Ich danke allen Reviewern und auch denen, die vielleicht trotzdem noch mitlesen …

Meta Capricorn: Dank dir schön, hm, deine Worte tun gut! Schön, dass dir das mit dem Inanimatus-Fluch aufgefallen ist … nein, so ganz auf der falschen Fährte bist du nicht, obwohl es auch jeder andere Fluch, der nur stark genug ist, um Funken fliegen zu lassen, getan hätte. Aber ich habe schon diesen Inanimatus-Fluch gewählt, um eine kleine Beziehung zu dem folgenden Ereignis herzustellen. Inanimatus heißt wohl so etwas wie leblos, unbeseelt, und wird, glaube ich, eigentlich nur benutzt, um leblose Gegenstände heraufzubeschwören. In diesem Fall wusste Ron sich nicht anders zu helfen (natürlich, weil ich es so wollte), um diese Schlange irgendwie unschädlich zu machen. Aber mir gefiel dieses „unbeseelt" so gut, weil ja auch Ron eine Seele abhanden kommt. Welche, wirst du gleich lesen. Und eine Erklärung, warum genau die, kommt später …

Boesmatz: Hey, schön, dass du noch da bist. Vielen Dank!

Persephone Lupin: Schade, schade, schade um deine Muse! Aber es gibt ja noch die langen Sommerferien! Nein, außer Gefahr sind sie nicht …wer weiß, ob sie es jemals sein werden. Irgendwie wird die Geschichte doch länger, als geplant … Freu mich aber ganz, ganz doll, dass du noch mitliest!!

Noel McKey: Danke für deine lieben Worte! Sind beide im richtigen Körper?? Hm, lies einfach weiter, hoffe sehr, dass dir das Kapitel gefällt, mir hat es auf jeden Fall großen Spaß gemacht, es zu schreiben!

Sveni: Auch dir vielen, vielen Dank! Welche Seele wo gelandet ist, wirst du gleich sehen. Eine genauere Erklärung kommt später. Ja, die Geschichte spielt kurz vor Weihnachten. Hinweise darauf gibt es in Kapitel 3 und 10. Aber das kann man schon mal überlesen, passiert mir auch bei den vielen Fanfics!! Ja, was kann man Sev mehr wünschen zu Weihnachten. Außer vielleicht, dass auch sein Körper dieses Fest noch erlebt …;-)

Molula45: Danke sehr! Ich freue mich auch, dich wieder begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, es ging schnell genug weiter …

Mina: Hallo, ich hab dich schon vermisst! Ich bin auch gespannt, wie Ron und Snape harmonieren, wenn die Persönlichkeiten wieder an den angestammten Plätzen sind… Sind sie das? Einfach weiter lesen …

Und nun viel Spaß beim Weiterlesen …

17. Kapitel: Neuschnee

Benommen wie nach einem schweren Schlag, hatte Ron einige Schwierigkeiten, seine Situation klar zu erfassen. Er musste auf dem Boden liegen. Er hatte es gesehen. Gesehen? Mühsam versuchte er, seine Gedankenknoten zu entwirren. Ja, er hatte sich gesehen, wie er inmitten eines Lichtermeeres auf der dunklen Erde lag! Ein Traum? … Vielleicht … . Etwas Feuchtes leckte an seinem Gesicht und alarmiert riss er die Augen auf. Schnee! Nur Schnee. Das Bild einer Schlange kroch vor sein inneres Auge. Er starrte angestrengt durch das sanfte milchige Licht um ihn herum, aber weit und breit war nichts von einer Schlange zu sehen. Mit brummendem Schädel setzte er sich langsam auf und blickte vorsichtig in den Nachthimmel. Von da oben hatte er auf sich herabsehen können! Doch jetzt tanzten nur vorwitzige Schneeflocken um seine Nase, so dass er schnell den Kopf senkte und auf den Mann blickte, der neben ihm auf dem Boden lag.

Er sah, wie dieser Mann langsam eine Hand hob und vor seine Augen führte. Die zweite Hand folgte. Er sah den Unglauben in den Augen, die die Finger betrachteten ohne wie üblich den Fokus zu verlieren. Er sah, wie die Finger vorsichtig bewegt wurden, sich krümmten und wieder aufrichteten. Sah hoffnungsvolles Leben in diese Augen strömen, wie Quellwasser, das sich in kristallklaren Bergseen sammelt. Und er hörte das Seufzen, das sich tief in der Brust geformt hatte und wie ein Vogel hinaus in die Nachtluft flog.

