Als wir unsere Pferde versorgt hatten, ging ich rasch auf unser Fleet und zog mir frische Klamotten an. Ich kam grade aus dem Bad, als es an der Tür klopfte.
„Ja bitte."
Niniél steckte ihren Kopf durch die Tür. Wie kam es, das sie anklopfte? Sonst war sie doch auch immer gleich ins Zimmer gestürmt. Sie sah mich mit großen Augen fragend an.
„Na, und was hast du dazu gesagt?"
"Was hab ich wozu gesagt?"
Sie warf mir einen verärgerten Blick zu und setzte sich aufs Bett.
„Naja, er hat dich doch gefragt, oder?"
„Wer hat mich gefragt? Wovon sprichst du?"
Ich wußte ganz genau, was sie gemeint hatte, doch es machte mir zu viel Spaß, sie ein bisschen auf die Folter zu spannen.
„Jetzt tu nicht so ahnungslos. Haldir hat mir erzählt, was Legolas vor hatte, als ihr zusammen ausgeritten seid. Jetzt sag bloß nicht, er hat sich nicht getraut zu fragen."
Ihre Ungeduld, die sie auf dem Bett umherrutschen ließ, war sehr amüsant anzusehen. Ich setzte mich zu ihr aufs Bett und versuchte so ernst wie möglich auszusehen.
„Doch, er hat mich gefragt."
„Ja und, was hast du jetzt geantwortet?"
Sie konnte es kaum noch aushalten, und ich schaffte es keine Sekunde länger, ein ernstes Gesicht zu machen. Ich nahm ihre Hände und sah sie mit einem breiten Grinsen an.
„Na was wohl. Ich hab natürlich ja gesagt."
Sie hielt sich die Hände vors Gesicht und holte tief Luft. Mit einem lauten Gequieke fiel sie mir um den Hals und schmiss mich dabei fast vom Bett.
„Beim heiligen Ilúvatar, du hast wirklich ja gesagt? Das ist ja der reinste Wahnsinn. Ich freu mich so für dich. Ich kann´s noch gar nicht richtig glauben."
„Glaub es, es ist so. Beim Sonnenblütenfest werden wir den Bund eingehen."
Sie löste sich von mir und sah mich mit aufgerissenen Augen an.
„Beim Sonnenblütenfest? Das ist ja schon in drei Tagen. Das ist viel zu schnell, ich hab doch gar nicht zum anziehen hier, was für eine Hochzeit passend ist."
„Ja glaubst du, ich hab was. Ich hab nur ein paar bequeme Kleider mit, ansonsten nur Reitklamotten. Und darin kann ich ja schlecht zu meiner eigenen Hochzeit gehen."
Ich hatte wirklich ein Problem. Also wenn ich schon hier und jetzt heiraten sollte, dann müsste ich wenigstens was passendes zum anziehen haben.
„Du solltest zu Lady Galadriel gehen, die kann dir sicher weiterhelfen."
„Genau. Sie hat gesagt, ich kann mit allen Fragen zu ihr kommen. Und du kommst auch mit."
"Was ich? Nein, das geht doch nicht. Ich bin doch nur eine Halbelbin, ich kann sie doch nicht um ein Kleid bitten."
„Und warum nicht? Du bist meine beste Freundin, und ich werde sie auch für dich fragen."
Erstarrt blickt mich Niniél an, Tränen schimmerten in ihren Augen.
„Was ist? Hab ich was falsches gesagt? Niniél?"
Doch statt mir zu antworten fiel sie mir um den Hals und schluchzte. Ich strich ihr über den Rücken, schob sie dann wieder von mir weg und sah ihr direkt in die Augen.
„Niniél, was ist los? Was hab ich denn gemacht?"
„Du bist die erste Elbin, die mich ihre beste Freundin genannt hat. Ich hatte so gehofft, das du mich mögen und mich nicht nervig finden würdest. Aber das du sagst, ich sei deine beste Freundin, das hat mich einfach überwältigt."
Ich konnte die in mir aufkommenden Tränen auch nicht unterdrücken und umarmte sie ganz fest. Sie war in der kurzen Zeit, in der wir uns kannte, wirklich zu meiner besten Freundin geworden. Ich hatte das Gefühl, das ich ihr alles sagen könnte und es war, als ob ich sie schon ewig kannte.
