Kapitelchen 8

Harry tauchte direkt vor Mundungus Nase auf.
Der alte Zauberer kreischte erschrocken auf und ließ eine Palette mit Tintenfässern fallen, die er in der Hand gehalten hatte.
Harry zückte seinen Zauberstab, sagte „Ratzeputz„ und die Glasscherben der zersprungenen Fässer verschwanden mitsamt der bereits auf Mundungus Wohnzimmer-Teppich ausgelaufenen Tinte. Danke Molly, dachte Harry kurz und begrüßte dann Mundungus.
„Die werde ich natürlich ersetzen", sagte er, als Mundungus ihn nur empört anschaute.
„Was führt dich zu mir Harry?", fragte Mundungus nun und seine trüben Augen, begannen zu leuchten, wie immer, wenn er ein Geschäft witterte.
„Ich würde gern wissen, ob du weißt wohin Ron verschwunden ist", antwortete Harry in scharfem Ton.
„Oh", machte Mundungus enttäuscht. „Na ja, er hat mir von seiner Schwester erzählt und da habe ich ihm empfohlen mal mit Allan Scire zu sprechen."
„Wer ist denn dieser Scire und wie soll er Ron helfen können?", fragte Harry in noch schärferem Ton.
„Du müsstest ihn eigentlich kennen", sagte Mundungus und als Harry ihn nur weiterhin ernst betrachtete, fuhr er eilig fort.
„Er ist sozusagen ein guter Informant. Er weiß so ziemlich über alles bescheid, was hier in der Gegend so vor sich geht."
„Mit hier in der Gegend meinst du London?", fragte Harry.
„Nein, ich meine England", antwortete Mundungus. „Oft kommen Auroren zu ihm, daher dachte ich auch, du kennst ihn vielleicht".
„Ich habe nie von ihm gehört", erwiderte Harry ungeduldig.
„Der Kerl ist voll in Ordnung. Brauchst dir also keine Sorgen um deinen Freund zu machen. Manchmal ist er etwas … wie soll ich sagen, aufbrausend und etwas seltsam, aber wie schon gesagt, er ist eine zuverlässige Informationsquelle."
„Wo kann ich ihn finden?", fragte Harry.
„Er treibt sich meist aufm Bahnhof rum, Kings Cross", antwortete Mundungus und langsam wurde sein unbedarfter Geschichtsausdruck recht schuldbewusst.
„Da hast du auch Ron hingeschickt, ja?", fragte Harry weiter, um ganz sicher zu gehen.
„Ja, allerdings kann ich dir nicht genau sagen wo du Scire finden kannst", sagte Mundungus und als Harry gerade den Mund öffnete, um die nächste Frage zu stellen, kam er ihm zuvor.
„Eine Beschreibung von ihm kann ich dir leider ebenfalls nicht geben; er ist ein Metamorphmagus und macht sich einen Spaß daraus jeden Tag in einer anderen Erscheinung aufzutreten".
„Wenn dieser Typ irgendwie gefährlich ist, bekommst du großen Ärger mit mir", sagte Harry und schon war er wieder disapperiert.

Er tauchte, genau wie er es geplant hatte, in einer dunklen Seitenstraße, nicht weit vom Bahnhof Kings Cross entfernt, auf. Keine Menschenseele war zu sehen.
Lediglich eine große Ansammlung riesiger Mülltonnen, die einen widerlichen Gestank abgaben, befand sich mit Harry in der Gasse.
Da er nicht die Aufmerksamkeit der Muggel auf sich ziehen wollte, zog er seinen Umhang aus. Bevor er sich nach einem geeigneten Versteck dafür umschaute, zog er seinen Zauberstab aus der Umhangtasche und steckte ihn, entgegen des Rates, den Moody ihm vor vielen Jahren gegeben hatte, in die hintere Hosentasche.
Danach stopfte er seinen Umhang in eine Lücke zwischen Hauswand und Rohr und machte sich auf den Weg zum Bahnhof.
Der Bahnhof war voller Leute und Harry verlor bei dem Anblick der vielen umhereilenden Leute etwas die Hoffnung, dass er Ron in dieser Menge finden könnte.
Seine Sorge um ihn war nach dem Besuch bei Mundungus etwas abgeflaut, weil er nicht wirklich daran glaubte, dass dieser Ron zu einem gefährlichen Zauberer schicken würde. Doch befürchtete er nun, dass dieser Scire Ron tatsächlich Informationen geben konnte und Ron auf eigene Faust versuchen würde Ginny zu finden und somit in Gefahr geriet.
Harry schritt durch die große Bahnhofshalle und hielt aufmerksam Ausschau.
