Kapitel 13 oder auf dem Weg nach Lothlórien, (mit frndl. Unterstützung von Niniél)

Wir brachten Ancórdar in seine Box und ein Pfleger kümmerte sich um sein leibliches Wohl. Ich ging in mein Zimmer und zog mir eine bequeme Hose und einen langen Reitmantel drüber an. Dann kämmte ich mir schnell die Haare durch, wobei ich grinsend feststellen mußte, das noch etliche Blätter und Grashalme darin hingen.

Die Tür öffnete sich und Legolas kam herein. Er hatte wieder seine grüne Ledertunika an, die ihn wie einen der Wachen von Elrond aussehen ließ. Gemeinsam begaben wir uns zu Elrond.

Er hatte ein Frühstück für uns herrichten lassen, und während wir aßen, erklärte uns, was er inzwischen getan hatte.

„Ich habe einen Boten nach Lothlórien geschickt, bei Eurer Ankunft wird alles für Euch vorbereitet sein. Ihr werdet Euch zusammen mit meiner Tochter, Niniél, Haldir und fünf der besten Bogenschützen und Schwertkämpfern auf die Reise machen. Ihr werdet einen Weg über das Nebelgebirge nehmen, der auch für die Pferde zugänglich ist. Danach wird die Reise Euch an den Schwertelfeldern vorbeiführen, und dem Gebirgslauf folgend an den Silberlauf bringen. An der Grenze zu Lothlórien wird man auf Euch warten."

„Wie lange wird denn die Reise voraussichtlich dauern? Ich meine, wenn alles gut geht?"

„Ihr werdet zu Pferde nicht länger als drei Tage und Nächte brauchen.

Ich werde inzwischen den Rat der Elben einberufen. Der Rat wird dann entscheiden, was in der Sache Toral zu tun ist. Ich werde mich jetzt um die Vorbereitungen für Eure Reise kümmern. Zur Mittagsstunde wird es soweit sein. Ruht vorher noch einwenig, die Reise wird anstrengend genug sein."

Mit diesen Worten verließ Elrond den Raum. Wir hatten inzwischen gut gegessen und gingen zusammen in den Garten. Wir suchten uns ein lauschiges Plätzchen, legten uns ins Gras und ich schlief einige traumlose Stunden, bis Legolas mich liebevoll weckte.

„Es ist kurz vor Mittag, wir müssen aufbrechen."

Der Schlaf hatte mir unheimlich gut getan. Ich war mir nicht bewusst, wie mich dieser Visionenkram mitgenommen hatte. Genüsslich reckte ich mich und ließ mich von Legolas spielerisch auf die Beine jagen. Wie zwei kleine Kinder rannten wir, uns gegenseitig hinterherjagend, zum Haus. Unsere fünf Wachen, mit Langbogen und Schwertern bewaffnet, hatten sich schon vor den Ställen versammelt. Haldir und Niniél waren auch schon dort und verstauten einiges an Proviant in den Satteltaschen ihrer Pferde. Arwen stand etwas abseits bei ihrem Vater. Sie schienen sich über etwas zu unterhalten. Haldir hatte auch Legolas Pferd aus dem Stall geführt. Niniél kam zu mir und grinste mich an.

„Ich freu mich so, das ich mitkann. Endlich passiert mal wieder was. Haldir hat mir gesagt, das ich neben ihn reiten soll."

Sie warf einen vielsagenden Blick zu Haldir rüber.

„Ach ja, du mußt noch in den Stall gehen. Die haben Probleme mit deinem Pferd. Es will sich von denen nicht satteln lassen."

Wieder ging ein breites Grinsen über ihr Gesicht. War ja klar, das sie sich darüber besonders amüsierte. Ich ging kopfschüttelnd in den Stall und sah, was sie gemeint hatte. In eine Ecke gedrängt stand Ancórdar in seiner Box und ein Stallbursche versuchte verzweifelt ihm seinen Sattel aufzulegen. Doch immer, wenn er bis auf wenige Zentimeter an ihm dran war, rannte Ancórdar in eine andere Ecke und wartete, bis das Spiel von neuem begann.

