Eine schwierige Mission
von nici1807

Disclaimer: Nichts aus dem Harry Potter Universum, was ihr wieder erkennt, gehört mir, sondern JKR und Warner Bros. (und wer da sonst noch seine Hand aufhält). Die kleine Wusch gehört der Familie Hohlbein, die hoffentlich nichts dagegen hat, dass ich sie mir ausgeliehen habe. Ich verdiene kein Geld mit dieser Story und werde Alles nach Gebrauch wieder zurückgeben. Lediglich die Handlung und die erfundenen Figuren, Orte und Gegenstände gehören zu meinem geistigen Eigentum.

Ich bedanke mich bei CallistaEvans, Little Nadeshiko, Maria3261102, McAbe, Angel-of-Mystic und MomoSnape die ein Review hinterlassen haben und auch bei denen, die es (sicherlich) nur vergessen haben! Eine Runde Butterbier und Kekse für alle!

Bevor es losgeht, wie immer ein riesiges Dankeschön an meine Beta CallistaEvans! Ohne sie wäre mein Geschreibsel nur halb so schön lesbar!
Solltet Ihr aber trotzdem noch Rechtschreibfehler etc. finden, dürft Ihr sie gerne behalten ;-)

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!!


Kapitel 7 – Nächtliche Besucher

„Ich finde es total nett von dir, dass du über Weihnachten auf Harry aufpassen willst, Sarah", sagte Emma nun schon zum dritten Mal innerhalb einer Stunde.
Es war der letzte Abend vor den Weihnachtsferien und Emma packte ihren Koffer, während die Freundin auf ihrem Bett saß und den kleinen Kater Merlin hinter dem Ohr kraulte. „Ich würde ihn ja mitnehmen, aber Mutter meint, das wäre nicht gut für Stevies Asthma."
„Das geht schon in Ordnung, Emma. Ich passe gerne auf Harry auf. Er und Merlin verstehen sich doch ganz gut. Außerdem habe ich dann ein wenig Gesellschaft."

Tatsächlich sah es so aus, als wäre Sarah die einzige Ravenclawschülerin, die Weihnachten im Schloss verbringen würde. Nicht, dass Sarah diese Tatsache gestört hätte. Im Gegenteil. Sie hatte sich für die Ferien viel vorgenommen und freute sich schon darauf, ein bisschen Ruhe zum Nachdenken zu haben.
„Sag mal", fing Emma wieder an, während sie ein paar Pullover in ihren Koffer packte, „warum fährst du nicht auch nach Hause? Deine Eltern würden sich sicher freuen, dich zu sehen, oder?"
Die Miene der schwarzhaarigen Ravenclaw verfinsterte sich augenblicklich. Sie hatte lange tapfer gegen die Tränen angekämpft und versucht, nicht an ihre Eltern zu denken. Jetzt schaffte sich es aber nicht länger und fing an hemmungslos zu schluchzen.
„Hey, was ist denn los?" Emma setzte sich erschrocken neben ihre Freundin und legte ihr tröstend einen Arm um die Schulter. „Habe ich etwas Falsches gesagt?"
Sarah schüttelte den Kopf.
„Hier", Emma zog ein Taschentuch aus ihrer Umhangtasche, „es ist ganz sauber."
Dankbar nahm Sarah das Taschenbuch und putzte sich die Nase.
„Es ist schon in Ordnung. Geht schon wieder", versuchte sie Emma zu überzeugen. Ihr Gesicht drückte aber das Gegenteil aus. „Meine Eltern – sie sind – tot", erklärte sie Emma stockend und wieder traten ihr Tränen in die Augen.

Emma blickte beschämt zu Boden. Warum sie ihre Freundin in all den Monaten nicht nach ihrer Familie gefragt hatte, konnte sie sich jetzt nicht mehr erklären.
Fettnapf mach dich bereit, ich komme, dachte sie sarkastisch. Sie nahm Sarah, die mittlerweile wieder schluchzte, in den Arm und versuchte sie zu trösten.
„Es tut mir Leid, Sarah. Ich hatte ja keine Ahnung. Hätte ich es gewusst, dann -"
„Lass mal. Du konntest es ja nicht wissen. Es ist nur – ich vermisse sie so sehr. Gerade jetzt, wo Weihnachten ist. Es ist nicht leicht. Aber ich schaffe es schon." Sarah versuchte tapfer zu lächeln und wechselte schnell das Thema. „Bevor du morgen fährst, muss ich dir noch etwas geben." Sie stand auf, ging zu ihrem Schrank und holte einen großen Stoffbeutel hervor.

