2. Kapitel

Erinnerungen II


Severus saß am Tisch im Eßzimmer, die dritte Tasse Kaffee in der Hand, er aß die Reste seines Butterbrötchens und stocherte in dem mittlerweile erkalteten Rührei herum. "Wann war ich das letze Mal so tief in meine Gedanken versunken?", fragte er sich und schob den Teller beiseite. Wirli sah, dass ihr Meister heute wohl fertig mit dem Frühstück war und ließ alles außer dem Kaffee in die Küche verschwinden. Wenn Severus Snape so in Gedanken war, ließ man ihn am besten alleine.

Severus ging zur Couch am Kamin und setze sich mit einem Seufzer nieder. Er schaute aus dem
Fenster, draußen hatte es begonnen zu schneien, dicke Schneeflocken in einem immergrößer werdenden Tempo und er schloß kurz die Augen und dacht wieder an....

"Nürnberg"... er wußte es noch, als ob es gestern gewesen ist.
Es war das Jahr nach seinem Schulabschluß in Hogwarts. Er saß in seiner Studentenbude in Oxford und war gerade in eine Erstausgabe von "Höchstpotente Zaubertränke" vertieft, als eine große braune Eule am Fenster Einlaß suchte. Etwas überrascht öffnete er der beharrlichen Eule das Fenster, nahm ihr die Pergamentrolle vom Bein ab, gab ihr ein paar Eulenkekse und Wasser und ließ sie bei seinem Raben auf der Stange ausruhen.

Er brach das Siegel und entrollte einen Brief von Hubert von Tränkewein, der ihm mitteilte, dass er ihm am 01. August 1979 in Nürnberg im "Kesselbräu", dem Verbindungsstück der Nürnbergschen Muggelwelt mit der Zaubererwelt, erwarten würde, um ihn dort abzuholen. Er war für sein privates Studienjahr angenommen worden. Von einem Lehrmeister, von dem er wußte, dass er in einem Zeitraum von 50 Jahren bisher nur 3 Studenten für eine Ausbildungszeit überhaupt angenommen hatte und er war der vierte. Severus war beeindruckt.

Gut er wußte, dass er gut war, aber er hatte seinen neuen Meister auch davon überzeugen müssen. Seine Forschungen um den Wolfsbanntrank mit einer Recherche bis ins Mittelalter waren seine Auszeichnung gewesen. Slytherinmäßig hatte er den größten Teil der Arbeit mit Texten aus Frankreich, Italien und Rumänien belegt, die Zeugnis über die Herkunft des Trankes gaben und alle ihren Ursprung im Mittelalter hatten. Damit hatte er Hubert von Tränkewein wohl restlos überzeugt, ein vorzüglicher Student für "Meisterhafte Zaubertränke des Mittelalters" zu sein. Also stand dem nichts mehr im Wege.

Plus durch die Nutzung eines Zeitumkehr-Trankes hatte er die Möglichkeit gehabt die Zeit vom 01.09.1978 bis zum 01.07.1979 doppelt zu nutzen und dieser Zeitraum ermöglichte ihm seinen Abschluß als Zaubertrankmeister. Ein Auslands-studium und dazu noch in einem solch außergewöhnlichen Thema war etwas Besonderes und brachte besondere Anerkennung in der Branche. Ja, er war immer gut gewesen, auch im Experimentieren und Erforschen, aber auch im Recherchieren. Das kam ihm natürlich voll zugute und so hatte er seinen Meistertitel bereits nach 2 Jahren in der Tasche. In der Tat er war der jüngste Zaubertrankmeister, um den die Zauberwelt wußte.

Severus grinste in sich hinein. Das Streben nach Macht und Anerkennung, so was wird einem reinblütigen Zauberer wohl in die Wiege gelegt. Nicht umsonst erhielt auch er eine sehr fundierte Ausbildung in den Dunklen Künsten. Wohl mehr wie jeder andere in seiner Jugend. Als er als Schüler nach Hogwarts kam, kannte er schon mehr Flüche, als mancher Schüler nachdem er die Abschlußprüfungen hinter sich hatte.

Und Severus griff sich an seinen linken Unterarm, wo er immernoch das Mal spürte, ein Gefühl,das seinen Körper durchströmte, etwas das ihn bis zum letzten Atemzug verfolgen würde. Einen Moment lang war er abgelenkt und dachte daran wie es dazu kam, dass er, Severus Snape ein Todesser wurde, sich Tom Vorlost Riddle alias Voldemord, anschloß.