Jedes Mal, wenn ihm ein roter Haarschopf ins Auge fiel, merkte er gespannt auf, doch keiner der Köpfe stellte sich als der von Ron heraus.
Auch auf den einzelnen Bahnsteigen wurde er nicht fündig.
Erst am Gleis 8 glaubte er endlich Erfolg gehabt zu haben, doch der Mann, den Harry an der Schulter gepackt hatte, starrte ihn wütend an, als er sich zu ihm gedreht hatte.
„Ro…", begann Harry, noch bevor er bemerkte hatte, dass er nicht seinen Freund vor sich hatte, murmelte dann jedoch ein „Entschuldigung" und machte sich eilig davon.
Schwer atmend blieb Harry auf einem der anderen Bahnsteige stehen und blickte sich erneut suchend um.
Doch plötzlich erstarrte er.
Er war, ohne es zu bemerken, am Bahnsteig zu Gleis 9 und 10 gelandet. Er stand genau vor der Mauer, die zum Gleis 9 ¾ führte, auf dem schon seit etlichen Jahren der Hogwarts-Express abfuhr.
Er war seitdem es passiert war, nicht mehr hier gewesen.
Es war vor Anfang ihres 7. Schuljahres geschehen und weder Harry, noch Hermine oder Ron hatten je wieder das Bedürfnis gehabt hierher zurückzukehren, nach den Ereignissen jenes schrecklichen Tages.

Kingsley Shacklebolt ging an der Spitze der, für Muggel ohne Zweifel seltsam wirkenden, Gruppe. In einigen Metern Abstand folgten ihm Moody, Harry und Tonks, die so dicht voreinander gingen, dass Harry sich elend gedemütigt fühlte.
Zwar war er sich der Gefahr, in der er schwebte bewusst, doch hielt er nichtsdestotrotz Moodys Maßnahmen für übertrieben.
Links neben dem Dreiergespann ging Lupin, der dem verzweifelt dreinblickenden Harry gerade aufmunternd zugezwinkert hatte.
Auch Harrys rechte Seite war selbstverständlich geschützt.
Molly Weasley hatte darauf bestanden diese Aufgabe zu übernehmen und blickte nun durchgehend mit weit aufgerissenen Augen umher.
Alle erschraken, als Hermine plötzlich aufschrie.
„Muuum --- Daaaad, was macht ihr denn hier?", schrie sie hinter Harry, der sich, ebenso wie Tonks, verdutzt umgedreht hatte.
Nachdem Hermine ihre Eltern, die erklärten, dass sie sie vor ihrer Abreise unbedingt noch einmal sehen wollten, ausgiebig durch Umarmungen und Küsse begrüßt hatte, ging das Grüppchen weiter ihren Weg.
Harry versuchte sich von seiner unangenehmen Situationen abzulenken, indem er den Gesprächen hinter sich lauschte.
Mr. Weasley versucht immer wieder Hermines Vater in ein Gespräch über Mobiltelefone zu verwickeln, doch dieser hatte offensichtlich nur Augen und Ohren für seine Tochter. Ron wiederum versuchte seinen Vater in ein Gespräch zu verwickeln und Harry musste nicht lange überlegen, um zu erraten warum. Zwar hatte Ron auch keine Ahnung was die Muggel-Welt betraf, doch war es ihm trotzdem peinlich, wenn sein Vater sich so aufführte.
Ginny war in den letzten Tagen sehr schweigsam gewesen und gab auch seit ihrem Aufbruch aus dem Versteck keinen Ton von sich, so dass Harry ihre Anwesenheit fast schon vergessen hatte, bevor er sich bei der Ankunft von Hermines Eltern zu ihnen umgedreht hatte,
Hermines Mutter berichtete gerade von den neusten Geschehnissen in ihrer Nachbarschaft und ihre Tochter hinterfragte begierig jede Kleinigkeit.
Harry beeindruckten Hermines Eltern sehr.
Sie wussten in welcher Gefahr sich Hermine durch die Vorkommnisse in der Zaubererwelt befand. Doch sie verboten ihr trotzdem keineswegs weiterhin in dieser Welt zu leben und hatten auch keine Bedenken wegen ihrer Freundschaft zu Harry, welche die Gefahr für Hermine zweifellos noch vergrößerte.
Die Erzählungen von Mrs. Granger über eine gewisse Elenor Proud, die sich mal wieder beschwert hatte, weil Mr. Granger angeblich nachts zu laut schnarchte, was Mrs. Granger keinesfalls bestätigen wollte, konnten Harry nicht länger ablenken.
