Beginn:
Oder 19 Jahre später:
Nach und nach vertrieb der Wind die düsteren, nächtlichen Wolken. Dylean, der trotz der beißenden Kälte der frühen Morgenstunden mit nacktem Oberkörper umherlief, sammelte eilig seine wenigen Habseligkeiten zusammen und kniete sich über eine der zahlreichen Pfützen, die sich beim nächtlichen Regen gebildet hatten.
Er tauchte seine Hände ins Wasser und spritzte sich, schnaubend und prustend, Wasser ins Gesicht. Das kalte Wasser vertrieb die letzte Müdigkeit von seinen Zügen. Er stand auf und angelte sein Bündel vom Boden.
Früher war es mal ein Hemd gewesen, doch nach einem etwas unglücklichen Zusammentreffen mit einer Bache und ihren Jungen war es dermaßen zerfledert gewesen, dass es ihn ohnehin nicht vor der klammen Kälte geschützt hätte.
Noch einmal schaute er sich auf der Lichtung um, auf welcher er die Nacht verbracht hatte, doch nichts wies mehr darauf hin, dass er dort gewesen war. Ein bitteres Lächeln stahl sich auf Dyleans Gesicht. Er hatte auf schmerzhafte Art und Weise lernen müssen, wie wichtig es war seine Spuren zu verwischen.
Fast automatisch wanderte sein Blick zu der Narbe die sich quer über seine Brust zog. Sie rührte von einem Angriff auf sein Lager her, aus einer Zeit in der er noch richtig hatte schlafen können. Ohne einen weiteren Blick zurück zu werfen, setzte er seinen Weg fort und verließ den schützenden Wald
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel als er sein Tempo verlangsamte und im laufen den Wasserschlauch an die Lippen führte. Er wagte es nicht anzuhalten, denn seine Verfolger waren zu Pferde und holten ohnehin viel zu schnell auf.
Dylean hatte das Ziel seiner Reise fast erreicht, denn in der Ferne sah er bereits die ersten Ausläufe des großen Waldes Lydiän, dem Reich der Elben. Er beabsichtigte vorerst am Waldrand zu lagern und nur, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe den Wald zu betreten. Zu viele Erinnerungen verbanden ihn mit diesem Volk…
Dylean fröstelte. Es war merklich kühler geworden in den letzten Tagen. Er blickte an sich hinunter und schmunzelte. , Kein Wunder dass es kalt ist' dachte er als sein Blick auf seinen unbedeckten Oberkörper und seine löchrigen Hosen fiel.
Er brauchte dringend neue Kleidung, denn sonst würden nicht die Klingen seiner Verfolger, sondern die Kälte sein Tod sein. Kurz dachte er darüber nach was er gegen seinen Kleidermangel tun konnte.
Wenig später kam er zu dem Schluss, dass, wenn er nicht erfrieren wollte, an einem Besuch der nächsten Stadt nichts vorbei führte. Wieder einmal verfluchte er die schwächen die das Leben in der Menschenwelt mit sich brachten.
Er gehörte zum Volk der Drakeniher und dieser Tatsache verdankte er seine hohe Ausdauer, seine Schnelligkeit und seine geschärften Sinne. Im Kopf ging der junge Mann die Entfernungen der einzelnen Städte durch.
Die nächste Stadt war Aalten, sie lag jedoch entgegengesetzt seines Wegs. Dann blieb ihm nur noch Damren, eine der vielen Hansestädte die am Fluss Calchlorid lagen. Er selbst war nie dort gewesen hatte aber von den rauen Sitten dort gehört. „Na dann, auf nach Damren!" Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg zur Stadt, deren Türme bereits silbern am Horizont schimmerten.
Die Stadt als klein zu beschreiben war mehr als untertrieben. Dylean gingen fast die Augen über als er endlich nach zweieinhalb Tagen vor den Toren der Stadt stand. Es war Markt in der Stadt, ein Glück für Dylean, denn so fiel er mit seiner stark gebräunten Haut und den sturmgrauen Augen nicht allzu sehr auf.
Schon nach kurzer Zeit entdeckte er das Viertel der Schneider und Tuchhändler. Wieder einmal erfuhr er an der eigenen Haut wie sehr Geld die Welt regierte. Er seufzte und entschloss sich schließlich dazu einen Waldgrünen Umhang zu kaufen. Nun war er endgültig pleite.
