Disclaimer: schaut euch das erste Kapitel an

Meinen allerherzlichsten Dank an boesmatz, Persephone Lupin und Mina für die lieben reviews !!

12. Kapitel: Taedium vitae

Dicht gedrängt saß die Handvoll Menschen an dem viel zu kleinen Küchentisch. Hermine, deren Wangen nicht nur von den eher seltenen Kochaktivitäten gerötet waren, schwirrte wie eine emsige Biene durch den Raum, bis endlich alle Schüsseln zu ihrer Zufriedenheit auf der feinen Damastdecke - noch ein Erbstück ihrer Muggel-Großmutter - angerichtet waren. Trotz der Eule, die Professor Kernheim vom spurlosen Verschwinden des Zaubertrankmeisters unterrichtet hatte, war er heute Abend gekommen. Madam Pomfrey, deren sorgenvoller Ausdruck nicht mehr von ihrem Gesicht gewichen war, seit der von ihr so bewunderte Schweizer diese unglaubliche Mitteilung gemacht hatte, begleitete ihn. Sie hatte lange Zeit mit sich gerungen, ob sie es wagen sollte, Severus – oder das, was von ihm in dem jungen Weasley weiter existierte, direkt anzusprechen, doch der Ausdruck auf dem Gesicht des Gryffindors war so unglücklich gewesen, dass sie schließlich Abstand von dieser Idee genommen hatte. Ach, so viele Fragen brannten auf ihrer Zunge, aber an erster Stelle stand das Wohl des Jungen und ihre Neugier musste warten. Die Nachricht von Severus Snapes mysteriösem Abhandenkommen hatte sie zutiefst entsetzt. Dem armen Severus blieb aber auch nichts erspart ...

Auch die weiteren Mitwisser, Harry und Luna, waren anwesend und sie saßen ebenso wie die anderen vor ihren unbenutzten Tellern, denn obwohl Hermine keine Mühen gescheut hatte, und ein wirklich verlockender Duft aus den dickbauchigen Porzellanschüsseln auf dem Tisch drang, war doch niemandem wirklich nach essen zumute.

Ignatius Kernheim ließ keinen Zweifel an seiner Erschütterung bezüglich Snapes ungewissen Schicksals aufkommen. Eigentlich war er doch erschienen, um die Andeutungen seines Briefes zu erläutern und ein wenig Hoffnung zu wecken – und nun das! Immer wieder schüttelte er bedauernd den Kopf, bis er schließlich, nach mehrmaligem Bitten seitens Hermine, das Wasserglas, an dem er ab und zu genippt hatte, neben seinen Teller schob und sich aufseufzend zurücklehnte.

„Wie ich Ihnen schon per Eule mitgeteilt habe", begann er langsam und intoniert. „wusste mein geschätzter Kollege Professor Asghrar Khouzami – Sie haben sicherlich schon von ihm gehört, Madam Pomfrey, der Entdecker der Magiküle, die uns Zauberer so eindeutig von den Muggeln unterscheiden .... „

„Ah, ja!", nickte Mme Pomfrey bestätigend und ein kurzen Leuchten erhellte ihre sorgenvolle Miene.

„ ... nun", fuhr Ignatius Kernheim fort, „ ... Professor Khouzami wusste sofort etwas mit dem Namen Snape anzufangen, nachdem ich ihm diese unglaubliche Geschichte berichtet habe, denn vor langer Zeit ist er mit einem Angehörigen dieser Familie zusammen getroffen. Er muss einen starken Eindruck hinterlassen haben!" Er machte eine Pause. „ ... Aber ich will ganz am Anfang beginnen: Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass Professor Khouzami der Erste war, der die sagenumwobene Mondflamme in der arabischen Wüste entdeckte!"

Die Mitteilung rief die unterschiedlichsten Reaktionen hervor. Während Hermine und Harry achselzuckend die Brauen hoben, Ron seine Gabelspielereien, die des Professors Ausführungen begleitet hatten, plötzlich verhielt und wie gebannt auf das glänzende Silber starrte, Madam Pomfrey ein überraschtes „Es gibt sie also wirklich?" hören ließ, musterte Luna eher gelangweilt die bizarren Figuren, die der aufsteigende Dampf aus der Schüssel vor ihr an die Decke schickte.

