Teil 2: Helch (Sindarin: "bitterkalt")

Zusammenfassung: Arwen fühlt sich „unentschlossen und verloren".

Danksagung: Die Autorin kniet und hält einen Präsentierteller, auf dem ein mit Schokolade beschmierter Boromir liegt: Vielen Dank an zasjah, weil sie so wunderbar beta-liest!


Alles in mir verblasst; langsam, aber unvermeidlich.

Ich fühle mich wie jemand, der gerade erblindet ist und vergeblich versucht, die Erinnerung an die Gesichter seiner Lieben, an Farben und Licht aufrechtzuerhalten.

Eowyn hat mich einmal gefragt, ob ich immer noch hören könnte, wie die Bäume und Pflanzen zu mir sprächen. Ich sagte ja... und log damit. Ich schreibe alles auf, an das ich mich erinnern kann, aus Angst, dass es nicht mehr lang dauern könnte, bevor ich ganz und gar nutzlos werde - für sie, für ihn...

Mein Vater sagte mir voraus, dass mir das Leben als Sterbliche schwer werden würde, aber als ich mich Estel versprach, war ich meiner Liebe, meiner Stärke, so sicher. Dieser Kampf beweist, wie sehr man sich irren kann. Ich kenne mich selbst gar nicht mehr...

Wenn sie bei mir ist, werde ich mitgerissen von einem Wirbelwind der Gefühle, der mich atemlos zurücklässt, bis ins Mark erschüttert, einsmacht mit der ganzen Welt. Wenn sie nicht da ist, kann ich nicht anders, als mein Herz zu fragen - liebe ich sie wirklich? Oder sehne ich mich nur nach diesem Gefühl, das sie in mir erweckt, das Gefühl wieder eine der Erstgeborenen zu sein; etwas, das ich für jenen Sterblichen aufgab, dem gegenüberzutreten ich nun fürchte?


„Vermisst du Eowyn schon?" Er weiß es...

Wie könnte er als Waldläufer nicht ihren Duft und die Berührungen spüren, die sie mir aufgeprägt hat?

"Amin hiraetha (Quenya: "Es tut mir leid"), Undomiel. Ich hätte nicht so lange wegbleiben dürfen."

„Glaube nicht, dass meine Gefühle so sprunghaft sind, Estel. Ich bin kein Kind, das, wenn man ihm ein Spielzeug für eine Weile wegnimmt, gleich mit einem andern weiterspielt." Ich sehe, wie meine Worte in seine grauen Augen einsinken, die so alt und so weise sind wie die eines Elben.

„Ich hege keine Zweifel, dass es nicht so ist. Und dennoch erwartest du von mir, dass ich dir glaube, dass du sie ebensosehr wie mich liebst?"

Ich habe Angst. Angst, dass ich sie nur benutze, damit alles wieder klarer, lauter, deutlicher wird. Angst, dass sie mich liebt... Angst, dass ich Estel nicht mehr liebe.

„Ich erwarte nichts von dir! ...Estel. Du hattest immer die Geduld der Steine. Bitte, lass sie dir nicht jetzt ausgehen. Gib mir etwas Zeit."

Ich habe Angst vor dieser Schwäche in mir.


Die sterbliche Vorstellung von Zeit verwirrt mich immer noch. Vielleicht sind es schon drei Jahre... Ich habe mein Buch zu Ende geschrieben. Ich fühle mich leer. Träume voll salzigen Winds tragen mich ans Meer... >Das ewige Flüstern, das es in sich hält> ist die letzte vernehmbare Stimme aus meiner Vergangenheit, die mir noch geblieben ist. Ich sehne mich...

Seltsam, dass die Wellen nicht wehtun, obwohl es eine offene Wunde in meinem Herzen gibt. Ich folge dem fernen Ruf, jeder Schritt bringt mich näher heran, tiefer. Alles wird grau und das einzige Geräusch, das ich nun höre, ist das Murmeln meines Blutes.

>aus Keats' "On the Sea"