„Wir müssen einkaufen gehen," bemerkte Diane eine Woche später mitten bei „Wer wird Millionär?". „Ich brauche noch einige Sachen für die Schule." Diane hielt es für klüger, den Namen „Hogwarts" zu vermeiden und sprach deshalb immer nur von „der Schule".

„Du hast schon eine komplette Ausrüstung für Smeltings bekommen. Ich sehe nicht ein, was du noch brauchst!" Vernon Dursley wandte die Augen nicht vom Bildschirm.

„Aber, Dad." Diane hatte beschlossen den „ich-bin-doch-deine-liebe-kleine-Tochter"-Tonfall anzuwenden. „Ich brauche andere Bücher und eine Schuluniform und sonst noch so einige Dinge." Wieder unterließ Diane es, direkt Dinge, die mit Zauberei zu tun hatten, ins Spiel zu bringen. „Außerdem war ich schon so lang nicht mehr in London."

Das stimmte allerdings, ihr letzter Trip in die City war schon über drei Wochen her.

„London, ja?", schnaubte Vernon Dursley. „Und wo, glaubst du, bekommen wir in London diesen ganzen Quatsch? Sollen wir einfach bei Harrods oder Selfridges reinspazieren und nach einer Ausrüstung für Hogwarts fragen?"

Mr. Dursley hoffte mit diesem Argument seiner Tochter den entscheidenden Schlag versetzt zu haben. Und wenn sie keine Ausrüstung bekam, wer weiß, vielleicht würde sie dann doch noch nach Smeltings gehen. Doch leider wurde seine Hoffnung bitter enttäuscht.

„Auf der Liste mit der Ausrüstung steht, dass sich alle Kinder aus Muggel-, ähhh, normalen Familien, mit ihren Eltern bei einer Buchhandlung treffen sollen. Von dort aus werden wir zu den passenden Geschäften geführt", konterte Diane.

„Gehen wir Daddylein? Bitteeee!" Bevor Vernon Dursley nun energisch erklären konnte, dass er bestimmt nicht nach London fahren würde um in irgend so ein – oder gar mehrere – seltsames Geschäft zu gehen, mischte sich Petunia in die Diskussion ein.

„Natürlich mein Schatz, wir fahren mit dir nach London – zumindest ich werde es tun!", setzte sie mit einem Seitenblick auf ihren Mann hinzu.


Die Familie Dursley stand vor dem Schaufenster einer großen Londoner Buchhandlung und wartete schweigend. Vernon Dursley hatte sich doch entschieden mitzukommen, wechselte aber seither kaum noch ein Wort mit seiner Frau oder Tochter. Diane sah sich um und entdeckte noch fünf andere Kinder, die mit ihren Eltern auf irgendetwas zu warten schienen.

"Das müssen wohl meine zukünftigen Mitschüler sein." schloss sie insgeheim, doch bevor sie sie genauer taxieren konnte wurde ihre Aufmerksamkeit abgelenkt.

Der wohl größte Mann, den sie je gesehen hatte, war wie aus dem nichts aufgetaucht und steuerte nun auf die wartende Gruppe zu. Diane fand, dass er abstoßend aussah. Sein Gesicht war fast gänzlich von einer langen, zottigen Haarmähne und einem wilden, struppigen Bart verdeckt und erst seine Kleider, einfach grauenerregend. Auch Mr. und Mrs. Dursley hatten ihn entdeckt und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, erneut stiegen Erinnerungen an einen weiteren sehr unangenehmen Tag vor ca. 19 Jahren in beiden hoch.

„Komm, Petunia! Lass uns auf der Stelle gehen!" Mrs. Dursley nickte benommen. Doch bevor sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnten, hatte der Mann die Gruppe erreicht.

„Guten Morgen!", grüßte er fröhlich. „Sind sie die zukünftigen Hogwartsschüler und ihre Eltern? Ich bin Rubeus Hagrid, Hüter der Schlüssel und Länderein von Hogwarts und Lehrer für die Pflege magischer Kreaturen, ich freue mich – aber Mr. und Mrs. Dursley," unterbrach er seine Rede. „sie wollen doch nicht etwa gehen? Ist das nicht eine wundervolle Überraschung, dass ihre Tochter nun auch nach Hogwarts kommt? Wir müssen später im Tropfenden Kessel unbedingt auf unser Wiedersehen trinken", Hagrid versetzte Vernon einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter, dass der fast zusammenklappte. „So und jetzt gehen wir in die Winkelgasse!"

