Kapitelchen 3
Harry
spielte nur noch sehr selten Quidditch, doch ab und an schaffte er es
doch. Immerhin gehörte ihm, zusammen mit Ron, eine sehr
erfolgreiche Mannschaft, die sich immer sehr freute, wenn er
mittrainierte.
Harry
benutzte seinen Besen jedoch auch oft als Transportmittel, einerseits
weil er das Gefühl beim apperieren nicht besonders schätzte
und zum Zweiten, weil er das Fliegen noch immer liebte.
Manchmal
fragte er sich sogar, ob er nicht doch besser eine Quidditch-Laufbahn
eingeschlagen hätte, so wie Ron es getan hatte.
In
dem Augenblick, als er sein Geburtstags-Geschenk entdeckt hatte, war
diese Frage neu in ihm entbrannt und er starrte es mit weit
aufgerissenen Augen und aufeinander gepressten Lippen an.
„Ein
Feuerblitz xs 11", sagte Ron und strahlte Harry entgegen.
„Du
warst so begeistert von den xs 10ern, die du für die Mannschaft
bestellt hast. Da dachten wir, der wird dir noch mehr gefallen",
sagte Hermine erfreut von Harrys erstauntem Gesicht.
„Das
ist wirklich toll, ich danke euch", sagte Harry, fügte dann
jedoch im traurigen Ton etwas hinzu. „Aber ihr wisst, dass ich
bereits einen Besen habe."
„Aber
nicht so einen", sagte Ron etwas verzweifelt, als wäre Harry
von Sinnen und blickte seine Frau Hilfe suchend an.
„Du
brauchst deinen alten Feuerblitz ja nicht gleich als Feuerholz zu
benutzen", sagte Hermine kleinlaut.
Alle
Anwesenden wussten, dass Harry sehr an seinem Feuerblitz hing. Es war
das erste, größte und beste Geschenk seines Paten an ihn
gewesen.
„Darf
Dobby einen Vorschlag machen, Harry Potter, Sir?", kam es nun von
dem Hauselfen, den Harry fast vergessen hatte.
„Sicher",
sagte Harry, in der Hoffnung es würde ein brauchbarer Vorschlag
sein.
Er
wollte seinen Freunden nicht wehtun, indem er den Besen ablehnte,
aber er hing wirklich sehr an seinem alten, zugegebenermaßen in
die Jahre gekommenen Gefährt.
„Harry
Potters Besen ist sehr langsam geworden, nicht wahr Sir?", fragte
Dobby nun und schaute seinen Herrn erwartungsvoll an.
Harry
antwortete mit einem widerwilligen, lang gezogenen Ja.
„Sie
haben es selbst schon oft gesagt, Sir. Sie sind sogar manchmal
richtig böse gewesen deswegen, Sir", sagte Dobby, wohl in der
Hoffnung ein klareres Ja von Harry zu bekommen, doch augenscheinlich
auch recht ängstlich, weil er ihn so herausforderte.
„Schon
gut, schon gut, du hast ja recht", bekam er als Antwort.
„Harry
Potters Besen ist also nicht mehr schnell", stellte Dobby noch
einmal fest und blickte von einem zum anderen, als ob er
sicherstellen wollte, dass auch jeder verstanden hatte.
Beinah
hätte Harry ihn angefahren, dass er endlich auf den Punkt kommen
sollte, riss sich dann aber im letzten Moment zusammen, weil er
wusste wie empfindlich Dobby war. Stattdessen nickte er energisch, um
ihm zu zeigen, dass er ihm Recht gab und Hermine und Ron taten es ihm
nach.
„Aber
Harry Potters Besen ist noch immer so schön, wie am ersten Tag,
weil Sir ihn immer gut gepflegt hat. Dobby könnte ihn über
den Kamin hängen. Dann könnte ihn Harry Potter immer
anschauen, wenn ihm danach ist".
„Das
ist doch eine tolle Idee", rief Hermine begeistert.