Gleichzeitig spürte er eine seltsame Leere in sich, so als ob etwas Vertrautes für immer von ihm gegangen wäre. Warum sind wir hier? fragte er sich, doch die unerwartet verwaiste Seele in ihm wusste keine Antwort. In banger Ahnung sah er erneut zu Snape hinüber, der nun seinerseits den Kopf drehte und ihm direkt in die Augen blickte. In ihnen reflektierte sich seine eigene Verständnislosigkeit.

„Was … ist … passiert?" brach es schließlich aus Ron hervor.

Snape schüttelte als Antwort langsam den Kopf. Ron beobachtete fasziniert, wie er sich vorsichtig auf einen Ellenbogen stützte, wobei das lange Haar wie früher seine Gesichtszüge bedeckte. Er strich es langsam zurück und richtete schließlich seinen Oberkörper auf. Seine Bewegungen waren verhalten, doch konzentriert, so als prüfte er die Funktionstüchtigkeit seines Körpers bis ins kleinste Detail.

Hinter Rons Stirn arbeitete es fieberhaft. Der Mann da neben ihm war keine leere Hülle mehr! Irgendeine Art von Bewusstsein war in ihn zurückgekehrt. Der Teil, der ihm abhanden gekommen war?

War es nicht erst vor Kurzem gewesen – auch wenn es ihm jetzt wie vor einiger Ewigkeit erschien – dass Professor Kernheim etwas von den Mondflammen-Versuchen eines Kollegen erzählt hatte? „ … Er sah sich selbst unbeweglich am Tisch sitzen und auf die Blume starren, während er gleichzeitig wie ein Vogel frei umher schweben konnte." Waren das nicht seine Worte gewesen?

Und hatte Luna nicht etwas in der Art gesagt, wie „Wenn die Blume ihre besonderen Strahlen absondert, kann sie damit die Seele eines Menschen extrahieren …"

Hatte Snapes Seele ihn womöglich verlassen? Oder gar seine eigene Persönlichkeit?

Schaudernd verbarg Ron das Gesicht in den Händen und kramte angestrengt in seinem Gedächtnis herum. George, der sein Lieblingsspielzeug verschwinden lässt… Der Brief mit dem Vertrauensschüler-Abzeichen … Hermine, die mit Krum tanzt … Der erste Kuss…Der kleine Irrgarten unweit des Fuchsbaus, Hermine so nah … Erleichtert ließ Ron die Hände wieder sinken. Offenbar waren seine Erinnerungen noch immer vorhanden!

Er hatte keine Ahnung, wie und warum, aber die Persönlichkeit Severus Snapes´ schien tatsächlich an ihren Ursprungsort zurückgekehrt, während seine eigene noch immer unbeschadet in dem langen, schlaksigen Körper hauste, wie früher, als das noch so selbstverständlich war ... .

„Pro … Professor …?" flüsterte Ron.

Der Angesprochene hob den Kopf, musterte Rons Gesicht, ließ die Augen langsam über den Körper wandern. Ron fühlte sich mit einem Mal nackt unter diesem Blick. Er war ein offenes Buch für Snape, jede Seite, jedes Wort der letzten Kapitel hatte er gelesen …

Ein Ruf hallte durch die Nacht und vertrieb im Nu alle Grübeleien. Sie durften nicht hier sein, sie waren auf der Flucht! Aus irgendeinem Grund, an den er sich nicht mehr erinnern konnte, hatten sie den Weg durch diesen Garten gewählt. Er rappelte sich auf die Füße und streckte Snape eine leicht bebende Hand entgegen.

„Kommen Sie …", murmelte er.

Auch Snape hatte ruckartig den Kopf in die Richtung des Rufes gewand. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und ergriff dann zögernd die ausgestreckte Hand. Ziemlich umständlich kam er schließlich auf die Beine, löste die Finger aus Rons Griff und schloss für einen Moment die Augen.

„Wir müssen hier weg …" erinnerte Ron und vermied es, den Professor anzusehen.

Dieser runzelte angestrengt die Stirn und mahlte mit dem Unterkiefer, als ob die Worte, die sich darin ansammelten, zu große Brocken für einen verständlichen Satz wären. Er wies mit dem rechten Arm in die Dunkelheit und ein heiseres Krächzen vibrierte in seiner Kehle, so als wollte er diese vom Staub und Schmutz langjähriger Nutzlosigkeit befreien.

„Da lang …" kam es schließlich in einem fremdartig rauen Ton aus seinem Mund.

Er horchte dem Klang der Stimme nach, dann nickte er Ron zu, und bewegte sich mit vorsichtigen Schritten in die angegebene Richtung. Ron folgte ihm, noch immer schrecklich durcheinander und sehr darauf bedacht, sich aus dem Lichtschein der magischen Blüten heraus zu halten und nicht auf umherkriechende Schlangen zu treten.

