Ein Poltern ertönt aus der Wohnung, dann wurde aber auch schon die Tür geöffnet. Du schaust mich überrascht an… Das gleiche kann ich aber auch behaupten… Deine Haare sehen wilder aus als sonst, deine Jeans, eigentlich nur noch als Stofffetzen zu gebrauchen, so viele risse hat sie schon, hängt auf halb neun und ein Oberteil hast du erst gar nicht an... was mir natürlich einen guten Blick auf deinen gut trainierten Oberkörper freigibt... Deine braunen Augen funkeln mich matt an, das Feuer ist erlischt… Überhaupt, wirkst du Müde und Ausgelaugt…
Ein Schuss löst sich und reißt mich somit aus meiner Starre, in der ich meinen Blick einfach nicht von dir lassen konnte... Verwirrt blinzele ich und drehe meinen Kopf Richtung Treppenaufgang… „Hobbyschütze… Was willst Du hier?"
Ich wende mich wieder dir zu. Gute Frage… was will ich hier... dich sehen, aber, bei diesem Anblick, noch mehr… „Ich soll dir den Stoff der letzten Stunden geben…" Auch ein plausibler Grund…
Du hast dich lässig in den Türrahmen gelehnt. Eine Hand ist in deiner hinteren Arschtasche verschwunden und mit dem rechten Arm stütz du dich ab.
„Ahja…" Gelangweilt und irgendwie ein bisschen genervt von meiner Anwesenheit, stößt du dich ab und verschwindest in der Wohnung.
Ich nehme das als Erlaubnis eintreten zu dürfen, da die Tür noch offen steht.
Die Luft scharf einziehend und die Nase rümpfend biete ich einer Wolke aus Zigarettenrauch und einer Alkoholfahne, die Stirn… Ich gehe durch den Flur, stolpere fast über ein paar Flaschen und Schuhe… Kartons stapeln sich bis zur Decke und an den, vereinzelt noch sichtbaren Wänden, bröselt die Tapete ab…. Ich schüttle den Kopf… wie kannst du nur in so einer Umgebung… leben?
In dem zweiten Zimmer auf der rechten Seite, entdecke ich dich… Du stehst vor einem kleinen Fernseher, schaltest ihn gerade aus… Ich bleibe lieber im Türrahmen stehen… Der Raum scheint das Wohnzimmer darzustellen… es sieht nicht so extrem wie im Flur aus, doch auch hier stehen Berge von leeren Alkoholflaschen… die Luft schimmert fast blau, durch den Zigarettenqualm… Mein Blick fällt auf den Aschenbecher, auf dem kleinen Couchtisch vor dem Sofa… Dieser scheint seit Jahren nicht mehr geleert worden zu sein…
Du öffnest das Balkonfenster, wahrscheinlich stört dich der Rauch ebenfalls… Kurz siehst du zu der schlafenden Person auf dem Sofa, wendest dich dann aber ab und zeigst mir, mit einer Handbewegung, dass ich in das Zimmer gegenüber gehen soll…
Ich nicke und drehe mich auf dem Absatz um… Das scheint dein Zimmer zu sein… keine Bierflaschen, keine überfüllter Aschenbecher und es sieht alles ziemlich aufgeräumt aus, wenn man mal vom Schreibtisch absieht… Auf diesem stapeln sich nämlich mehr Blätter, als auf meinem Bürotisch…. Neugierig gehe ich zu dem Holzgestell und durchforste das Chaos an Papier… Ich erwarte nicht, dass es Schulaufgaben sind... aber, dass du so schön zeichnen kannst… habe ich nicht mal im Kunstunterricht gesehen…
Viele der Bilder zeigen Wüstenlandschaften... oder Nomaden mit ihren Kamelen… Mein Blick fällt auf eine Zeichnung, die noch nicht ganz fertig ist, sie liegt mit in der Mitte auf deine, Schreibtisch… Leider sind bis jetzt nur dünne Bleistiftlinien erkennbar… eine Pyramide, eine Sonne die entweder auf oder gerade untergeht im Hintergrund. Eine rechte Gesichtshälfte eines verschleierten Nomaden und.. ich glaube das soll ein Dromedar sein, welcher an einer Oase steht…
„Man wühlt nicht in fremden Sachen, Kaiba…" Ich drehe mich ruckartig zur Tür, sehe dich mit 2 Gläsern in der Tür stehen. Ich fühle mich ertappt, wie ein Kleinkind, dass etwas Verbotenes getan hat…. Doch das lasse ich mir nicht anmerken, schaue dich nur neutral an…. Ohne erkennbare Regungen…
„Willst du da Wurzeln schlagen?" Während ich damit beschäftigt war, dich mit meinen Blicken zu verfolgen, setzt du dich auf eine Art Schlafsofa, natürlich ungemacht… Die Gläser stellst du auf einen kleinen Tisch, vor dem Sofa, scheint von IKEA zu sein… Ich zucke mit den Schultern und setze mich auf ein Sitzkissen… sieht ehr nach einem überdimensionalen Würfel aus… Schnell packe ich sämtliche Hefter aus und lege sie auf den Tisch…
„In Mathe haben wir ein neues Thema angefangen und in Kunst beginnen wir mit Kalligraphie…" kläre ich dich auf... Kunst ist das einzigste Fach, indem wir nebeneinander sitzen, leider... oder zum Glück? Und wahrscheinlich auch wirklich ein Fach, indem du die Einser bekommst und ich voll versage…. Kalligraphie bekomm ich ja hin... aber den Rest? Unsere Kunstlehrerin ist immer begeistert von dir und da ich neben dir sitze, kann ich ihr nur zustimmen…. Was du aus einem Farbklecks alles machen kannst!