„Hier, das ist für dich. Frohe Weihnachten, Emma." Sie überreichte Emma ein kleines, längliches, in goldenem Papier eingeschlagenes Paket. „Es ist nur eine Kleinigkeit. Nichts Besonderes. Und hier in der Tüte sind noch Süßigkeiten aus dem Honigtopf. Kannst du sie deinen Brüdern von mir geben?"
„Oh, Sarah." Emma fiel ihrer Freundin um den Hals. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."
„Wie wäre es, wenn du es erstmal auspackst. Wenn es dir nicht gefällt, dann kann ich es morgen noch umtauschen", grinste Sarah, die sich über Emmas Begeisterung freute und für einen Moment ihren Kummer vergaß.

Emma nickte, ließ sich auf ihr Bett fallen und packte das Geschenk auf.
Mit offenem Mund starrte sie die edle Schreibfeder und das verchromte Tintenfass in ihrer Hand an. „Mensch Sarah, das muss ja ein Vermögen gekostet haben. Das kann ich nicht annehmen!" Sie wollte Sarah die Sachen wieder zurückgeben, aber diese wehrte sie ab. „Behalte sie. Bitte! Es sei denn, sie gefallen dir nicht."
„Natürlich gefallen sie mir. Was denkst du denn?"
„Dann freue ich mich. Und damit du beruhigt bist: Die Sachen waren nicht so teuer und ich habe sie von dem Geld bezahlt, dass ich für die Nachhilfestunden bekommen habe. Terries Eltern haben noch einen kleinen Bonus obendrauf gelegt, weil seine Noten sich merklich verbessert haben."

Emma drückte ihre Freundin noch ein letztes Mal herzlich. Dann fuhren beide Mädchen damit fort, Emmas restliche Sachen in den Koffer zu packen.
Beide bemerkten nicht, dass sie dabei beobachtet wurden.

-o-

Wuscht saß, wie auch in den vergangenen zwei Nächten, in einer kleinen Nische draußen auf der Fensterbank und beobachtete die beiden Schülerinnen. Sie hatte sich fest in den Kopf gesetzt, Severus und Sarah zu verkuppeln. Und wenn Wusch sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog sie das auch durch – bis zum bitteren Ende. Gut, sie hatte zwischenzeitlich noch einmal über die Sache nachgedacht. Severus war mehr als doppelt so alt wie Sarah und er war ihr Lehrer. Eine Liebesbeziehung zwischen Schülerin und Lehrer war in der Menschenwelt ein Tabu. Das hatte auch Wusch mittlerweile eingesehen. Aber wenn sie es schon nicht schaffen würde, dass die beiden sich verliebten, dann wollte sie doch zumindest, dass sie viel Zeit miteinander verbrachten und vielleicht Freunde wurden. Wusch spürte, dass Severus unbedingt einen solchen gebrauchen könnte.

„Ich finde es total nett von dir, dass du über Weihnachten auf Harry aufpassen willst, Sarah", hörte Wusch das eine Mädchen sagen.
Na, das ist doch schon mal eine gute Ausgangsposition, dachte die Flederratte zufrieden. Sarah blieb also über Weihnachten im Schloss. Wusch wusste, dass Severus ebenfalls in der Schule blieb. Das tat er jedes Jahr. Und jedes Jahr hatte er über Weihnachten schlechte Laune. Severus mochte Weihnachten nicht. Das ließ er Wusch, die sich jährlich vergeblich bemühte durch ein paar gesammelte Mistelzweige und Nüsse das Heim weihnachtlicher zu gestalten, auch deutlich spüren. Doch dieses Jahr könnte es vielleicht anders sein. Dieses Jahr würde Severus die Feiertage vielleicht in netter Gesellschaft verbringen.
Wusch widmete sich wieder dem Gespräch der beiden Mädchen.
Was sie als nächstes hörte und sah, machte die kleine Flederratte sehr traurig: Sarah weinte. Warum weint Sarah, dachte Wusch. Sie war einen Moment so in ihre Gedanken versunken gewesen, dass sie dem Gespräch im Zimmer nicht ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Sie lauschte weiter. Was sie nun hörte, versetzte ihr einen Stich im Herzen: Sarahs Eltern waren tot. Sie war ein Waisenkind, genauso wie sie selber. Wusch konnte nachempfinden, wie Sarah sich fühlte. Ganz alleine auf der Welt, ohne Vater und Mutter zu leben, war kein schönes Gefühl. Das Mädchen tat ihr unendlich leid. Die Flederratte wollte gerade abheben und ins Zimmer flattern, um Sarah zu trösten, als sie sah, wie das andere Mädchen eben dieses scheinbar mit Erfolg übernahm. So blieb Wusch in ihrem Versteck und beobachtete weiter.