„Dieser Pflanze schreibt man außerordentliche Fähigkeiten zu. Jahrelang hielt man sie für eine Ausgeburt der Phantasie," erklärte der Schweizer weiter, „ ... allerhand Mythen rankten sich schließlich um sie, viele machten sich auf den Weg, sie zu entdecken, doch meinem Kollegen ist es tatsächlich geglückt! Und er hat sie nicht nur gefunden, nein, es gelang ihm auch, sie zu kultivieren!"

„Erstaunlich!" rief Mme Pomfrey bewundernd dazwischen.

„Oh ja. Und er begann, mit ihr zu experimentieren. Allerdings nur im Verborgenen und mit allergrößter Vorsicht, denn neben all ihren positiven Eigenschaften, auf die ich gleich näher eingehen werde, birgt diese Blume auch große Risiken, wenn man sie nicht richtig handhabt."Professor Kernheim hob das Wasserglas und genehmigte sich einen großen Schluck, bevor er weiter sprach: „Doch trotz aller Geheimhaltung müssen Bruchstücke seiner Forschungsarbeit nach außen gesickert sein, denn eines Nachts stand ein Zauberer aus England vor seiner Tür, der ihm eine hübsche Summe bot für ein kultiviertes Exemplar der Mondflamme. Er erzählte ihm, dass er schon lange auf der Suche war nach einem wirkungsvollen Mittel gegen die Schwermut seiner Frau. Da er einen integren Eindruck machte und aus einer uralten Zaubererfamilie stammte und der junge Khouzami darüber hinaus durch seine illegalen Forschungen in ziemlichen Geldschwierigkeiten steckte, verkaufte er ihm einen Ableger der Pflanze, nicht ohne ihn ausdrücklich auf die Gefahren hinzuweisen. Er äußerte auch seine Zweifel, ob man die Mondflamme im kühlen England überhaupt anbauen könnte, doch der Besucher schien wirklich verzweifelt und sich an jeden Strohhalm zu klammern. Dieser Zauberer war ein gewisser Serpius Snape ...."

Alle Augen ruhten sekundenlang auf Ron, der dies zum Anlass nahm, die Gabel wieder zwanghaft durch seine Finger wandern zu lassen.

„Ihr.. äh ... der Vater des bedauernswerten Severus Snape ..."

Stille trat ein, der ein leises Klirren von Rons Essbesteck ein jähes Ende setzte, als dieses unerwartet gegen den Tellerrand knallte.

Sieh an, dachte Luna, noch jemand, der die Blume zu schätzen wusste ...

„Ähm ... wollen wir nicht essen?" Wieder einmal kam Hermine Ron zu Hilfe. „Es wird sonst kalt."

Das war das Stichwort für eine befreiende Geschäftigkeit der anwesenden Gäste und einige Minuten lang aßen alle ein paar Happen, lobten höflich Hermines Kochkünste und warteten doch begierig auf die Fortsetzung von Professor Kernheims Erklärungen.

„Was ist Besonderes an dieser ... Mondflamme..?", fragte Harry endlich, weil er es nicht mehr schaffte, seine Neugier weiterhin zu zügeln.

„Oh, die Wirkungen sind vielfältig. Zuallererst ist sie eine Art Heilpflanze. Nur wenige Tropfen ihres Blütensaftes reichen aus, um das Schmerzempfinden drastisch zu verringern und kleinere Verletzungen heilen zu lassen. Mit jedem weiteren Tropfen wächst die Heilkraft, aber auch der vermehrte Ausstoß eines Halluzinogens, das die Sinne betört und zunehmend verwirrt. Ein paar Tropfen zu viel jedoch sorgen für einen sanften schmerzfreien Tod. Meine Kollege Khouzami hat mit ihr einige bahnbrechende Ergebnisse bei der Zubereitung neurologischer Heiltränke erzielt, nur nach dem tragisch endenden Selbstversuch eines seiner Assistenten hat er dann auf weitere Versuche verzichtet und den internationalen Zaubergamot von seiner Arbeit unterrichtet. Der konfiszierte daraufhin die restlichen Pflanzen und verbot den Umgang mit derselben. Aber – ..." Er machte eine kunstvolle Pause und jeder der Anwesenden verwünschte insgeheim seine durch viele öffentliche Auftritte verfeinerte Rhetorik .