Du greifst nach dem ersten Hefte… Mathe… wenn du etwas nicht kannst, dann ist es mit zahlen um zu gehen, für mich das einfachste der Welt!
Mit einem schwermütigen Seufzen, nimmst du dir einen Block und deinen Stift, und beginnst alles abzuschreiben.
Wahrscheinlich fragst du dich, warum ausgerechnet ich hier bin…. Wer sollte sonst kommen, Hündchen? Yugi hat in letzter Zeit anscheinend besseres zu tun, als mit dir Gassi zu gehen… Ich sehe euch nur noch in den Pausen kurze Gespräche führen…
Dieses braunhaarige Weib… die tauscht wahrscheinlich lieber mit ihren tratschenden Tuschkastenfreundinnen irgendwelche Modetipps aus… Und der Typ mit der absolut…. Dümmsten.. ja.. Frisur kann man das ja nicht nennen… mit dem Stachel auf dem Kopf, hat dich hier alleine zurückgelassen…
Ich betrachte deine Schrift… ehm, Sauklaue… Du hast, wenn es nach mir geht, alle Zeit der Welt, also könntest du ja sauberer schreiben… oder ist das deine… normale Handschrift…
„Müsstest du nicht in deiner Firma sein?" Auch wenn du versuchst es so zu sagen, als wäre es ein Thema über das man alltäglich spricht, merke ich den Sarkasmus… Vor mir kannst du es nicht verbergen, ich bin es gewohnt… willst du mich denn wirklich loswerden?
„Nein.. ich habe extra umgeplant…" „Aha…" machst du, meiner Meinung nach, übertrieben desinteressiert… habe ich gefragt oder du?!
Mein Blick schweift weiter durch den Raum... ein paar Bilder, sicher von dir gezeichnet, sind mit Tesafilm an der Wand befestigt.
„Katsuya!" Dein Name reißt mich aus meiner Gedankenwelt. Irritiert sehe ich dich an… ist das Angst in deinen Augen!
Schwermütig stehst du auf und gehst zum Wohnzimmer zurück…
„Ich bin gleich wieder da…" sagst du noch, dann schließt du die Tür hinter dir…
„Was habe ich verbrochen?" rede ich mit mir selbst. Warum ausgerechnet du? Warum muss ich ausgerechnet dir gegenüber Gefühle entwickeln, die ich nicht deuten kann?! Die ich vorher nie hatte... unterdrückte… Aber warum geht es bei dir nicht? Egal wie sehr ich versuche, dich zu hassen, zu beleidigen, zu demütigen… Es geht einfach nicht? Immer wieder stehst du auf, siehst mich trotzig und herausfordernd an… Bist sogar so dreist, zu fragen, ob dies schon alles sei… Warum bist du so, wie du bist? Lässt dich einfach nicht unterkriegen und stehst immer wieder auf, egal wie tief du doch fällst… Abwesend greife ich nach dem Glas und nehme ein paar Züge…
Mit einem Schlag fällt die Tür in das Schloss und die Hälfte des verdammt klebrigen Saftes landet auf meinem Heißgeliebten Mantel! Murrend stelle ich das Glas zurück auf den Ikea Tisch und gehe in den Flur… Gnade dir Gott, wenn das Flecken gibt!
Respektvoll nickte ich… bei der Erschütterung ist nichts im Flur umgefallen…
Die Neugier packt mich,… ein schlechter Zug, muss ich bei der nächsten Gelegenheit mal etwas dagegen tun… Ich gehe durch die kleine Wohnstube zur Küche... Also hier bist du nicht…
Menno... die Wohnung ist doch nun wirklich nicht gerade groß! Ich bezweifle, dass du abgehauen bist… also… wo versteckst du dich Hündchen?
Hmpf… das Hündchen wollte ich mir eigentlich auch abgewöhnen... egal jetzt…
„Ich habe doch gesagt, ich wäre gleich wieder da…" Und wieder einmal fühle ich mich ertappt von dir, als ich mich umdrehe. Du gehst an mir vorbei und kramst im Kühlschrank… sieht ziemlich leer aus, abgesehen von den Massen an Bierflaschen, die ich sehen kann…
Doch ich muss stutzten… hast du dir einen Pullover übergezogen?
„Ich mache Essen…" Du stellst eine Dose von... Erasco auf die Arbeitsplatte… Nudelsuppe (Sorry… aber ich liebe die Nudelsuppe - yammi)
„Das sehe ich…" Etwas desinteressiert lehne ich mich in den Türrahmen und beobachte dein Tun.
Die Küche sieht etwas ordentlicher aus, als der Rest der Wohnung. Die kleine Eieruhr auf dem Tisch zeigt dennoch nur die Hälfte der Uhrzeit an… Ich schätze mal... es ist halb eins.
Mirkowelle oder andere moderne Geräte scheint ihr nicht zu haben… Selbst euer Herd ist noch mit… Gas betrieben…
Ich muss Grinsen... verzweifelt versucht du, die Streichhölzer an zu bekommen… Ich krame in meiner Manteltasche… Schlüssel; Mokis Anhänger, den ich zum Geburtstag bekommen habe; Zigarettenschachtel… Ah.
Triumphierend reiche ich dir mein geliebtes Feuerzeug… Ich hoffe du bist dir der Ehre bewusst!
Verdattert siehst du mich an… liegt es jetzt daran, dass ich dir Helfe, oder weil ich ein Feuerzeug besitze?
„Gelegentlich…"
Du nickst verstehend und nimmst das Feuerzeug dann doch an… Na siehst du... geht doch! Du stellst einen Topf auf die Flamme und schüttest den Inhalt der Dose rein…