Seine Gedanken schweiften wieder zu Moodys Vorsichtsmaßnahmen ab.
Er kam sich so unglaublich lächerlich vor.
Die Prophezeiung hatte gesagt, dass er Voldemort töten würde oder durch eben dessen Hand den Tod finden würde.
Doch wie sollte er Voldemort besiegen, wenn er ständig wie ein Schwerverbrecher bewacht wurde?
Endlich waren sie beim Bahnhof angekommen und Kingsley Shacklebolt blieb kurz davor stehen.
„Jetzt wird es besonders gefährlich", sagte Moody und ließ sein magisches Auge rotieren, was Harry absolut nicht leiden konnte.
„Es ist sehr voll dort drinnen. Es könnte jederzeit unbemerkt ein Angreifer aus der Menge kommen. Ich bitte auch also alle sehr aufmerksam zu sein", brummte Moody den anderen zu.
„Und was soll ich machen?", fragte Harry sauer.
„Du passt auf deinen kleinen Hintern auf", sagte Tonks und zwinkerte Harry lächelnd zu. Harry lief rot an und schaute schnell in eine andere Richtung.
Die Truppe setzte sich wieder in Bewegung und nun war auch die Unterhaltung hinter Harry verstummt. Offenbar nahmen selbst Hermines Eltern Moodys Aufforderung sehr ernst. Diese Tatsache ließ Harrys Wut, die nach Tonks Kommentar etwas abgeflaut war, wieder Hochkochen.
„Wenn nun zum Beispiel Ron angegriffen wird, ist das völlig egal für euch, oder wie?", fragte er Moody, bereute dies jedoch eine Sekunde später sofort, als er Mrs. Weasleys entsetzten Blick auf sich spürte.
„Das war nur ein Beispiel, zugegeben ein blödes Beispiel", sagte Harry und erneut schoss ihm Farbe ins Gesicht.
Mrs. Weasley bedachte ihn mit einem letzten strengen und etwas verletzt wirkenden Blick und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Aufgabe.
Moody antwortete nicht auf Harrys Frage und er entschied, es lieber dabei zu belassen.
Als sie sich durch die Menschenmassen zum richtigen Bahnsteig durchgekämpft hatten, blieben wieder alle stehen und beobachteten wie Hermine ihre Eltern verabschiedete. Mr. Granger schien sie gar nicht mehr loslassen zu wollen.
Es war deutlich, dass ihm die Gefahren für Hermine viel zu sehr bewusst waren.
Endlich lösten die beiden sich voneinander und Mr. Granger entblößte ein von Tränen feuchtes Gesicht.
Hermine zog ihn erneut zu sich runter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin er ein kleines Lächeln zu Stande brachte.
Nach einem letzten Kuss für ihre Mutter trat Hermine zu den anderen, die bereits dicht vor der Absperrung, die zu Gleis 9 ¾ führte, standen.
Gerade wurde Harry mit einer Hand von Moody im Rücken zur Absperrung gedrückt, als er eine laute Stimme hörte.
Jemand hatte seinen Namen gerufen.
Er war gerade im Begriff sich umzudrehen, als Moody ihm einen Schups gab und er durch die Absperrung aufs Gleis 9 ¾ flog.
Er landete unsanft mit den Händen voran auf dem Bahnsteig, rappelte sich jedoch sofort wieder auf. Er wollte wieder zurück auf die andere Seite, aber er war sich nicht sicher, ob es den gleichen Weg zurück nehmen konnte. Aber er musste es versuchen.
Seine Freunde waren in Gefahr; er hatte die Stimme, die seinen Namen gerufen hatte, sofort erkannt.
Er rannte auf die Absperrung zu und rechnete schon damit hart mit dem Kopf aufzuschlagen, als er jedoch unbeschadet wieder auf der anderen Seite herauskam.
Harry stockte der Atem bei dem Anblick, der sich ihm dort bot.
Es war zu spät; er hatte wieder nichts tun können.
Hermine kniete zusammen mit ihrer Mutter auf dem Bahnsteig.
Mrs. Granger schüttelte es vor weinen.
Ihr Mann lag reglos vor ihr.
Der Rest der Gruppe, einschließlich Moody, starrte fassungslos auf die Drei. Nur Kingsley Shacklebolt war mit etwas anderem beschäftigt.
Er stand vor einer weiteren Person, die reglos am Boden lag und streifte ihm gerade die schwarze Kapuze vom Gesicht.
Der Mörder von Hermines Vater kam zum Vorschein. Es war Walden MacNair.

Harry stütze sich mit der Hand an der Absperrung zum anderen Bahnsteig ab. Als all dies damals geschehen war, war es so schwer für ihn gewesen.
