Kapitel 6

Sein Herz setzte aus.

Der Wind rauschte in seinen Ohren.

Er wusste nicht, ob er schrie.

Er fühlte sich wie beim Quidditch im Sturzflug, doch ohne Besen. Es war ein wunderbares Gefühl – ein Gefühl der Freiheit – nur mit der Konsequenz, dass der Aufprall ihm das Leben kosten würde.

Seine Hände tasteten vergebens nach irgendeinem Halt, fanden jedoch keinen. Schemenhaft erkannte er dunkle Gebäude, die auf ihn zurasten. Er schloss die Augen, ergab sich seinem Schicksal und konnte nur noch hoffen, der Aufprall würde nicht allzu schmerzhaft werden.

Doch dann stoppte der Fall so plötzlich, dass Harry die Luft wegblieb.

Eine Hand umklammerte seinen Unterarm so hart und mit so viel Kraft, dass er es zunächst als Traum abstempelte. Schlagartig öffnete er die Augen.

Das erste, was er sah, war ein Besen, der mit ihm einige Meter gen Boden sackte, wohl von seinem eigenen Gewicht. Doch auf diesem Besen saß ein schwarzhaariger kräftiger Junge, der ihn mit festem Griff festhielt.

Sirius hatte ihn nur wenige Meter über der Erde abgefangen. Vorsichtig und reichlich unsicher steuerte er den Besen hinab. Harry wollte irgendetwas sagen, doch er konnte nicht. Er öffnete den Mund, wollte ihm danken, doch kein Laut kam über seine Lippen.

Als er die Erde unter seinen Füßen spürte und der Druck auf sein  Handgelenk nachließ, sackte er einfach in sich zusammen. Seine Beine hielten dem Gewicht seines Körpers nicht stand. Neben ihm sprang Sirius auf die Erde.

„D-danke", stotterte Harry. Er sah mehrere Menschen auf sie zueilen und war überrascht weder Remus noch James unter ihnen zu sehen. Sie hatten Astronomie offenbar nicht abgewählt.

„Du hast Remus gerettet und ich habe dich gerettet – ich denke, wir sind quitt, oder?"

Sirius grinste verschmitzt, doch ihm war anzusehen, dass er die Situation gar nicht so lustig fand. Auf Harry wirkte er angespannt und nervös.

Ein Mädchen mit dichtem, dunkelrotem Haar und mandelförmigen, smaragdgrünen Augen erreichte die Beiden zuerst. Harry brauchte einige Sekunden, um zu bemerken, dass dies Lily Evans sein musste.

„Hey, ist alles klar bei euch beiden?", rief sie schon von weitem in besorgtem Ton. Harry fragte sich flüchtig, ob Lily ihn wohl für James hielt.

„Bei mir schon...", meinte Sirius mit etwas Sorge und einem flüchtigen Blick auf Harry.

Etwas wacklig versuchte Harry auf die Beine zu kommen. Sein Pate half ihm, indem er ihn etwas grob hinauf zerrte.

„Ja, bei... bei mir auch", sagte Harry halbherzig mit noch immer zittriger Stimme. Er wagte einen Blick hinauf zu dem Turm, doch die Höhe war so schwindelerregend, dass Harry nicht einmal die Schüler erkannte, die auf ihn hinabsahen.

„Harry, du solltest in den Krankenflügel – ganz ehrlich – du siehst nicht gut aus."

Harry war erst einmal schockiert, dass Lily sich überhaupt an seinen Namen erinnern konnte. Dann bemerkte er, was für eine bemerkenswert hilfsbereite Frau sie war. Einem völlig Fremden gegenüber so besorgt zu sein, war keine Selbstverständlichkeit.

„Nein, mir geht's gut."

„Oh doch, ich bestehe darauf!", meinte sie bestimmend. Als sie näher kam, stellte Harry überrascht fest, dass seine Mutter gut einen halben Kopf kleiner war als er selbst. Ihre Augen glitzerten energisch.

Ihre Erscheinung überraschte und schockierte ihn nicht halb so sehr wie die Sirius'.

„Komm schon!", drängte sie. Sie packte ihn am Arm und Harry fiel auf, dass sie ziemlich schwach zu sein schien.

„Hör mal Lily, ich brauch den Krankenflügel nicht!"

Sie stutzte, offenbar wegen der Nennung ihres Namens, wofür Harry sich am liebsten geohrfeigt hätte.

