Disclaimer: das Übliche halt

5. Kapitel: Eis und Feuer

Nebel umschlang den grauen Stein des alten Herrenhauses wie der bleiche Arm eines Todesengels. Der Turm an der Westfront, der sich in den wabernden Dunst erstreckte, schien sich mit bizarren Verrenkungen einem unausweichlichen Schicksal entwinden zu wollen. Die Frau, die nun zögernd einen Fuß über die Schwelle der rostigen Eisentür setzte, die sich hinter dem undurchdringlichen Gestrüpp einiger wild wuchernder Büsche versteckte, schauderte und zog ihren Umhang fester um sich. Sie hasste es, hierher zu kommen. Dieses Haus strahlte eine Kälte aus, die noch dann von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte, wenn sie schon längst wieder vor dem eigenen prasselnden Kaminfeuer saß.

„Bist du es?" tönte eine wohlbekannte Stimme aus der Dunkelheit im Innern der Mauern.

„Ja!", rief Narzissa Malfoy zurück, während ihre Schritte auf dem harten Stein des Kellergewölbes widerhallten.

Ein Schatten löste sich von der gegenüberliegenden Wand und im schwachen Licht der aufflackernden Kerzen trat ihr Mann auf sie zu. Er sagte nichts weiter, sondern nahm mit einer schnellen Bewegung den Korb entgegen, den sie ihm reichte. Sie war so ein Verhalten von ihm gewohnt, ja früher einmal hatte seine kühle Distanz sie sogar fasziniert, doch nun nahm sie es einfach nur noch hin, wie so viele andere Dinge.

"Heute hatten wir wieder Besuch vom Ministerium", hob sie schließlich an, während Lucius den Korb durchsuchte.

Er kräuselte die Lippen. „Und – was wollten sie?"

„Na, was wohl? Sie haben sich nach dir erkundigt. Und so ganz nebenbei fallengelassen, dass sie jeden einzelnen der flüchtigen Anhänger des Dunklen Lords schließlich doch aufspüren würden. Erst letzte Woche haben sie Nott verhaftet."

Lucius schnaubte verächtlich. „Erst jetzt?" Er suchte weiterhin in dem Korb herum. „Hast du die Phiolen und das Bilsenkraut?"

„Ja, unter den Weinflaschen. Lucius...,"Narzissa näherte sich ihrem Mann. „... es ist nur nicht so leicht für mich und auch nicht für Draco..."

Lucius´ Reaktion war heftig. „Glaubst du, mir macht es Spaß, mich in diesem alten Gemäuer zu verkriechen? Hier riecht es förmlich aus jedem Stein nach Verrat! Und außerdem – warum behelligt euch das Ministerium immer noch? Ich dachte durch Dracos Beziehung zu dieser kleinen ... wie heißt sie doch? Pansy ..."

„Die Parkinsons haben ja auch schon viel erreicht", erwiderte Narzissa schnell, doch hin und wieder meint ein Neuzugang auf einem Ministeriumsposten sich besonders etablieren zu müssen."

„Wir müssen durchhalten!" Lucius´ Stimme war wieder ruhig und ein Flackern erhellte seine Augen. „Wir werden, so hoffe ich, bald herausfinden, ob es mir gelungen ist, das Werk unseres Meisters fortzusetzen und zu seiner Vollendung zu bringen. Und dann werden bessere Zeiten für uns anbrechen, meine Liebe, das verspreche ich dir..."

Nazissa schauderte erneut. Lucius, dagegen, schien die Kälte gar nicht wahr zu nehmen. Er passt wunderbar in diese Umgebung, dachte sie mit bissigem Spott. Eis zu Eis...! Sie ging ziellos ein paar Schritte umher, um die Kälte aus ihren Gliedern zu vertreiben. Ihre Finger fuhren spielerisch über die Einkerbungen in dem rissigen Gemäuer und mit gerunzelter Stirn entzifferte sie ein paar Worte, die irgendjemand einmal in den Stein geritzt haben musste. Taedium vitae, las sie stirnrunzelnd. Lebensüberdruss? Wer immer seine Gedanken dort verewigt hatte, musste von der Atmosphäre dieses Hauses vergiftet worden sein. Sie lachte leise auf und als sie sich ihrem Mann zuwandte, hatte sie die Worte schon wieder vergessen.