-o-

Severus Snape saß an diesem Abend alleine in seinem Wohnzimmer unten im Kerker und las ein Buch. Er hatte keine Ahnung, wo Wusch sich wieder herum trieb, aber es war ihm egal. Er genoss die Ruhe, die ihn umgab. Wohltuende Ruhe, die nur ab und an vom Knistern des Feuers unterbrochen wurde.
Severus liebte solche Momente. Momente, in denen er nichts zu tun hatte. Momente, in denen er abschalten und einfach nur er selbst sein konnte. Momente, die nur ihm alleine gehörten. Momente, die leider auch viel zu selten waren.
Die Schüler waren vor ein paar Stunden offiziell in die Ferien entlassen worden und würden morgen früh mit dem Hogwarts Express zurück nach London fahren. Dann würde es für zwei Wochen still werden in den alten Gemäuern. Zwei Wochen Ruhe, die nur vom Weihnachtsfestessen in der Großen Halle unterbrochen würden. Eine lästige Pflicht für Severus, der er sich aber nicht entziehen konnte. Der Schulleiter bestand auf seine Anwesenheit. Dies hatte er ihm vorhin nach dem Abendessen nochmals in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben. Severus wusste, dass er gegen Albus Dumbledore keine Chance hatte und fügte sich – wie jedes Jahr.

Seufzend klappte Severus das Buch zu, legte es auf den kleinen Beistelltisch neben dem Sessel und beschloss heute früh schlafen zu gehen.

-o-

Wusch wurde es langsam ungemütlich. Leichter Schneefall hatte eingesetzt und die Fensterbank in eine rutschige Bahn verwandelt. Jedes Mal, wenn die kleine Flederratte sich zu sehr bewegte, rutschte sie ab und hatte Mühe sich in der Luft zu fangen, um schnell wieder zurück zu ihrem Beobachtungspunkt zu gelangen. Sie wusste nicht, wie lange sie noch dort sitzen bleiben sollte und ob sich das Warten noch lohnte. Wie es aussah, hatten die beiden Mädchen dort drinnen in dem gemütlichen, warmen Schlafsaal ihren Spaß. Sie lachten und alberten herum und schienen das Gespräch von vorhin schon wieder verdrängt zu haben.
Wusch wollte gerade in den verbotenen Wald fliegen, als Sarahs Freundin aufstand. Emma - Wusch hatte herausgefunden, dass Sarahs Freundin so hieß - verkündete, dass sie noch ein wenig runter in den Gemeinschaftsraum gehen wollte, um mit Harry zu spielen. Wusch, die keine Ahnung hatte, ob Harry ein Junge oder etwas anderes war, beschloss noch ein wenig auszuharren. Vielleicht würde dieses Spielen ja länger dauern und vielleicht würde sie ja noch mit Sarah reden können.

-o-

Nachdem Emma das Zimmer verlassen hatte, gähnte Sarah ausgiebig. Der Tag war, wie die ganzen letzten Wochen, sehr anstrengend gewesen. Sie freute sich auf ein paar ruhige Tage zum Ausspannen. Heute würde sie früh schlafen gehen und Emma morgen früh zum Zug bringen. Anschließend wollte sie in Hogsmeade noch ein paar Einkäufe erledigen und sich dann ganz dem Weihnachtstrubel hingeben.

Sie suchte nach ihrem Pyjama und verschwand im Badezimmer ohne ihren kleinen Verfolger zu bemerken. Zum Glück für diesen lehnte sie die Badezimmertür nur an und verschwand dann in der Duschkabine.

