Tessekishin
Das grelle Gekreische der Raben verstärkte die Stimmung der Eiseskälte dieses bitterkalten Samstagvormittags. In einem dicken, gefütterten Mantel stand Nanako vor dem hölzernen Tor und starrte erschrocken in die eisblaue Höhe. Die schwarzen Schwingen verdunkelten den Himmel und je länger sie ihnen zusah, wie sie in Schwärmen umherschwebten, umso mehr fielen federleichte Schneeflocken gen Erdboden. Ihre Hände kribbelten sogar in ihren dicken Handschuhen, so frostig war der Morgen und doch hatte sie sich auf den weiten Weg hierher gemacht. Endlich hatte sie sich wieder soweit gefasst, dass sie die letzten zwei Schritte auf das hölzerne Tor zumachen konnte, unter dessen Dach auch kein Schnee mehr an sie heran kam.
Für einen kurzen Moment knarrte das Holz qualvoll auf, als sie die sich im rechten Torflügel befindliche Tür aufschob. Auch als sie eingetreten war und die Tür wieder zuschieben wollte, verriet ein gruseliges Knarren ihre Ankunft. Ein leiser Seufzer entfloh ihren Lippen und rieselte in weißem Nebel auf den Boden zu.
"Willkommen zu Hause, Miss Nanako." Diese freundliche Stimme im mittleren Alter hallte über den Hof und gehörte der leitenden Haushälterin. Sie hatte streng zurückgestecktes, pechschwarzes Haar, einen Kimono in dunklem Lila und auch sonst waren ihre strengen Züge asiatischer als die von Nanako selbst. "Sie werden bereits erwartet."
Nickend vergrub sie ihre Nase noch etwas tiefer in ihrem Schal und machte sich auf in Richtung der Haushälterin. Nanako war pünktlich und doch bekam sie wieder das Gefühl, als wäre sie verspätet. Als sie nur noch wenige Schritte entfernt vor der Terrasse des Hauses stehen blieb, schlüpfte die Haushälterin mit dem strengen Blick in ihre Holzsandalen, nahm den Saum ihres Kimono etwas hoch und trippelte in schnellen Schritten in Richtung des Haupthauses. Das Gesicht fast völlig hinter Mütze und Schal verborgen, folgte Nanako ihr und hielt sich dabei korrekterweise ein paar Schritte hinter ihr.
"Wie war ihre Reise, ich hoffe gut", plauderte die ruhige Stimme, als gäbe es keine bitterkalte Luft und erst Recht keinen Schnee.
Nanako brachte nur ein: "Ja", heraus und freute sich mehr und mehr, als das große Haupthaus in Sicht kam und stetig näher rückte.
Endlich betrat sie die Stufen und schlüpfte durch die Schiebetür ins Innere. Wie sie sich im Vorraum die Schuhe auszog und ihren Mantel, sowie Schal und Handschuhe ablegte, fühlte sie sich fast wieder wie zu Hause. Ein Hausmädchen bot ihr eine Schale heißen Tees an, mit dem Nanako sich nur allzu gern etwas aufwärmte. Man sprach kein Wort und sie war es auch immer noch gewöhnt, dass keine der normalen Hausmädchen sie ansah. Diese Atmosphäre war distanziert und enthielt große Geborgenheit für sie. Allein die Augen der leitenden Haushälterin lagen schwer auf ihr und wie immer suchten sie nach Fehlern in Haltung und Auftreten.
"Zeigen sie mal her", befahl sie in gewohntem Ton und bekam sogleich Nanakos Outfit in voller Pracht zu Gesicht. Sie trug einen langen Rock, der knapp bis über ihre Knie ging und von einer dunkelgrauen Farbe war. Als Oberteil hatte sie eine hellgraue Bluse gewählt, auf der sich vom Bauch aus eine schmale Ranke zur linken Schulter streckte und doch nicht einmal bis in dessen Nähe reichte. Das Haar trug sie zu einem dicken Knoten gebunden, aus dem immer noch Strähnen heraus schauten und doch sah es sehr ordentlich aus. Nanako erntete ein schlichtes Nicken und nachdem die Haushälterin ihr noch einmal den Kragen der Bluse zurecht gerückt hatte, gingen Beide in Richtung des japanischen Zimmers. Dort pflegte ihre Urgroßmutter immer wichtige Gäste zu empfangen und ohne Zweifel nahm auch Nanako eine solche Position für das alte Familienoberhaupt ein.
