Alexander, was soll ich denn tun? Glaubst du, ich sehe deinen Schmerz nicht? Dein vertrautes Gesicht jagt mich
in der Nacht. Deine starken Hände streichen über meine Wange; greifen mein Haar sanft aber bestimmt, wenn du
mich fest hälst.
Das hast du schon als Kind getan, Alexandros. Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich dich wieder neben
mir sitzen. Dann sehe ich Cassanders lüsterne Blicke, die er schon als Kind ständig und mit unbegreiflicher
Ausdauer auf dich geheftet hatte, wärend uns Aristoteles die Welt und ihre Wunder versuchte zu erklären, was du
mit der größten Aufmerksamkeit verfolgtest. Wir waren damals Kinder. Aber auch Kinder wissen was sie wollen, und du
wolltest immer weiter aufsteigen. Deine Vater hat dich mit so einer unglaublichen Rohheit behandelt; ich fürchtete mich
stets davor, dass du daran zerbrechen könntest, mein Geliebter. Cassander wollte Macht. Ich zweifle nicht daran, dass er
sie eines Tages erlangen wird. Doch er wird sie nicht so ernten, wie du. Er wird nicht von allen verehrt und
geschätzt werden. Nur du wirst über allen scheine, wie ein Gott. Nur wie ein Gott. Was ich wollte, weiß ich noch eben so
gut. Ich wollte damals für immer bei dir sein. Ich wollte neben dir stehen und mit dir über das Land blicken, dass
du erobert hast. Und ich weiß, dass dies die ganze Welt sein wird. Und dann hast du dir deinen Traum erfüllt, und
ich werde auf ewig in dem Gefühl schwelgen, ein Teil des ganzen zu sein. Ein Teil der Welt in die du dich verliebt
hast. Von klein auf war ich dein Patroklos. Von klein auf war ich der Gefährte für den du schwören würdest Rache
zu verüben, sollte ihm etwas zustoßen. Ich weiß, dass du das tun würdest - ich würde das selbe tun, mein Akhiles.
Weißt du noch, wie wir uns fort schlichen, nach dem wir die Aufführung von "Ilias" gesehen hatten? Ich habe
genoßen, dort mit dir zu sitzen und unsere Gesichter in die schillernden Rüstungen zu projezieren. Phantasie
hatten wir schließlich beide.
Wieder im Palast angekommen schlichen wir uns weg; verirrten uns absichtlich in den vielen Gemächern eures
Zuhauses, welches vermutlich nichtmals deine ehrenwerte Mutter selbst ganz durchschauen konnte. Wir haben
uns versteckt, und du hast mich mit zitternden Händen festgehalten und geküsst. Wir waren jung, aber keines wegs
unbeholfen. Und nach dieser Nacht zeigten wir uns immer wieder unsere Zuneigung, bezeugten immer wieder
unsere Liebe voreinander mit Gesten und Berührungen -
Warum zögere ich also jetzt? Kurz vor der Schlacht, die alles und garnichts bedeutet - wohl eher doch alles, und
doch nur eine von vielen?
Wenn auch nur einer glaubt, ich zögere, weil die anderen über mich und unsere Liebe munkeln, sei unbesorgt -
das ist mir ganz gleich, denn du bist alles was mir wichtig ist. Cassander schimpfte mich deine Hure. Doch das
würde ich dir für keinen Preis sagen, Alexander. Du bist ein strahlender Stern über uns, du sollst frei von Sorgen
sein und dich nicht mit den kleinen Keilereien deines unzivilisierten Gefolges herumschlagen.
Du hast mir gesagt, dass es heute nacht schwer für dich sein wird, allein zu sein. Und jetzt wende ich mich
ab. Bin ich verrückt geworden?
Langsam wende ich mich wieder deinem Zelt zu. Ich kann dich jetzt nicht alleine lassen. Patroklos kann seinen Geliebten
nicht alleine lassen, wenn dieser die Angst in seinen Knochen fühlt.
Ich schiebe den Vorhang bei Seite, der den Eingang deines Zeltes verdeckt. Ich werde dafür sorgen, dass du morgen
voller Zuversicht und Hingabe kämpfst.
Ich werde mich nicht abwenden, wenn du mich brauchst, mein Alexander.
TBC falls es jemandem gefällt.. g