„Ich glaube, das sollte besser ich machen."

Dankbar übergab mir der Bursche den Sattel und verzog sich schnell aus der Box.

„Hallo mein Hübscher, wir müssen uns jetzt fertig machen. Ich hoffe, du hast Lust auf eine längere Reise zu gehen."

Freundlich schnaubend trat Ancórdar auf mich zu und ich konnte ihn ohne Probleme aufsatteln und -trensen. Zufrieden ließ er sich aus der Box führen, vorbei an einem etwas verängstigt schauenden Stallburschen. Draußen waren die ersten Wachen und Haldir bereits aufgestiegen. Arwen verabschiedete sich von ihrem Vater und stieg mit Niniél und mir auf die Pferde. Elrond sprach noch kurz mit Legolas, was ich leider nicht verstehen konnte, sie waren zu weit weg. Dann kamen sie beide auf die Gruppe zu, Legolas stieg auf sein Pferd und Elrond verabschiedete sich von uns allen.

„Gebt acht und seit wachsam. In diesen Tagen treibt sich viel Getier im Gebirge herum. Ich wünsche eine gute Reise."

Wir ritten los. Viele Elben waren gekommen, um uns zu verabschieden. Ilianoth war nicht sehr erfreut, als sie gehört hatte, das sie erst in einigen Wochen nachkommen sollte. Doch Elrond wollte sie nicht mit uns ziehen lassen, er meinte, das es für sie zu anstrengend sei, den ganzen Tag auf dem Pferd zu verbringen. Auch wenn man ihr das Alter nicht ansah, so hatte sie doch einiges schon mitgemacht, und war nicht mehr bei bester Gesundheit. In ihrer Familie gab es wohl einmal einen Sterblichen, so das sie nicht unsterblich war. Immerhin war sie schon 1340 Jahre alt. Dabei fiel mir ein, ich wußte gar nicht genau, wie alt ich eigentlich war. Ich würde Galadriel fragen, die könnte mir das sicher beantworten.

Es war bereits später Abend, als wir den letzten Wald vor dem Nebelgebirge erreichten. Ich ritt neben Legolas, hinter Haldir und Niniél. Arwen ritt gemeinsam mit zwei der Wachen hinter uns. Eigentlich wollten wir keine Rast machen, bevor wir nicht am Fuße des Gebirges angekommen waren. Doch Arwen und auch einige der Wachen hielten es für besser, zu rasten und in den frühen Morgenstunden weiter zureiten.

Als wir nun endlich unser Nachtlager bereitet hatten und unsere Pferde versorgt waren, begleitete mich Legolas zu meinem Schlafplatz, einem Fleet aus alten Zeiten. Ich war so müde und erschöpft von dem doch recht anstrengendem Ritt, das ich oben auf dem hohen Baum schnell einschlief. Ich fiel in einen sehr unruhigen Halbschlaf und die Nacht dauerte lange. Mein Rücken tat mir ein wenig weh, da ich das weiche, sanfte Bett in Elronds Haus mittlerweile so gewöhnt war. Müde und von der Sonne geblendet blinzelte ich einem Gesicht entgegen. Es war Niniél.

„Guten Morgen Melian. Hattest du einen erholsamen Schlaf?"

Ihre Fröhlichkeit war nicht zu überhören. Nachdem sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten bekam ich zunächst einen Schreck. Ein großer Blutfleck war auf Niniéls dunkelgrünem Reitkleid zu sehen und sie sah sehr mitgenommen aus. Ohne zu antworten deutete ich mit fragendem Blick auf den Fleck.

„Keine Angst, mir geht es gut. Das ist Orkblut."

Ein Grinsen breitete sich auf Niniéls Gesicht aus, als sie anfing zu erzählen.

„Du hast lange geschlafen Melian! Gerade als ich und Haldir uns in die Decke hüllen wollten, zischte etwas an meinem Ohr vorbei und traf den Baum neben mir. Ein Orkpfeil! Schon sprangen wir wieder auf und nahmen unsere Bögen. Du musst wirklich tief geschlafen haben, denn Haldir hat sehr laut nach den Wachen gerufen, die dann sofort alle bewaffnet herbei eilten. Stell dir nur vor, eine ganze Schar von Orks... es waren mindestens 400!"