„Notfalls mit Gewalt, Harry!"

Sie zog eine Braue hoch und schaute ihm herausfordernd in die Augen. Eine Hand war beiläufig an ihren Zauberstab gelegt.

Harry hatte sich geirrt: Sie war keineswegs hilfsbereit – sie war krankhaft hilfsbereit!

Wortlos folgte er ihrem fordernden Druck und ließ sich vor ihr herschieben auf das Schloss zu.

„Was soll ich denn im Krankenflügel?", fragte er etwas trotzig. „Ich bin.. äh.. 200 Meter gefallen – wäre ich aufgeschlagen, könnte ich es ja verstehen – aber mir ist nichts passiert. Weißt du, es ist nämlich nicht der Fall, der schmerzt, es ist der Aufprall!"

„Was du nicht sagst! Heilerin Astell soll dich nur mal durchchecken."

Harry verdrehte die Augen. Lily brachte diese Geste zum Lachen.

„Ich weiß, ich weiß, ich hör mich an wie eine Mutter!", lachte sie.

Der Schwarzhaarige lächelte sehr bitter. „Ja... ja, das tust du."

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Später, nachdem das Abendessen lange vorbei war, befanden sich Harry und Severus allein im Schlafsaal. Die Heilerin hatte ihn kurz untersucht und dann festgestellt, dass er vollkommen in Ordnung war. Bevor sie ihn wieder über seine Narbe ausfragen konnte, verschwand er in den Kerker der Slytherins.

Erst langsam füllte sich der Raum und schließlich wurde es Harry zu viel, ständig erzählt zu bekommen, wie knapp er doch dem Tode entkommen war. Um seine Ruhe zu haben, zog er sich in den Schlafsaal seines Jahrgangs zurück.

Es wurde spät, ohne das Max oder Kevin ebenfalls erschienen. Dumbledore hatte irgendeinen Lehrer damit beauftragt, ihm einige Klamotten zu besorgen und so legte der Junge sich bald schlafen.

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Es war Nacht.

Der Vollmond erhellte das Gelände auf Hogwarts.

Seine Körper fühlt sich merkwürdig und vollkommen anders an. Er kannte das Gefühl, schon einmal hatte er sich in diesem Körper gefunden. Er lag auf dem Bauch und ... schlängelte.

Er streckte die Zunge heraus... witterte den Geruch eines gesunden Jungen, der mit etwa beschäftigt und unaufmerksam war. Dieser Eigengeruch ähnelte dem Harry Potters, aber irgendetwas fehlte, doch er kannte den Geruch...

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Nur langsam erwachte Harry. Im Laufe der letzten Monate hatte er gelernt durch sie Träume von Voldemort nicht mehr schreiend und in Panik aufzuschrecken.

Voldemort war in seiner Animagusgestalt und schlängelte über das Gelände Hogwarts'. Doch zu welcher Zeit? Mit absoluter Gewissheit konnte Harry nicht sagen, dass Voldemort ihn hierher gebracht hatte.

Was würde passieren, wenn er hier ins Schloss eindringen könnte? Mit Sicherheit hatte man hier noch nicht die Vorkehrungen getroffen wie zu seiner Zeit.

Moment – er hatte in seiner Vision den Vollmond gesehen. Es war Vollmond und Voldemort schlich auf dem Gelände herum! Remus, Sirius, James und Peter würden draußen sein. Dieser bekannte und gleichzeitig fremde Geruch war der seines Vaters.

„Dad!", keuchte er erschrocken.

Harry sprang aus dem Bett, zog sich in Windeseile an und rannte aus dem Raum. Er bemerkte Severus nicht, der die Aktion vom ersten Lidschlag her verfolgt hatte.

Der-Junge-der-lebt sprintete die Flure entlang und durch die Eingangstür. Die kühle Nachtluft schlug ihm entgegen. Er bereute sich nur ein T-Shirt übergezogen zu haben, hatte jetzt jedoch keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen.

Sollte er zur Heulenden Hütte gehen? Sicher waren James und Co. nicht dort, sondern streiften in der Gegend herum. Wo sollte er bloß suchen? Je weiter er auf den Verbotenen Wald zutrat desto stärker begann es in seinem Kopf zu schmerzen.

Lumus", flüsterte er. Das Ende seines Zauberstabes leuchtete im Halbdunkeln auf, der Mond erhellte das Gelände matt und gab ihm einen silbernen Schein.

