Ein paar Monate späte, Herbst 1934
Aurorentraining

„O'Malley, konzentrieren sie sich auf ihren Patronus", brüllte der Ausbilder zum wiederholten mal der störrischen Hexe zu, welche kein Einsehen zeigte.

„Was nutzt es uns wenn wir diesen verflixten Patronus auf das da..."Ihr Zauberstab deutete auf eine Dementor-Attrappe. „...anwenden können, aber in unserem ganzen Leben noch keinen einzigen Dementor begegnet sind. Wer sagt uns denn, dass wir nicht schreiend davon laufen, wenn wir einen echten sehen, oder vor Schreck wie gelähmt sind. Gehört es überhaupt zu unserer Ausbildung einen echten Dementor zu sehen", fauchte Morgane ihren Ausbilder an.

Um sie herum herrschte betretendes Schweigen. Die kleine Gruppe von ihren Mitstudenten schien nichts davon zu halten Partei zu ergreifen, weder für die eine noch für die andere Seite. ‚Gott verdammte Feiglinge, alle miteinander', fluchte Morgane stumm und hätte sich gewundert wie ähnlich die Gedanken ihres Ausbilder in diesem Moment aussahen. Morgane O'Malley war seine beste Schülerin, die beste die er seit Jahren hatte, aber sie war auch die sturste und unvernünftigste Hexe, der er jemals in seiner gesamten Karriere begegnet ist.

„Was erwarten Sie von uns, dass wir sie nach Azkaban schicken, damit sie die Auswirkungen von Dementoren am eigenen Leibe zu spüren bekommen", blaffte er sie an, was Morgane ein mildes Lächeln entlockte. Kein gutes Zeichen.

„Warum eigentlich nicht."Ihr zorniger Blick durchbohrte ihrem Ausbilder fast. „Schaden tut es niemanden und dann können wir sehen, wer für die Ausbildung zum Auror wirklich geeignet ist. Sie sagten selbst das so ein Dementor kein Zuckerschlecken ist. Aber was ist, wenn uns einer in einer bedrohlichen Situation begegnet, wenn dann Panik ausbricht..."

Unruhiges Gemurmel wurde laut, keiner von ihnen wollte unbedingt nach Azkaban und einem echten Dementor begegnen. Es reichte doch wenn man einen Patronus beherrschte, Dementoren standen schließlich unter der Kontrolle des Ministeriums.

„Vielleicht sollte ich den Vorschlag an den Leiter der Abteilung schicken." Morgane sah ihren Ausbilder herausfordernd an. Doch dieser schüttelte nur den Kopf.

„Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass man dieses Schreiben lesen wird? Und wenn, glauben Sie wirklich, dass man darauf eingeht", seine Stimme war nun ruhiger, aber eiskalt. „Hören sie auf hier Theater zu machen und produzieren sie diesen Patronus. Die Idee ist lächerlich."

„Ich fand sie nicht schlecht", unterbrach ihn eine dunkle, raue Stimme, jemand der gerade noch nicht da gewesen war. „Unsere jungen Auroren müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, auch auf Dementoren."

„Aber Mr. Jerom, wir können sie doch nicht nach Azkaban schicken."Wieder sprach der Ausbilder und Morgane sah sich neugierig nach dem Sprecher um, der ihr zur Seite gesprungen war. Dr. Sean Jerom, Direktor der Aurorenabteilung, ein älterer, untersetzter Mann, der nicht gerade aussah als könnte er es mit den dunklen Mächten aufnehmen, doch in seinen Augen glitzerte ein Kampfgeist, der Morgane vorsichtig gemacht hätte, wäre er ihr Gegner gewesen.

„Warum nicht, der Standort des Gefängnisses ist nicht gerade ein Staatsgeheimnis, was sollen sie dort schon machen außer in Ohnmacht fallen? Gefangene befreien?"Der Direktor schnaubte. „Ich werde ein Memo rausschicken. Sie werden demnächst einen Ausflug nach Azkaban machen, guten Tag."

Der Ausbilder sah ihm fassungslos hinterher, dann fiel sein Blick auf Morgane, welche keine Regung zeigte.