Snape glitt langsam, aber zunehmend sicherer durch den Garten. Ab und zu warf er einen Blick auf die schimmernden Mondflammen, blieb aber nicht stehen. Sie erreichten die Mauer, die die Pflanzungen umschloss. Snape fuhr mit der Hand über den Stein, als wollte er mit jedem Bruchstück Teile seines Lebens zusammen fügen. Ron wurde ungeduldig. „Sie werden uns gleich finden", drängelte er. Aber der Professor reagierte nicht, sondern lenkte seinen Weg tastend an der Mauer entlang. Der Schneefall nahm zu, schon bald würde man den Abdruck ihrer Füße in der weißen Decke erkennen können. Ron registrierte flüchtig, dass der Mann vor ihm nur mit einem Hemd bekleidet war und sicherlich entsetzlich fror, als Snape unvermittelt stehen blieb. Er schob die Zweige eines wilden Brombeerstrauches zur Seite und legte einen schmalen Durchgang in der Mauer frei. Es war mehr eine Spalte, doch er glitt mühelos hindurch und auch Ron zwängte sich mit einiger Anstrengung durch die Öffnung. Er hatte keine Ahnung, wohin das führen sollte, aber was blieb ihm übrig? Dichtes Buschwerk versperrte den Weg, doch Snape ging weiter, ignorierte die Zweige, die den Zugang erschwerten, als wären sie unsichtbar. „Autsch!" fluchte Ron, als irgendein Dornenzweig eine schmerzhafte Schramme in seine Haut riss. Die Dornen schienen dem Professor nichts anzuhaben. Er blieb erneut stehen. Ron tat es ihm gleich und wartete, wobei er vorsichtig das Blut, das die spitzen kleinen Biester in seinem Gesicht hinterlassen hatten, von der Haut wischte.

Snape starrte bewegungslos in die Dunkelheit, umschlang seinen Oberkörper mit beiden Armen und Ron bemerkte, wie er zitterte. Hastig zog er sich den Umhang – Snapes Umhang – von den Schultern, immerhin trug er eine von Molly Weasleys wollenen Weihnachtskreationen darunter, und reichte ihn an Snape weiter. „Hier, nehmen Sie …, der … der gehört Ihnen …"

Snape griff zögernd nach dem schwarzen Stoff, dann sah er Ron direkt in die Augen.

„Danke …" flüsterte er heiser und hüllte sich in die wärmende Robe.

„Der … Zauberstab …", krächzte er dann und wies auf den Stab in Rons Hand. Irritiert wollte der ihm den Stab überlassen, doch Snape schüttelte den Kopf; „Noch … nicht …" Dann murmelte er leise: „Accedo …"

Endlich verstand Ron, hob den Zauberstab und wiederholte laut und deutlich: „Accedo!" Das Buschwerk vor ihnen teilte sich und zum Vorschein kam ein eigentümliches Bauwerk aus alten Bruchsteinen, die in einem nicht sehr Vertrauen erweckenden Halbrund aufeinander gehäuft waren. Es wirkte ein wenig wie eine künstliche Höhle und Ron zog verwundert die Brauen zusammen.

Snapes Mundwinkel zuckte. „Mein … erster Schutzzauber …" stieß er hervor und winkte Ron, ihm zu folgen. Zögernd betrat er den Steinhaufen durch einen schmalen Durchgang an der Seite. Man konnte nur sehr gebückt stehen und Ron ließ die erleuchtete Spitze seines Zauberstabes einmal im Kreis wandern. Von innen betrachtet wirkte alles ein wenig standfester. Das Bauwerk entpuppte sich als eine Art Kapelle und er ahnte, was das hier zu bedeuten hatte. Snape hatte ihm den Rücken zugedreht und war umständlich in die Knie gegangen. Er beugte sich über eine steinerne Erhöhung, auf der mehrere Gegenstände verteilt lagen.

„Hier sind wir … erst mal sicher", flüsterte er und Ron setzte sich langsam auf einen am Boden liegenden, breiten Stein und ließ den Zauberstab sinken. Noch immer benommen von den Geschehnissen dieser Nacht, umklammerte er seine Knie und wünschte sich nichts sehnlicher, als in die klugen Augen von Hermine blicken zu können …

- - -

„Und?", fragte Lucius Malfoy angespannt und schüttelte sich den Schnee von den Schultern während die beiden Frauen auf ihn zu eilten.

„Nichts!" antworte Bellatrix mit glühenden Augen und Narzissa nickte bestätigend mit dem Kopf.