Natürlich machte er sich auch nach diesem hinterhältigen Mordanschlag Vorwürfe.
Der Todesser war gekommen, um Harry zu töten, doch er war bestmöglich geschützt wurden. MacNair hatte später alles unter Einfluss von Veritaserum zugegeben.
Er war zu spät gekommen und wollte es nicht riskieren auf Gleis 9 ¾ zuzuschlagen.
Darum hatte er einfach seinen Frust am nächst besten ablassen wollen und dieses Schicksal hatte Mr. Granger ereilt.
Hermine hatte Harry nie Vorwürfe gemacht, aber natürlich litt sie große Qualen.
In dieser Zeit waren sich Ron und sie das erst mal richtig nahe gekommen.
Beide hatten ein nahes Familienmitglied verloren.
Ron hatte nach Percys Tod eine große Achtung vor ihm entwickelt, denn er hatte nicht nur seinen besten Freund, sondern auch ihren Vater gerettet. Es machte ihm sehr zu schaffen, dass er mit seinem Bruder in all den Jahren nicht besser ausgekommen war.
Zwar kannte auch Harry sich sehr gut mit großen Verlusten aus, doch war er nicht in der Lage darüber so zu sprechen, wie es seine Freunde Tage und Nächtelang taten.
Völlig im Gedanken versunken und noch immer an der Mauer lehnend, schrak Harry plötzlich hoch, als ihm jemand von hinten auf die Schulter klopfte.
„Ron", prustete Harry hervor und atmete erleichtert durch.
„Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte Ron besorgt, als er Harrys blasses Gesicht musterte.
„Ja, ich habe nur…", begann Harry, brach jedoch ab, als ihm wieder einfiel, warum er zum Bahnhof gekommen war.
„Wie kannst du einfach so abhauen?", brüllte er, senkte jedoch schnell die Stimme, als einige vorbeihuschende Muggel ihn misstrauisch beäugten.
„Hermine macht sich furchtbare Sorgen um dich".
„Ich hab ihr doch gesagt, dass sie das nicht braucht. Außerdem wollte ich sowieso gerade wieder nach Hause", antwortete Ron, der bei Harrys Gebrüll unwillkürlich ein paar Schritte zurück getreten war.
„Du hast also nichts herausbekommen", stellte Harry fest.
„Ach, dieser Spinner hatte keine Ahnung. Mundungus hat sie nicht mehr alle. Schickt er mich doch wirklich zu dem größten Trottel Englands", antwortete Ron missmutig.

„Du verantwortungsloser Lump", hörte Harry Hermine in der Küche kreischen.
Er hatte sich vorsorglich in Sirius Zimmer verzogen, weil er mit dem Derartigen schon gerechnet hatte.
„Warum ist Mummy böse?", nuschelte Sirius verängstigt dreinblickend.
„Sie ist gar nicht richtig böse", antwortete Harry, doch Hermines nächste geschriene Worte unterstrichen seine Theorie nicht besonders gut.
„Sie hatte nur ein bisschen Angst um deinen Dad, weißt du", sagte Harry laut, um Hermines Geschrei zu übertönen.
„Geht's dir gut?", fragte er den Kleinen nach einer kurzen Pause.
„Ja", antworte Sirius und blickte mit einer ernsten Miene zu Tür, die ihn fiel älter wirken ließ. „Bin gleich wieder da", sagte Harry, als er dies bemerkt hatte und verließ das Zimmer.
„Du weißt doch genau, dass Mundungus nur Unsinn im Kopf hat", sagte Hermine gerade, immer noch mit sehr strenger erhobener Stimme, als Harry die Küche betrat. Das Ehepaar wandt ihm fast gleichzeitig die Köpfe entgegen, Hermine sauer dreinblickend und Ron augenscheinlich erfreut von der Ablenkung, da diese Hermines Standpauke unterbrach.
„Ich wollte nur sagen, dass Sirius nicht gerade von seiner schreienden Mutter begeistert ist", sagte Harry und obwohl es ihm sehr ernst war, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Ron drehte den Kopf hoffnungsvoll seiner Frau zu.
„Oh, das tut mir leid", stammelte Hermine. „Ich bin ja auch schon fertig", fügte sie kleinlaut hinzu.
Ron begann selig zu lächeln und versuchte Hermine einen Kuss zu geben, doch sie drehte demonstrativ verärgert den Kopf in die entgegengesetzte Richtung.
„Dann werde ich ihn jetzt mal holen gehen, damit er sieht, dass ihr euch noch lieb habt", sagte Harry und zwinkerte Ron schelmisch zu, der daraufhin genervt die Augen verdrehte.