Ich blickte sie etwas unglaubwürdig an.

"Ok, vielleicht auch nur 100, aber sie waren stinkend, verstümmelt und echt widerlich. Pfeile hagelten auf uns zu und Haldir schob mich schützend hinter einen Baum. Sie kamen weiter auf uns zu gerannt. Dann zog ich meine Säbel und wartete auf das Zeichen von Haldir. Die Bogenschützen und Schwertkämpfer Elronds bewiesen ihr Können allemal. Sie haben dich und Arwen sehr gut verteidigt. Ich war froh, das ich von meinem Vater so viele Kampftechniken gelernt hatte, aber ganz ohne Haldirs Schutz hätte ich es wohl nicht lange überlebt. Er nickte mir zu und wir schlugen uns durch die Orkschar. Den Valar sei dank, das er mir nicht von der Seite wich, denn einmal war ein Ork von einem Ast herab auf mich zu gesprungen und seine Klinge hätte mich mit Sicherheit durchbohrt, wenn sich Haldir nicht seitlich gegen den Ork geworfen hätte, als er sprang. Somit fiel er rücklings hin und Haldir tötete ihn. Die Schlacht dauerte fast die ganze Nacht. Die Sterne erblassten schon am Himmel. Nachdem wir die Orks beseitigt hatten, ging ich noch mit Haldir spazieren. Ich glaube, er empfindet sehr viel für mich Melian."

Ich hob eine Augenbraue. Dann fuhr Niniél begeistert fort.

„Er hat gesagt, er habe noch nie etwas Schöneres gesehen als mich. Wir haben uns dann einfach nur geküsst. So einen Kuss habe ich noch nie bekommen sag ich dir! Er hat mich dann zurück zu unserem Lager getragen und mich auf eine Decke gelegt. Zufrieden hat er sich an einen Baum gelehnt und ich bin mit dem Kopf an seiner Brust vor Erschöpfung sofort eingeschlafen. Es war so schön, Melian! Heute Morgen sind wir dann wieder spazieren gegangen..."

Niniél schwärmte noch eine Weile so weiter während ich das Frühstück aß, das sie mit hochgebracht hatte. Dann gingen wir zu den Pferden. Die Wachen von Elrond hatten schon alles bereit für den Aufbruch gemacht. Ich ging zu Ancórdar und strich ihm mit der Hand über die Mähne. Wie schön, das ich Ancórdar habe, dachte ich während ich aufsaß.

Auf dem Weg zum Gebirgspass ritt ich wieder neben Legolas. Auch er erzählte mir, was in der Nacht geschehen war. Sie hatte die Orks nicht kommen gesehen. Er vermutete, das sie sich schon vorher in der Nähe aufgehalten hatten. Ich wollte wissen, wieso er mich nicht geweckt hatte, doch er hob nur die Hand.

„Wenn sie mitbekommen hätten, das du und Arwen auf den Fleets in den Baumkronen gewesen wart, dann hätten sie vermutlich versucht an euch ran zu kommen."

Ich fühlte mich etwas unwohl, bei dem Gedanken, das ich nicht mithelfen konnte. Aber vermutlich hatte er mal wieder recht, ich hatte ja überhaupt keine Erfahrung im Kämpfen und wie man mit einem Schwert umging, davon hatte ich mal irgendwo gelesen. Ich kam mir vor, als ob ich nur eine Last war. Wenn wir in Lórien sind, nahm ich mir fest vor, dann lerne ich mit dem Bogen und Schwert umzugehen.

Ich mußte wieder an Niniél denken, und wie sie mir mit leuchtenden Augen davon erzählt hatte, wie sie einen Ork nach dem anderen zur Strecke gebracht hatte. Sie stand beim kämpfen mit den anderen fast auf einer Stufe. Sicher, weil sie kleiner war, hatte sie nicht die Kraft, wie zum Beispiel Haldir. Doch sie war schnell und flink. Ich beneidete sie um ihr kämpferisches Können.