Harry
überlegte einen Augenblick und sagte dann mehr zu sich selbst,
als zu den Anderen: „Lebe nicht in der Vergangenheit".
Zwar
war er noch nicht wirklich überzeugt, dass eine gute Idee war,
aber er wollte an seinem Geburtstag keine schlechte Stimmung
verbreiten und so erklärte er sich einverstanden mit der Idee.
„Dobby
muss noch die Küche aufräumen, Sir, danach wird er den
Besen gleich aufhängen", sagte Dobby daraufhin freudig und
verschwand in Richtung Haus Nr. 11.
„Jetzt
lass dich erstmal drücken", sagte Hermine, nachdem Dobby im
Haus verschwunden war und trat von Ron gefolgt auf Harry zu.
Sie
umarmte ihn stürmisch, drückte ihm einen Kuss auf die Wange
und hauchte ihm ein „Alles Gute" ins Ohr.
Als
auch Ron ihn kurz umarmt hatte, gingen sie gemeinsam zu seinem neuen
Besitz, um ihn zu bestaunen.
„Neville
hat ihn erst heute Morgen gebracht. Ich hatte noch gar keine Zeit ihn
in Ruhe zu begutachten", sagte Ron während er liebevoll über
den glatten Stil des Besens strich.
Harry
schaute ihn verwundert an.
„Du
denkst doch nicht etwa, dass wir dein Geschenk im Haus verstecken
würden, wo du doch so oft bei uns herumgeisterst".
„Das
erklärt dann wohl auch, warum du mich schon so früh aus dem
Bett geholt hast", sagte Harry lächelnd und wuschelte Lumos
durchs Haar, der soeben an seine Seite getreten war. „Du magst
Neville wohl nicht besonders".
Mir
geht's momentan nicht anders, dachte Harry.
Als
Ron Harry gerade alle Verbesserungen vom xs 10er zum xs 11er
erklärte, hörten sie aus Rons und Hermines Haus jemanden
rufen.
„Oh,
er ist wohl aufgewacht", sagte Hermine und schien froh, nicht
weiter den technischen Details des Besens lauschen zu müssen.
Nach
etwa 10 Minuten, Ron erläuterte Harry gerade, wie er in seinem
letzten Spiel, dass Harry leider verpasst hatte, weil er arbeiten
musste, einen besonders schweren Ball mit einem Salto gehalten hatte,
kam Hermine, mit ihrem Sohn auf den Armen, aus dem Haus.
Mitten
im Satz ließ Harry Ron stehen und stürmte auf sein
Patenkind zu.
Ron
schaute einen Moment verdutzt, sah dann ebenfalls seinen Sohn und
wunderte sich nicht weiter. Wenn sein Patenkind auftauchte, sah und
hörte Harry nichts anderes mehr.
„Hey
Sirius, wie geht's uns denn heute?", fragte Harry und nahm die
kleine Hand des Jungen in die Seine.
Erst
jetzt entdeckte der, noch recht verschlafen wirkende 3-jährige,
seinen Patenonkel und kreischte: „Ärri".
Jedes
Mal freute sich Harry von neuem, wenn er seinen Namen aus dem Mund
des kleinen Sirius hörte, auch wenn er es noch nicht recht
schaffen wollte ihn richtig auszusprechen.
Hermine
flüsterte ihrem Sohn etwas ins Ohr, woraufhin der sie
entgeistert anschaute. Doch beim zweiten Versuch klappte es und der
Kleine rief: „Herzigen Glühwünsch".
„Danke
Kleiner", antwortete Harry lachend und strich ihm durch das
pechschwarze Haar.
„So,
nun ist aber mal genug", sagte Hermine in gespielt ernstem Ton.
Harry
wirbelte Sirius schon seit einigen Minuten durch die Luft und der
kleine Junge konnte kaum noch atmen durch sein lautes Gekicher und
Gekreisch.
