Kapitel 14

„Ich freue mich zwar sehr für euch, aber ich bin müde", unterbrach Lavender den Freudentaumel.
"Ja ich auch, wir können ja morgen noch feiern", stimmte Parvati ihr zu. Beide stiegen, ohne die ihnen hinterher gerufenen Proteste zu beachten, in ihren Schlafsaal hinauf.
"Man feiert die Feste wie sie fallen", ließ sich Hermine als einziges Mädchen in ihren Lieblingssessel plumsen. „Schließlich ist das auch wieder ein Triumph gegenüber der ollen Umbridge."
"Ok, dann lass uns mal in der Küche nachschauen, ob es was Leckeres zu essen gibt", schlug Ron vor und forderte Harry mit einem Zwinkern auf, seinen Tarnumhang zu holen.
"Hermine, du kannst ja mal nachschauen, ob Ginny und Katie schon schlafen. Falls nicht, sollen sie mit runterkommen", sagte Harry, als er mit dem silbrig schimmernden Stoffteil wieder im Gemeinschaftsraum erschienen war und gemeinsam mit Ron Richtung Portraitloch ging.
Hermine, die den beiden zwar einen Blick der Empörung hinterher warf, ob der Tatsache, dass sie mal wieder die Hauselfen ausnutzten, stieg dennoch die Treppen zu den Schlafsälen hinauf, um die beiden Mädchen zu holen. Bei Ginny war sie sich ziemlich sicher, dass sie auf alle Fälle mitfeiern wollte, egal ob sie schon schlief.
Aber auch Katie ließ es sich nicht zweimal sagen, nachdem Hermine und Ginny sie nach mehreren Versuchen doch noch wach gerüttelt hatten.
Mittlerweile waren auch Harry und Ron aus der Küche zurück und traten mit beladenen Armen in den Gemeinschaftsraum. Stürmisch wurde Harry von seinen beiden Jägerinnen umarmt, die sich nur ihre Morgenmäntel übergeworfen hatten und sich gerade die Neuigkeit am Schwarzen Brett durchlasen. Eilig rückten die Anwesenden alle Sessel an den prasselnden Kamin und machten es sich bequem.
"Auf dass wir in diesem Jahr alle Spiele gewinnen", hob Ron sein Butterbier und prostete in die Runde.
„Erstmal abwarten, was wir für Neuzugänge kriegen", klopfte Katie ihm besänftigend auf die Schulter.
"Aber immerhin haben wir mindestens noch vier Leute mit Spielerfahrung, Slytherin braucht außer Malfoy die gesamte Mannschaft neu, sonst sind alle abgegangen", wiegelte auch Ginny ihre Chancen ab.
"Wieso habt ihr nur vier Leute?", sah Seamus fragend in die Runde. „Ihr braucht doch nur einen Jäger."
"Nun ja, Kirke und Sloper waren ja nicht grad die Kracher im letzten Jahr", verzog Harry nachdenklich sein Gesicht. „Sie sind zwar in der Mannschaft, aber wir wollen, dass sie sich beim Auswahltraining neu beweisen müssen. Allerdings weiß ich nicht wirklich, wie ich es den beiden erklären soll", hob er hilflos die Schultern.
"Das wird sich alles zeigen, wenn es soweit ist. Wirst schon sehen", beruhigte Ginny ihn, die scheinbar auch keine echte Idee hatte.
"Genau! Lasst uns jetzt darüber kein Trübsal blasen, wir sitzen hier um zu feiern", ging Dean dazwischen und ließ Luftschlangen aus seinem Zauberstab hervorschießen.
"Was feiert ihr denn", wurden sie von einer Erstklässlerin in einem hellblauen Nachthemd mit kleinen fliegenden Hexen drauf herumgerissen.
Bianca stand mit strubbeligem Haar im Treppenaufgang zu den Mädchenschlafsälen und rieb sich heftigst die Augen.
"Oh Kleine, waren wir zu laut? Haben wir dich geweckt?", ging Hermine auf sie zu.
"Nein nein, keine Angst. Ist nicht eure Schuld, dass ich wach bin. Ich muss nur mal auf die Toilette und da hab ich gehört, dass hier unten noch was los ist. Und? Was feiert ihr nun?" hakte sie noch mal neugierig nach.