Kichernd und lachend, wie zwei kleine Kinder, gingen wir aus dem Haus und in Richtung des Baumes von Galadriel und Celeborn. Einige der Elben, an denen wir vorüberkamen, sahen uns lächelnd hinterher, andere schüttelten nur den Kopf und begaben sich wieder an die Vorbereitungen für das Fest. Die ganze Stadt schien sich auf zumachen und überall sah man geschäftige Elben mit Stoffen, Blüten und allerlei Zeug umherlaufen. Ein großes Stoffdach wurde über dem Rasen vor Galadriel Baum angebracht. Sie waren gerade dabei, die Seile zum hochziehen zu befestigen, als wir die Leiter erklommen.
Oben angekommen geleitete uns eine Wache zum Saal, wo Celeborn sich mit seiner Frau befand. Sie saßen auf ihren Thronen und unterhielten sich mit eine Gruppe von Elben. Wahrscheinlich handelte es sich auch um Vorbereitungen für das Fest. Niniél hatte mir erzählt, das es zwei Tage dauern würde und da gab es sicher viel, was vorher zu tun war.
Ich kam mir mit meiner Frage nach einem Kleid etwas unpassend vor und wollte mich schon wieder umdrehen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder kommen, als Galadriel uns zu sich rief.
Die Elben verließen den Raum und auch Celeborn stand auf.
„Ich glaube, es handelt sich hier sicher um ein Gespräch, das nur etwas für Frauen ist. Ich werde mich lieber zurückziehen."
Mit einem verschmitzten Grinsen ging er an uns vorbei und verließ den Raum.
Wir gingen zu Galadriel rüber und verbeugten uns vor ihr.
„Lady Galadriel, ich..."
Ich wußte gar nicht, wie ich sie eigentlich fragen sollte. Ich konnte doch nicht einfach sagen, hast du ein Hochzeitskleid für mich und noch ein schönes für meine Freundin. Sie wußte sicher noch nicht einmal, das ich überhaupt heiraten wollte. Oder war diese wieder einer dieser Momente, in denen ich mich sehr in den Elben täuschen würde? Ja!
„Ich weiß, warum ihr hier seid. Mich hat die frohe Botschaft deiner Vermählung mit Prinz Legolas schon erreicht. Und ich freue mich, das sie hier und unserer Stadt und das auch noch am Sonnenblütentag stattfinden soll."
Sie erhob sich, kam zu uns und legte ihre Hände auf unsere Schultern. Ein freundliches Lächeln zeichnetet sich in ihrem Gesicht ab.
„Kommt mit mir, ich denke, ich kann euch weiterhelfen."
Ohne unsere Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und ging durch eine kleine Tür am Ende des Raumes. Wir beeilten uns, ihr schnell zu folgen.
Wir gingen durch einen kleinen schmalen Gang und kamen in ein rundes, helles Zimmer. Ein großer Spiegel stand mitten im Raum und an einem Schrank hingen viele Kleider. Eines sah prächtiger aus, als das andere. Staunend standen Niniél und ich vor den Kleidern.
„Ich hoffe, es ist eines dabei, das euch gefällt. Ich werde euch in Ruhe sie anprobieren lassen. Wenn eines euch gefällt, nehmt es mit. Ich möchte sie euch schenken."
Wir sahen ihr noch nach, als sie das Zimmer schon verlassen hatte. Woher zum Teufel hatte sie das jetzt schon wieder gewusst? Langsam begann sie mir unheimlich vor zukommen.
Niniél hatte sich schon auf die wundervollen Kleider gestürzt. Sie kam aus dem Staunen kaum noch heraus. Aber auch ich betrachtete voller Erfurcht diese Kleider. So etwas hatte ich noch in keinem Laden oder Katalog gesehen. Die Stoffe fühlten sich an wie feinste Seide, schimmerten und schien durch die Hände zu fliegen, bei jeder Berührung. Alle Kleider glänzten silbrigweiß und hatten noch je einen anderen Farbton in sich. Himmelblau, seichtes Rose, oder goldenglänzendes Gelb.