Wohl oder übel mussten sich die Dursleys der Gruppe anschließen, die nun auf ein kleines Lokal zusteuerte, das vorher noch keinem aufgefallen war. Über der Tür hing ein Schild „Zum tropfenden Kessel". Mr. Dursley fand, dass es sehr verkommen aussah, bestimmt kein Lokal, das er freiwillig betreten würde. Seine Meinung wurde bestätigt, als sie den Gastraum betraten, so viele seltsame Gestalten hatte er noch nie auf einem Haufen gesehen.

„Hey, Hagrid! Bringst du wieder die neuen Erstklässler mit ihren Eltern?", grüßte der Kerl hinter der Theke.

„Jupp, Tom. Und diesmal ist jemand ganz besonderes dabei. Du wirst nicht erraten wer!"

Tom besah sich die Gruppe kritisch und schüttelte dann ratlos den Kopf. Für ihn sahen die alle wie ganz normale Muggel aus. Hagrid grinste triumphierend und zog Diane nach vorne.

„Das ist Diane Dursley, sie ist die Cousine von Harry Potter!", verkündete er. Sofort war die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf Diane gerichtet, nur die Muggeleltern und ihre Kinder schauten sich ratlos an. Normalerweise hätte Diane das Interesse an ihrer Person außerordentlich genossen, doch mit ihrem asozialen Cousin Harry wollte sie nicht in Verbindung gebracht werden. Was würden die Leute nur von ihr denken?

„Harrys Cousine? Ist ja nicht die Möglichkeit! Ich wusste gar nicht, dass er eine hat, noch dazu eine Hexe – sehr erfreut sie kennen zu lernen, Miss Dursley, sehr erfreut." Tom schüttelte Dianes Hand enthusiastisch. Auch andere Hexen und Zauberer waren nun herangedrängt um Harry Potters Cousine näher in Augenschein zu nehmen. Den Dursleys war die ganze Sache sehr unangenehm. Zum Glück forderte Hagrid die Gruppe nun auf, ihm weiter zu folgen.

Im Hinterhof des Tropfenden Kessel angekommen konnte sich Vernon Dursley eine gehässige Bemerkung nicht verkneifen.

„Und hier sollen wir nun also einkaufen können. Ich bin beeindruckt", sagte er giftig.

Hagrid warf ihm einen düsteren Blick zu. „Nimm dich in Acht, was du sagst, Dursley. Du solltest langsam wissen, dass bei uns alles seine Ordnung hat – auch wenn dir diese Ordnung nicht gefällt." Vernon Dursley schnaubte verächtlich, beherrschte sich aber ansonsten.

Hagrid drehte sich um und öffnete den Eingang zur Winkelgasse. Nachdem die „Ahhs" und „Ohhs" abgeklungen waren (natürlich hatten sich die Dursleys unbeeindruckt bis verächtlich gezeigt), erklärte er: „Das ist die Winkelgasse. Hier können sie alles finden, was ein Zauberer oder eine Hexe braucht. Ich werde ihnen zuerst die wichtigsten Geschäfte und Einrichtungen zeigen, dann können sie selbst losziehen und nach Belieben einkaufen."


Eineinhalb Stunden später standen die Dursleys vor Gringotts. Wider Willen war Mr. Dursley von der Zaubererbank beeindruckt gewesen, das war doch etwas anderes als dieser Betonklotz von Bankfiliale in Little Whinging. Natürlich hatte er trotzdem genügend auszusetzen. Misstrauisch beäugte er die neuen Münzen in seinem Geldbeutel.

„Nun seht euch nur dieses seltsame Geld an. Wie soll ein Mensch damit zurecht kommen? Und das Umrechnungssystem – völlig undurchsichtig! Ich wette, wir sind beim Umtauschen kräftig übers Ohr gehauen worden! – Und wo gehen wir nun als erstes hin? Ich will hier keinen Moment länger bleiben als nötig!"

Plötzlich wurden die Dursleys von hinten angesprochen. Vernons schlimmste Befürchtungen wurden wahr.

„Onkel Vernon? Tante Petunia? Seid ihr es wirklich? Wie kommt ihr denn in die Winkelgasse?"

Die Dursleys drehten sich um und standen vor niemand anderem als ihr verhasster Neffe Harry. Weder Petunia noch Vernon brachten ein Wort heraus.

Auch Harry wusste nicht was er sagen sollte. Die Situation war einfach surreal. Petunia und Vernon Dursley KONNTEN nicht hier sein, nicht in der Winkelgasse. Schließlich ergriff Vernon das Wort. „Stell nicht so dumme Fragen, Harry. Natürlich sind wir es wirklich, wer sonst?" Er hatte beschlossen so zu tun, als ob es für ihn das normalste der Welt wäre, in der Winkelgasse einkaufen zu gehen.