"Harry darf wieder Quidditch spielen. Er wurde im letzten Jahr von der blö ….. von einer Lehrerin, die jetzt zum Glück nicht mehr an der Schule ist, aus dem Team geworfen", erklärte Hermine.
"Oh cool. Ich komme hoffentlich auch mal in die Hausmannschaft, aber ich will erst ab dem dritten Schuljahr. Gegen meinen Bruder will ich nicht spielen, der wurde nämlich heute als Jäger ausgesucht", erzählte Bianca voller Stolz, was Harry und Ron nur mit einem abweisenden Blick honorierten, da sie es auch endlich begriffen hatten, dass es sich bei Biancas Bruder um einen Slytherin handelte.
"Weißt du wer sonst noch im Team ist?", fragte Harry dennoch interessiert, um sich schon mal ein Bild der fiesesten Gegner zu machen.
"Ich kenn doch die Namen nicht, aber die sahen irgendwie ziemlich mies gelaunt aus, als ich sie vom Feld kommen sah. Bis auf ein Mädchen alles nur Jungs", antwortete Bianca entrüstet.
"Das ist normal", winkte Ginny ab. „Du wirst die Slytherins nur lachen sehen, wenn sie sich über jemanden lustig machen."
"So und nun geh wieder ins Bett", gab Hermine Bianca einen freundschaftlichen Klaps und schob sie Richtung Schlafsaal.
"Ich glaube wir sollten alle in die Betten verschwinden", schlug Neville nach einem Blick auf die Uhr vor.
"Oh ja, du hast Recht Neville. Ich werd aber noch schnell einen Aushang machen und den Termin für das Auswahltraining verkünden. Was meint ihr, würde nächste Woche Montag passen?", wandte sich Harry an seine Teammitglieder.
"Lieber gleich am Samstag", schlug Katie vor. „Dann können wir am Montag gleich mit dem richtigen Training beginnen. Hoffentlich ist das Quidditchfeld noch frei."
"Das wird sich regeln lassen, der Samstag ist lang. Die genaue Uhrzeit kann ich ja noch nachreichen, wenn ich mit McGonagall gesprochen hab", stimmt Harry zu, während er mit Ron und Dean die Sessel wieder an ihre Plätze schob. Er fühlte sich schon jetzt verantwortlich für seine Mannschaft, obwohl er noch gar nicht offiziell zum Mannschaftskapitän ernannt wurde, aber ihm reichte die Zustimmung seines Teams. Er war sich ganz sicher, dass sie ihr Angebot nicht zurück nehmen würden.
Nachdem er den Zettel an das Schwarze Brett gepinnt hatte, ging auch Harry als letzter ins Bett.
Voller Genugtuung zog er die Vorhänge zu und seine Decke bis an die Nase. Doch einschlafen konnte er nicht. Zu aufgewühlt war er, den Kopf voller Ideen, was er anders als seine Vorgänger machen wollte. Wie in aller Welt sollte er seinen Treibern beibringen, dass auch sie sich neu bewerben sollten, ohne sie zu verletzen. Immerhin waren sie sicher nicht ganz unbeteiligt am Gewinn des Pokals im letzten Jahr, auch wenn sie nicht die Glanzleistungen vollbracht hatten, die Ginny und Ron vorgelegt hatten.
Während hinter den anderen Vorhängen das gleichmäßige Atmen von Schlafenden zu hören war, wälzte sich Harry in seinem Bett herum. Das leise Schuhuhen der Eulen hallte durch die Nacht, hier und da ein Knacken aus dem Verbotenen Wald, wahrscheinlich von Grawp verursacht.
Langsam fiel er in einen unruhigen Schlaf.

Es stand 150:20 für Slytherin. Höhnisch grinste Malfoy Harry an.
„Na Potter, wer von uns beiden hat nun das Top-Team?"
Wieder ging ein Tosen durch die Reihen der Slytherins. Beide Klatscher zielten auf Harry, der sich im letzten Moment wegducken konnte, als er den kleinen Goldschimmer am anderen Ende des Feldes entdeckte. Wieder und wieder kreuzten die Jäger der Slytherins seine Bahn auf dem Weg zur Erlösung. Wenn er jetzt den Schnatz fangen würde, dann hätten sie gewonnen. Aber er müsste ihn jetzt fangen, noch bevor sie ein weiteres Tor schossen.