Niniél hatte sich inzwischen schon in eines gewagt. Sie zog sich das lange Oberkleid über und ging auf den Spiegel zu. Ich fand, sie sah einfach bezaubernd aus. Ich löse meine Spange aus den Haaren und steckte ihre damit hoch. Wow, so hatte ich mir immer eine Märchenprinzessin vorgestellt. Der leichte roséton des Unterkleides schimmerte durch das silberweiß des langen Oberkleides. Bei jeder Bewegung flog der Stoff um sie und sie konnte gar nicht mehr aufhören, sich im Spiegel zu betrachten.
„Los, jetzt zieh du eins an. Das goldgelben farbige Kleid, das passt am besten zu deinen Haaren. Sie schimmern genauso."
„OK, dann das hier."
Ich zog das Kleid vom Bügel und breitete es vor mir auf dem Boden aus. Es bestand auch aus zwei Teilen, wobei das eine ein schlichtes, langes Kleid mit breiten Trägern war und das andere ein langer seidener Mantel mit Kapuze und weit ausgestellten Ärmeln. Es sah fast so aus, wie jenes, welches Galadriel in dem Film von P.J. trug. Nur das dieses nicht rein weiß war, sondern abwechselnd silbern und golden schimmerte. Als ich mich so im Spiegel betrachtete, kamen mir die Tränen. Ich mußte an meine Mutter denken. Sie hatte sich immer für mich gewünscht, das ich einmal wie eine Prinzessin heiraten würde. Sie hatte mir immer versprochen, das sie mir das schönste und traumhafteste Kleid besorgen würde, und das es Blütenblätter vom Himmel regnen würde, wenn ich aus der Kirche käme. Und jetzt bestand mir genau so etwas vor, und sie konnte noch nicht einmal dabei sein.
„Melian, warum weinst du?"
Ich wischte mir die letzte Träne mit dem Handrücken weg.
„Ach nichts, ich bin nur überwältigt. Es ist wie für mich gemacht. Genau dieses werde ich tragen. Bei meiner Hochzeit."
Ich seufzte und zog mir wieder mein eigenes Kleid an. Sorgfältig legte ich dieses Traumkleid zusammen und ließ mich auf dem Stuhl neben dem Spiegel nieder. Niniél konnte sich gar nicht satt sehen und drehte und tanzte immer noch vor dem Spiegel. Die Tür ging wieder auf und Galadriel trat ein.
„Wie ich sehe, hat sich Niniél schon entschieden. Melian?"
"Ich hab es schon wieder ausgezogen. Ich werde das dort nehmen."
Ich deutete auf das zusammengelegte Bündel.
„Ich werde es noch ein wenig für dich zurecht machen und es dir dann auf dein Zimmer bringen lassen. Niniél, wenn du erlaubst, dann werde ich mir dein Kleid auch noch einmal vornehmen."
Ein wenig zu lang war es schon, aber es saß perfekt. Nur zögerlich entledigte sich Niniél des Kleides und zog ihre Reitklamotten wieder an. Wir bedankten und verbeugten uns und verließen das Haus.
Unten auf der Rasenfläche hatten sie inzwischen das Stoffdach hoch in die Bäume gezogen. Für heute ließen sie die Arbeit ruhen. Die Lichter und Kerzen wurden angezündet und langsam erstrahlte die Stadt wieder in ihrem nächtlichen Glanz.
Ich verabschiedete mich von Niniél und ging zu Ancórdar in den Stall. Er stand selig in seiner Box und döste vor sich hin. Als ich näher trat hob er den Kopf und wieherte leise. Ich ging zu ihm, legte meine Arme um seinen Hals und begann leise mit ihm zu sprechen. Ich weiß nicht genau, wie lange ich bei ihm war, doch es tat mir sehr gut, ihm alles vorgefallene zu erzählen. Ich berichtete ihm auch die Gedanken an meine Familie und wie schwer mir mein Herz wurde, das ich sie wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Manchmal hatte ich das Gefühl, das er mich verstehen würde. Wenn ich mal eine längere Pause machte, schnaubte er und bewegte leicht seinen Kopf, bis ich weiter erzählte.