Harry
setzte ihn auf den weichen Rasen und blieb einen Moment, mit den
Händen auf den Knien abgestützt, stehen.
„Der
wird von Tag zu Tag schwerer", ächzte er, als er wieder
aufrecht stand.
„Wenn
du genug durchgeatmet hast, steht aber erstmal ein Probeflug auf dem
Programm", sagte Ron eine Spur ungeduldig.
Er
hatte in der Zwischenzeit seinen Besen aus dem Haus geholt und
streckte Harry nun seinen neuen Feuerblitz entgegen.
Sofort
hatte Harry jede Erschöpfung vergessen und griff nach dem Besen.
Just
im selben Moment zerriss jedoch, zum zweiten Mal an diesem Tag, ein
lauter Knall die Stille der Maple Avenue.
Alle
zuckten zusammen, Sirius schrie, fing an zu weinen und kroch auf
seine Mutter zu.
Harry
wollte gerade seinen Zauberstab ziehen, als er den Ankömmling
entdeckte. Sirius musste ihn als erstes gesehen haben, denn er war
kein Kind, das nur wegen etwas Lärm anfing zu weinen.
Er
war der zähste Bursche, den Harry je getroffen hatte; wenn er es
sich recht überlegte hatte er ihn sicher schon seit Monaten
nicht mehr weinen gesehen und das obwohl er ihn so gut wie jeden Tag,
wenn auch oft nur kurz, sah.
Aber
vor dem gerade angekommenen Zauberer, hatte der kleine Junge schon
immer Angst gehabt und Harry konnte es ihm nicht verdenken.
Der
Anblick dieses verunstalteten Gesichts konnte schon einem erwachsenen
Zauberer einen gewaltigen Schrecken einjagen.
Mit
den Augen eines Kindes betrachtet konnte er gut symbolisch für
alle Monster, die in Schränken oder unter Betten hausten,
stehen.
Und
sein magisches Auge vervollständigte dieses Bild endgültig.
„Alastor",
sagte Harry verwirrt.
„Hallo
zusammen", begrüßte Mad-Eye Moody die Anwesenden auf
seine gewohnt missmutige Art.
Hermine
hatte den kleinen Sirius mittlerweile wieder auf den Arm genommen und
redete beruhigend auf ihn.
Langsam
wurde sein Weinen zu einem, nur noch leisen, Wimmern und Ron war der
einzige, der Moodys Begrüßung erwiderte.
Harry
war zu verblüfft von dessen Ankunft, als dass er hätte
antworten können. Moodys Auftauchen konnte nichts Gutes
bedeuten, dachte er.
Erstens
war Moody noch nie zu seinem Geburtstag erschienen und zweitens war
er sich sicher, dass er heute Dienst hatte.
Wie
um Harrys Worte zu bestätigen, sagte Moody prompt: „Harry, wir
müssen etwas dringendes besprechen".
Harry
bemerkte, dass er ihn zwar mit seinem normalen Augen anschaute,
jedoch das Magische auf Ron fixierte und wenn er es genau bedachte
schien er dies schon seit seiner plötzlichen Ankunft zu tun.
„Gehen
wir in mein Haus", sagte er, woraufhin Moody keine Sekunde zögerte
und sofort Richtung Nr. 11 eilte.
Harry
warf seinen Freunden einen entschuldigenden Blick zu, zuckte die
Achseln und folgte ihm.
Als
er fast bei der Haustür war, hörte er Sirius, in noch
leicht verweintem Ton, etwas rufen.
„Harry,
wo ist Ginny?"
Er
hatte sein Patenkind noch nie so deutlich sprechen hören und
sogar seinen Namen hatte er richtig ausgesprochen.
Er
wusste nicht warum, aber er war seltsam verblüfft von diesen
Worten und das nicht nur wegen der deutlichen Aussprache.