Diane musterte Harry mit Interesse. Das war also dieser seltsame Cousin. Sah gar nicht mal schlecht aus. Nur die Haare waren so unordentlich, er sollte wirklich mal zum Friseur gehen. Aber die Narbe auf seiner Stirn, die war cool. Außerdem wurde er von einer ziemlich hübschen rothaarigen Frau begleitet. Diane schätzte die Kleidung der beiden ab. Nicht schlecht, alles in allem, konnte man sich mit diesem Cousin wohl sehen lassen. Also ergriff sie die Initiative.

„Hallo Harry, ich bin Diane, deine Cousine. Ich gehe ab September nach Hogwarts!"

Diane genoss den höchst irritierten Gesichtsausdruck ihres Gegenübers.

Schließlich hatte sich Harry wieder gefasst. „Hallo Diane, freut mich dich kennen zu lernen", krächzte er. „Schön, dass du auch nach Hogwarts gehen kannst. Du wirst sehen, es ist großartig da. – Übrigens Onkel Vernon, Tante Petunia, darf ich euch Ginny Weasley vorstellen, meine Verlobte!"

Die beiden Dursleys schluckten bei dem Namen Weasley, er war ihnen im Gedächtnis geblieben. Schließlich hatten sie ziemlich einprägsame Erinnerungen an Ginnys Vater und Brüder. Doch Ginny schien nichts zu bemerken, sie strahlte die Dursleys an.

„Freut mich sie kennen zu lernen, Mr. Dursley, Mrs. Dursley. Hallo Diane! Ist ja eine tolle Überraschung, dass du auch eine Hexe bist."

Diane war sich immer noch nicht sicher, ob sie diese Ansicht teilen konnte. Sie hatte sich zwar halbwegs mit dem Gedanken angefreundet eine Hexe zu sein, aber die Vorstellung so zu werden wie einige von den Freaks, die hier herumliefen war ihr dann doch zuwider. Zum Beispiel dieser Hagrid...

Ginny redete unterdessen munter weiter. Sie sprach über die Geschäfte in der Winkelgasse und welche davon die Dursleys unbedingt besuchen sollten. Harry war seiner Verlobten unendlich dankbar, dass diese die Unterhaltung alleine bestritt. Er hätte beim besten Willen nicht gewusst was er sagen sollte. Schließlich verabschiedeten sie sich von einander und die Dursleys steuerten auf Madam Malkins Anzüge für alle Gelegenheiten zu.


Harry sah den davoneilenden Dursleys nach und schüttelte den Kopf. „Ich kann es einfach nicht begreifen. Die Dursleys sind die größten Muggel, die es gibt. Und ausgerechnet ihre Tochter ist eine Hexe. Ich bin ja gespannt, wie sich Diane in Hogwarts macht. Was hältst du von ihr?"

„Ich weiß es nicht. Ihr Verhalten war etwas eigenartig. Oberflächlich betrachtet war sie sehr freundlich. Aber ich fand, sie hatte so was abschätzend-abschätziges im Blick. Na ja, wahrscheinlich ist sie einfach von der ganzen Situation überfordert. Du darfst nicht vergessen wer ihre Eltern sind."

„Habe ich auch nicht und genau deshalb mache ich mir Sorgen. Wenn sie auch nur ein bisschen wie Dudly ist..." Harry seufzte, er hatten seinen Cousin in „guter" Erinnerung behalten. Plötzlich fing er an zu grinsen. „Ich hätte zu gerne Onkel Vernons Gesicht gesehen, als der Brief aus Hogwarts gekommen ist. Es muss ein Bild für Götter gewesen sein."

Auch Ginny lachte. „Bestimmt war es noch faszinierender als dein Gesichtsausdruck eben."

„Du fandest meinen Gesichtsausdruck faszinierend?"

„Na ja, du hast nicht gerade intelligent aus der Wäsche geschaut. Diese Mischung aus Schock, Unglauben, langsamen Begreifen gepaart mit nicht-wahrhaben-wollen war einmalig."

„Mein Gesichtsausdruck unintelligent? Das kann nicht sein, ich kann nur intelligent schauen", erklärte Harry in gespielter Beleidigung.

„Aber natürlich, mein Schatz, aber natürlich", grinste Ginny. „Komm lass uns jetzt losziehen und das Babygeschenk für Hermine besorgen."

„Wie wäre es mit meinem Buch? So zur Abwechslung, sie hat so wenige..."

„Blödmann!"

Lachend machte sich das Pärchen auf den Weg.