Als Sarah aus der Dusche trat, erschreckte sie. Im gegenüberliegenden Wandspiegel sah sie, dass oben auf der Stange des Duschvorhangs ein kleines schwarzes Etwas saß. Das Spiegelbild – durch den heißen Wasserdampf etwas verzerrt – ließ die kleine Gestalt furcht erregend erscheinen und Sarah zuckte kurz zusammen. Doch plötzlich hatte sie eine klare Vorstellung, wer der kleine Besucher war.

„Hallo Wusch, wie geht es Dir?", fragte Sarah, wickelte sich in ein großes flauschiges Handtuch und drehte sich zu der Flederratte um.
„Hi Sarah! tschuldigung, dass ich dich erschreckt habe. Ich wollte dich nur mal besuchen kommen."
„Ist schon in Ordnung, Wusch. Ich freue mich, dass du da bist. Was gibt es denn Wichtiges? Oder hattest du nur gerade Langeweile und wolltest dich hier aufwärmen?"
Wusch zögerte. Was für einen Grund konnte sie angeben, dass sie spät abends im Badezimmer einer Schülerin aus Ravenclaw auftauchte? Dass sie eben diese seit Tagen schon beobachtet hatte, konnte sie ja schlecht erzählen. „Ach, du warst schon ein paar Tage nicht mehr im Kerker. Und da wollte ich mal hören, ob etwas passiert ist. Severus hat dich vermisst."
Sarah lachte. „Soso, Severus – ähm, ich meine Professor Snape hat mich also vermisst. Hat er das gesagt?"
Die kleine Flederratte schüttelte zögernd ihren kleinen Kopf.
„Habe ich mir schon gedacht. Also Wusch, was ist der wirkliche Grund?"
„Naja, also ich … du … du hast mir gefehlt", stotterte Wusch und fügte auf Sarahs ungläubigen Blick noch schnell hinzu: „Wirklich! Und Severus auch. Das kannst du mir glauben!"
„Das erste glaube ich dir, aber, dass Professor Snape mich vermisst hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ausgerechnet Professor Snape, der ewig schlecht gelaunte Eigenbrödler soll eine Schülerin vermissen? Wusch, das kann nicht dein Ernst sein!"
„Doch, das ist es. Aber wenn du mir nicht glaubst: Bitte! Dann eben nicht." Die kleine Flederratte versuchte ihre überdimensional großen Flügel vor ihrer Brust zu verschränken und wandte Sarah trotzig den Rücken zu.

Sarah zuckte mit den Schultern und griff nach ihrem Zahnputzbecher. „He Wusch. Jetzt sei doch nicht eingeschnappt. Ich habe es doch nicht so gemeint."
Doch die Flederratte blieb zunächst stur.
„Ich freue mich, dass du da bist, Wusch. Ehrlich", versuchte Sarah die Flederratte während des Zähneputzens zu überzeugen.
Plötzlich erklang ein lauter, schriller Schrei gefolgt von einem geräuschvollen Wackeln des Duschvorhangs und einem anschließenden lauten Platschen. Sarah fuhr herum. Was sie sah, ließ sie in schallendes Gelächter ausbrechen. Wusch war anscheinend von der Duschstange geplumpst und kopfüber in die Toilette gefallen. Momentan versuchte sie sich ziemlich umständlich wieder an die Oberfläche zu kämpfen. Sarah wollte ihr zu Hilfe eilen, aber Wusch schrie: „Geh weg! Fass mich nicht an. Bleib da stehen!"
Sarah hatte keine Ahnung, was los war. Wäre die Flederratte in ihrem Stolz gekränkt, wenn Sarah ihr helfen würde? Stumm sah sie Wusch zu, wie diese sich ächzend auf die Klobrille fallen ließ.

