Kapitel 9: Harrys Geburtstag
A/N: Irgendwie schaltete sich die E-Mail Benachrichtigung bei mir im Profil immer von alleine aus. -.- Deshalb habe ich mal wieder eine Reihe Reviewer übersehen.
Danke an: Mina Harker Wilhelmina Murray, Amunet, Deedochan, Nicolka (einfach anmelden und Author Alert ‚bestellen'), Yuy, Lady Cicilia Malfoy, Schnuckiputz, leah-07, Lara-Lynx, Gugi, LuckyShadow, Sabysemilla, GinWeasley und
Jessy: Danke, dass du mir geschrieben hast. War mir erst nicht sicher, ob du es bist. #freu# Das macht mich echt glücklich. Habe dich irgendwie vermisst und oft an dich gedacht…
Gugi: The greatest thing, you will ever learn is just to love and the love in return! #grinz#
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Die nächsten Wochen vergingen gähnendlangsam. Draco blieb noch eine ganze Zeit im Krankenflügel. Harry bekam nur nebensächlich mit, dass der Slytherin noch immer etliche von Tränken nehmen musste und Heilsalben brauchte, da er nämlich vorerst einen Platz am Lehrertisch bekommen hatte und die einzelnen Mahlzeiten dort einnehmen durfte.
Doch auch als Draco den Krankenflügel endlich wieder verlassen konnte, schien sich nichts an Harrys und Dracos Beziehung zueinander zu verändern. Beide waren stur, sauer aufeinander und wussten zudem nicht so recht, wie sie überhaupt irgendein Gespräch beginnen sollten.
Somit beließen es beide beim Schweigen und dem gegenseitigen Ignorieren.
Beim Essen, denn zu zwei hatten sie auch für sich essen können, saßen sie nur stumm da, blickten auf ihre Teller und stopften das Gemüse, das Fleisch oder Obst nahezu in sich hinein, als könnten sie somit möglichst schnell fliehen und müssten das Beisein des anderen nicht mehr länger Ertragen.
Snape hatte ihre Sachen mittlerweile schon längst geholt und Harry nutzte die lange Weile, um schon mal etwas für das siebte und letzte Schuljahr zu tun. Außerdem las er all seine Quidditchbücher mindestens zweimal durch und verbrachte auch auf dem Quidditchfeld wahnsinnig viel Zeit.
Harry hatte bereits einen kurzen Brief an Hermine und Ron geschrieben. Erwähnte aber nichts von seinem Hogwartsaufenthalt und auch nichts davon, was zwischen ihm und Draco vorgefallen war.
Doch gleichzeitig log er nicht, hatte nur geschrieben, dass die Ferien langweilig seien, er nichts zu tun hätte und noch immer an Sirius denken musste. Das Letztere würde wohl niemals enden.
Doch der gegenwärtige Tag war anders. Harry würde am nächsten Morgen – in genau fünf Stunden – Geburtstag haben, das siebente Lebensjahr erreichen.
Das Abendbrot hatte er bereits verschlungen und sich für seinen ‚heimlichen' Geburtstag noch ein Stück Torte mitgenommen.
Diesen Abend würde er sich von nichts und niemandem verderben lassen. Bisher waren alle seine Geburtstage schrecklich, unauffällig und unbedeutend gewesen. Vielleicht gar nicht mal so übel, aber jedenfalls einen Geburtstag wollte er mit stillschweigender Übereinkunft, in Ruhe und ohne jegliche Gedanken an Voldemort verbringen.
Er beschloss kurz in den Gryffindorturm zu stürmen, sich einigermaßen Herauszuputzen (auch wenn es wahrscheinlich niemanden interessierte), um dann den sommerlichen Abend und die warme Nacht am See verbringen zu können.
Kaum hatte er das Portrait der Fetten Dame erreicht, nannte er ihr das gewünschte Passwort und verschwand in dem noch leeren Jungenzimmer. Er zog seinen Koffer unterm Bett hervor, wühlte und suchte so lange darin, bis er die gewünschte Kleidung fand. Nämlich die, die Draco ihm vor etwa zwei Wochen im Muggelkaufhaus ausgesucht und schließlich noch mitgebracht hatte.