Malfoy schien abgehängt zu sein, als plötzlich das Blitzen in einer Hand verschwand, die nicht dem Sucher gehörte. Zabini, diese Ratte hatte es sich gewagt, die Spielregeln zu verletzen und zu aller Anwesenden Erstaunen gab Madam Hooch das Spiel als gewonnen.
Wutentbrannt schrien die Gryffindors, unterstützt von den Ravenclaws und Hufflepuffs. Flüche flogen über das Quidditchfeld, selbst die Eulen stürzten sich auf die Spieler und hackten auf sie ein.
Verzweifelt flog Harry zu Madam Hooch um sie zur Rede zu stellen, das war seine Pflicht als Mannschaftskapitän. Doch sie ließ nicht mit sich verhandeln. „Slytherin hat den Schnatz, also hat Slytherin gewonnen", waren ihre Worte.
"Komm Harry, das ist doch alles sinnlos, lass uns in die Kabine gehen", zog ihn jemand an der Schulter nach hinten. „Harry. Harry …"

"Harry, nun wach schon auf, verdammt noch mal." Ron rüttelte mit Leibeskräften an seinem Freund bis er endlich die Augen öffnete. „Los aufstehen, es ist schon spät. In einer halben Stunde beginnt der Unterricht. Was hast du eigentlich für Zeug geträumt, schien ja heftig zu sein."
Mit einem Satz sprang Harry aus seinem Bett und schlüpfte in seine Klamotten.
"Das sag ich dir, wenn das passiert, dann jag ich mir selbst nen Fluch auf den Hals. Slytherin hat uns im 1.Spiel geschlagen, aber nicht Malfoy hatte den Schnatz sondern Zabini und die Hooch hat das Spiel als gewonnen gegeben und dazu hatten wir auch noch einen haushohen Punkterückstand", erzählte Harry Ron von seinen wilden Träumen und musste dabei schon fast grinsen über soviel Blödsinn.
Im Gemeinschaftsraum drängten sich die Schüler um Harrys Spielergesuch. Wild gestikulierend malten sich schon ein paar Drittklässler ihre große Quidditchkarriere aus, geleitet unter Harry Potter, dem jüngsten Sucher des Jahrhunderts.
Ohne sich weiter um die Schüler zu kümmern, schlichen sie am Schwarzen Brett vorbei, um schleunigst in die Große Halle zu kommen.
"Harry, kannst du mal kurz warten?" Andrew und Jack hielten ihn an, was ihm ziemlich ungelegen kam, da er ziemlichen Hunger hatte und nicht mehr viel Zeit zum frühstücken war.
Stammelnd standen die beiden vor Harry und Ron, dabei war es Harry, der sich Gedanken über die richtigen Worte machte.
"Nun … wir, ich meine, ich ... und auch Jack sind ja nur in die Mannschaft gekommen, weil sich niemand anderes gefunden hat. Also ich meine, wenn du … also, wenn wir nicht gut genug sind …" stotterte Andrew mehr in sich hinein, als dass er es zu Harry sagte.
"Gut dass ihr das auch …"
Harry gab Ron einen heftigen Stoß in die Seite.
"Ihr habt alle euer bestes gegeben im letzten Jahr, aber wenn ihr das so seht, dass ihr nicht gut genug wart, dann nehmt ihr eben wieder an der Auswahl teil. Und falls sich doch niemand besseres findet, dann bleibt ihr aber in der Mannschaft! Versprochen?", kamen Harry die Worte ganz leicht über die Lippen, als ob er sie geübt hätte. „Dürfen wir jetzt gehen? Wir haben nämlich noch kein Frühstück gehabt."
„Oh ja, na klar. Danke Harry, ist echt ne faire Chance", hob Andrew zum Abschied die Hand.
"Sag mal, du wolltest ihnen doch nicht etwa auf die Nase binden, dass wir uns darüber auch schon Gedanken gemacht haben, wenn sie schon von allein auf die Idee kommen?", fragte Harry Ron, während sie durch die Gänge in die Große Halle hechteten.
"Tut mir Leid. Hast das aber echt gut hingekriegt, alle Achtung. Bist wirklich die beste Wahl als Kapitän", besänftige Ron ihn aber sofort wieder.