„Wie lange noch?", fragte Wusch, als sie wieder zu Luft gekommen war.
„Wie lange was?", fragte Sarah.
„Na, wie lange du noch zu leben hast."
Sarah sah sie irritiert an. Was war denn nun los?
„Du bist krank, Sarah. Warum hast du nichts davon gesagt. Wenn du mich fragst, dann hast du Tollwut. Das ist tödlich, weißt du?!"
Sarah hob fragend eine Augenbraue, sagte aber nichts.
„Du hast überall Schaum vor dem Mund! Komm mir nicht zu nahe."
Langsam dämmerte es dem Mädchen. Sie griff grinsend nach einem Handtuch und wischte sich über den Mund. „Siehst du, Wusch", sagte sie dann, „alles wieder in Ordnung. Das war nur Zahnpasta."
Die kleine Flederratte blickte das Mädchen skeptisch an. Der Schaum war tatsächlich verschwunden. Aber die Erklärung - konnte sie die glauben? Na gut, von Zahnpasta hatte sie schon mal gehört. Severus hatte ebenfalls so eine Tube im Bad stehen. Sie zögerte noch einen Moment, flog dann aber doch auf den Rand des Waschbeckens, wo Sarah mittlerweile eine Phiole mit einer grünen Flüssigkeit hingestellt hatte. Wusch beobachtete, wie Sarah etwas Wasser in den Becher laufen ließ und dann vorsichtig drei Tropfen der grünen Flüssigkeit hinein tröpfelte.
Vielleicht hat sie doch Tollwut und das ist eine Medizin, die die Symptome unterdrücken soll. Wusch beobachte weiterhin skeptisch, wie das Mädchen ein paar Worte murmelte und dann den Becher austrank.
„Kein Wort davon zu niemandem. Hast du das verstanden, Wusch?"

Wusch nickte und folgte Sarah aus dem Bad in dem Schlafraum. Ein Fauchen und ein durch die Luft fliegendes schwarzes Wesen ließen Wusch zitternd auf den Himmel von Sarahs Bett flüchten.
„Merlin!", rief Sarah. „Lass das! Komm her."
Nach mehrmaligem guten Zureden durch Sarah ließ der kleine Kater schließlich von der Flederratte ab und lief zu Sarah. Diese nahm das Fellknäuel auf den Arm und streichelte es zur Beruhigung.
„Es ist in Ordnung, Wusch", sagte Sarah, „Du kannst wieder runterkommen. Merlin tut dir nichts."
„Dieses Monster hat einen Namen?" In Wuschs Stimme klang Unglauben.
„Das ist kein Monster, das ist ein Kater, Wusch. Er ist normalerweise ganz lieb und tut keinem etwas. Also komm schon runter. Ich halte Merlin fest."
Die kleine Flederratte schien überredet und segelte etwas ungeschickt auf das Kopfkissen. Sarah setzte sich mit Merlin auf dem Schoss in einen bequemen Sessel, der am Fenster stand.
„Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, richtig: Ich war im Bad und du hast mich besucht. Den Grund für deinen Besuch weiß ich allerdings immer noch nicht…", begann Sarah nach einem kurzen Moment der Stille, die nur durch Merlins Schnurren unterbrochen wurde.
„Ich wollte dich fragen, ob du über Weihnachten hier im Schloss bleibst", sagte Wusch.
„Ja, ich bleibe hier. Warum fragst du?", antwortete Sarah etwas verwundert. Warum sollte Wusch wissen wollen, ob sie im Schloss blieb oder nach Hause fuhr?

Wusch befand sich nun schon wieder in der prekären Lage, eine glaubhafte Antwort geben zu müssen.
„Ich dachte nur, dass du uns dann vielleicht mal besuchen kommen könntest", sagte Wusch vorsichtig und beobachtete dabei besorgt die Reaktion des Mädchens.
Sarah klappte der Mund nach unten, fasste sich aber schnell wieder.
„Euch besuchen? Wie kommst du darauf, dass ich euch besuchen komme, Wusch? Ich denke, ich werde Professor Snape um Erlaubnis bitten, das Labor zu nutzen, ja. Aber mehr auch nicht. Professor Snape ist mein Lehrer, Wusch. Nicht mehr und nicht weniger", erklärte Sarah.
„Ja, ich dachte ja nur. Weil Severus doch immer so melantropisch ist. Gerade jetzt, wo Weihnachten ist. Vielleicht könntest du ihm ein bisschen Gesellschaft leisten."
„Melantropisch?", fragte Sarah ungläubig und Wusch nickte heftig.
„Meinst Du vielleicht Melancholisch?"
„Dann eben auch Metankolisch. Ganz wie du meinst. Auf jeden Fall sieht er immer total traurig und nachdenklich aus", erwiderte Wusch und fügte leise hinzu: „Ich glaube, ihm fehlt ein Freund."