Als die Sterne schon hell am Himmel leuchteten, ging ich aus dem Stall und zu unserem Zimmer. Legolas stand oben vor der Tür und wartete schon auf mich. Gemeinsam gingen wir ins Bett und ich begann wieder einmal zu träumen.
Ich ritt mit Niniél über eine weite Ebene. Wir lachten, doch ich wußte nicht warum. Wir waren allein, nur einige Meilen entfernt sah ich eine Herde von Pferden grasen.
Dann waren wir in einem kleinen Dorf. Es sah bäuerlich aus. Man sah uns freundlich entgegen. Eine Frau kam auf uns zu und begrüßte Niniél überschwänglich.
Mit einem mal wurde es dunkel. Es war kalt, nass und stickig. Niniél klammerte sich an mich. Wir waren in einem Raum ganz aus Stein, unsere Füße und Hände waren gefesselt. Unheimliche Geräusche hallten uns durch die eiserne Tür entgegen. Es klirrte und Metall wurde aufeinander geschlagen. Wir hatten panische Angst, wir wussten nicht, wo wir waren.
Dann war wieder stille um uns. Wir waren im Freien, es war Nacht. Felsen und Steine waren um uns herum. Wir saßen zusammengekauert in einer Felsnische. Ich fasste mir an die Brust. Ich fühlte nach etwas, ich hatte eine Kette um. Als ich den Anhänger spürte, fühlte ich ein wenig Erleichterung.
Unsere Hände und Knie waren blutig und wir waren ziemlich dreckig. Ich spürte Hunger und Durst. Und immer wieder hörte ich mich zu Niniél sprechen.
„Wir schaffen das schon. Sie haben sicher noch nicht bemerkt, das wir weg sind. Mach dir keine Sorgen, wir finden einen Weg hier raus."
Ich fuhr aus dem Schlaf hoch. Es war noch dunkel draußen und Legolas schlief friedlich neben mir. Ich ging ins bad und wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Wo waren wir gelandet? Und was hatte es mit dem Anhänger auf sich? Ich ging nach draußen und setzte mich an den Rand des Fleets. Die Lichter der Stadt glitzerten in der dunklen Nacht. Sterne standen hoch am Himmel und einige Nachtfalter flatterten um das Licht vor unserer Tür.
Mir schossen wieder die Worte von Galadriel in den Sinn. Sie hatte gesagt, ich werde den zweiten Stein finden. Vielleicht hatte ich ihn ja dort gefunden. Dann war ich mit Niniél sicher in den Eisenbergen. Aber wieso waren wir gefangen worden? Hatte man uns erwischt, oder waren wir vielleicht gar nicht absichtlich dort. Und warum waren nur wir beide dort Legolas hätte uns nie alleine gehen lassen. Und Haldir wäre sicher auch bei Niniél gewesen.
Es war alles sehr merkwürdig und ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim auf diesen Traum machen.
Ich ging wieder ins Haus und legte mich zurück ins Bett. Legolas lag immer noch so da, wie ich ihn zurück gelassen hatte. Ich kroch unter die Decke und kuschelte mich an ihn. Ein leises Grummeln war von ihm zu hören und er schlang seine Arme um mich. Ich schlief rasch wieder ein. Den Rest der Nacht blieb mein Schlaf aber traumlos.
Als ich die Augen öffnete, blickte ich in Niniéls fröhliches Gesicht.
„Nur noch zwei Tage. Los, raus aus den Federn, ich muß dir doch noch den Tanz beibringen. Ich hab dir auch was zum Frühstück mitgebracht."
Ich richtete mich auf. Legolas war nicht mehr zu sehen, wahrscheinlich war er wieder seit Sonnenaufgang auf den Beinen.
Nur wiederwillig stand ich auf und ging ins Bad. Ich wollte nachher unbedingt noch einmal zu dem See reiten, daher zog ich mir gleich meine Reitkleidung an.
Niniél hatte schon einig Leckereien auf dem kleinen Tisch ausgebreitet, als ich wieder aus dem Bad kam.