Wie auf Kommando meldete sich sein Magen laut knurrend zu Wort. Leich errötend verließ er den Laden und trat wieder hinaus auf die Straße. Auf der Gegenüberliegenden Seite sah er eine Taverne, vielleicht konnte er sich dort etwas zu essen erschnorren. Also setzte er eine Mitleiderregende Miene auf und betrat das Wirtshaus.
Drinnen konnte er gerade noch ein würgen unterdrücken. Eine Woge der unterschiedlichsten Gerüche schlug im entgegen. Aber hauptsächlich stank es nach Qualm, Alkohol und Schweiß. Wie halten es die Menschen nur länger als nötig hier drinnen aus? Fragte er sich im Stillen. Selbst für ihre abgestumpften Sinne musste sie dieser Geruch doch an ihre Toleranzgrenze treiben. Obwohl es noch recht früh am Tag war, war der Schankraum bereits gut gefüllt.
Zögernd bahnte sich Dylean seinen weg zur Theke. Dort angekommen setzte er sich und lächelte die Wirtin eine rundliche Frau mittleren Alters freundlich an. Doch sie verzog nur das Gesicht und lief mit einem Tablett voll Bierkrügen an ihm vorbei. Als sie ihre Runde beendet hatte und erneut hinterm Tresen erschien setzte Dylean sein schönstes lächeln auf und beugte sich ein wenig über die Theke.
„Sagt gute Frau, hättet ihr vielleicht ein Stück altes Brot oder ein Stück Käse für einen hungrigen Wandersmann?"
Sichtlich verärgert wandte sich die Frau nun an ihn „Wenn ich jedem dahergelaufenen Tunichtgut was zu Essen und zu Trinken anbieten würde, säße ich bald selbst auf der Straße. Und fang jetzt ja nicht an zu betteln, sonst ruf ich meinen Tom und der wir dir gehörig das Fell über die Ohren ziehen! Also, entweder du bezahlst, oder du verlässt mein Haus!"
Damit ließ sie den völlig verdutzten Dylean stehen und widmete sich wieder voll und ganz ihrer Arbeit. Mit hängenden Schultern verließ er schließlich das Gasthaus und schlenderte eine Weile ziellos durch die Gassen bis sein Blick auf einen jungen Mann fiel, der gerade einem in Pelz gehüllten Mann ein Säckchen Gold aus der Manteltasche angelte.
Der Bestohlene schien davon allerdings nichts zu bemerken und setzte unbeirrt seinen Weg fort. Dylean wandte den Blick ab. Das hier ging ihn nichts an. Offiziell war er ja nicht mal hier. Dann legte sich plötzlich von hinten eine Behandschuhte Hand auf seine Schulter.
Er fuhr herum und blickte verwundert in das Gesicht eines Breitgrinsenden jungen Mannes. Er hatte warme braune Augen und kurzes beinahe kupferfarbenes Haar. Es war der junge Dieb, den er soeben beim Taschendiebstahl beobachtet hatte.
„Sei gegrüßt mein Freund! Sag, was hältst du davon, wenn der reiche Mann dem Armen Mann einen Ausgibt und dem Armen Mann dabei eine Geschichte erzählt?"
Dylean war zu erstaunt um zu verhindern, dass der junge Mann ihm einen Arm um die Schultern legte und ihn bestimmt ins nächste Gasthaus dirigierte. Wenig später saßen sie gemeinsam an einem Tisch und Dylean schaute noch immer etwas verwirrt auf den Teller mit Essen vor sich.
Doch einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul. Und Bevor sein Gegenüber noch etwas sagen konnte machte er sich mit Heißhunger über sein Mahl her.
Für einige Zeit herrschte schweigen zwischen ihnen, doch als Dylean zu Ende gegessen hatte hab er den Kopf und stellte die Frage, welche ihm schon seit geraumer Zeit auf der Zunge lag.
„Was wollt Ihr von mir? Und warum bezahlt Ihr einem Fremden so einfach eine so üppige Mahlzeit wie diese hier?"
Das ewige grinsen des jungen Mannes ging Dylean so langsam auf die Nerven. Und als dieser keine Anstalten machte ihm auf seine Fragen zu antworten erhob er sich und machte Anstalten das Wirtshaus zu verlassen.
„Warte!" hörte er plötzlich den Ausruf hinter sich. Dylean lächelte und drehte sich um. Der Fremde schien ein verlegen zu sein und druckste ein wenig herum. „Ich nun…" Dylean zog abwartend eine Augenbraue hoch „Ja?", schließlich sammelte sich der Junge und schaute entschlossen zu ihm auf
„Ich weiß, dass Du mich beobachtet hast, als ich diesen Reichen Sack um ein paar Groschen erleichtert habe. Also- wie viel?"
