßencafe aussah. Auf kleinen runden Tischchen standen Teekannen, die bedrohlich hin und herrutschten und um die Tische waren Korbstühle aufgereiht.
In diesen Stühlen saßen mehr oder minder glücklich dreinschauende Hexen und Zauberer, die sich teilweise ein Tuch vor den Mund hielten oder sich krampfhaft versuchten aufrecht zu halten.
Mit einem Knall hielten sie plötzlich wieder und aus der oberen Etage wurde ein gräulich wirkender Zauberer nach unten geleitet, der sich erstmal an einem Laternenpfahl festhalten musste.
Harry konnte ihn gar nicht richtig bemitleiden, da der Bus schon wieder in voller Fahrt war.
„So, das macht dann 4 Sickel pro Nase. Ihr wollt doch nach King's Cross, oder gleich nach Hogwarts durch?", kam Stan zum kassieren.
„Nein nein, King's Cross reicht uns für heute", antwortet Harry prompt, obwohl es noch nicht mal raus war, ob sie in Hogwarts vielleicht sogar schneller wären. Immerhin gingen die Stopps ja danach, wer wann eingestiegen ist, und da der Bus recht voll war, konnte es noch eine Weile dauern, bis sie am Ziel waren.
Aber sie hatten Glück. Schon der dritte Halt, war direkt vor dem Bahnhof, da dort zufälligerweise gerade eine Familie einsteigen wollte.
Eilig schnappten sie ihr Gepäck und stürmten aus dem Bus.
„Ich hoffe ihr beehrt uns wieder mal", winkte Stan ihnen nach.
„Ich hoffe nicht so schnell", flüsterte eine ziemlich bleiche Hermine, so dass es nur Harry hören konnte.
So zeitig waren sie noch nie vor Abfahrt des Hogwartsexpresses hier gewesen. Gemütlich schlenderten sie Richtung Absperrung zwischen Gleis 9 und 10, dort wo sich das magische Gleis 9 3/4 versteckte.
Als wär es das normalste von der Welt steuerten sie auf die harte Wand zu, die ihnen aber wie immer freien Eintritt gewährte. Nur einmal, erinnerte sich Harry, da blieb die Wand für ihn und Ron geschlossen. Schmerzhaft erinnerte er sich an diesen Moment und konnte sich deshalb ein Augenzukneifen nicht unterdrücken, als er die butterweiche Mauer passierte.
„Fahren sie heute eigentlich auch mit dem Zug mit Prof. Dumbledore?", fragte Hermine aus gutem Grund. Denn schließlich ist Harry im Zug auch für jeden angreifbar. Allerdings wurde er im letzten Jahr auch nur bis hierher begleitet und dann sich selbst überlassen.
„Nein nein, ich warte hier auf dem Bahnsteig, bis der Zug weg ist und dann appariere ich nach Hogsmeade um von dort ins Schloss zu gelangen. Der Zug ist sicher, sobald er den Bahnhof verlassen hat. Wir habe aus den Vorkommnissen vor 3 Jahren gelernt", antwortete er sachlich, als ob er Hermines Bedenken herausgehört hatte.
„Gut, dann lass uns ein Abteil aussuchen, heut haben wir ja freie Wahl", schlug Harry vor, als er die Koffer in den Zug hievte.
„Am besten mal weiter vorn, dann haben wir nicht so einen weiten Weg zum Vertrauensschülerabteil und müssen uns nicht so durch die Leute kämpfen", riet Hermine und schob auch schon die erst beste Tür auf.
Das Gepäck in den Gepäcknetzen verstaut ließen sie sich nieder und beobachteten die wenigen Leute, die sich schwatzend auf dem Bahnsteig aufhielten.
Dumbledore hatte sich eine Bank gesucht und sah sich ebenfalls um. Von einigen wurde er in seiner Aufmachung erst auf den zweiten Blick erkannt, was auch nicht wirklich verwunderlich war, wenn man ihn sonst nur in seinen farbenfrohen langen Umhängen kannte. Jetzt hockte da ein alter Mann mit einer Tweedjacke, Schottenrock und langen Wollsocken mit Zopfmuster in denen dürre Beine steckten.
Jetzt war es nur noch eine halbe Stunde Zeit bis zur Abfahrt, der Bahnsteig füllte sich zusehends und ein Stimmengewirr wie das Summen von tausenden Bienen erfüllte die Luft.