Ein Freund? Professor Snape brauchte einen Freund? Und Wusch dachte dabei an sie? Ausgerechnet an sie? Wie sollte Sarah es nur erklären. Sie konnte diesem kleinen Würmchen da auf ihrem Bett ja schlecht sagen, dass sie, Sarah, wohl der letzte Mensch war, den Snape sich als Freund wünschte. Und sie hatte sicherlich auch andere Prioritäten, wenn es um Freundschaften ging. Sie hatte doch selber schon genug Probleme. Sie hatte absolut keine Energie, um Seelsorger für einen Menschen zu spielen, der darauf wahrscheinlich gar keinen Wert legte. Außerdem sprachen sie gerade über Professor Snape, der so gesellschaftsfähig wie ein knallrümpfiger Kröter zu sein schien. Sarah musste sich innerlich schütteln. Ausgerechnet sie sollte eine Freundschaft zu Snape aufbauen?
Ganz weit hinten in ihrem Kopf erklang eine leise Stimme, die Sarah erklären wollte, dass das alles Unsinn war, was sie da gerade gedacht hatte.

„Nun?", fragte Wusch vorsichtig. „Kommst du?"
Sarah schreckte aus ihren Gedanken hoch. Die leise Stimme war immer lauter geworden und hatte langsam das Kommando übernommen.
„Ich überlege es mir, Wusch. Ok?", sagte Sarah und gähnte. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mich jetzt hinlege? Ich bin total müde."

Wusch, die mittlerweile so aussah, als ob sie bis über beide Ohren strahlte, flatterte vom Kissen hoch und landete auf dem Fensterbrett.
„Schlaf gut, Sarah. Ich freue mich schon, wenn du Weihnachten zu uns kommst." Sarah seufzte. Sie hatte nichts versprochen, aber sie hatte auch nicht mehr die Energie, die scheinbar glückliche Flederratte davon zu überzeugen.
„Aber kein Wort zu Severus! Wir wollen ihn doch überraschen. Er trinkt übrigens gerne Rotwein …", rief Wusch und flatterte dann in die dunkle Nacht hinaus.
Er wird sicher begeistert sein, wenn ich bei ihm auftauche, dachte Sarah und legte sich aufs Bett. Das wird er ganz bestimmt.

-o-

„Mum! Dad! Nein!"
„Es tut uns Leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Ihre Eltern den Unfall nicht überlegt haben. Wir konnten nichts mehr für sie tun."
„Nein! Das kann nicht sein. Vor ein paar Stunden war doch noch alles in Ordnung. Sie lügen! Sie lügen."
Das Mädchen schlägt mit ihren Fäusten gegen die Brust des Arztes. Was er sagte, konnte einfach nicht sein. Ihre Eltern sind nicht tot. Sie leben.
„Miss, es tut mir Leid."
„N E I N!"
Zwei starke Arme packen sie an den Schultern und halten sie fest. Langsam beruhigt sie sich, schluchzt aber weiter. Die Arme ziehen sie an einen Körper. Sie atmet einen vertrauten Duft ein und kuschelt sich in die wollige Wärme, die der Körper ausstrahlt. Eine Hand streicht ihr durchs Haar.
„Shh, nicht weinen. Alles wird gut. Ich bin bei dir. Alles wird gut." Wie ein Mantra spricht der Mann, in dessen Armen sie liegt, immer wieder diese Worte.
Langsam wird ihr Atem ruhiger. Ihre Beine zittern. Sie weiß, wenn er sie jetzt losließe, könnte sie sich nicht halten.
Der Mann scheint das zu spüren. Er zieht sie auf die kleine Besucherbank an der Wand, hält aber den Körperkontakt aufrecht. Sie hebt den Kopf, will ihrem Tröster danken und blickte in zwei dunkle, warme Augen, die sie intensiv beobachten. Sie blickt in die Augen von Severus Snape.

„NEIN !"

„Sarah? Sarah, wach auf?" Emma rüttelte besorgt an Sarahs Schulter, die sich unruhig im Schlaf hin und her wälzte und schrie.
Langsam erwachte Sarah und öffnete die Augen. Sie war schweißgebadet und ihr wurde augenblicklich kalt.
„Du zitterst ja", meinte Emma besorgt. „Ist alles in Ordnung?"
Sarah nickte abwesend. Langsam kam ihr der Traum wieder in Erinnerung. Sie dachte über dessen Inhalt nach. Sie kannte den Traum – nein, es war eigentlich eine Erinnerung. Die Erinnerung an das wahrscheinlich schrecklichste Erlebnis ihres Lebens. Sie hatte dieses Erlebnis wieder und wieder im Schlaf durchlebt. Doch dieses Mal war der Traum anders gewesen. Normalerweise hatte er immer so geendet, dass eine Schwester herbeigeeilt kam, ihr eine Beruhigungsspritze gab, und sie dann irgendwann alleine in einem kalten, sterilen Raum mit weißen Wänden aufwachen würde. Warum nicht auch diesmal? Warum hatte der Traum diesmal ein anderes Ende? Hatte das was zu bedeuten? Warum von allen Menschen auf dieser Welt, war es ausgerechnet Severus Snape gewesen, der da in ihrem, in diesem Traum auftauchte?