Eilig hasteten sie in die Große Halle, wo nur noch vereinzelte Schüler saßen, die sich teilweise auch schon wieder mit den letzten Schularbeiten vor Unterrichtsbeginn befassten.
Auch der Lehrertisch war bis auf McGonagall leergefegt, die ihnen einen missbilligenden Blick zuwarf.
Ohne es genießen zu können, schlangen sie Rührei mit trockenem Toast herunter. Ron verbrüte sich am Kaffee, der trotz ihrer Verspätung noch immer kochend heiß war. Prustend kühlte er sich mit einem Glas Kürbissaft den Mund.
"Wieso seid ihr denn heute Morgen so spät, wenn ich fragen darf?", stand McGonagall plötzlich hinter ihnen, was Harry veranlasste, sich auch noch zu verschlucken.
Abwinkend und nach Luft ringend, drehte er sich um, um ihr hustend eine Entschuldigung entgegen zu stammeln, dass es gestern doch etwas spät geworden sei.
"Professor McGonagall, wir wollen am Samstag unser Auswahltraining machen. Könnten sie uns das Quidditchfeld reservieren?", brachte er trotz seiner Atemnot hervor.
"Ich werde sehen, was sich einrichten lässt. Ihr solltet euch beeilen, in zehn Minuten beginnt der Unterricht", ermahnte sie die beiden und ging flinken Schrittes aus der Großen Halle.
In Windeseile war der Vormittag herum, selbst zu Verwandlungen kamen sie diesmal nicht zu spät, was wahrscheinlich allein der Tatsache zu verdanken war, dass alle Gryffindors außer Hermine und Lavender, die Freistunde davor gemeinsam verbrachten.
Nach dem kargen Frühstück am Morgen schlugen sich Harry und Ron die Bäuche voll, als hätten sie seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen.
Ungläubig wurden sie von den anderen Gryffindors angestarrt.
"Auf uns kommen wohl schlechte Zeiten zu?", fragte Seamus sarkastisch.
Mit nachdenklichem Blick sah Hermine ihn an und entgegnete: „Da könntest du Recht haben."
„Wie meinst du das jetzt?", ließ Neville erschrocken sein Besteck fallen.
"Ach nein, mit dem Essen hat das nichts zu tun. Aber solange Voldemort noch unter uns ist, können wir nunmal nur von einer heilen Welt träumen."
Betroffen legten nun alle ihr Besteck nieder, Harry schluckte schwer und starrte auf seinen Teller.
Noch eben war alles in Ordnung und von einer Sekunde auf die andere, war er in die Realität zurückgeholt worden.
Voldemort – der Zauberer um den sich alles drehte, der Zauberer, der soviel Unheil gebracht hatte, der Zauberer, den Harry, und nur Harry, töten musste, wenn er nicht gerade selbst von ihm erledigt werden würde.
„Ich hab keinen Hunger mehr", erhob sich Harry vom Tisch, ohne jemanden anzuschauen, und lief aus der Großen Halle.
"Harry, warte!", lief Hermine ihm hinterher. „Was hast du denn auf einmal?"
Er sah sie mit verschwommenem Blick an und schüttelte nur den Kopf.
Hermine konnte die Unruhe nicht deuten, die sich gerade den Weg durch Harrys Kopf bahnte. Keiner von seinen Freunden wusste von Harrys Bestimmung. Niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, welche Last er mit sich tragen musste. Es gab nur eine handvoll Leute, die darüber Bescheid wussten. Wussten sie es wirklich? Jedes Detail?
„Ich kann es dir nicht sagen. Noch nicht", flüsterte Harry mit erstickter Stimme.
Hermine sah ihm in die Augen, als ob sie darin erkennen konnte, was Harry bedrückte.
Immer hatte er ihr alles gesagt, ihr seine Sorgen anvertraut. Zumindest dachte Hermine, dass das Harrys einzige Probleme waren, die er ihr mitgeteilt hatte. Wieviel wusste sie wirklich von dem Jungen, mit dem sie nun schon seit 5 Jahren nach Hogwarts ging, mit dem sie den halben Sommer verbracht hatte, der einer ihrer besten Freunde hier war?