„Aber", fuhr er endlich fort, nachdem er erneut einen Schluck Wasser getrunken hatte, „das eigentlich Kuriose an der Mondflamme ist, dass sie nur einmal im Monat für kurze Zeit blüht, und zwar exakt bei Vollmond. Nur dann kann man den Blütensaft auffangen, und wie mir mein Kollege mitteilte, ist die Entfaltung der Blüte ein außerordentliches Schauspiel. Jedoch..."er unterbrach sich ein weiteres Mal und Harry konnte ein ungeduldiges Zischen nicht unterdrücken. „Jedoch hat sie noch eine andere bedeutende Eigenschaft: man sollte tunlichst vermeiden, sie mit Feuer in Berührung kommen zu lassen, denn statt zu verbrennen entwickelt die Mondflamme ihre eigene Dynamik. Sie scheint die Flammen zu absorbieren und in einer Art Metamorphose in intensive magnetische Strahlungen umzuwandeln und das kann unliebsame Folgen haben .... Professor Khouzami ist nur zufällig darauf gestoßen, als er während eines Versuches versehentlich eine Kerze umstieß und diese die Pflanze in Flammen setzte, Und plötzlich befand er sich außerhalb seines Körpers. Wie er mir schilderte, ein unglaubliches Erlebnis! Er sah sich selbst unbeweglich am Tisch sitzen und auf die Blume starren, während er gleichzeitig wie ein Vogel frei umher schweben konnte. Dieser Zustand hielt so lange an, wie die Blume ihre in allen Farben schillernden Lichtblitze verbreitete. Als diese endlich erloschen, und die Pflanze unberührt wie zuvor auf dem Tisch lag, war der Schwebezustand meines Kollegen unvermittelt beendet ...."

„Ich verstehe, was sie meinen", klang Lunas Stimme sanft in das ehrfurchtsvolle Staunen. „Wenn die Blume ihre besonderen Strahlen absondert, kann sie damit die Seele eines Menschen extrahieren. Und Sie sehen darin eine Möglichkeit, Professor Snapes Seele aus Ron herauszuholen ..."

„Exakt, Miss Lovegood, exakt. Sie sind erstaunlich! Wie war noch einmal der Name Ihrer Zeitung?"

„Quibbler", antwortete Luna mit einem charmanten Lächeln.

„Aber das ist dunkelste Magie ...", rief Madam Pomfrey entsetzt aus.

„In der Tat, Verehrteste", entgegnete Professor Kernheim unbeeindruckt. „Aber es wäre eine Möglichkeit ...."

Während der letzten Minuten der faszinierenden Schilderungen des Professors hatte niemand mehr auf Ron geachtet. So war es sogar Hermine entgangen, dass dessen Atem sich beängstigend beschleunigt und das nervöse Hantieren mit dem Essbesteck bedrohliche Geschwindigkeit angenommen hatte. Als er abrupt aufstand, war das beinahe mit der Wucht eines Zentaurenpfeils.

„Ich ... bin gleich wieder da", stieß er hervor und ließ eine augenblicklich verstummte Gesellschaft in der Küche zurück.

„Alles klar, Ron?"rief Hermine ihm hinterher, doch er schien sie nicht zu hören.

Als er das Bad erreichte, war es um Rons Selbstbeherrschung geschehen. Oh nein – er würde sich nicht noch einmal die Blöße geben, den Anwesenden einen Einblick in sein Innenleben zu gewähren! Doch nachdem er den Schlüssel umgedreht hatte, stieß er die Stirn immer wieder gegen die kühlen Fliesen, als ob er versuchte, damit seinen Kopf zu leeren..