„Sarah? Was ist mit dir? Sag doch was!", Emma klang nun mehr als beunruhigt, ja fast panisch. „Soll ich Madam Pomfrey holen?"
„Nein, bloß nicht. Es geht schon wieder, Emma. Ich habe nur – ich hatte einen Albtraum. Nichts Besonderes."
„Einen Albtraum? Worüber denn?"
„Keine Ahnung, kann mich nicht mehr erinnern. Wie spät ist es denn?" Sarah gähnte und zog sich die wärmende Decke bis zum Kinn hoch. Ihr war immer noch furchtbar kalt. Eine schweißnasse Haarsträhne klebte an ihrer Wange und sie schob sie hinter ihr Ohr.
„Gleich halb vier", antwortete Emma, nachdem sie einen Blick auf die Uhr geworfen hatte.
Sarah nickte. „Dann solltest du dich wieder hinlegen, Emma. In fünf Stunden fährt dein Zug ab." Emma warf ihrer Freundin einen misstrauischen Blick zu, drehte sich dann aber um und ging auf Zehenspitzen wieder zu ihrem Bett. Auch sie zitterte und versuchte der Kälte des Bodens so wenig Angriffsfläche wie nur möglich zu bieten.
„Emma?", fragte Sarah.
„Ja?"
„Danke!"
Emma sah ihre Freundin irritiert an. „Wofür?"
„Dafür, dass du mich geweckt hast", antwortete Sarah. „Schlaf gut."
Emma lächelte sie an und kuschelte sich dann in ihr Kissen. Kurze Zeit später deutete das leise gleichmäßige Atmen Sarah an, dass Emma wieder eingeschlafen war.

Sarah jedoch machte in dieser Nacht kein Auge mehr zu. Der Traum hatte sie zu sehr aufgewühlt. Sobald sie die Augen schloss, sah sie die Augen ihres Professors vor sich und hörte seine leise, wohltuende Stimme in ihrem Kopf. Gleichzeitig spürte sie ein leichtes Kribbeln in ihrer Bauchgegend, das dort nicht sein sollte, nicht sein durfte.

Leise stand sie auf, suchte sich ein paar wärmende Sachen aus ihrem Schrank und ging hinunter in den verlassenen Gemeinschaftsraum. Die Hauselfen waren anscheinend gerade mit dem Putzen fertig geworden und hatten ein neues Feuer entfacht.

Sarah nahm ihr Tagebuch und machte es sich in einem großen Ohrensessel vor dem Kamin gemütlich. Doch sie konnte sich nicht aufs Schreiben konzentrieren. Da waren viel zu viele Dinge, die ihr im Kopf rumschwirrten und über die sie erst gründlich nachdenken musste.


-TBC-

Eigentlich sollte dies das Weihnachtskapitel werden. Aber irgendwie hat das nicht sollen sein. Zum einen hatte ich sehr viel zu tun und bin nicht richtig zum Schreiben gekommen. Zum anderen wollte ich die Szene mit Wusch und Sarahs Traum nicht kürzen. Dafür haben die Sachen mir zu gut gefallen. Wenn ich die Geschehnisse rund um Weihnachten noch dazu geschrieben hätte, wäre das Kapitel zu lang geworden und Ihr hättet auch noch länger warten müssen.
Deshalb habe ich mich für diese Variante entschieden. Dafür gibt es aber auch (noch) keinen weiteren Cliffhanger…
Ich hoffe, es gefällt Euch so.

Liebe Grüße
Nici

P.S. Nicht vergessen auf den kleinen Knopf da unten zu drücken, ok?!?!? Vielleicht bekomme ich ja diesmal mehr als sechs Reviews… ;-)