Sie kannte seine Sorgen um Sirius und seine Eltern, die Probleme, die er bei seinen Verwandten hatte und auch von den Problemchen mit anderen Mädchen. Die Sache mit Snape war auch nicht zu übersehen, genauso wenig der Disput, der zwischen den Slytherins und Harry war, aber das war eher ein Problem, das die ganze Schule betraf. Die Umbridge war auch aus dem Weg geräumt, genauso wie ihre hirnverbrannten Anordnungen, die das gesamte Miteinander über den Haufen geworfen hatten. Aber was war es dann, was so an Harry nagte, dass er noch nicht mal mit ihr darüber reden wollte? Und vor allem, wieso kam es so plötzlich?
Hermine, die sonst nie um eine Lösung verlegen war, war ratlos. So zermartert wollte sie Harry nicht in die nächste Doppelstunde gehen lassen, ein Professor Snape würde nur noch ein Häufchen Elend zurücklassen.
"Mach dir keine Sorgen, es geht mir gut", kam von Harry ein kläglicher Versuch Hermine die Sorge um ihn abzunehmen. „Ich hatte nur schon lange nicht mehr an die momentane Situation gedacht, fast schon vergessen, worum es eigentlich geht."
Dennoch sah Hermine ihn misstrauisch an. Aus ihrem Kopf wollte die Aussage nicht verschwinden, die ihr offenbart hatte, dass es mindestens noch ein Geheimnis um Harry gab.
„Na komm, lass uns zurück zu den anderen gehen. Ich glaube ich habe doch noch Hunger", zwinkerte Harry ihr zu.
"Oh Harry, gut dass ich dich treffe", kreuzte Luna ihren Weg. „Sag mal, was wird eigentlich aus der DA?" Sie riss ihre ohnehin schon großen Augen noch weiter auf und sah ihn, eine Antwort erwartend, an.
"Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Ich habe auch zur Zeit erstmal genug zu tun, um meine Quidditchmannschaft aufzustellen", antwortete Harry mit abwiegelnder Geste.
"Du darfst wieder Quidditch spielen? Das ist ja toll", freute sich Luna mit ehrlicher Begeisterung.
"Ja, darf ich", bestätigte Harry nochmals voller Freude. „Ich melde mich bei euch allen, wenn ich wieder etwas mehr Luft habe. Ich würde mich schon freuen, wenn ihr alle weiter mit mir arbeiten wollt."
"Als wenn das eine Frage wäre, Harry", reagierte Luna erschüttert. „Nur durch dich sind wir alle so gut durch die Prüfungen in Verteidigung gekommen. Also, man sieht sich", flanierte sie auch schon wieder weiter Richtung Bibliothek.
Als Harry und Hermine die Große Halle wieder betreten wollten, kamen ihnen die anderen Gryffindors schon entgegen.
"Auch gut, dann ess ich eben doch nichts mehr", machte Harry auf den Hacken kehrt, um mit allen in den Gemeinschaftsraum zu gehen.
"Und, alles klar?", klopfte Dean Harry auf die Schulter.
"Alles klar, zumindest im Moment. Das kann sich in den nächsten zwei Stunden schon wieder ändern", antwortete er, wohlwissend dass sie gleich bei Snape Unterricht haben würden.
Hermine ließ ihn bei keiner seiner Gesten aus den Augen, in der Hoffnung, dass er nicht wirklich so gefasst war, wie er vorgab und vielleicht doch noch verriet, was ihn bedrückte.
Gemeinsam mit Parvati und Dean machten sie sich auf in die Kerker, begleitet von mitleidigen Blicken der Freistündler, die es sich am Kamin bequem machten um in aller Ruhe ein paar Hausaufgaben zu erledigen.
„Lasst euch nicht so fertig machen", rief Seamus ihnen hinter her, obwohl alle ziemlich genau wussten, dass sich Snape fast ausschließlich auf Harry fixiert hatte.
"Wir doch nicht! Wir sind Gryffindors!", scherzte Dean zurück und klappte das Portrait hinter sich zu.
Als sie den Zaubertränkekerker betraten, bemerkten sie sofort, dass sie einen Fehler gemacht hatten, als sie mit den anderen in den Gemeinschaftsraum gegangen waren. Diese Stunde würden sie alle Vier einzeln sitzen, ohne einander die kleinste moralische Unterstützung geben zu können. Der einzige Trost war, dass niemand neben Malfoy sitzen musste, der hatte sich mit Pansy Parkinson in der ersten Reihe breit gemacht, so dass die Hufflepuffs, die zu beiden Seiten saßen, ziemlich beengt arbeiten mussten.