„Dort kommt Neville", rief Harry freudig und öffnete das Fenster um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
„Oh hallo ihr beiden, darf ich?"Hinter ihnen hatte sich die Abteiltür geöffnet und Luna Lovegood war eingetreten.
„Ist noch alles frei", wies Harry auf die Plätze neben ihnen. Luna war zwar eine etwas exzentrische Person, aber dennoch verband sie etwas mit Harry und seinen Freunden. Sie war als einzige Ravenclaw im Ministerium dabei gewesen und hatte es mit den Todessern aufgenommen.
„Und, nette Ferien gehabt, Luna?", fragte Hermine interessiert, als diese sich schon wieder hinter einer Ausgabe des Klitterers verkriechen wollte.
„Oh ja, ich war mit meinem Vater in Schweden", kam es dahinter hervor.
„Ah, wohl Schnarchkackler gesucht?", giggelte Hermine albern.
„Gesucht, aber leider nicht gefunden. Und du brauchst gar nicht so zu lachen, wirst schon sehen."
Neville kam schwer bepackt ins Abteil, Schweiß tropfte von der Stirn und er ließ sich atemlos in den Sitz neben Luna fallen, die ihn angeekelt ansah.
„Was ist denn mit dir heut los?", fragte Harry gespielt besorgt.
„Na dann heb mal meinen Koffer an, dann weißt du was los ist", japste Neville ihm entgegen und wischte sich mit einem Taschentuch über sein Gesicht.
„Oh mein Gott, wieder irgendwelche hilfreiche Geburtstaggeschenke?", keuchte auch Harry und ließ den Koffer wieder fallen.
„Du sagst es, alles Bücher die wir nur in der Verbotenen Abteilung finden würden, von meinem Onkel Algie. Ich hab ihm von der DA erzählt", berichtete Neville stolz.
Harry hätte am liebsten den Koffer sofort geöffnete, klopfte Neville aber nur anerkennend auf die Schulter in Anbetracht der Tatsache, dass gewisse Leute jeden Moment zur Tür reinkommen könnten.
Drei Minuten vor Abfahrt kamen auch Ron und Ginny ins Abteil gehetzt.
„Diesmal sind wir aber weit vorn", fiel Ron sofort auf.
„Wir sind auch schon seit über einer Stunde hier", tat Hermine missbilligend kund. „Und wir sollten auch gleich mal nach nebenan gehen, die anderen warten sicher schon auf uns", schob sie die beiden Neuankömmlinge wieder zur Tür hinaus.
Nach nur 20 Minuten kamen sie wieder und weihten die anderen in die Neuigkeiten in Hogwarts ein.
„Leute, das glaubt ihr nicht", begann Hermine verheißungsvoll und alle starrten sie gebannt an.
„Vincent Crabbe und Gregory Goyle sind nicht mehr in Hogwarts. Ihre Eltern haben das Land verlassen und sie nach Durmstrang geschickt, haben es als das sicherste für ihre Musterknaben empfunden sie von uns bösen, hinterhältigen Taugenichtsen zu trennen."
„Na das ist ja mal ne Nachricht", jubelte Harry am lautesten. „Der arme Draco kann einem aber auch Leid tun. Wieso haben sie ihren dicksten Kumpel eigentlich nicht mitgenommen. Ach am besten gleich ganz Slytherin".
Die ganze Fahrt erzählten sie ausgelassen von ihren Ferienerlebnissen und scherzten über den Verlust zweier ‚wertvoller' Freunde und den zähneknirschenden Draco Malfoy, der an ihrer Abteiltür vorbei schlich. Noch vor einem Jahr hätte er wutentbrannt die Tür aufgerissen und ihnen einen Fluch auf den Hals gehetzt, aber nur mit Pansy Parkinson im Schlepptau fühlte er sich dazu scheinbar zu schwach.
Immer noch kichernd zogen sie sich ihre Schulroben an, als der Zug auch schon im Bahnhof von Hogsmeade einfuhr.
Vor einem Jahr hatte Harry vergeblich auf Hagrids Ruf gewartet, der die Erstklässler zu sich beorderte. Aber heut war wieder alles wie früher, die grollende aber dennoch weiche Stimme ertönte über den Köpfen der Schüler. Die Kleinen stiefelten hinter dem Halbriesen her, um mit den Booten über den See zu fahren und die Großen stiegen in die Kutschen ein, die von den Thestralen in das festlich erleuchtete Hogwarts gezogen wurden.


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