„Komm, ich hab dir auch von dem Brot mitgebracht, das du so gerne isst."
Als wir gemeinsam aßen, erzählte sie mir, das sie letzte Nacht von ihrem Kleid geträumt hatte. Sie wäre zusammen mit Haldir unten auf der Wiese gewesen und sie hätten die ganze Zeit getanzt, ohne das ihr Haldir auch nur einmal auf die Füße getreten war. Und sie hat von ihrer Tante in Rohan geträumt.
„Ich werde in zwei Wochen wieder zu ihr reiten. Das mache ich jedes Jahr mit meinem Vater zusammen. Wir helfen ihr immer bei der Ernte und bei den Vorbereitungen für den Winter. Ihr Mann ist vor sechs Jahren gestorben und sie lebt jetzt mit ihrem Vater allein. Leider ist der nicht mehr in der Lage, ihr zu helfen und so reise ich immer mit meinem Vater für vier Wochen zu ihr und wir gehen ihr zur Hand. Letztes Jahr hab ich fast ganz allein ihre Herde zusammen getrieben. Vater arbeitet immer mit ihr auf dem Feld und ich kümmere mich um die Tiere. Sie verkauft gute Pferde an die Garde von König Brytta."
„Wie heißt denn dein Vater?"
„Bargol. Und meine Tante heißt Samera. Sie wohnt in einer kleinen Siedlung in der Ost Emnet, nicht weit vom Entwasser. Wenn du Lust hast, dann komm doch mit. Das wird die sicher gefallen. Und sie werden von dir begeistert sein, weil du den besten Tanz in ganz Rohan beherrscht. Und den werd ich dir jetzt endlich beibringen, also halt dich nicht die ganze Zeit an dem Stück Brot da auf. Ich seh doch, das du eigentlich schon längst fertig bist."
Mist, und ich hatte gedacht, ich könnte mich drücken. Ich tanzte zwar recht gut und es macht mir auch Spaß, aber einen Tanz aus Rohan..., na ja, ich weiß ja nicht.
Sie packte die Sachen vom Frühstück zusammen und schob den Tisch an die Wand.
„So, der Platz sollte reichen. Ich zeig dir jetzt erst einmal, wie er geht und dann machen wir ihn zusammen. Das geht ganz leicht, sind immer nur Widerholungen, die man miteinander kombiniert. Du mußt immer im Takt klatschen. So."
Sie zeigte mir einen Rhythmus vor und ich versuchte ihn nach zu klatschen. Ich versteh ja nicht viel von Standarttänzen und so, aber das, was sie mir da zeigte, das erinnerte mich doch sehr stark an eine Polka. Es schien mir eigentlich ganz einfach. Man stemmte die Hände in die Hüften und tanzte nebeneinander. So ähnlich wie Squaredance. Zwei rechts, hüpf, zwei links, hüpf, nach vorn und wieder zurück, dazwischen Drehungen, und wieder von vorn, diesmal andere Reihenfolge. Ab und zu mit den Füßen aufstampfen und in die Hände klatschen. Ok, das krieg ich auch hin.
„Hast du es verstanden soweit?"
„Ja, ich glaub schon. Ist die Reihenfolge denn eigentlich völlig egal?"
„Nein, nicht ganz. Es fängt immer mit rechts links an, dann vor und zurück und die Drehung. Dann fängt man mit vor und zurück an und dann wieder rechts links. Und das Stampfen mit dem Fuß und das Klatschen kommt immer nach der Drehung. Ok, dann versuchen wir es jetzt mal zusammen. Ich zähle. Eins, zwei, drei, vier, und zurück. Ja gut, genau so."
Ok, ohne richtige Musik war das nicht so spannend und es sah auch sicher etwas blöd aus, wir ich in meinen Reitklamotten und barfuss über den Holzboden hüpfte, aber ich stellt mich nicht all zu dumm an und nach einigen Malen hatte ich den Tanz drauf.
„So, und jetzt mußt du das noch Legolas beibringen."
„Was? Wieso denn Legolas? Der macht das bestimmt nicht, wie soll ich ihm das denn beibringen?"
"Sag ihm einfach, Haldir kann das auch."