Leise schleifend öffnete sich die Schiebetür zum japanischen Zimmer und Nanako umfing sofort der schwere Duft von Lilien. Ihre Urgroßmutter erwartete sie bereits und wie eh und je trug sie dieses einzigartige Parfum.
"Willkommen zu Hause, Nanako." Wie ein Papierkranich flog die Stimme der alten Frau durch das leere Zimmer, dessen Grenzen nur mit Schiebetüren aus Papier und Wänden aus dunklem, glänzenden Holz abgesteckt waren.
Sacht ließ Nanako sich auf den Tatami Matten in der Mitte des Raumes nieder, legte die Hände vor sich flach auf den Boden, um eine tiefe Verbeugung auszuführen. "Ich grüße dich ehrenwerte Urgroßmutter."
Das Atmen der alten Frau war kurz und flach. Ihr Antlitz hatte sich in all den Jahren sehr verändert, doch trotz ihrer in sich zusammengesunkenen Gestalt strahlte noch immer das reine, japanische Aussehen von ihr aus und zu Nanako herüber. Diese Frau stand im Familienregister an oberster Stelle, war Familienoberhaupt und zugleich der Mensch, mit dem sie am meisten Zeit verbracht hatte. "Wie war deine Reise meine geliebte Nanako?"
Dieses jugendliche Zwitschern, welches sie sich bis ins Hohe Alter bewahrt hatte, flog wieder zu Nanako herüber und die beiden Frauen sahen sich einen Moment schweigend in die Augen.
Sofort wandte sie den Blick von ihrer Urgroßmutter und betrachtete den Garten, der durch einen offenen Spalt der Verandatür zu ihnen hinein schimmerte. "Der Winter ist wunderschön", antwortete sie und setzte sich wieder gerade hin. Die Tatami unter ihren Knien waren weich und für einen kurzen Augenblick hoffte Nanako, dass ihr nicht wie jedes Mal die Füße einschliefen.
Das Rascheln von Seide durchbrach die entspannende Stille und die Gestalt mit dem endlos langen und schneeweißen Haar kam auf ihre Urenkeltochter zu und betrachtete sie einen Moment. "Erstgeborenes Kind und Tochter deiner Eltern."
Bei dem Titel schaute Nanako auf und vorsichtig in die grauen Augen des Familienoberhauptes. Sie waren etwa auf der gleichen Höhe, obwohl Nanako kniete.
"Wie läuft es mit deiner Ausbildung?"
Demütig senkte sie den Blick. "Ich bin seit etwa einem Monat in der Produktentwicklung der 'Kaiba Corporation' und gebe mein Bestes den Anforderungen zu entsprechen."
Ein kurzes Rascheln erklang. "Mir ist zu Ohren gekommen, dass du eine neue Wohnung hast. Ich hoffe du hältst dich an meine Bedingungen?"
Sie nickte und eine einzelne Strähne ihres roten Haares fiel über ihre Schulter nach vorne. "Ja, ehrenwerte Urgroßmutter. Ich halte mich daran und lebe nur mit dem Gehalt der 'Kaiba Corporation'."
"Hm, dann habe ich also richtig gehört und diese Eigentumswohnung wurde dir geschenkt." Die kleine Stimme ihrer Urgroßmutter wurde streng und Nanako spürte erneut, dass es nur wenige Menschen gab, vor denen sie wirklich Respekt und ein klein wenig Angst hatte. "Wie ist der Name deines Gönners?"
"Kaiba Mokuba, ehrenwerte Urgroßmutter."
Ein amüsiertes Glucksen überkam die Lungen der alten Frau und sie musste sich vor Nanako auf die Tatami knien. Wie sie ihre Urenkelin so sah, verspürte sie großen Stolz und tiefe Liebe. Doch nichts davon drang an die Oberfläche ihres von Falten durchzogenen Gesichtes, nur ein kurzes Funkeln erreichte ihre Augen. "Sag mir geliebte Urenkelin, wie ist unser Name."
"Tessekishin, ehrenwerte Urgroßmutter."
"Und was bedeutet er?"
