Teil 5: Cuin (Sindarin: "Lebendig")
Zusammenfassung: Eowyn hat eine Bitte.
Anmerkung: Kudos an zasjah, für alles
Alles, das einem lieb und teuer ist, wird eines Tages nicht mehr da sein. Ganz egal wie sehr man es festzuhalten versucht, irgendwann wird man den Griff lockern müssen.
Aber wenn du die Hände öffnest, so dass die Handflächen offen sind wie der Himmel – dann werden deine Schätze von allein bei dir bleiben, geborgen in der sanften Umarmung des Windes.
Ich küsse ihre Augenlider, und meine Lippen nehmen die funkelnden Diamanten von den nachtschwarzen Wimpern fort. Ich ziere die Mitte jeder ihrer seidenglänzenden Handflächen mit einem Kuss.
"Aa' menle nauva calen ar' ta hwesta e' ale'quenle..."
(Quenya: "Mögen deine Pfade grün sein und der Wind in deinem Rücken")
Dann ist sie fort.
König Elessar, vielleicht hätte das erste, was sie von Dir über das Leben der Sterblichen hörte, sein sollen, dass für uns jede Nacht ein Ende ist und jeder Tag – ein Neubeginn,
und dass wir jeden Tag unsere Zusage an die Welt erneuern. Deshalb, da sie nun ihre Zusage an Dich erneuert hat, hör mich an, selbst wenn Du mich hassen magst, selbst wenn Du fürchten magst, dass jedes Mal, wenn Du in ihre Augen blickst, auch ich dort sein werde.
Als Du sie zum ersten Mal sahst, war es da nicht ihre Schönheit, die Dich zu ihr zog? Du weißt, dass Schönheit nichts wert ist, wenn keine Tugenden bei ihr sind, keine Rechtschaffenheit, kein scharfer Verstand sich dahinter befinden. Deshalb, liebe sie nicht um ihrer Schönheit willen, sondern nur für das Leuchten ihrer Augen, wenn sie Dir sagt, dass sie Dich liebt, nur Deines Wunsches wegen, dass der Tag nie kommen möge, wenn Dich der mitternächtliche Mantel ihres Haares umhüllt…
Liebe sie nicht als Sinnbild der langen Jahre des Wartens und Sehnens, nicht als einen Preis, den Du mit Deinen großen Taten schließlich errungen hast.
Liebe sie um ihrer selbst willen.
Liebe sie für die Art, wie sie den Kopf zur Seite neigt, wenn sie Deinen Worten lauscht, als seist Du der Mittelpunkt ihrer Welt. Liebe sie dafür, wie sie Dich ansieht, jedes Mal mit der gleichen Neugier und Hingabe als sei es zum ersten Mal.
Liebe sie dafür, wie sie Dich berührt, jedes Mal mit dem gleichen Erstaunen und der gleichen Zärtlichkeit als sei es zum ersten Mal…
Liebe sie für ihr Lächeln, ihre Tränen, ihre Weisheit und Tapferkeit, ihre Ängste und Zweifel.
Liebe sie um ihrer selbst willen.
Versprich mir, für sie da zu sein, wenn sie Dich braucht.
Versprich es mir.
>Als Königin der Elben und Menschen lebte sie mit Aragorn sechsmal zwanzig Jahre in Herrlichkeit und Glück; doch zuletzt spürte er das Herrannnahen des Alters und wusste, dass die Spanne seines Lebens ihrem Ende zuging, so lang es auch gewesen war. Da sagte Aragorn zu Arwen: „Nun, Frau Abendstern, Schönste in der Welt und Geliebteste, vergeht meine Welt. Sieh! Wir haben genommen und wir haben gegeben, und nun nähert sich die Zeit der Abrechnung." Arwen wusste genau, was er beabsichtigte und hatte es lange vorhergesehen; und dennoch überwältigte sie ihr Kummer. „Willst du denn, König, vor der Zeit dein Volk verlassen, das nach deinem Wort lebt?", fragte sie. „Nicht vor meiner Zeit.", antwortete er. „Doch wenn ich nicht jetzt gehe, dann muss ich bald notgedrungen gehen. Und Eldarion, unser Sohn, ist ein Mann, der durchaus reif ist für die Königswürde." Dann begab sich Aragorn zu dem Haus der Könige in der Stillen Straße und legte sich auf das Bett, das für ihn bereitet worden war. Dort sagte er Eldarion Lebewohl und gab ihm die geflügelte Krone von Gondor und das Zepter von Anor in die Hände, und dann verließen ihn alle außer Arwen, und sie stand allein an seinem Bett. Und trotz all ihrer Weisheit und und Herkunft konnte sie es nicht unterlassen, ihn anzuflehen, noch eine Weile zu bleiben. Sie war ihrer Tage noch nicht überdrüssig, und so erfuhr sie bitter das Los der Sterblichkeit, das sie auf sich genommen hatte. (...)
„ In Kummer müssen wir gehen, doch nicht in Verzweiflung. Sieh! Wir sind nicht für immer an die Kreise der Welt gebunden und jenseits von ihnen ist mehr als nur Erinnerung. Lebe wohl!"
„Estel! Estel!", rief sie, und als er eben ihre Hand nahm und sie küsste, fiel er in Schlaf. (...) Und lange lag er dort, ein Abbild der Erhabenheit der Könige der Menschen in ihrem ungetrübten Glanz, ehe die Welt auseinander brach. Aber Arwen ging fort aus dem Totenhaus, und der Glanz ihrer Augen war erloschen, und es schien ihrem Volk, dass sie kalt und grau geworden war, wie eine Winternacht ohne Sterne.>
ENDE.
>Tolkien, Anhänge, „Die Erzählung von Arwen und Aragorn"
(Ich folge an den meisten Stellen der Übersetzung von Margaret Carroux, an einigen auch der von Wolfgang Krege, und mit einem Satz dem Film.)