„Und doch sind sie noch hier … Irgendwo …" Lucius hob das Kinn und ließ den Blick mit zusammen gekniffenen Augen schweifen, wie ein Jagdhund, der die Witterung des verängstigten Wildes aufgenommen hatte. „Ich kann es fühlen …"

Schwachsinn, die sind längst weg, dachte Draco, der fröstelnd neben seinem Vater stand, doch er hütete sich, das laut auszusprechen. Und er konnte nicht umhin, etwas wie eine aufkeimende Erleichterung bei diesem Tatbestand zu fühlen. Immerhin war die Unverwundbarkeit bestätigt worden, alles Weitere hätte für seinen ehemaligen Hauslehrer wohl wenig amüsante Konsequenzen gehabt. Dass ausgerechnet der rote Wiesel die Dreistigkeit besessen hatte, Professor Snape aus seiner misslichen Lage zu befreien, wurmte ihn dennoch sehr – andererseits, war der ja wohl so etwas wie sein „Kindermädchen" geworden.

„Ich glaube, sie sind weg!", sagte er laut. „Es war keine einzige Spur im Schnee zu sehen."

„Na und?" giftete Lucius ihn an. „Es schneit auch noch nicht lange. Aber vielleicht haben sie ja einen Thestral oder irgendein anderes Mistvieh vor dem Haus weiden lassen und wir haben es nur nicht bemerkt?"

Draco senkte den Kopf und begann, seine Unterlippe mit den Zähnen zu bearbeiten.

„Vielleicht hat der Wiesel den Giftmischer auf einem Besen festgebunden? Denn fliegen konnte der nie besonders gut."

Narzissa mischte sich nun ein. „Lucius, es gibt genug andere Möglichkeiten, von hier fortzukommen. Sie sind weg! Finde dich damit ab! Wir sollten schleunigst …"

Lucius verharrte in dem Bemühen, die schneefeuchten Strähnen seines Haares aus dem Gesicht zu streichen und ließ die Hand ganz langsam sinken. Er machte einen Schritt auf seine Frau zu und führte die Hand nun stattdessen an ihr Gesicht, ließ sie den Hals hinunterwandern und fasste ihr anschließend so kraftvoll ins Genick, dass sie zusammen zuckte. Dabei lächelte er. Ein Lächeln, das eine Vielfalt an Bösartigkeiten verhieß.

„Und du", flüsterte er in einem ausgesprochen sanften Ton, der seinem Mienenspiel widersprach „ … solltest dich damit abfinden, dass mich deine Meinung nicht interessiert!" Er presste seine Hand noch heftiger in ihren Nacken, was Narzissa aufstöhnen ließ, dann drehte er sich zu den anderen Beiden herum.

„Niemand kommt einfach so hier rein oder raus. Ich habe euch das immer wieder gesagt! Die Snapes waren eine außerordentlich misstrauische Sippschaft. Hier steckt alles voller Schutzzauber! Man kann nicht einfach so apparieren, die Kamine sind geschützt, selbst einen Portschlüssel kann man nur außerhalb der Appariergrenze benutzen. Dieses Anwesen ist eine Festung!"

„Und wie …", das war Bellatrix, die Einzige, die offenbar keine Angst vor Lucius Zorn hatte, „ … und wie ist dann dieser Rotkopf hierher gekommen?" Sie baute sich vorwurfsvoll vor ihrem Schwager auf. Der sah auf sie herab und seine Miene versteinerte plötzlich. „Das", zischte er leise, „ … ist etwas, was ich noch herausfinden werde. Und wehe dem, der das zu verantworten hat!" Er warf Frau und Sohn noch einen letzten, drohenden Blick zu, dann wandte er sich wieder in Richtung Tür.

„Wir suchen weiter!", befahl er knapp und niemand widersprach diesmal.

- - -

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Durch den schmalen Spalt konnte man die Flocken wirbeln sehen und ein Streif blassen Mondlichts fiel hindurch, ansonsten war es dunkel. Snape kauerte unter dem Umhang und Ron spürte, dass er noch immer zitterte.

„Werden … werden sie uns hier nicht finden?" brach er schließlich das Schweigen.

Snape zuckte leicht die Schultern. „Vorerst nicht …"

Dann holte er tief Luft, räusperte sich noch einmal und sagte den ersten längeren Satz, den Ron in den letzten Jahren von ihm gehört hatte: „Ich war sechs, als ich das hier für … sie … du weißt …?" Er brach ab und warf Ron einen Blick zu, woraufhin dieser nickte. „ … für sie gebaut habe."