„Und warum muss es Snape sein? Warum nehmen wir nicht einfach irgendeinen wertlosen Muggel?", fragte sie schließlich, um überhaupt etwas zu sagen.

„Weil", Lucius Malfoys Stimme bekam einen stählernen Klang und seine Augen verengten sich zu Schlitzen, „weil ich mit Severus noch eine Rechnung zu begleichen habe."

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Hermine suchte nach dem geeigneten Moment, Ron von ihrem Gespräch mit Madam Pomfrey zu erzählen. Seit gestern hielt sich der Spiritus rector aller wissenschaftlich interessierten Zauberer, der Schweizer Prof. Ignatius-Karl Kernheim in London auf und die Medi-Hexe hatte sofort mit ihm Kontakt aufgenommen. Sie hatte ihm von dem Unglück „einer lieben Freundin"erzählt und Rons auffälliges Verhalten mit reichlich Ausschmückungen geschildert, um sein Interesse zu wecken. Sie hatte dargelegt, dass dieser junge Mann ein wunderbares Exempel für seine derzeitige Vortragsreihe über die Beziehung mentaler Muggelkrankheiten zu magischen Geistesverwirrungen abgeben würde. Offensichtlich hatte es geklappt, denn schon für übermorgen hatte er sich einen Termin freigehalten.

Hermine war nicht wohl bei dieser Sache. Vielleicht war sie doch ein wenig zu weit gegangen mit ihrer Zustimmung, Ron gleich einem bekannten Wissenschaftler vorzustellen? Sie musste Ron in einem entspannten Moment darauf ansprechen, darum hatte sie diesen Ausflug in die Wälder in die Nähe des Fuchsbaus vorgeschlagen, in denen er als Kind mit seinen Brüdern gespielt hatte. Sie hoffte, dass ihn diese Umgebung ein wenig versöhnlicher stimmte, besonders wenn sie vorschlug, nachher noch auf einen Sprung bei ihren Schwiegereltern vorbei zu schauen. Auch das Wetter spielte mit. Nach tagelangem Nieselwetter und Nebelfeuchte war es endlich einmal wieder trocken und die kalte Luft kündigte den nahen Winter an.

„Die frische Luft tut ihm sicher gut", meinte sie jetzt und hakte Professor Snape unter, denn der war selbstverständlich mit von der Partie.

Von Ron kam nur ein Brummen.

„Hoffentlich holt er sich keine Erkältung", Hermine zog den Umhang ein wenig fester um Snape.

„Behandle ihn doch nicht wie einen Säugling!" biss Ron von der Seite.

„Was hast du denn? Ich meine es doch nur gut!" Während sie einen Vortrag über die möglichen Gefahren eines Schnupfens bei einem so labilen Menschen begann, beobachtete er sie mit gemischten Gefühlen. Er betrachtete ihr volles Haar, ihre leicht geröteten Wangen, den Schwung ihres Körpers. Wenn sie nicht eine so besserwisserische Göre wäre ....!

Ron geriet ins Stolpern. Das waren nicht seine Gedanken! Hör auf! schrie es in ihm.

Hermine sah ihn erstaunt an, als er so ruckartig stehen geblieben war. Obwohl sie nicht gehört haben konnte, was in seinem Kopf herumspukte, sah er sich genötigt, das irgendwie wieder gutzumachen. Er grinste ein wenig verlegen, zog sie plötzlich an sich und flüsterte: „Ich bin so froh, dass es dich gibt, Hermine!"

Sie gönnten sich einen Moment intimer Nähe und als sie sich voneinander lösten, hielt Hermine den Zeitpunkt für gekommen: "Ron..., begann sie vorsichtig. "Ich habe gemerkt, dass es dir in letzter Zeit nicht so gut geht."

Sie merkte, dass Ron sich zurückzog und sie sogleich misstrauisch beäugte. „Wie meinst du das?"