Wenn Harry so darüber nachdachte, war das eine ziemlich makabere, freundliche Geste gewesen. Denn in dem Zustand, in dem Draco zu dem Zeitpunkt gewesen war, hätte Harry niemals an etwas ihm so Unwichtiges gedacht.
Noch immer klebte getrocknetes Blut an der dunkelblauen Jeans, die schon fast schwarz wirkte und auch das weiße Hemd wies einige rotbraune Flecken auf.
Harry griff kurzerhand nach seinem Zauberstab, säuberte die Kleidung und betrachtete sie einige Sekunden.
Erst dann richtete er sich wieder auf, entledigte sich seiner Kleidung und zwängte sich in die enge Jeans. Doch sobald er erst einmal drinnen war, gingen der Reißverschluss und auch der Knopf wie von selbst zu. Nur das in die Hose Hereinkommen war also das schwere an der ganzen Sache.
Mit unbekleidetem Oberkörper und dem weißen Hemd in den Händen trat Harry unsicher ins Badezimmer und betrachtete sich nachdenklich und ziemlich skeptisch in dem hohen Spiegel.
In dieser Hose konnte man ja wirklich jedes Detail sehen.
Harry drehte sich zur Seite, betrachtete seine vom Quidditch wohl geformten Beine und zog sich letztendlich das Hemd über. Er ließ es kurz geöffnete und bewunderte den starken Kontrast, den seine sonnengebräunte Haut zu der schneeweißen Farbe herstellte.
Dann knöpfte er das weiße Stück Stoff endlich zu, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und sah sich erneut in dem reflektierenden Gegenstand an.
Wohl fühlte er sich trotz allem nicht, er drehte sich von Seite zu Seite, doch kam er sich wirklich lächerlich vor. Die Kleidung war nicht schlecht. Aber er wirkte darin wie ein Kamel in Lackschuhen.
Trotz allem behielt er es an. Ihn würde ja sowieso niemand sehen und erst recht nicht großartig betrachten.
Zu guter letzt schnappte er sich noch seine schwarze Pulloverjacke, ein Buch, das eingepackte Stück Nusskuchen und verließ den Gryffindorturm wieder. Diesen Abend würde er von Kopf bis Fuß genießen, einfach mal die Seele baumeln lassen.
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Draco saß derzeitig im Syltherhinkerker auf der schwarzen Ledercouch, hatte seine Beine hochgelegt, sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Auch er hatte ein Buch über Zaubertränke begonnen, doch dies nach einer Weile mit dem Buchrücken nach oben auf seinem Schoß abgelegt. Seien Augen waren ihm zugefallen. Zwar war er nicht müde, doch war das Lesen aus irgendeinem Grund zu anstrengend. Vielleicht hatte er aber auch keine wirkliche Lust, hatte sich nur zwanghaft ablenken wollen. Doch sein gesunder Zaubererverstand ließ dies keineswegs mit sich machen.
Immer wieder musste er an die Drohung Mike Redgers denken, immer wieder schossen ihm Bilder Voldemorts, seines Vaters und seiner möglichen Zukunft durch den Kopf.
Er wollte nicht sterben, wollte aber auch nicht für den Tod des Gryffindors verantwortlich sein. Zwar war er vom tiefsten Inneren her treuer Slytherin, doch hatte er sich schon als Kind vor toten Tieren gefürchtet. Niemals würde er jemand anderen umbringen wollen oder nur für einen Tod verantwortlich sein. Niemals.
Noch hatte er kein Bescheid von Mike bekommen, doch fürchtete er sich von Tag zu Tag nur umso mehr davor. Er hasste sein Leben, hasste die Narben an seinem Körper und hasste, dass er niemals fliehen könnte. Er musste sich einen Plan überlegen, doch schon bei dem Wort Plan oder Flucht zogen sich sein Eingeweide zusammen und verursachten einen schrecklichen Magenschmerz.