Nanako spürte die Wärme einer Hand auf ihren Händen und wie sie umfasst wurden. "Der Name unserer Familie bedeutet 'eisernes Herz aus Stein' und bezeichnet damit unseren eisernen Willen, ehrenwerte Urgroßmutter." Belohnend wurden ihre Hände gedrückt, bevor sie wieder entlassen wurden und die winterliche Kühle des Spaltes in der Verandatür über sie hinweg strich.
"Geliebte Urenkelin, ich habe dir eine schwere Zeit bereitet. Seit du zu mir gekommen bist, habe ich dich unterrichten lassen und du hattest nicht viel zu Lachen. Sogar, als du erwachsen wurdest habe ich dich zu immer neuen Höchstleistungen angespornt und nun bist du diese Frau. Eine Frau mit einem eisernen Willen, die es verdient hat unseren Familiennamen zu tragen und ihn in Ehre zu halten."
Nanako verstand wie immer nicht ganz, was ihre Urgroßmutter so geheimnisvoll daher redete, doch es war wahr. Seit ihrem vierten Lebensjahr war sie in dieser kleinen, eigenen Welt aufgewachsen und hatte fast nie nach draußen gehen können. Von Anfang an hatte man sie darauf vorbereitet, dass sie einmal das Erbe des Familienoberhauptes antreten würde, denn sie war nach einer halben Ewigkeit das erste Kind, welches auf die Bedingungen des Familienerbes zutraf. Sie war das erstgeborene Kind und eine Tochter unter dem Namen Tessekishin. Ihre Eltern waren gleichzeitig besorgt und erfreut, als sie davon erfuhren, dass Nanako bei ihrer Urgroßmutter aufwachsen und dort erzogen werden würde. Es würde ihr die besten Chancen geben und die hat klein Nanako schon damals zu nutzen gewusst.
"Nun denn, schon zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag habe ich eine neue, verantwortungsvolle Aufgabe für dich und ich will, dass du dich darauf bestmöglich vorbereitest", fuhr die alte Frau in ihrem Protokoll fort und zog einen weißen Umschlag aus ihrem Kimonoärmel hervor. "Dies ist eine Einladung zu einem Maskenball. Dort werden die einflussreichsten und bekanntesten Firmenbesitzer auftreten und ich will, dass du dort hingehst und unsere Familie vertrittst."
Sie musste nur einen kurzen Blick auf diesen Umschlag werfen und erinnerte sich sofort an den vorigen Dienstag. Um die Mittagszeit war Mokuba an ihrem Schreibtisch aufgetaucht und erzählte davon, dass er wie jeden Tag mit seinem großen Bruder zu Mittag essen wollte. Bei der Gelegenheit habe er einen kurzen Abstecher hierher gemacht und wollte ihr etwas zurück geben, dass er sich 'nur einmal kurz ausgeborgt' hätte, wie er meinte. Zu ihrer Verwunderung zog er eine Tasse hervor, die Nanako in ihrer Jugend im Töpferkurs gemacht hatte und wie er hinzufügte, wieder repariert wäre. Angeblich wäre der Henkel abgebrochen beim Umräumen und Mokuba hätte sie, so gut es ging, versucht zu reparieren. Wie sie sich so daran erinnerte, musste sie zugeben, dass es ihm gut gelungen war. Doch darüber hinaus hatte er ihr noch einen ebensolchen weißen Umschlag gegeben mit den Worten, dass er sich freuen würde, wenn sie mit ihm dort hin ginge. Wie Mokuba meinte, waren diese Bälle zwar farbenfroh, aber meist auch sterbenslangweilig und Nanako hatte zugesagt.
"Was ist, stimmt etwas mit dem Brief nicht?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ehrenwerte Urgroßmutter. Es ist alles in Ordnung. Aber ich muss euch leider enttäuschen. Ich kann diese Einladung nicht annehmen."
Ein langer Blick ruhte auf Nanakos Gesicht. "Du hast bereits eine Einladung?" Ein Nicken war die Antwort. "Ich bin erfreut, dass du deine Pflicht zur Dankbarkeit ernst nimmst. Gut, dann geh mit dem jungen Kaiba auf diesen Ball. Aber ich will, dass du dich so vielen Geschäftsleuten und Firmenbesitzern vorstellst, wie möglich. Ich will, dass sie sich deinen Namen merken."