Nur nicht aufgeben! Bevor sie der ganze Mut verließ, sprudelte es aus ihr heraus: "Komm, du weißt, was ich meine: deine Albträume, deine Gereiztheit, du bist so komisch geworden. Ich habe dir das schon oft gesagt und da du ja keine Schritte unternimmst, habe ich mich jetzt Madam Pomfrey anvertraut!"

„Waaaas?"

Hermines Stimme wurde schrill. „Ron, ich mach das nicht mehr länger mit. Irgendetwas stimmt mit dir nicht, das muss dir doch selbst klar sein. Du bist krank und ich will, dass dir geholfen wird! Madam Pomfrey hat einen sehr guten Bekannten. Luna hat schon von ihm erzählt. Prof. Kernheim! Und sie hat ihn ..."

Weiter kam sie nicht.

„Du hast was? Spinnst du, Hermine? Was geht es Madam Pomfrey oder irgend so einen Psycho-Magier an, wie es mir geht? Du hältst mich für verrückt? Soll ich dir was sagen, Miss Superklug, Verzeihung, Mrs Superklug, du bist verrückt!!"

Und er drehte sich auf dem Absatz um, ließ sie und den Professor einfach stehen. Er stapfte wütend davon, ohne darauf zu achten, wohin er ging. Was fiel ihr ein? Niemand sollte je erfahren, was sich in ihm abspielte! Das ging nur ihn etwas an. Zornig kickte er einen Stein beiseite. Er fühlte sich von Hermine hintergangen. Wie konnte sie, der er immer vertraut hatte, ihn so verraten und sein Innerstes vor fremden Menschen ausbreiten? Er blickte auf und schaute den flüchtenden Nebelfetzen hinterher, die sein Atem in der kalten Luft hinterließ. Er fühlte sich allein.

„Du warst immer allein!", meldete sich die schon wohlbekannte innere Stimme.

„Nein!", stieß Ron zwischen zusammengepressten Lippen hervor. „Sei still!"

Doch seine schwache Gegenwehr wurde ignoriert. Die Stimme in seinem Innern setzte zu einem langen Monolog an:

„Es hat dich nie gestört, allein zu sein, denn du warst ja die Isolation seit den Tagen deiner Kindheit gewohnt, Severus! Seit dein Vater dich über unerträglich lange Zeiträume in dein Zimmer schloss, bis du die umfangreichen Abhandlungen eines Salazar Slytherin im Traum beherrschtest!

Du kanntest die Einsamkeit, in die dich deine Mutter entließ, als sie sich still und heimlich – und absolut egoistisch – aus dem Leben schlich! Hatte sie je einen Gedanken daran verschwendet, wie dein Leben allein unter der Herrschaft des Mannes, vor dem sie geflohen war, aussah?

Nein, auch sie hatte nur an sich gedacht. Genauso wie das Muggel-Mädchen, das nicht mehr an eurem geheimen Treffpunkt erschienen war, als die scheinbar unerklärliche Unglücksserie ihre Familie traf. Du wusstest, er hatte dabei die Finger im Spiel! Du Narr bist dennoch zwei – oder dreimal heimlich nachts zu der alten Linde geschlichen – trotz deiner qualvollen Bestrafung – in der Hoffnung, sie noch einmal berühren zu dürfen. Doch sie kam nicht mehr. Sie hatte dich auch allein gelassen und dieser Schmerz brannte beinahe so stark wie das Mal in deinem Nacken!

Du warst auch allein in Hogwarts. Die jahrelange Isolation hatte dich nie gelehrt, wie man sich in der Gesellschaft Gleichaltriger benimmt. Sie lachten dich aus, spotteten über deine anfänglichen, zaghaften Bemühungen, Kontakte zu knüpfen. Ja, du warst ein Objekt der Belustigung in deiner Unfähigkeit, dich der Masse anzupassen! Neugierig beobachtete dieser Mob all die vielen Begebenheiten, bei denen Potter und seine hündische Gefolgschaft ihre Späße mit dir trieben.

Doch bemerkten sie auch, dass der Hass und der Zorn dich zu enormen Leistungen antrieb. Du hast dich an deinen Peinigern auf eine Art und Weise gerächt, die dich oft genug in das Büro des Schulleiters befördert hatte und dich immer tiefer in die Dunklen Künste versinken ließ. Du lerntest, eine Aura der Bösartigkeit um dich zu verbreiten, so dass das Lachen der Meute irgendwann verstummte und man dir lieber aus dem Weg ging.