Und dann war da noch Sankt Potter persönlich. Warum hatte er nur versucht Frieden zu schließen? Warum hatte er sich nur auf einen Einkaufsbummel eingelassen. Eigentlich war Harry doch selbst Schuld an alledem und wenn er umgebracht werden würde, wäre es doch sein eigenes Schicksal und sein eigener Fehler gewesen.
Wahrscheinlich hatte Harry immer nur gedacht, dass er andere in Gefahr bringen konnte, was er mit Draco ja auch getan hatte. Doch schien er nicht daran gedacht zu haben, dass auch die Gegenwart eines Malfoys ziemlich riskant war. Im Grunde genommen hätte Draco Harry förmlich benutzen und ausnutzen können.
Doch seit Harry in sein Leben getreten war und das war früher als man sich vorstellen konnte, war er ein Hindernis, ein Gegenspieler, ein nerviger Nichtsnutz gewesen. Immer ging alles nur um Harry…immer gewann Harry, Harry war immer besser (außer in Zaubertränke) und Harry wurde geliebt, wurde von allen verehrt.
Dracos Gesichtszüge zogen sich zusammen. Wie hatte das in der Umkleidekabine nur passieren können? Wie hatte er nur versucht Frieden zu schließen? Oder hatte er ihn indirekt tatsächlich ausnutzen, ihn als Schutzbarriere benutzen wollen. Ein gemeines Lächeln stahl sich auf Dracos Lippen. Das musste es sein.
Zudem könnte er Harry endlich aus dem Weg räumen und könnte Harry damit aufziehen, dass er womöglich schwul war. Ihm würde man glauben und Harry mit samt seinem Gryffindorgetue würde es wohl kaum wahrheitsgemäß abstreiten können. Draco selbst würde niemand als schwul bezeichnen können. Immerhin hatte er genügend Mädchen gehabt und außerdem konnte er ausreichend bluffen.
Der angestaute Hass in Draco schien sich nahezu einen Weg nach draußen zu bahnen und Dracos Meinung nach fühlte es sich gut an. Es fühlte sich an wie eine Wiedergeburt und ohne Hass und Streit würde es zwischen ihm und Harry sowieso nie funktionieren. Vielleicht war es auch eben dieser Zorn, doch verwarf Draco den letzteren Gedanke schnellstmöglich wieder.
Stattdessen richtete er sich elegant auf, strich seine Robe glatt, legte das Buch zurück auf den Couchtisch und beschloss, den Gryffindor zu suchen, um ihn einfach nur zu triezen.
Ansonsten würde Draco die letzten Wochen vor langer Weile sterben und das wollte er nicht verantworten. Er wollte die letzten Wochen bis zu Harrys Auslieferung noch genießen, um sich selbst ein schönes Leben zu machen.
Er schritt die Treppen des Kerkers hinauf und durchstöberte die Gänge, Flure. Nach Harry suchend verschwand er kurz in der Bücherei. Als er die Suche schon fast aufgegeben hatte und Harry nur noch im Gryffindorturm vermutete, warf er einen letzten Blick aus einem der vielen Fenster in Richtung des Quidditchfelds. Dort war nirgends die Spur eines Besens zu sehen.
Er seufzte enttäuscht auf, wollte sich gerade wieder abwenden, als er jedoch einen weißen Fleck nahe dem See in der schwachen Abenddämmerung erblickte. Und dieses weiße Etwas bewegte sich, konnte nur Harry sein. Triumphierend zog Draco einen seiner Mundwinkel zu einem Lächeln und hastete dann die Treppen hinunter in Richtung der Ausgangstür.
Er drückte sie ungeduldig auf, konnte es gar nicht erwarten, Harry endlich wieder nieder zu machen. Überlegen grinsend überquerte er die sommergrüne Wiese, ließ Harry nicht au seinem Blick, denn noch war die Person unscharf und konnte jemand anderes sein.
Draco strich sich fast automatisch ein weiteres Mal die Robe glatte und konnte die Person endlich klar und deutlich erkennen. Es war eindeutig Harry.