Mondflamme! Mondflamme! hämmerte es rhythmisch in seinen Gedanken. Natürlich! Dieses verdammte Kraut reckte seine vorwitzigen Blätter aus der Vergangenheit nach ihm aus und ließ ihn nicht in Ruhe ... Schwermut seiner Frau! ... Lachhaft. ... Er hat ihr die Seele genommen und ihr damit den Weg zum Tod gezeigt! ... Ein paar Tropfen zuviel ... 49 genau! ... 7 mal 7! ... Natürlich hatte er die Rezeptur auswendig lernen müssen ... 7 Tropfen gegen kleine Wunden, 7 mehr heilen die großen, weitere 7 innere Verletzungen, die nächsten 7 sorgen für Schmerzunempfindlichkeit, 7 dazu und auch der Verstand beginnt sich zu verwirren, noch einmal 7 bringen lebenswichtige Organe zum Erliegen, die letzten 7 schließlich bringen den Tod ...

„ ... die letzten 7 bringen den Tod ...", wiederholte Ron gequält.

„Ron. Geht´s dir gut?"Hermine klopfte von außen an die verriegelte Tür.

„Ja, doch!"die Antwort kam wie ein unterdrückter Schrei. „Komme gleich ..."

Hermine zögerte kurz, hielt es aber dann für das Beste, zu den anderen zurück zu gehen. Die waren inzwischen dabei, Spekulationen über Snapes Aufenthaltsort anzustellen. Hermine setzte sich, als erneut der Name Malfoy fiel. Im gleichen Moment begann Luna, sich noch seltsamer als üblich zu benehmen. Sie zerfledderte die Taubenfedern, die in einer recht ungewöhnlichen Kette ihren Hals schmückten, schaukelte unruhig mit dem Oberkörper hin und her und knabberte unablässig an einem Rosmarinzweig. Sie schien mit sich zu kämpfen, wobei ihre rollenden Augen immer wieder an Harry hängen blieben; letztlich aber rang sie sich dazu durch, den Mund zu öffnen und mit einer ungewohnt hohen Stimme zu sprechen.

„Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber ..."ein kurzer Blick zu Harry, der nun endlich fragend zurückblinzelte. „aber ich habe kürzlich Draco Malfoy wieder gesehen. Bei ... ähm ... bei Flourish & Blotts. Ich suchte da nach ein paar Informationen über die geheimen Beziehungen Grindelwalds zu den Stepposauren, ihr wisst, die, deren Existenz ..."

„Ja, ja ... und weiter?", drängelte Hermine, wobei sie mit einem Ohr auf Geräusche aus dem Bad horchte.

„Also, ich stehe vor den Büchern und da schleicht auch dieser Blöndling herum. Als er mich sieht, hat er nichts Besseres zu tun, als fluchtartig den Laden zu verlassen. Dabei hat er etwas verloren, ich meine, ich sehe etwas auf der Erde liegen, da, wo vorher noch nichts lag. Also, ... bevor Malfoy sich so blitzartig wieder umgedreht hat ..."

„Und was war das?"fragte Hermine, nun sichtlich genervt ob Lunas plötzlich aufgetretener Unfähigkeit, sich in verständliche Worte zu fassen. Doch als Ron in diesem Moment den Raum wieder betrat, öffnete sie den Mund zu einer besorgten Frage, klappte ihn jedoch schnell wieder zu, als Ron finster zu ihr herüber sah. Hatte er diese steile Falte über der Nasenwurzel schon immer gehabt?

Ron setzte sich umständlich und Luna kramte ein schmutzig graues Päckchen aus ihrem buntbestickten Lederbeutel hervor, das sie auf den Tisch legte und vor den Augen aller öffnete. Zum Vorschein kamen Bruchteile von etwas Undefinierbarem, das auf den ersten Blick reichlich uninteressant wirkte ...

„Ich habe es schon untersucht", erklärte Luna, „Ich glaube, es sind Splitter von Satyrknochen. Ich dachte mir, ich bringe sie mit, denn Knochen eines Satyrs sind doch auf der Verbotsliste des Ministeriums und werden dem Gebrauch der Dunklen Künste zugeschrieben, oder?"