„Haben sie mal wieder ihren Willen bekommen O'Malley."Er schüttelte den Kopf. „Weiter machen."

Innerlich am Grinsen tat ihm Morgane nun den gefallen einen Patronus zu produzieren, der den Vorschriften gerecht kam. Trotzdem hörte sie die Stimme des Ausbilders, der sich der Gruppe zugewandt hatte.

„Und ihr macht euch auch wieder an die Arbeit, feiger Haufen", schnauzte er sie an. „Auroren müssen in jeder Situation zusammen stehen, auch wenn es nicht ihre Meinung ist, aber wie eine Gruppe Karnickel sich in die Ecke zu drängen, dass haben wir gerne."

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Januar 1935, Azkaban

Es war eisig, der kalte Wind strich ihr über die Wange, so dass Morgane dass Gefühl hatte, dass ihre Haut gefror. Sie hatten sie in der Nacht überrascht. Vier gegen einen. Morgane war der Ansicht, dass sie einen guten Kampf geliefert hatte, dafür das sie aus dem Schlaf gerissen worden war.

Wer sie angegriffen hatte wusste sie nicht und ebenso wenig wusste sie, wie diese Zauberer es geschafft hatten die Schutzbanne außer Gefecht zu setzen, die sie um ihr Zimmer gelegt hatte. Drei von ihnen hatte sie erledigen können, nur den vierten hatte sie nicht gesehen.

‚Du hast getan was du konntest, wer rechnet auch schon damit in einem eigentlich sicheren Haus angegriffen zu werden. Du bist nicht einmal ein fertig ausgebildeter Auror', schalt sie sich innerlich. Doch das eigentlich störte sie in ihren Argumenten. Es gab keine absolut sicheren Orte, für niemanden, dass sollte sie sich endlich merken. Es gab nur Plätze, die sicherer waren als andere. Und ob sie gut gekämpft hatte oder nicht war gleichgültig, es zählte nur eines: Sie hatte verloren.

„Vorwärts", zischte die Stimme des Maskierten ihr zu und gab ihr einen Stoß in den Rücken, der sie nach vorne Taumeln ließ. Ihre Gesichter hatte sie nicht gesehen, was nichts gutes verhieß.

Morgane ging langsam weiter, sie hatte sich nur umsehen wollen. Doch der Anblick war ernüchternd. Sie war auf einer Insel, schwarzer Fels mitten im stürmischen Meer. Der eiskalte Wind trieb Schneeflocken heran. Sie fror erbärmlich, sie trug ein etwas dickeres Nachthemd und einen Umhang, sowieso feste Winterstiefel. Ein merkwürdiger Anblick und für dieses Wetter kaum geeignet. Sie wollte momentan nur raus aus diesem Wind, ihre Knochen wurden langsam zu Eis.

Ihr Bewacher trieb sie unbarmherzig vorwärts auf ein dunkles Gebäude zu, schwarz... unheimlich... Morganes Atem stockte als sie es erkannte. Sie war in Azkaban.

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„Ist das die letzte?", drang eine eher unwirkliche Stimme an ihr Ohr. Die eisige Kälte durchdrang selbst im Inneren des Gebäudes noch ihre Knochen und schien sie nicht verlassen zu wollen und noch etwas anderes war hier. Unwirklich.

„Sie hat uns ziemlichen Ärger gemacht", knurrte die wohlbekannte Stimme ihres Bewachers an ihrem Ohr. „Wollte einfach nicht aufgeben, die anderen waren leichter zu kriegen." Morgane schaut überrascht auf. Die anderen? Welche anderen? Doch die beiden Gestalten neigten nicht dazu noch mehr zu sagen.

„Sie bekommt eine Zelle ganz für sich allein", sagte die erste Stimme wieder.

Das Quietschen einer lange nicht geölten Tür drang an ihre Ohren. Es war sehr dunkel hier drinnen, so dass sie nur Schemen sehen konnte, sie fragte sich wie die beiden überhaupt etwas vernünftig erkennen konnten.

Sie wurde auf das Quietschen halb zugeschoben halb geschupst.

Ein dumpfer Schlag war auf ihrem Kopf noch zu spüren, ehe alles in vollkommene Finsternis versank.