Draco ging noch ein paar Schritte weiter, bevor er stehen blieb. Er hatte Harry so viel an den Kopf werfen, ihn psychisch erledigen wollen. Doch schien jeglicher Hasse, jegliche Wut und all der aufgebrauste Zorn wie durch eine leichte Sommerbriese verweht.
Draco musste schlucken, vergaß die Worte in seinem Kopf. Harry trug die beste Kleidung, die Draco ihm herausgesucht hatte. Der Gryffindor lag auf dem Bauch, ließ die muskulösen Beine in der Luft baumeln, hatte seinen Kopf in die Hände gestützt und war über ein Buch gebeugt. Einzelne dunkle Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht und die enge Hose hob den gut gebauten Hintern Harrys nahezu perfekt hervor.
Draco blieb eine ganze Weile wie versteinert, während Harry in dem vor ihm liegenden Buch versunken zu sein schien.
Der Slytherin musste vorerst wieder alles ordnen, die Fassung wieder erlangen, bevor er seine Beine wieder zum Gehen ermutigen konnte und sich schließlich laut räusperte.
Erschrocken wandte der Gryffindor sich um, erblickte jedoch bloß Draco, verdrehte die Augen und nuschelte ein genervtes: „Oh, bitte nicht…"
„Hätte nicht gedacht, dass du so…", das letzte Wort zog Draco extra in die Länge, „…schwul sein kannst."
Harry, der sich mittlerweile wieder dem Buch gewidmet hatte, drehte sich erneut zu dem Blonden um und fragte ein entsetztes: „Bitte was?"
„Verträumt im Sommer, abends…am See liegen und lesen…dann noch diese Kleidung.", Draco grinste schief.
„Die du ausgesucht hast!", gab Harry verärgert zurück, klappte das Buch zu und setzte sich aufrecht ins Gras.
„Ich erwähnte auch keineswegs, dass die Kleidung schlecht oder schwul sei, mehr die Person darin.", antwortete Draco unbeeindruckt.
„Halt einfach deine verdammte Klappe…", murmelte Harry genervt, richtete sich ganz auf, schnappte sich das Buch und entschloss, zu einer anderen Stelle des Sees zu gehen.
Doch kaum hatte er die ersten Schritte getan, klebte der Slytherin schon an ihm und verfolgte ihn gnadenlos.
„Steh' doch einfach dazu!", forderte Draco triezend auf.
„Wozu? Dass ich dich auf den Tod nicht ausstehen kann? Oder eher dazu, dass ich ein hormongesteuerter Siebzehnjähriger bin und in der Umkleidekabine auch jeder andere Kopf auf deinem Hals hätte stecken können. Bild dir bloß nicht zu viel auf darauf ein."
Draco fasste Harrys Aussage als feste Beleidigung auf, musste sich kurz zusammenraffen, bevor er fortfuhr: „Außerdem-…"
Doch Harry bleib stehen und unterbrach ihn bestimmt: „Außerdem warst du es, der mir die Boxershorts vom Leib reißen wollte, außerdem bist du es, der ständig über das schwul sein zu reden versucht, außerdem bist du es, der ständig Streit anzapft und anscheinend mit meiner Hilfe versucht seine Sexualität zu entdecken. Ich danke dir, aber ich denke, das schaffst du auch gut allein.", Harry schnaubte und ging schließlich weiter, wollte nur seine Ruhe haben.
Er dachte auch, es endlich geschafft zu haben, als er jedoch schon wieder Schritte neben sich hörte und gar nicht erst aufzublicken brauchte. Seine Laune hatte Draco ihm an diesem Abend schon genügend versaut.
„Potter, ehrlich…du brauchst nicht von dir auf mich zu schließen.", es war vielleicht das blödeste, was er hätte sagen können, doch fiel ihm wirklich nichts mehr ein.
Harry reagierte gar nicht darauf, schwieg nur und wünschte sich nichts lieber, als für einige Stunden in dem See versinken zu können und befreit von diesem nervigen, streitsuchenden Slytherin zu sein.
