Kapitel 7 oder Ancórdar

Es war einfach herrlich. Wir ritten im leichten Trab durch den Wald. Die Strahlen der Sonne fielen durch die Bäume auf den Boden. Die Vögel um uns sangen ihre schönsten Lieder.

Legolas ritt ein Stück vor mir. Das war auch gut so, ich konnte ihn ununterbrochen ansehen. Mit seinen grünen Klamotten sah er einfach zum anbeißen aus. Und wie er erst auf dem Rücken seines Pferdes saß. Es sah so gleichmäßig aus, als ob es das Pferd gar nicht stören würde, das er draufsitzt. Für seinen Reitstil konnte ich ihn nur beneiden.

Wir waren schon eine Weile geritten, als sich der Wald lichtete, und dann schließlich endete. Legolas brachte sein Pferd zu halten.

„Was ist, warum hältst du an?"

„Hier endet das Reich von Bruchtal. Einige Meilen weiter kommt man an den Bruinen. Wir sollten umkehren und zurückreiten. In dieser Zeit ist es nicht mehr so sicher in den ungeschützten Landen."

„Aber ich will noch nicht zurück, wir sind erst so kurz unterwegs. Los komm, wir machen ein Wettrennen zum Fluß."

„Nein, wir kehren um und reiten zurück!"

„Du hast doch nur Angst zu verlieren."

Ich lockerte die Zügel und trieb Ancórdar vorwärts. Sofort fing er an zu galoppieren und wir preschten über das kahle Land, immer weiter auf den Fluß zu. Ich spürte den Wind in meinem Gesicht, er zog an meinen Kleidern. Meine Spange hatte sich gelöst und mit wehenden Haaren ritt ich Legolas davon. Ich drehte mich nach einigen Minuten nach ihm um. Er trieb sein Pferd an, um mir zu folgen.

Ich grinste in mich hinein. Männer, ihr seid doch so berechenbar.

Legolas Pferd war schnell, bald war sein Kopf fast auf meiner Höhe. Ich trieb Ancórdar noch mehr an, doch ich konnte ihn nicht abschütteln. Wie war das doch gleich gewesen, wenn Elben ihre Pferde antreiben? Ah ja, genau.

„ Noro lim Ancórdar, noro lim."

Auf genau diese Worte hatte er gewartet. Er machte noch längere Galoppsprünge und wurde immer schneller. Rasch vergrößerte sich der Abstand zwischen Legolas und mir wieder.

Wir waren schon fast am Fluß angekommen, als ich plötzlich ein ungutes Gefühl in meinem Bauch verspürte. Ich dachte mir nicht weiter dabei und ritt meinem Sieg entgegen.

Der Fluß war an einigen Stellen mit kleinen Baumgruppen und vielen Sträuchern bewachsen. Am Rande einer Baumgruppe kam ich zum stehen. Ich sprang von Ancórdars Rücken, drehte mich in die Richtung, aus der wir kamen und sah Legolas auf mich zukommen.

„Gewonnen. Gegen meinen Ancórdar hast du keine Chance."

„Kein Wunder. Er ist ein direkter Nachkomme der Mearas von Felaróf."

Er grinste kurz, doch dann verdunkelte sich seine Mine schnell wieder.

„Wir müssen sofort umkehren. Habt Ihr den Schatten eben nicht bemerkt?"

Kleinlaut sah ich mich um. Dieses komische Gefühl überkam mich wieder. Es wirkte bedrohlich. Ich sah in Legolas besorgtes Gesicht.

„Was kann das sein?"

„Ich weiß es nicht, aber irgendetwas kommt auf uns zu. Wir müssen schnellstens wieder zurück."

Kaum hatte er dies ausgesprochen, das kam ein lautes Gebrüll etwas weiter Flussabwärts direkt auf uns zu.

„Warge! Schnell, steigt auf Euer Pferd und reitet. Seht nicht zurück."

Ich bekam panische Angst. Was hatte ich bloß mir dabei gedacht. Hätte ich nur auf ihn gehört. Aber für Vorwürfe war es jetzt zu spät. Ich sah immer mehr Warge auf uns zu stürmen. Es müssen über 20 gewesen sein. Ich stieg schnell in den Sattel und als ich grade saß, galoppierte Ancórdar auch schon los. Ich dreht mich zu Legolas um und sah, wie er mir nachritt.

„Dreht Euch nicht um! Reitet!"

Ich drehte mich wieder nach vorne um. Oh Gott, wo bin ich hier bloß reingeraten. Ich krallte mich in der Mähne fest. Das Gebrüll der Warge wurde immer lauter. Sie kamen näher.

„Noro lim Ancórdar, noro lim! Noro lim!"

Ancórdar legte die Ohren an und wurde noch schneller als vorhin. Er spürte die Gefahr und wollte ihr entkommen.

Der rettende Wald kam langsam auf uns zu. Viel zu langsam dachte ich. Aber irgendetwas bewegte sich in den Bäumen. Die Tatsache, das ich ja eine Elbin war, ließ mich weiter sehen, als ich sonst konnte. Der Wind trieb mir zwar die Tränen in die Augen, doch ich konnte Elben in den Bäumen erkennen. Sie hatten alle ihre Bögen gespannt. Wir waren schon fast am Wald, als die ersten Pfeile an mir vorbeischossen. Ich hörte dumpfe Aufpralle hinter mir. Sie hatte sicher einige Warge zu fall gebracht. Legolas war jetzt auf meiner Höhe.