Langsam und mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend bewegte er sich auf den großen, schwarzen Wald zu. Er stoppte ruckartig, als etwas Riesiges durch das Gestrüpp vor ihm brach.

Harry hätte auf einen Hippogreif oder ähnliches getippt, doch er sollte etwas anderes sein. Ein großes, wolfsähnliches Geschöpf, das zunächst auf zwei Beinen stand, sprang auf den Weg.

Es streckte die große Nase in die Luft und witterte. Harry stand völlig bewegungslos da und wartete, vielleicht stand der Wind günstig. Das war Remus – Remus in seiner Werwolfsgestalt.

Im selben Augenblick, als Remus ihn entdeckte, teilte ein anderes, leiseres Tier die Gebüsche. Ein monströser, schwarzer Hund betrat das Geschehen lautlos.

Remus, der gerade auf Harry zuspringen wollte, würde von Sirius ins Bein gebissen und jaulte kurz auf. Der Junge stolperte eilends einige Schritte zurück, während der Werwolf sich umdrehte, um zu sehen, wer ihn dort angriff.

Die Tiere hatten ihm den Weg abgeschnitten und so blieb Harry einzige Fluchtmöglichkeit der Wald. Rennend und in Panik flüchtete er in den Wald. Erst als er den Rand schon lange nicht mehr sehen konnte blieb er unschlüssig und außer Atem stehen. Wo sollte er jetzt hin? Und vor allem – was sollte er tun? Er musste Voldemort finden, ehe dieser seinem Vater irgendetwas antun konnte.

Die Kopfschmerzen hatten zugenommen, also musste er sich auf ihn zu bewegen. Vielleicht war es auch schon zu spät und James war gebissen worden, ob von Nargini oder Voldemorts Tiergestalt war letztendlich egal.

„Sag mal, spinnst du?", brüllte jemand, so laut es im Flüstern möglich war, aus dem Dunklen. „Du weißt, dass Remus ein Werwolf ist und du musst schon blind sein, um nicht zu bemerken, dass wir heute Vollmond haben! War tust du hier? Willst du dich umbringen lassen?!"

Harry zuckte gewaltig zusammen und drehte sich rasch um. James Potter trat näher, einen unverständlichen Ausdruck auf dem Gesicht.

„Verschwinde, bevor Sirius und ich ihn nicht mehr aufhalten können!", befahl James leiser als zuvor.

„Das kann ich nicht", behauptete Harry. Seine Stimme zitterte ein wenig vor Nervosität. Irgendwo hier musste Voldemort sein, es sei denn, die Schlange hätte sich zurückgezogen.

„Warum nicht?"

„Das ist nicht so einfach zu erklären, James. Du wirst es mir nicht glauben."

„Versuch es zu erklären!", verlangte James. Seine Stimme hatte einen fürsorglichen und besorgten Ton angenommen.

„Es ist jemand hier in der Gegend, der... der... dir etwas antun will." Selbst in seinen eigenen Ohren hört es sich an, als habe er gelogen.

„Wer soll das sein und woher willst du das wissen?", fragte James ernst.

„I-ich kann dir nicht erklären, wer es ist. Ich... ich hatte eine Vision..."

„Eine Vision?"

„Ja, aber das ,woher oder ,wieso kann ich dir nicht erklären und es ist jetzt auch keine Zeit, jedenfalls solltet ihr alle wieder ins –"

Reichlich spät, nicht wahr Harry?"

Harry fuhr halb herum. Voldemort war hier und seine Kopfschmerzen sagen ihm, dass der Dunkle Lord näher kam.

„Was ist los?", fragte James vorsichtig und sah sich unsicher um.

„Ihr solltet hier verschwinden!"

Glaubst du nicht, dass es jetzt etwas zu spät dafür ist?", fragte die Schlange und kroch langsam hinter dem Busch zu Harrys Rechten hervor. Sie war riesig. Mindestens fünf Meter lang mit einem Durchmesser von zwanzig Zentimetern. Drohend erhob sie sich und beide Jungs traten beinahe synchron einige Schritte zurück.

„W-was ist das?", fragte James. Seine Stimme überschlug sich fast.

„Lauf!", rief Harry, „Hol einen Lehrer – irgend jemanden!"

Doch James konnte sich scheinbar nicht bewegen. Verständlich, denn die Riesenschlagen begann sich vor seinen Augen in einen ausgewachsenen Mann zu verwandeln.