"Ja, ehrenwerte Urgroßmutter."
Die alter Frau erhob sich, streifte ordnend über ihren Kimono und setzte ein höfliches Lächeln auf. "Nun gut, meine geliebte Urenkelin. Ich hoffe du hast Hunger, es gibt bald Mittagessen."
Das Protokoll dieses Samstages schritt geradezu perfekt vor sich hin und Nanako genoss die altervertraute Strenge ihrer Umgebung. Manchmal fand sie es schon ungewöhnlich, dass sie sich in dieser Atmosphäre am wohlsten Fühlen konnte, obgleich ihre Urgroßmutter der einzige Mensch war, der ihr wirklich Angst machen konnte. Und so schritt der Tag voran bis es später Nachmittag wurde und es Zeit war sich gepflegt zu verabschieden. Für Nanako war es der intimste Moment an ihren monatlichen Besuchen, denn sie verabschiedete sich mit einem Kuss auf die dünne Wange ihrer Urgroßmutter und verließ dann ohne große Gesten das Haupthaus.
Auf dem Weg durch das Anwesen pflegte die leitende Haushälterin immer ein paar schlaue Vorschläge zu bringen, aber heute schien sie abgelenkt zu sein.
"Ist etwas nicht in Ordnung?" Die Abwesenheit der Haushälterin zerriss Nanakos geliebte Geborgenheit und bereitete ihr Unwohlsein.
Die Gestalt der japanischen Haushälterin blieb am hölzernen Tor stehen, wandte sich zu Nanako um und erst jetzt konnte sie ein amüsiertes Schmunzeln erkennen. "Ich muss sie darauf hinweisen, dass jemand seit dem Mittag auf sie wartet." Ruhig schob sie die hölzerne Tür auf.
Als Nanako ins Freie trat sah sie, was die Haushälterin gemeint hatte. Direkt gegenüber des riesigen Holztores stand ein dunkler Jaguar und es gab nur einen, der sich solch ein Modell geleistet hatte. Mit freundlichen und dem Protokoll entsprechenden Grüßen verabschiedete sie sich und beendete damit offiziell ihren Besuch auf dem Anwesen des Familienoberhauptes.
Wie sich die hölzerne Tür hinter ihr wieder zuschob, öffnete sich eine andere Tür für sie und der schwarze Haarschopf eines sehr vertrauten Menschen trat in ihr Blickfeld. Seine stechend grünen Augen funkelten sie an. Er musste lange gewartet haben, doch er ließ sich nichts anmerken. "Mensch Nana, dich aufzuspüren ist ja schwerer als eine Nadel im Heuhaufen zu finden", klagte er gespielt, kam auf sie zu und nahm sie in die Arme.
Im Gegensatz zu Nanako war er nur dünn bekleidet und verstärkte damit ihre Vermutung, dass er eine gute Klimaanlage in seinem Auto hatte. "Ryu", war alles was sie ihm antwortete.
Eine Armlänge von sich gestreckt betrachtete er sie. "Du siehst alt aus und spießig."
Ihr Blick wurde mürrischer.
"Los komm, ich fahr uns nach Hause." Ohne auf eine Antwort zu warten, hatte er sie auch schon an der Hand gefasst und zum Auto gezogen. Seelenruhig packte er Nanako aus ihren Sachen, schob sie auf den Beifahrersitz und ihre Sachen in den Kofferraum. "Ich hoffe du hattest einen schönen Tag."
Der Motor heulte auf und sie fuhren los. Immer weiter rückte das vertraute und liebgewonnene Anwesen in weite Ferne.
"Du ahnst nicht, wie lange ich nach dir gesucht habe", fing er an, als sie an einer Kreuzung warten mussten. "Unbekannter Wohnsitz, wechselnder Arbeitsplatz und auch ansonsten trifft man dich nie", klagte er weiter und behielt doch einen freundlichen Ton bei. Seine Augen waren starr und wie es sich gehörte auf die Straße gerichtet, doch in diesem stechenden grün befand sich ein aufgebrachtes Funkeln, dass nach ihr zu verlangen schien.