Professor Kernheim nahm einen der vermeintlichen Knochenstücke in die Hand und seine Brille ab, betrachtete ihn von allen Seiten, schnüffelte wie ein Hund daran und schabte schließlich mit dem Fingernagel ein wenig davon ab.

„Ich glaube", sagte er schließlich, während er das weißliche Pulver auf seiner Fingerkuppe betrachtete. „ ... das ist eine Fälschung."

Das erklärt Malfoys Wut, dachte Luna.

„Satyrknochen schreibt man regenerierende Eigenschaften zu. Schwarzmagier benutzen sie zur Steigerung ihrer körperlichen Kraft", referierte Professor Kernheim.

„Aber ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Mr. Malfoys Drang nach gesteigerter Körperkraft und dem Verschwinden Sev ... Professor Snapes ..." warf Madam Pomfrey vorsichtig ein.

„Vielleicht fragen wir ihn einfach mal", schlug Harry mit blitzenden Augen vor. „ ... Ein wenig eindringlicher?"

Ron streckte seine Hand aus, um ebenfalls einen der Knochensplitter zu begutachten, da erstarrte er mitten in der Bewegung. Seine Augen hingen an dem arg zerknitterten Fetzen Pergament, das Luna soeben achtlos beiseite gelegt hatte und entzifferten, was sein Verstand erst kleine Ewigkeiten später wirklich erfasste: in dünnen, krakeligen Buchstaben waren quer über die Knitterfalten der abgegriffenen Seite die Worte geschrieben, die tief vernarbte Wunden in ihm aufrissen: Taedium vitae, las er, Ekel vor dem Leben ...

- - -

Lucius Malfoy überflog noch einmal konzentriert die Aufzeichnungen des alten Snape: soweit es die Heilung kleiner und mittelschwerer Verletzungen betrifft, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass genau 28 Tropfen des Blütensekrets den gewünschten Erfolg bringen, stand dort in steifen Federstrichen geschrieben, was Selenes Gemütszustand angeht, bin ich mit der Wirkung der Mondflamme noch nicht zufrieden. Werde beim nächsten Vollmond eine weitere Variante ausprobieren ...

„Hast du ihm mal etwas zu essen gegeben?"drang Dracos Stimme an sein Ohr.

Lucius hob den Kopf. „Glaubst du denn, ich füttere ihn?"Er warf einen kurzen Blick auf Snape, dessen Körper nun wieder in den alten Lehnstuhl, der einzigen Sitzgelegenheit in diesem Raum, verfrachtet worden war. Bellatrix, die interessiert in dem Tagebuch von Snapes Mutter blätterte, ließ einen angewiderten Laut hören.

Draco schüttelte kaum merklich den Kopf und legte eine Hand auf Snapes Stirn. Sie war heiß. Die Augen lagen tief und glänzend in ihren Höhlen, von dunklen Ringen umsäumt. Draco seufzte, ging hinüber zu dem langgezogenen Tisch, auf dem bereits die Zutaten für seines Vaters „Meisterwerk", wie er den Trank der Unverwundbarkeit zu bezeichnen pflegte, fein säuberlich aufgereiht standen: pulverisierte Satyrknochen, schimmerndes Einhornblut, Phönixtränen, die in ihrem kristallenen Behälter traurig glitzerten, Bilsenkraut, zerstoßener Beinwell und andere, ihm unbekannte Kräuter und eingelegte Beigaben. Einiges davon hatte er unter großen Mühen selbst besorgt, die Herkunftsorte einiger anderer Zutaten wollte er sich lieber nicht ausmalen. Er goss etwas von dem frischen Wasser aus dem Tonkrug neben den Phönixtränen in einen Becher und kam damit zu Snape zurück. Er hob mit der einen Hand den Becher ganz nah an Snapes spröde Lippen, und drückte mit der anderen seinen Kopf leicht zurück. „Trinken Sie", drängte er und mit Erleichterung sah er den Professor die erforderlichen Schluckbewegungen ausführen.