Wann genau hatte er diesen Entschluß gefaßt, diese Entscheidung getroffen, mit Konsequenzen, mit denen er als 19 Jähriger damals rechnete?
Ja, er hatte es aus Überzeugung getan. Aber aus einer ganz anderen heraus, als jeder vermutete.

Severus ging ins Bad um seinen Kaffee loszuwerden. Für jede Tasse Kaffee kamen nun mal drei heraus und nachdem er ins Wohnzimmer zurückgekehrt war, rief er Wirli zu sich und beauftragte ihn, ihm eine Kanne Tee zu bringen und ein paar Weihnachtsplätzchen. Mit einem "Plopp"verschwand der Elf, um in magischer Eile mit dem Gewünschten wieder aufzutauchen.

Nachdem er sich den ersten Spritzgebäckkringel in den Mund gestopft hatte, kehrte Severus in seinen Gedanken wieder in die Zeit vor 25 Jahren zurück.
Er erinnerte sich an den Tag vor der Abreise.

Er hatte den größten Teil seiner Habseligkeiten, die aus mehreren schwarzen Roben und anderen Kleidungsstücken und aus einigen Büchern bestanden, bereits geschrumpft und in den Schrankkoffer verfrachtet, als ihm die Idee kam noch schnell in die Winkelgasse zu apparieren, um noch einige Federkiele und Pergamentrollen zu besorgen. Er wunderte sich über sich selber, da er sonst nie dorthin ging, es sei den zu Florish &Botts oder um Zaubertrankzutaten zu besorgen. Manchmal streunte er auch in der Nokturngasse rum, wenn er etwas Ausgefallenes oder Illegales für sein Studium oder seine Arbeit benötigte.

Als er bei "Buch&Kunst" an der Kasse stand, fiel sein Blick auf einen Stapel gebundener Notizbücher in Leder. Als der Verkäufer den fragenden Blick seines Kunden sah, teilte er ihm mit, das dies "Ledergebundene Tagebücher der Magischen Buchbindergilde in Vilnius" seien und dass diese sehr beliebt bei den Hexen und Zauberern in Litauen waren. Alle waren selbstverständlich mit Anti-Schmutz und Anti-Tintenauslauf-Zaubern versehen und mit einem besonderen Persönlichkeits-Geheimnis-Verwahr-Zauber für den diese Bücher bekannt waren. Das hatte sein Interesse geweckt.

Der Zauberer an der Kasse teilte ihm weiter mit, dass die Besonderheit darin bestand, das dass Tagebuch ein magisches Band mit demjenigen einging, der zuerst in das Buch hineinschreiben würde. Nur dieser könne es öffnen, das Geschriebene lesen und weiter darin schreiben. Es war auch in der Lage, Bilder, die mit dem Zauberstab eingefügt wurden, zu verwahren. Alles was das Tagebuch beeinhaltet würde sich nur dem Schreiber offenbaren und der PersönlichkeitsGeheimnis-Verwahrzauber konnte nur durch diesen aufgehoben werden durch eine Art "Fingerabdruckkontrolle". Der Inhalt würde auch für einen Nebenstehenden nicht ersichtlich sein, es sei denn, er würde durch den "Lese-Erlaubnis-Zauber" dazu ermächtigt.

Severus war beeindruckt, Verwandlung in Verbindung mit Zaubersprüchen war nie sein bevorzugtes Schulfach gewesen und die Idee für dieses eine Jahr ein Tagebuch zu schreiben war verlockend und so hatte er ein in terrakottafarbenes Ledertagebuch mitgenommen.

Das Tagebuch. Wo hatte er eigentlich dieses Tagebuch? Und wieso dachte er gerade heute, gerade jetzt daran? Die Weihnachtsplätzchen. Sie hatten die Erinnerung daran hervorgerufen. In dem Tagebuch standen nicht nur die Ereignisse dieses Jahres drin sondern auch besondere Zaubertrankrezepte und etwas, was sich niemand vorstellen konnte: verschiedene Rezepte für Weihnachtsplätzchen und Lebkuchen. Eine Tradition die in Nürnberg bis ins Mittelalter zurückging und das Zubereiten und genaue Abmessen der Gewürze und Zutaten für diese Leckereien hatte ihn schon damals an das Zubereiten von Zaubertränken erinnert. Ja... er würde mit Wirli zusammen versuchen, einige dieser Rezepturen zum Leben zu bringen.

Aber wo war das Tagebuch???