Je leichter ihm das Reden fiel, desto schneller brachen die Worte aus seinem Mund hervor, als ob er sich der Kraft seiner Stimme vergewissern müsste. Ron ließ ihn reden, ohne zu unterbrechen.

„Ich wollte … eine Erinnerung. Irgendetwas, an dem ich mich …festhalten konnte. Ich war sehr … stolz, als mir dieser kleine Schutzzauber gelang. Er …" Die Betonung des Wortes ließ erahnen, welche Gefühle Snape mit diesem Jemand verband, „ … hat es nie entdeckt."

Er drehte sich um und nahm die Gegenstände von dem kleinen Altar in seinem Rücken. „Das hier …" sagte er und legte sie offen auf die flache Hand. „ … ist alles, was von ihr erhalten blieb."

Ron erkannte ein farbloses, arg zerfleddertes Band, ein Haarband vielleicht, eine angelaufene Silberbrosche in Form eines Halbmondes und einen glänzenden, schiefergrauen Stein mit einer schönen Maserung. Er schluckte und nickte dann noch einmal.

„Den Stein habe ich ihr geschenkt …" Snapes Finger schlossen sich zur Faust um die Kostbarkeiten; dann legte er sie vorsichtig, wie einen zerbrechlichen Schatz, zurück auf den kleinen Altar.

„Erst sehr viel später … kam die … Wut, weil … weil sie mich allein gelassen hatte…und … und dann bin ich nie wieder hergekommen…"

Wieder trat Schweigen ein. Ron sah aus den Augenwinkeln, wie Snape noch immer seine Hand zur Faust schloss und wieder öffnete, als wollte er zwanghaft ihre Beweglichkeit trainieren.

„Was ist da eben abgelaufen … in dem Garten …?" wollte Ron nach einiger Zeit wissen, aber der Mann neben ihm schüttelte nur stumm den Kopf.

„Und die Schlange, … was … was ist mit der Schlange?" bohrte Ron weiter, als er sich mit einem kalter Schauer an ihr plötzliches Auftauchen erinnerte. Funken seines Fluches hatten eine der Mondflammen getroffen und sie hatte Feuer gefangen und somit das noch immer Unbegreifliche initiiert. Man sollte tunlichst vermeiden, sie mit Feuer in Berührung kommen zu lassen, hatte Professor Kernheim gesagt.

„Was soll damit sein?" gab Snape zurück, doch seine Stimme klang sehr gepresst.

„Nun …", das Gefühl von Hass beim Anblick der Schlange war noch immer allgegenwärtig in Ron, „ … war … war es vielleicht …?"

„Ich weiß es nicht!" Ron konnte Snapes Gesichtsausdruck nicht erkennen, da seine gebeugte Haltung den Vorhang aus verfilztem schwarzem Haar vor sein Gesicht fallen ließ, aber seine Stimme klang hart.

Ron hielt es in diesem Moment für das Beste, das Thema ruhen zu lassen und schaute stumm durch den Spalt nach draußen. Durch das Schneegestöber nahm er wahr, wie allmählich das Dämmerlicht des angrauenden Morgens die Dunkelheit der Nacht vertrieb. In seinem Kopf flogen noch immer die Fragen wild durcheinander wie die Flocken außerhalb der Kapelle, doch machte sich nun langsam eine erschöpfte Müdigkeit breit. Er wusste nicht, worauf sie warteten, Tatsache war nur, dass die Malfoys sie bis jetzt noch nicht entdeckt hatten.

Snape veränderte seine Position, lehnte sich nun mit dem Rücken gegen die kalten Bruchsteine und schloss die Augen. „Hast du etwas zu essen?" fragte er unvermittelt, ohne die Augen zu öffnen. „Nein, natürlich nicht!" beantwortete er die Frage selbst und Ron glaubte eine Spur des altvertrauten Sarkasmus´ in den Worten zu hören.

„Warten Sie …" Ron sah sich suchend nach etwas um, das vom Aussehen einem Stück Brot am ähnlichsten kam und griff dann nach einem Stein, den er prüfend in den Händen drehte. Hermine hätte sicherlich keine Schwierigkeiten, jetzt etwas Essbares daraus zu zaubern, aber ihm fiel der notwendige Spruch einfach nicht ein. Er hatte ihn noch nie gebraucht! Er fühlte Snapes Blick auf seiner Haut brennen und wollte sich nicht die Blöße geben, ihn danach zu fragen. Leise murmelnd schlenkerte er den Stab und streckte dann dem Professor mit einem verlegenen Grinsen eine merkwürdige Apfel-Pflaumen-Mischung entgegen. Snape jedoch griff danach und biss ohne zu zögern hinein. Ron beobachtete ihn, wie er mit geschlossenen Augen den Saft der zweifelhaften Frucht von den Lippen leckte, als gäbe es nichts genüsslicheres als diese missratene Obstkreation. Er verlangte aber keinen Nachschlag, sondern legte den Kopf leicht in den Nacken, wie um ihm mit den Steinen in seinem Rücken ein wenig Halt zu geben.