Fassungslos schaute Dylean sein gegenüber an. Der sah aus als wäre ihm plötzlich etwas sehr wichtiges eingefallen und streckte ihm immer noch munter lächelnd die Hand entgegen
„Das hätte ich ja beinahe vergessen. Wo wir doch nun schon miteinander Geschäfte machen sollten wir uns vorstellen. Und wo wir gerade dabei sind können wir gleich anfangen uns zu duzen. Also ich bin Wout und wie heißt du?"
„Man nennt mich Dyl- Ach verdammt das geht dich- ich meine Sie überhaupt nichts an." Dylean lief rot an vor lauter Zorn über seine eigene Dummheit.
Seit wann vertraute er seinen Namen einem gänzlich fremden Mann an? „Dyl also. Komischer Name, aber was soll's. Nun, nenn deinen Preis, ich hab heute noch ein paar Taschen zu leeren." Gerade wollte Dylean zu einer Antwort ansetzen als die Türe hinter ihnen geräuschvoll ins Schloss fiel.
„Verdammt!" keuchte Wout, der den Eingang die ganze Zeit über im Blick gehabt hatte. Er fuhr herum und prallte direkt gegen die gepanzerte Brust einer Stadtwache. Dieser packte ihn und drehte ihm den Arm auf den Rücken.
„Hab ihn." Rief er seinem Kollegen zu der sich dem dunklen Mann näherte. Dylean hatte die Anwesenheit des Mannes schon lange bemerkt und legte seine Hand um den Griff seines Dolches.
Doch er durfte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken. Daher hielt er inne und ging die Optionen durch die er noch hatte, wenn er kein Blut vergießen wollte. Resigniert seufzte er auf. Für heute würde sein Schwert ruhen.
Der Faustkampf war noch nie seine stärke gewesen, doch er musste es darauf ankommen lassen. Er wirbelte herum und unterzog seinen Gegner einer raschen Musterung.
Der Mann war schwerer als er, größer als er und sah aus, als bestünde seine tägliche Ernährung aus mehr als trockenem Brot und Wasser. Mit überheblicher Miene trat der Wächter einen Schritt auf ihn zu und Dylean fühlte wie sich seine Oberlippe drohend kräuselte.
Er wich dem ersten Schlag des größeren aus und trat vor um selbst zuzuschlagen. Der Mut der Verzweiflung verlieh ihm Flügel. Die Faust des Wachmannes traf auf seine Wange und hinterließ dort einen brennenden Schmerz. Er täuschte eine Schwäche vor um den riesenhaften Mann aus der Reserve zu locken, doch dieser durchschaute die Finte und schlug gezielt mit beiden Händen zu.
Seine Schläge trafen auf Dyleans Kinn, Brust und Wangenknochen, schnell und präzise. Dies war der Kampfstil eines Mannes, der viel Übung im Faustkampf hatte. Das Lächeln eines Mannes, der seine Arbeit liebte. Dylean taumelte benommen. Wenn er nun noch einmal zuschlug, dann auf gut Glück und zu kraftlos und ungezielt um Schaden anrichten zu können.
Der Kampf wurde abrupt beendet, als ein anderer Soldat Dylean von hinten umklammerte und in Ketten legte. Wütend schrie er die Beamten an:
„Bastarde! Das werdet ihr noch bitter bereuen! Wenn euch eurer menschliches Leben lieb ist, nehmt endlich die Hände weg und lasst mich los!"
Der Soldat hinter ihm lachte laut auf „So, du willst uns also drohen? Nun denn, Seim, er gehört dir."
Damit stieß er den noch immer benommenen Dylean in die Arme des Mannes, mit dem er bis eben gerungen hatte. Dieser flüsterte ihm kaum hörbar ins Ohr „Warts ab Straßenköter, du wirst dir noch wünschen mich niemals kennen gelernt zu haben. Niemand schlägt ungestraft eine Stadtwache. Und mich schon gar nicht!"
Ruppig trieb er Dylean vor sich her die Straße hinauf, bis hin zu einem großen Rohbau, der wahrscheinlich das Gefängnis war. In dem Moment als sie das Tor passierten schwor Dylean sich an diesem räudigen Straßenköter zu rächen der ihm das alles eingebrockt hatte.
Und wie findet ihr's? Sagt noch nicht allzu viel aus, aber ich kann euch beruhigen- es wird noch spannender.