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Ihr Schädel dröhnte als sie erwachte, ein Stechender Schmerz in ihrem Hinterkopf. Vorsichtig tastete sie ihn mit den Händen ab, zog diese aber schnell wieder zurück. Eine wunderschöne Beule zeichnete sich dort ab.

„Bastarde", zischte sie.

Wieder durchdrang die Kälte sie bis in ihr innerstes. Eiseskälte, Grabeskälte. Es war ein Gefühl als ob alle übel erwachten, keine Hoffnung, kein froher Gedanke, nur Kälte, Resignation. Morgane schauderte und kauerte sich in einer Ecke zusammen. Es war als würden sämtliche positiven Gedanken verschwinden bis nichts mehr übrig wäre, nicht mal sie selbst.

Sie versuchte ihre Gedanken zu klären, zu ordnen, doch es fiel ihr unnatürlich schwer. Alles übel kam hervor, kein Funken Hoffnung.

„Warum kann ich mich nicht konzentrieren", wisperte sie, um wenigstens ihre eigene Stimme hören zu können. „Es ist so als stehle mir..."

Ihr Atem stockte. Was hatte sie gesagt, wo sie war?

„Azkaban"Ihre Stimme war kaum mehr ein Hauch. Sie sprang auf die Füße und ging langsam, zögernd zur Tür ihrer Zelle. Ein Klacken ertönte und eine modernde Hand schob eine Schale durch eine Klappe hinein, die Kälte schien sich auszudehnen, zu wachsen und Morgane wich vor der Tür zurück.

‚Dementoren', dachte sie bitter. Nun ja sie hatte selbst welchen begegnen wollen, aber nicht unbedingt in einer Zelle in Azkaban. Was sollte sie nun tun? Hier bleiben wollte sie nicht. Aber was sollte sie schon tun. Sie war allein, schwach, unbewaffnet. Die Hoffnungslosigkeit die von der Anwesenheit der Dementoren geschürt wurde breitete sich unaufhaltsam aus. Doch noch kämpfte Morgane dagegen an, es gab immer einen Weg. Doch es ist so aussichtslos. Ihre Innere Stimme wurde lauter, Dunkelheit verschlang sie.

Ohne großen Elan nahm sie die Schüssel mit dem Essen, eine mittlerweile kalt gewordene graue kleisterartige Masse.

„Haferschleim"Angewidert stellte Morgane es beiseite. So groß war ihr Hunger dann doch nicht. Sie steckte ihre Finger in den Umhang, welche schon fast Eiszapfen glichen. Nachdenklich und noch nicht allen Hoffnungen beraubt spielten diese mit einem glatten Stock in einer der Taschen.

Wenn sie noch so klar denken konnte waren nicht allzu viele Dementoren hier, oder sie patrouillierten den Flur entlang, so dass sie ab und zu weniger von ihrem Einfluss spürte. ‚Oder du bildest dir das ein Morgane Nimue Cassandra O'Malley', schalt sie sich und zog den Stock aus der Tasche um ihn im Halbdunkel besser betrachten zu können.

Ihr Atem stockte einen kurzen Moment lang. Es war ihr Zauberstab, aber warum um alles in der Welt hatte sie noch ihren Zauberstab. So blöd konnte doch niemand sein einer Hexe ihren Zauberstab zu lassen, selbst wenn es in Azkaban war.

Lumos", murmelte sie und das Licht aus der Spitze ihres Stabes erhellte die Zelle, welche im dunklen wirklich anheimelnder ausgehen sehen hatte. Sie musste hier fliehen, solange sie noch halbwegs bei Verstand war und ihr die Dementoren noch nicht das letzte bisschen geraubt hatten.

Sie sah zur Tür. Ihr fielen nicht mehr besonders viele Sprüche ein, aber da die Türen wohl kaum magisch versiegelt waren, dürfte es ihr reichen.

Alohomora", versuchte sie es mit wenig Hoffnung im Herzen. Die Kälte in ihr wuchs, während ihre klammen Finger den Stab umklammert hielten, und dies lag nicht nur an den eisigen Graden, die selbst hier in der Zelle herrschten.

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