„Was hat Malfoy mit … Ihnen … angestellt?" wagte Ron schließlich zu fragen und hätte sich gleich darauf am liebsten auf die Zunge gebissen. Snape wusste so viel oder so wenig wie er selbst!

Der Professor öffnete die Augen. Offenbar kam ihm die Frage nicht so dumm vor. Er schien zu überlegen und antwortete dann:

„Vermutlich hat er den Trank der Unverwundbarkeit ausprobiert. Schon der …. Dunkle Lord war sehr daran interessiert. Du bist rechtzeitig gekommen, ich …" er hielt einen Moment inne, als dachte er über die Bedeutung des Wortes nach, „ … mein Körper… hätte den Todesfluch nicht überlebt. Bis zu einem gewissen Grad mag er immun machen gegen innere und äußere Verletzungen, aber: gegen den Tod …"

„ … ist noch kein Kraut gewachsen", vollendete Ron den Satz.

„Und …" ein merkwürdiges Glitzern trat in Snapes Augen, das Ron nicht wirklich gefiel. „…wir hätten für immer den selben Körper teilen müssen …"

Ron wandte den Blick ab, doch Snapes Augen schienen sich in seinen Kopf zu bohren. Vielleicht suchte er nach Erinnerungs-Bruchstücken, die ihm fehlten? Beinahe trotzig reckte Ron das Kinn wieder empor und funkelte zurück. „Auf diese Art wäre Ihnen doch noch ein wenig mehr Zeit geschenkt worden!" meinte er säuerlich.

Snape lachte leise auf. Es klang mehr wie ein metallenes Husten, doch amüsierte ihn diese Vorstellung offenbar. „Ich weiß nicht …", gab er zurück, „Das hinge davon ab, wie lange du mich noch ertragen hättest …!"

Ron wurde langsam wütend. Noch bis vor Kurzem waren sie wie Zwillinge in dem selben Ei gewesen und jetzt, nach der Trennung, wodurch auch immer sie hervorgerufen worden war, schoss Snape schon die ersten Pfeile auf seinen ehemaligen Wirt ab. Ein undankbarer Parasit war er!

„Sie haben Recht", biss er zurück, „vielleicht hätte ich uns beiden einige qualvolle Jahre erspart. Vielleicht mit ein wenig Mondflammenextrakt?"

Im gleichen Augenblick, in dem er sie sprach, bereute er die Worte schon. „Es … tut mir Leid!", setzte er schnell hinterher, doch es war zu spät. Snape löste die Augen nicht von ihm. Er betrachtete ihn einfach, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich war es wieder Ron, der den Kopf senkte und nervös mit den Schuhen auf dem Boden zu scharren begann.

„Während deiner Schulzeit war dein Gedächtnis nicht so funktionsfähig, Ronald", meinte Snape schließlich gedehnt. „Aber vielleicht hat ja die hübsche Miss Granger es auf Trab gehalten, in manchen Dingen war sie doch recht … anspruchsvoll, nicht wahr?"

Ron fuhr herum und richtete den Zauberstab auf Snape. „Okay, Mann", keuchte er zornig. „Jetzt sind wir quitt! Kein Wort mehr!"

Snapes Gesichtszüge zeigten keine Regung. Ron wurde sich bewusst, wie gut er ihn mittlerweile kannte und langsam senkte er den Stab.

„Jetzt sind wir quitt …", wiederholte er leiser.

„Quitt? Wir werden niemals quitt sein", entgegnete Snape ruhig. „Ich schulde dir einiges. Immerhin hast du meinen Körper und meine Seele am Leben erhalten. Das werde ich dir immer schuldig bleiben …."

„Nein", murmelte Ron gedämpft, „Sie schulden mir nichts!" Und wer weiß, wie lange dieses Leben noch anhält … zog es unheilschwanger durch seine Gedanken. Er kauerte sich an die gegenüberliegende Wand, so weit wie möglich von Snape entfernt und verfiel in dumpfes Brüten. Draußen wurde es langsam heller. Es schneite immer noch. Allem Anschein nach war ein heftiger Wind dazu gekommen, denn die Flocken wirbelten wild durcheinander und von Zeit zu Zeit zog ein scharfes Heulen um ihre kleine Schutzburg.