Erinnere dich an Dumbledores Worte, nachdem du James Potter diesen Brandzauber an den Hals gehext hattest. Wenn du so weitermachst, Severus, hatte er gesagt und dich mit diesen wissenden Augen hinter den Halbmondgläsern traurig gemustert, ...wirst du einen mühevollen, steinigen und selbstzerstörerischen Weg vor dir haben...!´

Pah, als ob du den nicht schon hinter dir gehabt hättest!

Und du bist diesen Weg auch beharrlich weitergegangen, nicht wahr? Der Weg, der dich zu Tom Riddle und seinen Verlockungen absoluter Macht geführt hatte. Aber auch dort warst du allein im Kreis seiner Todesser, deren billige Vergnügungen mit ihren wehrlosen Opfern dich eher anwiderten als befriedigten, trotzdem du erfüllt warst von dem Verlangen, andere Menschen zu beherrschen und niemals wieder auf der Verliererseite zu stehen.

Und du warst auch allein, als du, nach Jahren trügerischer Ruhe, in denen du dich so bemüht hattest, dein Leben halbwegs in den Griff zu bekommen, in den Kreis um Voldemort zurückgekehrt bist. Allein warst du den höhnischen Blicken seiner Anhänger ausgesetzt, als ER dich den Cruciatus-Flüchen unterwarf, um dich für deine verspätete Rückkehr zu bestrafen! Er hatte sich für dich sogar eine ganz besondere Spielart einfallen lassen: erinnerst du dich, dass nur der Hass auf die lachende Meute den Schmerz, den die glühenden Funken des Feuerzaubers auf deiner nackten Haut hinterließen, übertraf?

Und erinnerst du dich an das Lodern der Flammen, die hungrig die in der Hitze sich windenden Seiten der kostbaren Bücher in deines Vaters Arbeitszimmer zerfraßen – das Vermächtnis ganzer Generationen der Familie Snape? Flammen - entfacht durch deine Hand...?

Tja, Severus, Feuer scheint deine Crux zu sein und Einsamkeit dein Schicksal ..."

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Hermine blickte lange in die Richtung, in die Ron verschwunden war. Natürlich hatte sie so eine Reaktion erwartet! Ihr Blick wanderte unschlüssig zu Professor Snape, dann wieder zurück. Schließlich seufzte sie, nahm die Hand des ehemaligen Tränkemeisters – sie war eiskalt – und zog ihn zu einem großen Findling, der abseits des Weges lag. Sanft drückte sie ihn herab, so dass er darauf zu sitzen kam. Ein aufkommender Wind zerrte an seinem Haar und verbarg einen Großteil seines Gesichtes.

„Eigentlich bist du zu beneiden, Severus", murmelte sie schließlich, während sie ihm das Haar aus der Stirn strich, „ all diese menschlichen Gefühle sind dir für immer fremd geworden .... Vielleicht ist das Leben ja sogar ganz angenehm für dich, auf diese Weise? Keine Wut, keine Enttäuschung, kein Ärger..." Sie schüttelte den Kopf und erhob sich.

„Ich bin gleich zurück." Mit diesen Worten folgte sie dem Weg, den Ron gegangen war.

Sie fand ihn auf dem verfaulenden Stamm einer vom Blitz getroffenen Eiche hockend, den Kopf in den Händen vergraben.

„Ron?" rief sie leise und näherte sich ihm behutsam, wie einem zu Tode geängstigten Tier, das in eine Falle saß. Er hob den Kopf und der Ausdruck in seinen Augen war so voll Verzweiflung, dass sie mit zwei Schritten bei ihm war und nun neben ihm kniete.

„Ron, lass dir bitte helfen", flehte sie.

Es war still bis auf das Knacken der Äste, die sich im Wind bewegten. Als Ron endlich sprach, war seine Stimme erschöpft: „Vielleicht hast du Recht... Hermine. Da ist etwas in mir, das macht mich fertig...."

t.b.c.

So, und im nächsten Kapitel kommen wir der Sache langsam auf den Grund (hoffe ich!)