Tief lehnte sie sich in den Sitz und sah aus dem Fenster hinaus. "Red nicht so viel, fahr einfach", flüsterte sie. Sie spürte seine Blicke auf sich und wusste, dass sie etwas seltsames gesagt hatte. Vorsichtig blickt sie zu ihm herüber, sie waren gerade aus der Stadt heraus und vor ihnen lag eine längere gerade Strecke. Sie sah, wie seine Hände sich um das Lenkrad verkrampften und er sich selbst zwang wieder auf die Straße zu sehen.
"Wieso Nana, sag mir einfach nur wieso, bitte." In seiner Stimme klang etwas Flehendes. Wie lange er wohl schon in diesem Zustand war?
Schweigend wandte sie den Blick wieder hinaus und sah die Lichter vorbeirasen. Sie konnte ihm einfach nicht die ganze Wahrheit sagen und sie hatten diese Unterhaltung einfach schon zu oft geführt. Er wusste bereits zuviel über sie und ihr Leben. Sie war mit ihm weiter gegangen, als mit allen anderen und nun hatte sie den Salat.
"Du kannst mir nicht erzählen, dass es dir nichts bedeutet hat", presste er hervor und sie ahnte, was in seinem Kopf vorging.
Die Erinnerungen an eine gemeinsame Zeit schmerzen viele, doch nicht alle. Ryuuji schien einer der leidenden Menschen zu sein. Und Nanako? Als ihre Urgroßmutter von der aus den Fugen geratenden Beziehung zwischen ihr und ihrem derzeitigen Boss Ryuuji Otogi erfuhr, drängte sie zu einem baldigen Ende und Nanako hatte gehorcht.
Sie lehnte den Kopf an das kühle Fenster, als sie seine Hand auf der ihrigen spürte.
"Nana..."
Die Stille überwältigte sie beide und sie hielt an, bis sie vor dem Betriebsgeländer der 'Kaiba Corporation' standen. Nanako hatte ihn gebeten sie hierher zu bringen, weil sie noch etwas erledigen müsse. Was er nicht wissen durfte war, dass sie seit neustem nur knapp fünf Minuten von hier entfernt wohnte. Eine Weile saßen sie still nebeneinander, als er den Motor abgestellt hatte. Wieder lag die Nervosität der ersten Nacht zwischen ihnen in der sie beide etwas verloren hatten, doch immer mehr kam ihr der Gedanke, dass Ryuuji nicht nur das, sondern auch sein Herz an sie verloren hätte. Doch er war ihr zu nachgiebig und zu einengend. Er wollte alles, wirklich alles über sie wissen und hatte bald eine überwachende Neigung an den Tag gelehnt. Sie war so froh gewesen, als sie die Adresse einer neuen Firma geschickt bekommen hatte und endlich offiziell mit ihm abschließen konnte.
Mit diesen Gedanken öffnete sie die Wagentür und trat in die Kälte hinaus. Hier in 'Domino City' war es einen Hauch wärmer, so dass sie nicht anfing zu zittern, bis Ryuuji ihr ihre Sachen aus dem Kofferraum gebracht hatte. Seelenruhig legte sie sich den Mantel um und nahm ihren Schal und die Handschuhe.
"Können wir uns nicht wieder öfter sehen?"
"Nein", warf sie ihm trocken vor die Füße.
Er nickte müde, wandte sich zu seinem Auto um, stieg ein und fuhr davon.
Lange sah sie ihm nach und je mehr er sich aus ihrem Blickfeld entfernte umso mehr entfernten sich auch die Erinnerungen an ihn und dazu schienen auch ihre Gefühle wie weggeblasen zu werden. "Tessekishin", hauchte sie und ein Schmunzeln überkam sie.
Vor sich hin summend wickelte sie sich den Schal um und warf einen flüchtigen Blick hoch zu dem Turm der 'Kaiba Corporation' in dessen oberstem Stockwerk noch Licht brannte. Bei genauem Hinsehen sah sie einen Schatten an der Fensterfront stehen. Beobachtete er sie etwa? Ein kurzes Kichern entrann ihrer Lunge, als sie sich abwandte und auf den Weg nach Hause machte.
Schon am nächsten Wochenende würde die Nacht von Samstag auf Sonntag durch einen farbenfrohen und nicht weniger exklusiven Maskenball erhellt werden und sie würde dabei sein.