Hermine setzte sich wieder neben den dritten Slytherin, der Harry von seinen Aalaugen abgegeben hatte.
Erleichtert ließ sich Harry neben Ernie Macmillan nieder, den er ja schon sehr gut von den DA-Treffen kannte.
Die beiden Stunden verliefen diesmal relativ ruhig, Harry hatte auf den Test der letzten Stunde sogar sein erstes ‚A' von Snape bekommen, obwohl er sich sicher war, dass er, wenn er Malfoy heißen würde, dafür wenigstens ein ‚E' bekommen hätte.

o°o°o

"Bis nachher", verabschiedete sich Harry von Hermine, die nach Zaubertränke noch eine Stunde Arithmantik hatte.
"Potter, einen Moment bitte", hielt McGonagall ihn an. „Ich habe das Quidditchfeld für Freitagnachmittag reservieren können. Der ganze Samstag war schon belegt, es sei denn ihr wollt morgens um 6 Uhr loslegen. Ab 16 Uhr gehört es euch, ich erwarte nur das Beste", sah sie ihn erwartungsvoll über ihre Brillengläser an.
"Oh, so kurzfristig? Na gut, wenn sich nicht so viele melden, oder die Auswahl eher mies ist, dann machen wir am Montag zum regulären Training weiter. Wir kriegen das schon hin, wäre doch gelacht." Eilig gingen Harry und Ron in den Gemeinschaftsraum, wo Harry sofort den neuen Zeitpunkt am Schwarzen Brett bekannt gab.
Ebenso eilig notierten die ersten Schüler, die schon Schulschluss hatten, auf kleinen Zettelchen oder in ihren Magischen Notizbüchern diesen Termin, was Harry mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm. Je mehr Interessenten es gab, desto größer war die Chance den Rest des Teams auch noch mit Spitzenleuten zu besetzen.
Nur noch ein Tag, dann war die erste Woche schon wieder geschafft. Für Harry und Ron war es mit vier Stunden der kürzeste Tag der Woche und das auch noch mit angenehmen Fächern. Auch wenn Kräuterkunde nicht gerade das Lieblingsfach war, so waren die Stunden bei Prof. Sprout doch eher als erholsam anzusehen.
In den letzten beiden Stunden ging es zu Hagrid. Voller Erwartungen gingen die Sechstklässler hinunter zu Hagrids Hütte, in der Hoffnung, dass sie wieder das Einhornfohlen besuchen würden.
Aber der Halbriese hatte sich für heute etwas anderes überlegt, mit der Begründung, dass das Kleine und seine Mutter ihre Ruhe brauchen.
"Wie geht es denn den Beiden?", fragte Parvati im Interesse der ganzen Klasse. Mit großen Augen sahen alle Hagrid gespannt an, auf eine positive Nachricht wartend.
"Nu, der Kleinen geht es sehr gut, springt jetzt schon allein rum. Die Mutter is noch sehr schwach, weiß nich ob se sich noch erhol'n wird", antwortete er erst freudig und dann betrübt.
Ein Raunen ging vor allem durch die Reihe der Mädchen, die Hagrid beinahe auf die Pelle rückten um ihn doch noch zu überzeugen, dass sie hingehen würden.
"Nein, heut geht's nicht. Was wir heut mach'n is wichtiger, damit er uns vertraut", zog Hagrid eine große Kiste mit viel Stroh herüber.
"Und was ist da drin?", fragte Padma Patil neugierig und reckte den Kopf nach vorn.
Hagrid wühlte derweil im Stroh und grummelte vor sich hin. Dieses Etwas schien sich immer tiefer zu verstecken. Endlich zog er eine zottige Gestalt hervor, die um die Haare sich kaum vom Stroh unterschied.
Das Wesen versuchte sich krampfhaft in Hagrids Maulwurfsfellmantel zu verstecken.
"Ist das ein Porlock?", fragte Hermine aufgebracht.
"Richtig Hermine, is aber noch ein junger. Die erwachsnen könnt man gar nich zähmen."