Gerade wollte ich ihn fragen, wie weit ich in den Wald reiten sollte, als ich ein sehr lautes Gebrüll direkt hinter mir hörte. Ein Pfeil schoss sehr dicht neben meinem Gesicht vorbei. Im selben Moment hörte ich ein ratschen und mein Pferd begann zu straucheln. Ich merkte, wie ich aus dem Sattel katapultiert wurde. Im gleichen Augenblick zog mich Legolas zu sich rüber auf den Hals seines Pferdes. Ich konnte nur noch sehen, wie mein Pferd stürzte und sich überschlug. Der Warg, der ihn erwischt hatte, war schon von den Elben niedergestreckt worden. Er schien der letzte gewesen zu sein.

Als wir einige Meter im Wald waren, hielt Legolas sein Pferd an. Schnell sprang ich ab.

„Halt, wartet. Was habt Ihr vor?"

„Ich will zu Ancórdar, er ist verletzt."

Ich rannte los in Richtung Waldrand. Legolas folgte mir. Als ich am Rande des Waldes ankam, wo mein Pferd lag, waren schon einige Elben von den Bäumen gekommen, gingen auf die leblosen Körper der Warge zu. Ancórdar lag nur wenige Meter von mir entfernt. Er hatte eine große Wunde an seinem rechten Hinterbein. Es schien stark zu bluten. Er schnaufte und stöhnte bei dem Versuch aufzustehen. Ich wollte gerade zu ihm hingehen, als Legolas sich vor mich stellte und mir den Weg versperrte. Ich wollte mich an ihm vorbeidrängen, doch er nahm mich in die Arme und ließ mich nicht weiter gehen.

„Geht nicht zu ihm. Er ist noch verwirrt. Er könnte Euch verletzten."

„Bitte lass mich zu ihm, er kennt mich doch. Er wird mir nichts tun. Er braucht Hilfe."

Doch Legolas ließ mich nicht los, so sehr ich auch versuchte mich von ihm loszureißen.

Die anderen Elben wichen von Ancórdar zurück, als er aufsprang. Er konnte zwar stehen, doch er hob das rechte Bein an und stöhnte vor Schmerzen. Ein Elb ging langsam auf ihn zu. Er sprach ruhige Worte. Doch Ancórdar legte die Ohren an und kam, nach ihm beißend, einen Schritt auf ihn zu. Der Elb wich wieder zurück.

Wir warteten einen Moment lang. Ancórdar ließ langsam den Kopf hängen.

„Bitte, laß mich jetzt zu ihm. Er hat sich doch beruhigt."

„Aber seid vorsichtig, geht langsam auf ihn zu."

Legolas ließ mich los und ich ging zu Ancórdar. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und ging einwenig geduckt auf ihn zu. Einen Meter vor ihm blieb ich stehen. Ich wollte gerade etwas sagen, als er den Kopf hochriss und die Ohren anlegte. Ich wich einige Schritte zurück, doch er kam auf mich zu. Mit einem mal rannte er los und drohte mich umzureißen. Ich konnte mich in letzter Sekunde mit einem Sprung zurück retten, stolperte aber.

Ich fiel nach hinten und wurde von zwei starken Armen aufgefangen. Ich rappelte mich auf und sah, wie Ancórdar im Wald verschwand. Ich wollte ihm hinterher laufen, doch Legolas hielt mich fest im Arm.

„Laßt ihn gewähren. Er ist verstört. Er kennt Euch im Moment nicht."

Mir schossen die Tränen in die Augen. Was hatte ich bloß getan.

„Das ist alles meine Schuld. Warum habe ich nur nicht auf dich gehört."

Ich konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken und fing an zu weinen.

„Es ist nicht Eure Schuld. Ich hätte besser aufpassen sollen und hätte die Warge kommen sehen müssen."

Er schlang beide Arme um mich und ich lehnte meinen Kopf an seine Brust. Ich schluchzte und weinte bitterliche Tränen. Egal was er sagte, ich hatte Schuld. Das wäre nicht passiert, wenn ich nicht dieses blöde Wettrennen gemacht hätte. Warum bin ich bloß auf diese dumme Idee gekommen. Ich hob meinen Kopf und sah Legolas in die Augen.

„Können wir denn gar nichts für ihn tun? Wir können ihn doch nicht so verletzt alleine lassen."

„Er wird zurecht kommen. Er wird den Weg zu Euch wiederfinden, wenn er Euch braucht. Macht Euch keine Sorgen, man wird auf ihn achten."

„Aber wie lange wird das dauern?"

„Das kann ich Euch nicht sagen, das hängt von ihm ab. Kommt, ich bringe Euch zum Haus zurück."

Er pfiff nach seinem Pferd. Ich war irgendwie unfähig mich zu bewegen. Legolas schwang sich auf sein Pferd und ein anderer Elb hob mich vor ihm auf den Sattel. Er schlug seine Arme um mich und ergriff die Zügel. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und schloss die Augen. Gemächlichen Schrittes setzte sich das Pferd in Bewegung. Mir kamen wieder die Tränen in die Augen und ich vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Immer wieder sah ich die Bilder vor mir, wie die Warge näher kamen. Immer wieder hörte ich ihr lauterwerdendes Gebrüll. Die sanfte Bewegung des Pferde und die Nähe zu Legolas ließ mich langsam ruhiger werden.