Wenn der Unverwundbarkeitstrank tatsächlich gelingen und sein ehemaliger Hauslehrer die Flüche, die sein Vater „probehalber"gegen ihn schleudern würde, überleben sollte, war sein weiteres Schicksal reichlich ungewiss. Solange die Wirkung des Trankes anhielt, war er durch diesen ja noch geschützt, doch was kam danach? Ein langsamer, qualvoller Tod? Vielleicht aber brauchte Lucius seinen ehemaligen Kampfgenossen für weitere Experimente? Nur gut, dass sein Verstand sich schon vor langer Zeit verabschiedet hatte ...

... nur gut, dass sein Verstand sich schon vor langer Zeit verabschiedet hat, dachte auch Lucius, als er die rührenden Bemühungen seines Sohns um die Erhaltung von Snapes Lebenskraft mit einem Anflug von Amüsement beobachtete. Dabei brauchte sich Draco gar nicht so viel Mühe zu geben, denn er, Lucius, hatte noch gar nicht vor, Snapes Körper den gleichen Weg wie seine Seele gehen zu lassen. Oh nein, er plante noch ganz andere Dinge mit ihm. Möglichkeiten, die ihm erst durch das Studium von Serpius Snapes´ Aufzeichnungen offenbart worden waren. Sicher, in erster Linie war es ihm um den Trank der Unverwundbarkeit gegangen. Er dachte an die vielen erfolglosen Versuche, die der Dunkle Lord mit diesem diffizilen Produkt der hohen Braukunst unternommen hatte. Einige hatten die wiederholten Tests mit dem Leben bezahlt – vorzugsweise Muggel, oder abtrünnig gewordene Todesser! Und Snape hatte jeden missglückten Versuch mit einem hübschen kleinen Cruciatus büßen müssen!

Ein erinnerungsseliges Lächeln umspielte Lucius´ Lippen. Er war sicher, dass der Trank diesmal perfekt war; dann endlich konnte er aus dem Verborgenen auftauchen, wie ein Phönix aus der Asche – sein Lächeln vertiefte sich bei dem sinnigen kleinen Vergleich - und sich in der Öffentlichkeit präsentieren! Niemand würde ihm etwas anhaben können, kein Cuciatus, kein Avada Kedavra – nichts! Niemand könnte ihn dann noch davon abhalten, zu der Macht aufzusteigen, die ihm zustand. Und er würde es besser machen als Voldemort, dessen Bürde der nicht standesgemäßen Herkunft und der unglücklichen Kindheit seinen Verstand zerfressen hatte – oh ein, er würde seinen Verstand gebrauchen!

Und dann hatte Snapes Vater, ein Hoch auf diesen genialen Zauberer, doch tatsächlich noch wunderbare Dinge über dieses kleine Pflänzchen herausgefunden ... Wenn sie mit Feuer in Berührung kam, geschahen verheißungsvolle Dinge mit der Seele eines Menschen. Und vielleicht auch mit dem, der gar keine mehr hatte ...

„Mal sehen, Sev, ob deine Mutter ein paar Lieblingsrezepte von dir niedergeschrieben hat", spottete seine Schwägerin neben ihm gerade und fuhr mit dem Finger über die Seiten des Tagebuchs. „Nein, leider nichts. Dann hat Mami dich nicht genug geliebt, oder?"Sie lachte ihr schrilles Lachen und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

Dumme, kleine Bella, dachte Lucius spöttisch und schickte ihr ein beifälliges Grinsen, wenn du wüsstest, was ich noch alles mit dir plane! Vielleicht würdest du an deinem eigenen Lachen ersticken...? Aber eine ergebene Seele wie du sie hast, ist genau das, was ich brauche ...

Narzissa betrat den Raum, den unvermeidlichen, gefütterten Umhang eng um sich geschlungen. „Es ist so kalt draußen", murmelte sie und stellte sich neben Draco, der nun tatsächlich seinen eigenen Umhang über Snapes Schultern gebreitet hatte. „Ich glaube, es gibt bald den ersten Schnee ..."

Hm, wie romantisch, philosophierte Lucius und riskierte einen Blick aus dem Gitterfenster auf den blutroten Sonnenuntergang. Neuschnee und Vollmond und neue Perspektiven ...

t.b.c.