Es herrschte eine ganze Weile Schweigen zwischen den beiden, bis Draco sich erneut äußerte, jedoch wesentlich ruhiger und gefasster: „Du hast in einer knappen Stunde Geburtstag, richtig?"
Sofort sah Harry auf, konnte seinen Ohren nicht trauen und blickte den Slytherin skeptisch an. Dessen blasse Haut schien durch den scheinenden Sommermond noch weißer zu wirken.
Harry brauchte jedoch nicht weiter nachzufragen, eh Draco erklärte: „Wenn deine ganze Familie eine Person hasst, dein Umfeld diese Person sucht und der Anführer diese Person töten will, ist es nicht sonderlich schwer, jedes einzelne Datum von dir zu kennen."
Harry nickte knapp, wandte den Blick wieder ab. Vielleicht hatte er auch einfach eine andere Antwort erwartet.
Draco merkte, dass er die Stimmung ziemlich vermiest hatte. Dass seine Fassade mal wieder sämtliches zerstört hatte, wobei er nicht einmal wusste, was er jetzt zerstört zu haben bereute.
Harry schwieg noch immer, weshalb Draco weiter nachhakte: „Wünscht du dir irgendwas?"
Harry schüttelte innerlich den Kopf, diese Frage konnte unmöglich aus dem Mund eines Malfoys kommen: „Vielleicht, dass du mal bei einer deiner beiden Persönlichkeiten bleibst. Sei nett, zuvorkommend, hilfsbereit und liebenswürdig, dabei aber immer noch du selbst oder sei ein lächerliches Arschloch, welches man nur hassen kann!"
In Dracos Innerem zog sich irgendetwas zusammen, doch ließ er sich dies nicht anmerken. Die Worte trafen ihn aus einem unerfindlichen Grund. Vielleicht, weil er genau wusste, dass Harry recht hatte.
„Nein im Ernst…", fuhr Harry schließlich fort, blieb stehen und wandte sich dem See zu, beobachtete, wie die Sterne sich auf der Wasseroberfläche spiegelten, „…ich wünsch mir einen Stern."
„Einen Stern?", Draco musste sich beherrschen, um nicht laut aufzulachen, „Einen von diesen Dingern, von denen man eh nicht weiß, was sie sind?"
„Man kann sich ausmalen, was sie sind. Ich wünsche mir Sirius…", Harrys Blick blieb starr ans Himmelszelt geheftet, die Erinnerung an seinen Patenonkel schmerzte und die Worte verließen seinen Mund, eh er darüber nachdachte, mit wem er eigentlich gerade sprach.
„Du glaubst dein toter Onkel wäre da oben?", Draco war nie besonders sensible, was solche Dinge anging.
Harry wollte erwidern, dass Draco nicht so abfällig über Sirius sprechen sollte, doch schwieg er, konnte es Draco nicht wirklich übel nehmen: „Wenn du nur etwas in Astronomie aufgepasst hättest, wüsstest du, wovon ich rede…", sagte er stattdessen leise und biss sich kurz auf die Unterlippe.
„Ist eben nicht mein Fach…", murmelte Draco mehr als Rechtfertigung für sich selbst.
Harry seufzte erneut tief auf, blickte kurz zu der dunklen Wiese unter sich hinab und ließ sich dann auf eben dieser nieder. Seine Beine winkelte er dabei leicht an und legte seine Arme anschließend um seine Beine.
Draco blieb etwas irritiert stehen und betrachtete Harry aus seiner jetzigen Position erneut. Das weiße Hemd, das er damals ausgesucht hatte, stand dem Gryffindor perfekt. Trotzdem wunderte er sich, dass Harry sich keinen Pullover überzog, denn am Abend wurde es hier auf Hogwarts immer recht kühl.
„Es gibt auch ein Sternbild, das Draco heißt…", fuhr Harry plötzlich fort ohne jedoch zu dem Blonden aufzusehen.