Moody
war bereits im Haus gewesen, streckte nun aber ungeduldig den Kopf
zur Tür heraus und räusperte sich hörbar, um auf sich
aufmerksam zu machen.
Harry,
der seit Sirius Worten wie erstarrt da stand, zuckte abermals an
diesem Tag zusammen und warf Moody einen Blick zu. Dann hob er
beschwichtigend einen Arm, um Moody kurze Geduld zu bedeuten und
drehte sich langsam in Richtung Sirius und seiner Eltern.
Sirius
war inzwischen wieder auf seine Beine gesetzt wurden und versuchte
angestrengt zu Harry zu gelangen, doch Ron hatte ihn am Hemdkragen
gepackt und hielt ihn so ohne große Mühe bei sich.
Der
Anblick, wie Sirius verzweifelt auf der Stelle zu schreiten schien
und Ron ihn so spielend unter Kontrolle hatte, hätte lustig sein
können, aber Harry war seltsam unwohl zumute.
„Giiiinnyyyyyy",
rief Sirius plötzlich inbrünstig und so laut, dass es der
ganze Block gehört haben musste.
Ron,
von dem Schrei überrascht, rutschte sein Shirt aus den Fingern
und Sirius, seinerseits überrascht von der plötzlich wieder
gewonnen Freiheit, plumpste auf alle Viere.
Harry
drehte sich einmal im Kreis, um Ginny zu entdecken, die, nach Sirius
Schrei zu urteilen, gerade angekommen sein musste, doch sie war
nirgends zu entdecken. „Was zum Teufel …", flüsterte er zu
sich selbst und blickte erneut zu Sirius, der im Begriff war sich
wieder aufzurappeln.
„Harry,
ich weiß nicht was ich sagen soll. Das ist unglaublich", kam
es von Moody, der inzwischen wieder vollständig in den Garten
getreten war.
„Was
ist unglaublich?", fragte Harry entnervt. Seine Gedanken rasten und
er hielt weiter den Blick auf Sirius gerichtet, der sich nun, tapsig
rennend, auf ihn zu bewegte, gefolgt von seinen Eltern.
„Ich
habe noch nie von einem Kind gehört, das diese Gabe hatte,
zumindest nicht von einem so jungen Kind", stellte Moody fest.
„Was
für eine Gabe", fragte Hermine und betrachtete ihren Sohn
Stirn runzelnd.
Harry
war in die Hocke gegangen, als Sirius näher gekommen war und
dieser hatte sich ihm ungebremst in die Arme geworfen, so dass Harry
fast hinten übergekippt wäre.
Nun
begann er wieder elendig zu schluchzen und diesmal hatte es nichts
mit Moody zu tun, da war sich Harry sicher. Zwischen Sirius
Schluchzern konnte man hören wie er immer wieder Ginnys Namen
sagte.
Harry
blickte zu Moody hoch, der fasziniert den weinenden Jungen
betrachtete.
Ron
und Hermine tauschten fragende Blicke aus und dann schien Ron es
nicht mehr auszuhalten. „Was ist mit ihm Moody? Sie wissen doch
etwas!"
„Allerdings
und es tut mir wirklich leid euch diese Mitteilung machen zu müssen".
Ron
legte bei diesen Worten unwillkürlich einen Arm um die Schultern
seiner Frau und diese schmiegte sich an ihn.
„Ginny
Weasley ist verschwunden; wahrscheinlich entführt", sagte
Moody.
Einen
Augenblick herrschte Schweigen. Harry drückte Sirius so fest an
sich, dass dieser zu husten begann, woraufhin Harry seinen Griff
lockerte und ihn sorgenvoll betrachtete.
Ron
trat langsam auf Moody zu; aus seinem Gesicht war jede Farbe
entwichen. Unvermittelt schrie er los:
„Wo
ist sie? Was ist passiert? W-e-r? W-a-r-u-m?
Er
schien in Zeitlupe in sich zusammen zu sinken und landete mit den
Knien voran im weichen Gras.