Ein gemeines Grinsen ging über ihr Gesicht, worauf aber schnell ein freundlichen Augenzwinkern folgte . Oh oh, der arme Haldir.
Wir übten noch ein paar Mal. Dann packte sie den Beutel mit den Resten vom Frühstück und ging wieder. Ich zog mir meine Stiefel an und ging zu Ancórdar in den Stall. Von Legolas war weit und breit nicht zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich mit Haldir aus dem Staub gemacht. Sie hatten sicher schon gerochen, was ihnen bevorstand.
Ich sattelte mein Pferd, packte mir ein bisschen Proviant und eine Decke ein und ritt aus der Stadt. Es war früher Vormittag und die Sonne hatte gerade erst die Spitzen der Bäume erreicht. Nachdem ich die Steinstraße verlassen hatte, ging ich in einen leichten Galopp über und erreichte kurz darauf auch schon den Wald. Immer wieder sah ich oben in den Bäumen die Elben in ihren grünen Sachen. Wenn ich nicht gewusst hätte, das sie da waren, man hätte sie nicht gesehen. Teilweise bewegungslos standen sie in den Bäumen und überblickten das Gebiet.
An einer Weggabelung wusste ich nicht mehr recht, wohin ich sollte. Ich hielt an und sah zu den Baumkronen hoch. Vielleicht war jemand da, der mir helfen konnte. Ich entdeckte einen Elb hoch oben auf einem kleinen Fleet. Nach ihm rufen wollte ich nicht, daher kletterte ich einfach die kleine Strickleiter hoch, die hinter dem Baum nach unten hing. Als ich oben ankam erschrak ich fast zu Tode. Eine Pfeilspitze wurde mir genau ins Gesicht gehalten. Ich wollte erst noch die Hände hochnehmen, doch dann wäre ich runter gefallen.
„Ich bin kein Feind. Ich bin Melian, zu Gast bei Lady Galadriel, ich hab mich verlaufen und wollte nur nach dem Weg fragen."
Sofort wurde der Pfeil weggenommen und man reichte mir helfend die Hand.
„Es tut mir leid, Lady Melian, ich wusste nicht, das Ihr das seid. Verzeiht bitte, aber ich muß immer auf der Hut sein."
„Schon gut, es ist ja nichts passiert. Ich hab mich nur erschrocken."
„Euer Pferd ist sehr leise, ich habe Euch erst bemerkt, als Ihr die Leiter raufgekommen seid."
„Sein Vater ist ein Mearas. Die sind wohl alle so."
„Ein sehr edles Tier. Aber nichts im Vergleich zu Euch. Verzeiht, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Salldoth, Krieger von Lorien."
Er verbeugte sich tief vor mir. Ich glaub, ich bin sogar rot geworden, nichts im Vergleich zu mir. Seh ich aus wie Heidi Klum oder was? Ok, meine Elbengestalt war schon um einiges besser als das Original, kein Gramm zu viel auf den Hüften, aber das der mich jetzt gleich edel nennt.
„Nett, Euch kennen zu lernen, Salldoth. Ich danke Euch für das Kompliment."
Er richtete sich wieder auf und blickte mich fragend an.
„Ach ja, ich wollte ja nach dem Weg fragen. Also, ich bin gestern an einem See gewesen. Der, der sich nur im Sommer füllt, wenn das Schmelzwasser aus den Bergen kommt. Aber ich finde den Weg nicht mehr dahin. Könnt Ihr mir vielleicht weiterhelfen?"
„Ja, natürlich. Er ist hier ganz in der Nähe. Ihr wart schon auf dem richtigen Weg. Aber der Pfad durch die Bäume zum See ist nicht ganz leicht zu finden. Ich werde Euch dort hin geleiten, wenn es Euch recht ist."
„Ja, danke, das ist sehr nett von Euch, Salldoth."
Ich kletterte die Strickleiter wieder runter, gefolgt von dem Krieger. Ancórdar hatte brav unter dem Baum auf mich gewartet und schnaubte mir freundlich entgegen, als er sah, das es wieder weiter ging. Ich führte in am Zügel und ließ mir von Salldoth den Weg zeigen.