- - -

Luna Lovegood reckte mit einem herzhaften Gähnen die Arme, rollte ihre verspannten Schultern und sah auf die Mondflamme direkt vor ihr auf der Fensterbank. Obwohl sie schon in so vielen Vollmondnächten Zeugin der magischen Blüte geworden war, war sie immer wieder aufs Neue von dem Zauber der Entfaltung berührt. Das mondblasse Licht der Blume spiegelte sich in ihren Augen und sie fragte sich müde, wann und in welcher Form die Seele ihrer Mutter endlich Kontakt mit ihr aufnehmen würde. Bisweilen kam es vor, dass das Tierchen, das sie sich als Wirt ausgesucht hatte, von einem größeren gefressen wurde, oder irgendetwas anderes hatte sie abgehalten. Beim nächsten Vollmond würde sie eine Erklärung bekommen.

Seufzend erhob sie sich und öffnete das Fenster, an das mittlerweile neckend weiche Schneeflocken klopften. Luna lächelte. Sie mochte den Schnee. Auffordernd hielt sie eine Hand in den weißen Wirbel. Wie kleine, vom Mondlicht beschienene Glühwürmchen, tanzten die Flocken um ihre Finger, ließen sich darauf nieder, um sich dann in kleine glitzernde Seen aufzulösen. Luna legte den Kopf in den Nacken und starrte zum Mond hinauf. Er schien so traurig heute Nacht, als ob er weinte – weiße Tränen aus Schnee! Mit einem Mal machte sich auch in Luna eine unerklärliche Schwermut breit. Sie starrte unentwegt auf den Mond, während die Blüten der Mondflamme zu ihrer Linken sanft im Windhauch hin und her schwangen.

Luna bewegte sich nicht. Die Flocken wisperten um sie herum, als weihten sie sie in die Geheimnisse ihres kurzen Lebens ein. Die Kerzenflamme neben der Vase flackerte wild. Luna schloss die Augen und hatte plötzlich das Gefühl, wie auf einer Wolke aus eisigem Licht in die Lüfte getragen zu werden. Weit, weit flog sie durch die schimmernde Winternacht und der Wind sang ein trauriges Lied dabei. Ja, das Gefühl der Trauer war so stark, dass sie meinte, eine eiserne Klammer presste ihr Herz zusammen. Kind des Mondes, sang der Wind, ich zeige dir das Ende der Hoffnung.

Luna wagte nicht, die Augen zu öffnen, so überwältigend war der Zauber. Sicher träumte sie! Sie träumte, dass der Wind sie hinauftrug zu den Sternen, der blasse Mond lächelte ihr wehmütig zu. Warum bist du so traurig, fragte Luna und der Mond schien sie zu verstehen. Sie folgte dem Blick des Nachtgestirns zur Erde. Sie sah ausgedehnte Wälder und einen langgestreckten Hügelkamm, dunklen, verwitterten Stein der sich trotzig in die Nacht reckte. Einer Schneeflocke gleich, schien Luna langsam auf die Erde zu schweben, immer näher kamen die Bilder, immer deutlicher wurden die Einzelheiten. Eine Bruchsteinmauer, ein schimmernder Garten, als hätte der Mond Splitter seines Lichtes darin verstreut … zwei Menschen, die durch das Leuchten rannten, zwei Männer - einer schwarzhaarig, das Haar des anderen glänzte kupferrot …

Luna taumelte jäh, öffnete blinzelnd ihre Augen. Sie war in ihrem Zimmer, durch das geöffnete Fenster wirbelte der Schnee auf den Boden, die Blüten der Mondflamme trugen einen weißen Schleier, die Kerze daneben war erloschen. Luna löste sich aus ihrer Starre, wischte den Schnee beiseite und schloss rasch das Fenster. Kopfschüttelnd setzte sie sich zurück auf ihr weiches Bodenkissen und starrte abwechselnd in das Schneegestöber außerhalb des Zimmers und die Pflanze auf dem Fensterbrett. Was für ein seltsamer Traum … Aber hatte sie wirklich am offenen Fenster geträumt …?