Harry ging zurück ins Kinderzimmer und setzte gerade dazu an etwas zu sagen, als er sah, dass Sirius sich mitsamt Klamotten ins Bett gelegt hatte und nun leise vor sich hin schnarchte.
Er schloss lächelnd die Tür und ging ins Wohnzimmer, wo sich Ron und Hermine gerade eng umschlungen auf dem Sofa küssten.
„hrm hrm", machte Harry und die beiden schreckten auseinander.
„Verzeihen kann man manchmal schneller als man denkt", sagte Harry grinsend, woraufhin Hermine die Röte ins Gesicht stieg.
„Ich wollte euch zwar nur ungern stören, aber ich dachte es wäre an der Zeit, dass Hermine berichtet, was Gerulifigu zu Sirius gesagt hat".
„Wo ist denn der kleine Schlingel?", fragte Ron.
Harry setzte sich auf den freien Sessel – seinen Lieblings-Sessel – und erklärte, dass Sirius eingeschlafen sei.
„Okay, dann fang ich mal an", sagte Hermine und holte tief Luft, als erwarte sie eine lange kraftzerrende Rede zu halten.
„Gerulifigu ist übrigens ein sehr netter Mann, will ich schon mal vorab sagen. Wenn man sich richtig mit ihm unterhält, wirkt er gar nicht mehr so schrullig und verwegen. Ich halte ihn sogar für einen sehr fähigen, wenn auch bereits pensionierten, Heiler".
„Was ist denn nun mit Sirius?", fragte Ron ungeduldig.
„Ich habe das nur vorab sagen wollen, damit ihr nicht gleich alles für Schwachsinn abstempelt", erwiderte Hermine verteidigungslustig.
Ron schenkte ihr ein kurzes entschuldigendes Lächeln und machte dann eine Handbewegung, die ihr bedeuten sollte, dass sie weitersprechen konnte.
„Gerulifigu ist der Meinung, dass er nicht krank ist", fuhr Hermine fort und Ron seufzte hörbar erleichtert auf.
Nach einem kurzen Seitenblick zu ihrem Mann fuhr Hermine erneut fort.
„Er scheint einfach Seherfähigkeiten zu haben", sagte sie und wartete einen Moment, um den Satz wirken zu lassen.
Harry öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, weil ihm einfach keine passenden Worte in den Sinn kamen.
„Es kann gut sein, dass er dieses Phänomen schön öfter gezeigt hat, wir dies jedoch nicht bemerkt haben, weil es keine so offensichtlichen Dinge, wie die Sache mit Ginny waren. Natürlich geht ihm Ginnys Entführung sehr nahe und das nimmt ihn mit. Da er jedoch zu klein ist, um sich länger auf diese Sache zu konzentrieren, weil er sie eigentlich auch nicht wirklich verstehen kann, geht sein Leiden immer wieder schnell vorbei. Daraufhin verschwindet dann sein Fieber, als wäre es nie da gewesen."
Harry und Ron schauten, als hätten sie kein Wort von Hermine verstanden.
„Sein Körper leidet mit der Seele. Leidet die Seele nicht mehr, beruhigt sich auch wieder sein Körper", brachte Hermine es auf den Punkt. „Du sagst das einfach so ja? Er hat EINFACH Seherfähigkeiten", sagte Ron mit aufgeregter Stimme.
Hermine nickte leicht und schaute nun Harry an. Doch ihm lagen nur wieder irgendwelche albernen Kommentare auf der Zunge und so hielt er einfach den Mund.
„Er ist unser Sohn. Du kannst doch nicht einfach über ihn reden, wie über eine …. wie über ein Versuchskaninchen", sagte Ron, noch aufgeregter als zuvor.
„Aber das habe ich doch gar nicht", verteidigte sich Hermine.
Endlich fiel Harry etwas Vernünftiges ein.
„Was genau kann er denn alles sehen? Meinst du er weiß wer Ginny in seiner Gewalt hat?", fragte er.
„Das weiß ich nicht", antwortete Hermine.
„Wir werden ihn nicht mit Fragen über diese Sache löchern. Wenn er alles sofort wieder vergisst, ist das nur gut so", sagte Ron, als hätte Harry gerade erklärt, er wolle seinen Sohn einem schweren Verhör unterziehen.
„Natürlich nicht. Das würde ich auch nie erlauben", sagte Harry.
„Es tut mir leid um Ginny, aber ich fürchte ihr habt recht", meinte Hermine traurig.
„Ihr wird trotzdem nichts geschehen", sagte Harry, der gerade einen Entschluss gefasst hatte.

R/R