„Oh…", Draco runzelte unbewusst seine Stirn. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, huschte ein breites Grinsen auf sein Gesicht. Er sah ebenfalls auf den Boden herab, entschied sich dann aber auch fürs Hinsetzten. Von dort aus beobachtete er Harry einige Sekunden von der Seite und triezte dann: „Wolltest du die Chance nutzen, mal meinen Vornamen auszusprechen oder hast du dich aus irgendeinem Grund zu viel mit eben diesem Sternbild beschäftigt?", er grinste schief.
Harry konnte nichts dafür. Er konnte nichts erwidern, weswegen er nur den Kopf schüttelte, ebenfalls ungläubig grinste und Draco dann abwertend den Ellenbogen in die Seite drückte.
Daraufhin schien die Slytherin jedoch noch mehr zu grinsen.
Draco musste schmunzeln, als er sich daran erinnerte, über was er noch vor wenigen Augenblicken im Slytherinkerker nachgedacht hatte. Sein Grund, warum er Harry ursprünglich aufgesucht hatte.
„Also keine Antwort?", hakte Draco nach einer Weile noch immer schief lächelnd nach.
„Keine Antwort.", bestätigte Harry. Und irgendwie wunderte er sich darüber, dass er vorhin noch beim Erscheinen des Blonden miese Laune bekommen hatte. Denn mittlerweile war er besser drauf als vor dem Kommen des Slytherins, auch wenn er nach wie vor viel über Sirius und seine Eltern nachdachte.
Jedenfalls konnte er froh darüber sein, dass Draco sich wirklich nicht allzu viel aus dem Vorfall in der Umkleidekabine zu machen schien.
„Warum tust du das?", fragte Harry nach einigen Sekunden jedoch wieder.
„Warum tu ich was?", Draco blickte ebenfalls geradewegs auf den See und wirkte in dem fahlen Mondlicht noch attraktiver als am grellen Tageslicht. Es war ja nicht so, dass Harry selbst etwas an dem Blonden fand, doch konnte er dessen Aussehen nicht bestreiten.
„Hier sitzen? Mir zuhören? Ich könnte schwören, dass du ursprünglich aus einem anderen Grund hier aufgetaucht bist…", Harry wusste nicht, ob ihn der letzte Gedanke sogar etwas enttäuschte.
„Ich höre dir nicht beabsichtigt zu. Aber wenn du einfach redest, muss ich das wohl oder übel und hier sitzen bleiben tu ich nur, um dir auf die Nerven zu gehen.", war die direkte Antwort, mit der Harry eigentlich schon vorher hätte rechnen sollen.
„Ich hab' nicht mal eine Uhr mitgenommen.", stellte Harry plötzlich fest und stöhnte genervt auf.
„Sag' mal…", Draco stockte, „…bist du manchmal wirklich zu blöd oder ist das beabsichtigt?"
„Man kann ja mal was vergessen!", wehrte Harry sich verärgert.
„Das meinte ich doch gar nicht…Hogwarts hat allerdings eine riesige Uhr. Wenn du dich nur umdrehen würdest…", Draco machte eine entschuldigende Geste und deutete mit einem seitlichen Kopfnicken in Richtung der Turmuhr.
Obwohl er sich sonst nicht so von Draco erniedrigen ließ, wandte er sich tatsächlich um, wollte seinen Geburtstag schließlich nicht verpassen.
Der kleinere Zeiger stand nur noch wenige Millimeter von der zwölf entfernt, lag schon fast auf dem großen Zeiger.
Harry fühlte sich bei dem sekundenlangen Abwarten etwas lächerlich. Fast wie ein kleines Kind, das auf den Weihnachtsmann und dessen Geschenke wartete.
Draco beobachtete den Dunkelhaarigen derweil. Der Mond machte dessen braune Haut nur etwas heller. Das weiße Hemd leuchtete in der Dunkelheit und so sehr Draco auch versuchte, sich irgendetwas einzureden, was an Harry unattraktiv aussah, funktionierte dies nicht. Selbst die drahtige Brille gehörte zu dem Gryffindor und die zotteligen Haare wirkten bei genauerem Betrachten fast animalisch anziehend.
