Wir waren am Fuße des Berges angelangt, als die Sonne unterging. Die Wachen suchten zwischen einigen Felsen eine geeignete Stelle für das Nachtlager. Wir wollten nur bis Sonnenaufgang rasten, damit wir das Schattenbachtal noch vor Einbruch der Dunkelheit des nächsten Tages passieren würden. Eine schmale Spalte zwischen zwei großen Felsen sollten uns für die Nacht Schutz bieten. Es wurde kein Feuer entzündet, wir befürchteten, dadurch von Orks gesehen zu werden. Haldir und drei weitere Elben übernahmen die erste Wache. Niniél saß beleidigt gegen den Felsen gelehnt. Haldir wollte nicht, das sie mit auf Wache ging. Sie sollte sich ausruhen, was sie jedoch für völlig überflüssig hielt. Ein liebevoller Kuß besänftigte sie etwas, doch es ärgerte sie trotzdem. Arwen war während der ganzen Reise nicht sehr gesprächig. Legolas hatte mir erzählt, das sie sich mit ihrem Vater vor der Abreise über irgendetwas gestritten hatte. Sie saß in der hintersten Ecke der Felsspalte und unterhielt sich leise mit einer Wache.
Ich stand vor der Felsspalte und sah in die Nacht hinaus. Der Himmel war klar und die Sterne strahlten hell. Von den Sternbildern kam mir keines bekannt vor, doch sie hatte wundervolle Namen. Legolas stand neben mir und erklärte sie, als der Himmel sich zuzog. Große, schwere Wolken zogen auf und verdunkelten die Sterne und den Mond. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Die Dunkelheit hatte etwas sehr bedrohliches.
Haldir kam zum Lager zurück und sprach mit Legolas.
„Das ist kein gutes Zeichen. Wir sollten jederzeit Aufbruch bereit sein. Ich fürchte, da kommt heute Nacht noch etwas auf uns zu."
„Ich werde den anderen bescheid sagen."
Haldir verschwand wieder und auch die restlichen Wachen zogen in die Nacht. Arwen packte die Decken wieder zusammen und verstaute alles bei den Pferden. Ich ging zu Niniél und weckte sie. Über ihren Ärger war sie doch noch eingeschlafen.
„Hey Niniél, wach auf. Da draußen tut sich was."
Sofort war sie hellwach und wollte aufspringen.
„Nicht so schnell. Wir sollen uns nur bereit machen. Der Himmel hat sich zugezogen und die anderen meinten, das wäre kein gutes Zeichen. Und ich fühle mich im Moment auch nicht wohl."
„Wieso, was hast du denn?"
„Ich kann es dir nicht genau sagen, aber ich spüre, das Gefahr auf uns zukommt."
„Hast du das schon Legolas gesagt? Die Augen der Krieger sind auch bei Nacht gut, aber du kannst die Dinge anders sehen. Wenn da draußen etwas ist, wirst du es vor ihnen wissen."
Sie hatte recht. Elrond hatte mir gesagt, das sich meine Visionen nicht nur auf die Träume in der Nacht beschränkten. Ich konnte wohl das Unheil schon spüren, noch bevor es in sichtweite eines Elben kam. Ich stand auf und ging zu Legolas.„Melian, hab keine Angst. Die Felsen bieten uns guten Schutz, wenn uns etwas angreifen sollte. Aber ich denke, dazu wird es nicht kommen."
„Du brauchst nicht versuchen mich zu beruhigen. Ich spüre, das da was ist. Etwas großes kommt direkt auf uns zu."
„Etwas großes, was meinst du?"
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Es mußte mir doch gelingen, mehr zu erfahren.
„Ich sehe sechs.., nein sieben große Gestalten. Ich kann sie nicht genau erkennen. Grau..., schwarz..., sie schwingen etwas.., Keulen, sie haben große Keulen."
„Wo kommen sie her? Aus welcher Richtung?"
„Ich weiß nicht genau. Es ist so dunkel. Ich sehe... Stein, Felsen, sie kommen durch Felsen."
Ich hatte gerade das letzte Wort gesagt, als ein ohrenbetäubender Lärm losging. Die Felsen, sie barsten. Von allen Seiten fielen Steinbrocken auf uns nieder. Panisch rannten wir aus der Felsspalte. Die Wachen und Haldir kamen uns entgegengelaufen.
„Trolle! Sieben Steintrolle! Lauft, sie sind direkt hinter euch!"
Ich blickte mich beim Laufen um. Riesige Trolle kamen von allen Seiten aus den Felsen. Sie schwangen mächtige Keulen, unter denen selbst Stein brach.
Die Wachen begannen sie mit Pfeilen zu beschießen. Doch nur wenige blieben im Fleisch der Trolle stecken. Die meisten prallten einfach ab.
Die Trolle versuchten uns zu umringen. Legolas packte mich am Arm, um mich vor einer niedergehenden Keule zu bewaren.
„Lauf, nimm Arwen mit und lauf. Mit diesen dummen Viecher werden wir schon fertig."