Sie verbrachte den Rest der Nacht mit Warten und Grübeln. Doch nichts regte sich mehr. Kein verschrecktes Kaninchen suchte Zuflucht unter ihrem Fenster, keine Katze kratzte mit scharfen Krallen am Glas, kein Vogel bettelte schnabelpickend um Einlass. Ihre Mutter war nicht gekommen. Stattdessen hatte sie für einen unerklärbaren, winzigen Augenblick lang das Gefühl gehabt, wie ein Vogel durch die Nacht geflogen zu sein, zu einem fernen unbekannten Ort. Und einen Augenblick lang hatte sie heruntergestarrt auf zwei Menschen in einem wundersamen Garten. Doch obwohl der Traum im Moment des Erkennens ein abruptes Ende genommen hatte, wusste sie doch mit absoluter Sicherheit, wen sie in ihrer Vision gesehen hatte …

„Ron und Snape", flüsterte sie einem fort. Schon so manches Mal hatte so ein monotoner Singsang ihr geholfen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Doch diesmal wollte es ihr nicht gelingen.

„Merlin, ich bin eine zweite Trelawney …", murmelte sie schließlich müde, als der Morgen dämmerte und sie beschloss, nun endlich in ihr Bett zu kriechen.

- - -

Mittlerweile war ihm eiskalt. Von Snape war lange Zeit kein Wort mehr gekommen, keine Bewegung. Vielleicht schlief er? Doch als er versuchsweise in dessen Richtung blinzelte, sah er, dass die Augen geöffnet waren und ins Leere blickten, ganz so wie in den letzten Jahren. War alles nur ein kurzfristiger Zauber gewesen? Oder gar ein Traum? Seine Stimme klang lauter als gewollt, als er fragte:

„Wir lange sollen wir hier noch rumhocken?"

„Solange es nötig ist …"

Gut, er hatte seine Stimme also noch. Die Antwort, die Snape gegeben hatte, befriedigte Ron aber nicht. „Warum hauen wir nicht ab? Es müssen doch schon Stunden vergangen sein!"

Snape zuckte mit den Schultern und erwiderte ruhig: „Ich kenne Lucius Malfoy, er ist hartnäckig."

„Er glaubt sicher, dass wir längst über alle Berge sind. Ich … ich hätte einen Portschlüssel präparieren können und … und schon wären wir verschwunden …"

„Nein. Glaub mir, er weiß, dass wir noch da sind!"

„Aber …"

„Genug!" Die Stimme klang verärgert. „Wir warten noch!"

Ron rieb sich wütend die eiskalten Hände. Ob die Stimme nun in ihm oder neben ihm war, schien keinen Unterschied zu machen. Vielleicht wollte er nur nicht weiter gehen, weil er nicht mehr konnte? Vielleicht waren seine Beine gar nicht in der Lage, noch einen einzigen Schritt zu gehen? Vielleicht aber wusste er gar nicht, wie sie von hier fort kommen sollten? Grüblerische Querfalten legten sich auf Rons Stirn, als er sich frierend über die Arme fuhr.

„Hier …" Snapes Stimme ließ Ron den Kopf wenden und er sah, dass dieser einen Teil seines Umhanges von der Brust gelöst hatte und ihm mit ausgestrecktem Arm entgegen hielt. Ron starrte ihn entgeistert an. Glaubte er etwa, er wollte ein kuscheliges Beieinander mit einem Mann, der ihn zu lange nur gequält hatte?

„Nein danke!", stammelte er hastig. „Ich friere nicht!" Schnell ließ er die Arme neben den Körper sinken und versuchte angestrengt, sein Zähneklappern zu unterbinden. Hatte er sich verhört oder lachte Snape wirklich?

„Bis vor gar nicht langer Zeit waren wir uns viel näher!"

Der Spott sprang Ron an wie eine Wildkatze. Wütend auf Snape und vor Allem auf sich selbst, kämpfte er sich mit einem ärgerlichen Fluchen auf die Knie und kroch zum Eingang der Kapelle. Schneeflocken wirbelten in sein Gesicht und er sah, dass mittlerweile alles verschneit war. Er horchte in den Wind, doch bis auf dessen kräftiges Heulen war nichts zu hören. Er tappte mit den Händen in das kalte Weiß, schob seinen Körper nach und richtete sich auf. Sollte Snape doch einfrieren in seiner seltsamen Andachtshöhle – er wollte endlich weg von hier! Weg von den Malfoys, weg von diesem verdammten Haus mit diesen unberechenbaren Gewächsen, den Mauern, die einen mit Erinnerungen folterten, den gespenstischen Schlangen, weg von Snape … !

„Was hast du vor?" Snapes Stimme aus dem Innern klang alarmiert. Ron kniff die Lippen zusammen und ohne sich noch einmal umzudrehen, stapfte er in den Schnee hinaus.

Severus Snape richtete sich auf, so schnell es seinen klammen Knochen möglich war. „Verdammt!", fluchte er, während er ebenfalls in das Schneegestöber hinaus trat. „Verdammter rothaariger Gryffindor!"

- - -

t.b.c.