Er wusste, dass er über Harry nachdachte, dass diese Gedanken nicht sein durften und sein sollten. Eigentlich sollte nach wie vor Hass zwischen ihnen hängen, doch wurde dies bei einem Aufenthalt in unmittelbarer Nähe zu Harry fast unmöglich.
Schließlich folgte er Harrys Blick auf die riesige, dämmrige Uhr und beobachtete, wie der kleine Zeiger seinen letzten Schritt in Richtung der Zwölf tat.
Sein Blick wanderte zurück zu Harry, wieder zurück zur Uhr und erneut zu Harry. Dieser schien einen Moment zu verweilen, bevor auch er sich wieder umdrehte und sich direkt in dem tiefen Blick des Slytherins verfing.
Von einer Sekunde auf die andere beschleunigte sich Harrys Puls fast aufs Doppelte, ihm wurde schwindelig und mulmig. Sein Magen fühlte sich leer und überfüllt zugleich an. Was war los? Wieso konnte er den Blick nicht mehr abwenden und wieso tat Draco es nicht?
Denn dieser sah keineswegs mehr wie ein Slytherin aus. Viel mehr schien er verträumt, tiefsinnig und fast durchschaubar. Doch eh Harry weiter darüber nachdenken konnte, begannen die silbergrauen Augen sich ihm zu nähern.
Harrys Atem wurde stockend. Er wusste, was passieren würde. Ihm war alles so unglaublich klar und doch so verschwommen und egal. Draco hielt einige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt inne und blickte abwechselnd auf Harrys Lippen und zurück in die grünen Augen.
Harry spürte, wie er leicht zu zittern begann. Er konnte sich selbst nicht mehr lenken, sein rationales Denken war vollkommen abgeschaltet, dafür wuchsen die Nervosität und das mulmige Gefühl in seiner Magengegend.
Noch immer blickten sie sich tief in die Augen, versanken geradezu ineinander. Bis Draco seine Hand hob und nur mit seinem von der Abendluft kühlen Daumen Harrys schmale Lippen nachfuhr. Bei dieser Berührung dachte Harry jeden Moment aus einem bösen Traum aufzuwachen. Es fühlte sich so falsch an, doch gleichzeitig so verdammt richtig.
Dracos Blick schien immer tiefer und emotionsgefüllter zu werden. Er wanderte mit seinem Daumen weiter über Harrys Wange, bis er ihn kurz vor Harrys Ohr ruhen ließ und seine restliche Hand in Harrys warmen Nacken legte.
Harry wehrte sich nicht, ließ alles geschehen und spürte schon den heißen Atem des anderen auf seinen Lippen. Dracos Augen waren kaum noch geöffnet und auch Harry merkte, wie seine Augenlider sich unaufgefordert schlossen. Er sah gerade noch, wie Draco seinen Kopf zur Seite neigte, bevor er seine Augen ganz schloss und plötzlich die leicht kühlen Lippen Dracos auf den seinen spürte.
In seinem Magen schien alles durcheinander gewirbelt zu werden und so wenig er sich auch von diesem Gefühl lösen wollte, nahm er seinen Kopf erschrocken zurück und atmete aufgeregt ein und aus.
Dracos Hand ruhte noch immer in seinem Nacken, während der Daumen beinahe zärtlich an seiner Wange auf- und abstrich.
„Was?", hauchte Draco so leise, das Harry es eigentlich nur von den Lippen ablesen konnte. Wahrscheinlich hatte er Harrys ängstlichen, unsicheren Gesichtsausdruck gemeint.
Harry schluckte stark, schien alles um sich herum vergessen zu haben. Er versuchte sich innerlich zu beruhigen, wollte den Moment nicht zerstören, obwohl er noch nicht einmal wusste, was er von alledem halten sollte. Stattdessen schüttelte er nur leicht den Kopf und beugte sich vor, um sich auf einen weiteren Kuss einzulassen, sofort Erwiderung Dracos empfing.
TBC
Danke an Nici fürs Mitschreiben, Ermutigen und Helfen. Hab dich sehr lieb. #Kiss#