Als wir den Wald verließen, sah ich zu den uns auftuenden Bergen hoch. Wir waren an einem schmalen Pfad angekommen. Er führte in großen Bögen immer höher das Gebirge rauf. Er war nur so breit, das wir hintereinander reiten konnten. Ich ritt zwischen Legolas und Haldir.

Wir brauchten einen halben Tag, bis wir die Passspitze erreicht hatten. Die Sonne stand hoch am Himmel. Auf der Spitze war eine Plattform, wo wir eine kurze Rast einlegten. Ich stellte mich auf einen kleineren Felsen und schaute in das Land hinter den Bergen. Legolas stellte sich hinter mich auf den Felsen, nahm mich in die Arme und deutete auf den riesigen Wald am Horizont.

„Siehst du, meine Heimat. Und wenn du willst, auch deine."

Ich lehnte mich gegen ihn und sah den vorbeiziehenden Wolken nach. Meine Heimat, wenn er nur wüsste. Ja was war nur in meiner Heimat? Ob man mich nicht vermisste? Meine Freundin hatte bestimmt schon Alarm geschlagen, weil ich mich nicht meldete. Ob sie wohl das Buch gefunden hatte?

Etwas dunkles am Himmel zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Das sah nicht wie eine Wolke aus. Es war viel kleiner.

„Legolas, sieh mal, was kann das sein? Es scheint auf uns zu zukommen."

„Diese widerwärtigen Viecher. Das sind sicher Späher von Toral. Wir müssen sofort weiter. Bis Lórien brauchen wir noch zwei Tage, und wir müssen noch am Schattenbachtal entlang."

Haldir saß schon wieder auf seinem Pferd.

„Und von dort ist uns in der letzten Zeit immer mehr berichtet worden, das sich Orks aufhalten. Sie begeben sich bei Tag in die Minen, aber in der Nacht wimmelt es nur so von ihnen, Legolas. Wir dürfen das Tal auf keinen Fall nach Einbruch der Dunkelheit passieren."

Wir stiegen schnell wieder auf unsere Pferde und machten uns an den Abstieg. Der Pfad war auf dieser Seite des Berges ein wenig breiter, so das wir zeitweise auch nebeneinander reiten konnten. Legolas und Haldir ritten ein Stück weiter vorn, als Niniél sich zu mir gesellte.

„Melian, ich muß dir noch was erzählen. Eigentlich darf ich davon ja gar nichts wissen, aber ich hab Legolas und Elrond gestern morgen belauscht."

„Du hast was?"

„Scht, nicht so laut."

Wir hielten unsere Pferde ein wenig zurück, um den Abstand zu Haldir und Legolas zu vergrößern.

„Also, jetzt sag schon, was hast du gehört?"

„Elrond hat in deinem Zimmer etwas gefunden. Ein schwarzes Stück Stoff, wohl von einem Umhang. Legolas hat Elrond gefragt, ob es von Ihm´ sei, und er hat zugestimmt."

Das war es also, was sie besprochen hatten. Doch was ich da hörte, ließ mich wieder erschaudern. Wie kann das möglich sein, Elrond hat selber gesagt, das es nur eine Vision war. Wie kam dann aber das Stück Stoff in mein Zimmer? Und warum haben sie mir davon nichts erzählt?

„Hatte das was mit deiner Vision zu tun, Melian? Haldir hat mir nur erzählt, das du gesehen hast, wie er dich verschleppt hat."

„Ich habe auch gesehen, das er Legolas getötet hat."

„Was?!"

„Scht, sei still. Die brauchen nicht wissen, das du davon mehr weißt, genauso, wie ich das andere jetzt weiß. Wir sollten im Moment ehr nicht davon sprechen. Wenn das oben auf dem Pass wirklich Späher waren, werden wir sicher noch einmal angegriffen."

„Aber dieses Mal sind wir drauf vorbereitet."

Ein funkeln und blitzten war in ihren Augen zu sehen, die Kampflust überkam sie wieder.