Hagrid hatte den Fellknäuel nun am Schlafittchen gepackt und hielt ihn der gesamten Klasse entgegen. Eine überdimensional lange Nase schaute an einer Stelle heraus, wo man demnach den Kopf vermuten konnte. Die dünnen Ärmchen ruderte wie wild umher, hatten jedoch keine Chance sich irgendwo festzukrallen.
"Wer von euch weiß was über den Porlock?"
Mehrere Arme schossen in die Höhe, darunter natürlich auch der von Hermine.
"Na dann schieß mal los", forderte er Lisa Turpin auf.
"Der Porlock ist ein Pferdehüter. Durch seinen Pelz und seine struppigen Haare, kann er sich gut im Stroh verstecken. Er bewacht ausschließlich Pferde und ist Menschen gegenüber sehr misstrauisch", rasselte sie die Antwort im Hermine-Stil herunter.
"Ganz genau, dafür gibt's von mir 5 Punkte", zwinkerte er, noch immer mit dem sich gebärdenden Fellmuff kämpfend, der zierlichen Lisa zu.
"Und du denkst, dass wir ihn zähmen können? Wofür?", stellte Hermine die berechtigte Frage.
"Man kann alles zähmen", war Hagrid voll von sich überzeugt, was die meisten mit einem Grinsen bedachten, vor allem Harry und Ron, die noch mehr über seine Vorlieben Bescheid wussten, als alle anderen zusammen.
Dass Hagrid die zweite Frage nach dem Wofür nicht beantwortete, schienen die wenigsten zu bemerken. Aber auch Hermine hakte nicht noch einmal nach, sie wusste zu gut, dass es ein längeres Unterfangen werden würde.
"Ich frag mich ernsthaft wozu er den braucht", flüsterte sie deshalb Harry zu und sah ihn dabei stirnrunzelnd an.
"Ich weiß es auch nicht, Pferde haben wir doch keine", bekundete auch er seine Ratlosigkeit.
"Wir haben aber Einhörner", schien Hermine eine Ahnung zu haben.
"Meinst du der Stute geht es schlechter, als er uns erzählen will?" Harry zog die Augenbrauen nach oben und sah Richtung Hagrid, der nicht annähernd so locker wirkte wie sonst.
"Genau das meine ich", sah sie ihn traurig an.
Beide hatten sie schon einmal ein totes Einhorn gesehen und die Trauer und den Zorn von Hagrid miterlebt. Auch wenn es diesmal kein Fremder war, der das Tier auf dem Gewissen hat, so würde es dennoch ein großer Verlust sein.
Natürlich waren sie in den ersten Stunden dem Porlock keinen Schritt näher gekommen. Kaum trat jemand an die Kiste, schon verkroch er sich tief in sein Strohnest, in das ihn Hagrid zurückgesetzt hatte.
Aber das war allemal besser, als wenn er ihnen eine unberechenbare Bestie vorgesetzt hätte, an die sich niemand auch nur einen Schritt heran gewagt hätte. Dieses Ding, mit dem keiner etwas anfangen konnte, biss wenigstens nicht.
"Wochenende!", schlugen Harry und Ron mit ausgestreckten Händen ein, als sich nach der Stunde alle Richtung Schloss begaben.
"Meinetwegen können wir nach dem Essen sofort zum Quidditchfeld gehen. Erst mal sehen, ob ich meinen Besen überhaupt noch unter Kontrolle hab", scherzte Harry und ließ angewidert den Löffel zurück in die Schüssel vor sich fallen, die sich gerade mit gebratener Leber gefüllt hatte und die er für den Tod nicht ausstehen konnte. Zum Glück gab es in Hogwarts immer genug Auswahl an Essen, so dass er sich lieber an das knusprige Hühnchen hielt.
Während sich die anderen zum Unterricht begaben oder ihre Hausaufgaben machten, schnappten sich Harry und Ron ihre Besen und schwirrten direkt aus der Eingangshalle hinaus an die frische Spätsommerluft. Ohne auch noch die letzten Meter zu laufen, flogen sie zum Quidditchfeld hinüber, schließlich wollten sie keine kostbare Zeit verschenken.
Unendliches Glück durchzog Harry, der seit fast einem Jahr nicht mehr geflogen war, als er hoch oben über die Länderein blickte.