Voldemort war groß und überragte beide um mindestens einen Kopf. Er war sehr schlank und in seiner Schrecklichkeit auf eine merkwürdige Weise anmutig. Die rotglühenden Augen schauten herablassend, doch triumphierend. In seiner Hand lag ein Zauberstab, der auf Harry gerichtet war.

„Zu deiner Zeit wäre es mir nicht so leicht gelungen bis hierher vorzudringen, Harry", meinte die hohe Stimme herablassend.

Harry führte eine Hand an seine Stirn, so als könnte ihm das einigen Schmerz abnehmen.

„Haben Sie es deswegen getan?"

„Nein, das war nur ein kleiner Grund."

„Wieso haben Sie mich dann mit hierher genommen? Wenn nicht um leichter an mich heranzukommen?"

„Harry... du bist nur zufällig mit hierher geraten. Dein Blut fließt in meinen Adern..."

„Wieso sind Sie hier?"

„Sagen wir es einmal so: In dieser Zeit gibt es einige, die bei weitem noch nicht das Können erreicht haben, dass sie später haben werden..."

„Sie meinen, Sie können sie leichter umbringen!"

Nun mischte sich James zum ersten Mal bei diesem Gespräch ein.

„Wer immer Sie auch sein mögen, Dumbledore ist bereits auf dem Weg hierher."

Er zog einen schmalen, viereckigen Gegenstand hinterm Rücken hervor. Im Mondlicht schimmerte er silbern.

„Zwei-Weg-Spiegel", erklärte er.

„Du bist noch viel zu schwach, um dich dem Orden stellen zu können!", behauptete Harry, ohne es genau zu wissen.

„Das ist dann der Vater, wenn ich mich nicht sehr täusche", meinte Voldemort mit ruhiger Stimme und wandte sich James zu. Er richtete den Zauberstab auf den Jungen.

„Nein, ich bin kein Vater," meinte James und wechselte eine fragenden Blick mit Harry, der nur hilflos mit den Schultern zuckte.

„Lass ihn in Ruhe, er hat dir nichts getan!", sagte Harry tonlos.

„Du hast ja keine Ahnung, wie sehr er mir in Zukunft auf die Nerven gehen wird. Was kümmert es dich? Du wirst leben, wenn du in deine Zeit zurückkehrst, doch dein Ebenbild wird nie geboren werden."

„Was würde passieren, wenn du stirbst? Hier, in dieser Zeit!", fragte Harry. Aus dem Augenwinkel sah es, dass James sich langsam vom Geschehen entfernte. Was hatte er vor?

„Ich würde in dieser und auch in meiner Zeit nur einzeln existieren, aber ich wäre nicht tot."

„Auuuuuuuu!"

Harry zuckte zusammen. James hatte begonnen zu schreien, nein, er hatte begonnen zu heulen, indem er die Hände zum Trichter geformt um den Mund legt.

Werwölfe folgen nur dem Ruf anderer Werwölfe, schoss er Harry durch den Kopf.

James rief Remus hierher.

„Bist du verrückt geworden, Junge?", zischte Voldemort und richtete seinen Zauberstab nun zum ersten Mal auf James, der begann sich zu verwandeln.

Stupor", rief Voldemort und eine roter Lichtstrahl schoss auf James zu.

Harry sprang vor und das letzte, was Harry sehen sollte, war der verdutze Gesichtsausdruck eines Hirsches. Er prallte auf die Erde und hörte gerade noch, wie sich etwas Riesiges durch die Büsche schlug...

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Danke an Katriena, BlackRoseLily, YanisTamiem, VamHex, Darinka, Arwen, Samantha Black, TigereYe, blub, mellin, Kara, Jeanca, kathleen potter, Ito-kun, Vroni, Severina35, TheSnitch, myrte, sinis-seph, Mona, kari, ina, Grinsekatze, fila, Leseteufel

1. Ich bin nicht auf Norderney gewesen, weil meine Eltern da jetzt ohne mich hinfahren...
2. Ich werde Jaguar jetzt wirklich erst mal ruhen lassen und vermutlich auch „Yctma", also freut euch, ihr Loc-Fans! ;)
3. Ich muss leider zugeben, dass dieses Kapitel in einer äußerst schwierigen Schreibkrise entstanden ist und ich nicht weiß, ob sich das in den nächsten Kapiteln so weiterziehen wird... Ich hoffe mal, dass die nächsten Chapters besser werden – Sorry, für dieses C !