Ich wusste, das Steintrolle wirklich nicht die hellsten waren. Wenn man nur an die drei denkt, die im Buch der kleine Hobbit Bilbo gefangen genommen hatten. Sie haben, während sie sich darüber stritten, wie sie ihn zubereiten sollten, nicht gesehen, das die Sonne aufging. Und Steintrolle können, im Gegensatz zu Bergtrollen, das Tageslicht nicht vertragen und werden bei ersten Berührung mit Sonnenstrahlen zu Stein. Aber bis Sonnenaufgang war es noch lange hin, und ob wir bis dahin überleben würden, war angesichts der Kraft, die diese Viecher hatten, noch fraglich.
Ich rannte zusammen mit Arwen von den Felsen weg.
„Melian, wir müssen uns irgendwo verstecken."
Leichter gesagt, als getan. Hier war nichts, wo man sich hätte verstecken können. Links von uns floss der Schwertel, rechts und vor uns waren ein paar einzelne Felsen und sonst nichts als Sumpfgebiet. Wir rannten bis hinter einen großen Felsen und sahen von weitem dem Kampfgeschehen zu. Einer der Elben war dabei, über einen großen Stein auf einen der Trolle zu springen. Ein zweiter Troll schlug nach ihm, traf aber nur seinen Kumpel, der tödlich getroffen schwankte. Doch der Elb schaffte es nicht rechzeitig, dem fallenden Troll auszuweichen und wurde von dessen Arm erschlagen.
Ich sah mit Schrecken, wie Niniél immer wieder unter den Trollen hindurchlief und ihnen dann von hinten mit ihren Säbeln Hiebe versetzte. Auch einige der anderen waren inzwischen in den Nahkampf mit dem Schwert übergegangen. Doch es sah nicht gut aus. Sie hatten erst drei Tolle zu fall gebracht, und das auch nur unter Verlust einer weiteren Wache.
Ich unterdrückte mir einen Schrei. Ein Troll hatte Haldir mit der Keule getroffen und ihn gegen einen Felsen geschleudert. Mit Mühe versuchte Haldir wieder auf die Beine zu kommen. Er hatte Glück, das die Trolle von den anderen abgelenkt wurden. So verletzt war er ein zu leichtes Ziel für sie.
Ich konnte das nicht mit ansehen. Der nächste Schlag wäre der Tod für Haldir, ich mußte ihm helfen. Doch wie?
Aber ja, warum war ich da nicht schon früher drauf gekommen.
„Ancórdar!"
Er war so schnell, das die schwerfälligen Trolle gar nicht erst hinter ihm her kommen würden.
„Was habt Ihr vor? Wo wollt Ihr denn hin? Die Trolle sehen Euch doch, bleibt hier!"
Aber ich hörte nicht auf sie. Ich rannte zum Fluss rüber und pfiff nach ihm. Er war, während die Trolle angegriffen hatten, mit den anderen Pferden Flussabwärts geflüchtet.
Still und ohne ein Laut kam er auf mich zu. Ich denke er hatte gespürt, was ich vor gehabt hatte. Aufgeregt tänzelte er auf der Stelle, bis ich ihn antrieb und auf das Gefecht zu ritt. Ich mußte versuchen, sie auseinander zu treiben. So hatten die anderen größere Chancen, sie zu überwältigen.
Ich ritt direkt auf die Troll zu und schlug beim vorbeireiten mit einem dicken Stock auf sie. Ancórdar machte seiner Abstammung alle Ehre. Er wand sich zwischen den Trollen hindurch, immer wieder den Schlägen der Keulen ausweichend. Und auch er biss, beim streifen der Trolle, immer wieder zu und verletzte sie dadurch erheblich.
Die Trolle waren verwirrt, und versuchten hinter mir herzukommen. Der größte von ihnen erschlug, beim Versuch mich zu treffen, einen kleineren Troll. Niniél war inzwischen zu Haldir geeilt und half ihm auf die Beine. Sie schleppte ihn hinter einen Felsen, etwas abseits des Kampfes und stürzte sich gleich darauf wieder auf einen Troll. Gemeinsam mit Legolas und einer Wache brachten sie ihn zu fall und sie erschossen ihn mit zwei Pfeilen in den Hals. Jetzt waren nur noch zwei große und ein kleinerer Troll übrig. Wieder ritt ich zwischen ihnen durch und holte zum Schlag aus. Doch der Schwung des Schlages war zu stark, ich verlor das Gleichgewicht. Krampfhaft versuchte ich mich noch festzuhalten, doch ich erwischte nur ein Stück der Mähne und riß es beim fallen aus. Ich war auf keinem Stein oder ähnliches gefallen und stand sogleich wieder auf. Doch der größte Troll der Bande stand jetzt unmittelbar vor mir. Ancórdar wiehert laut auf. Der Troll, seine Keule schwingend, drehte sich zu mir um. Seine sabbernde, eklige Visage blickte mir entgegen und langsam kam er auf mich zu. Ich ging rückwärts, ihn nicht aus den Augen lassend von ihm weg. Doch ein Stein kam mir unter die Füße, ich strauchelte und fiel auf den Rücken. Der Troll blieb einige Meter vor mir stehen und hob seine riesige Keule. Ich sah, wie die anderen verzweifelt versuchten ihn mit Pfeilen aufzuhalten. Die zwei anderen Trolle waren inzwischen gefallen. Legolas schoss einen Pfeil nach dem anderen ab, bevor er seine Säbel zog und auf den Troll los ging.
„NEIN, Melian!"
Der Troll schlug zu. Ich hielt mir schützend die Arme vors Gesicht.