Eine Gruppe Schüler wanderte zu den Gewächshäusern hinter der Schule und eine andere ging an den Rand des Verbotenen Waldes zu Hagrids Hütte, wo er ihnen scheinbar auch die Kiste mit dem völlig verängstigten Porlock zeigte.
Auch auf dem Quidditchfeld traf eine kleine Gruppe von Schülern ein. Hufflepuff-Erstklässler, die heute ihre erste Flugstunde absolvieren sollten.
Madam Hooch winkte Harry und Ron zu sich herunter und ohne ein Wort der Ermahnung, bat sie die beiden, den Fluganfängern doch ein paar Kunststückchen vorzuführen.
Unter lauten Oh's und Ah's drehten sie weitere Runden und Harry legte sogar einen astreinen Wronskibluff hin.
"Soweit kommt ihr auch alle, wenn ihr schön fleißig übt und immer meinen Anweisungen folgt", diktierte sie den staunenden Kindern, die noch immer mit ihren am Boden liegenden Besen gen Himmel starrten.
"Ok, ist vielleicht doch besser, wenn wir erstmal das Feld räumen, nicht dass die sich zu viel von uns abschauen, das sind schließlich unsere potentiellen Quidditchgegner", witzelte Harry zu Ron und setzte schließlich zur Landung an.
Immer wieder sahen sie zur Uhr, nur um ja nicht den Termin für das Auswahltraining zu verpassen. Das war allerdings sowieso nicht möglich, denn der Gemeinschaftsraum füllte sich zu vorgerückter Stunde immer mehr mit besenbewaffneten Gryffindors, die alle gewillt waren mit Harry in einer Mannschaft zu spielen.
"Na dann lasst uns starten", schlug Katie vor, die als letzte aus dem Unterricht gehetzt kam.
Ein Riesenpulk von aufgeregt schnatternden Schülern bewegte sich durch die Gänge. Harry sammelte auch noch die letzten Bummelanten ein zählte über die Köpfe hinweg schon mal durch. Es mussten an die zwanzig Bewerber sein, die heute alle ihr Bestes geben wollten.
Immer wieder trafen sie auf kleine Grüppchen schwatzender Leute, die ihnen neugierig hinterher schauten. Auch Hermine war unterwegs, scheinbar mit ihren neuen B.Elfe.R.-Mitgliedern.
Angeregt unterhielt sie sich mit jemandem, der Harry den Rücken zudrehte. Der stand mit scheinbar verschränkten Armen und wippte auf den Fußballen auf und ab. Auch Bianca strahlte ihn an und machte scheinbar Witze über die die ganze Runde lachte.
Hermine hatte von dem ganzen Treiben scheinbar gar nichts mitbekommen, so sehr war sie in ihr Gespräch vertieft. Harry verlangsamte sein Tempo und blieb lauschend hinter einer Statue stehen. Noch immer hatte er nicht Hermines Gesprächspartner erkannt, am Umhang konnte man rein gar nichts erkenne, denn der war einfarbig schwarz.
„Komm doch mit uns mit", hörte Harry Hermine vorschlagen. „Wir wollen in die Küche zu den Hauselfen."
„Oh ja, bitte bitte, komm mit. Das wird bestimmt lustig", klatsche Bianca begeistert in die Hände.
Entsetzt wich Harry zurück, als sich alle umdrehten und in seine Richtung liefen. Es war dieser Slytherin, Biancas Bruder. Sie konnte Harry ja verstehen, aber was in aller Welt hatte Hermine mit ihm zu schaffen? Und dann unterhielten sie sich auch noch, als wären sie die besten Freunde und nicht eine Gruppe Gryffindors und der Hausfeind Nr.1 Slytherin. Hatte Hermine wirklich vergessen, was das für Typen waren? Wie kann sie nur auf so einen reinfallen?
Grübelnd verließ nun auch Harry die Eingangshalle. Von den aufgeregten Gryffindors war längst nichts mehr zu sehen, wahrscheinlich saßen die längst auf ihren Besen und versuchten einer besser zu sein als der andere.


Sorry dass es diesmal so lange mit dem neuen Kapitel gedauert hat :o) Danke an meine treuen Leser schon mal im Voraus, dass ihr so brav gewartet habt.