„Crabbe, Goyle!", donnerte Draco Malfoy seinen beiden Standart-Gorillas entgegen.
Mit dümmlichen Gesichtern (was anderes hatte Draco auch nicht erwartet), drehten sie sich zu ihrem „Chef" um.
„Was'n los, eh?", fragte Goyle. Im Geiste verdrehte Draco die Augen: „Warum bin ich bloß an diese Idioten geraten? Nur weil ihre Väter auch...ach egal", dachte er bei sich und antwortete:
„Wollt ihr mit euren fetten Hintern den ganzen Tag hier im Kerker verbringen? Vielleicht finden wir ja Potty und den Wieselkönig..."
Die Mienen von Crabbe und Goyle erhellten sich ein wenig (sie sahen jetzt noch dümmlicher aus) und beide ließen vor Vorfreude die Fingerknochen knacken.
So machte sich also Draco im Schlepptau von seinen Bodyguards auf den Weg ans Tageslicht. Draco war langweilig und er wollte Potter einen Fluch auf den Hals jagen; Crabbe und Goyle würden bezeugen können, das er es nicht war, falls es zum Ernstfall kommen sollte. Doch so blöd war er ja auch wieder nicht. Er würde sich nicht erwischen lassen!
Es war angenehm warm draußen. Ein wunderschöner Tag...
„Wenn doch jetzt nur...", dachte Draco und meinte eigentlich, dass Potter und Weasley auftauchen sollten. Ein Weasley tauchte tatsächlich auf: Ginny Weasley.
Plötzlich lief Draco knallrot an und drehte sich möglichst weg von Crabbe und Goyle.
Draco schämte sich fast ein bisschen dafür, aber er konnte seine Gefühle nicht leugnen: Er war verknallt in Ginny und das, seitdem er wusste in welcher Gefahr sie in der „Kammer des Schreckens" war.
Er schämte sich nicht, weil Ginny nicht hübsch gewesen wäre, sondern weil sie nicht sein Niveau war, sie war zwar reinblütig, aber dennoch war sie arm und außerdem stand sie auf der Seite von Potter und war also gegen Vo... Du-weißt-schon-wen.
Wenn sein Vater das herauskriegen würde, würde er Draco wohl sofort enterben und verstoßen, so wie er es einst mit dem Hauselfen getan hatte...
„wie hieß der Elf eigentlich?", dachte Draco gerade, als ihm auffiel, dass er sich so nur von seinen eigenen Gedanken ablenken wollte.
Er beobachtete weiterhin Ginny, die sich gerade unter einem Baum niederließ.
Draco hätte sich gerade selber ohrfeigen können: Warum hatte er nur Crabbe und Goyle mitgenommen? Ohne sie hätte er sich vielleicht zu Ginny gewagt, aber er hatte Angst, dass die beides sofort auf Ginny losgehen würden.
Draco wusste nicht, ob die beiden davor zurückschrecken würden, ein Mädchen zu schlagen.
Goyle drehte sich gerade schwerfällig in Richtung Ginny, Draco bemerkte dies und änderte sofort die Route.
„Ich glaube, Potter könnte beim Quidditchtfeld sein!", sagte er schnell, um auch seine Leibgarde von der Richtungsänderung zu überzeugen...
Der Nachmittag war nicht erfolgreich für die Gruppe der Slytherins verlaufen, denn Potter und Weasley blieben unauffindbar. Erst beim Abendessen in der Großen Halle tauchten sie auf, im Schlepptau von dem Schlammblut (Hermine).
Draco hatte nie verstanden, wie sich jemand wie Ginny mit so etwas abgeben konnte.
Schlammblüter waren das Schlimmste, was an dieser Schule zu finden war!
Mit Freude
sah Draco, dass Ron über irgend etwas sehr besorgt zu sein
schien.
„Wahrscheinlich hat er erfahren, dass Snape ihn
durchrasseln lässt", grinste Malfoy vor sich hin. Aber auch
Potter und das Schlammblut machten bedrückte Gesichter.
Da Draco bereits fertig mit dem Essen war, stand er auf und verließ die Große Halle, in der Hoffnung den Grund für den allgemeinen Unmut zu erfahren.
„Und wenn ihr etwas passiert ist?", hörte Draco im Vorbeigehen Ron sagen.
„Ach, sie kann doch auf sich aufpassen, so eine schlechte Hexe ist sie auch, unsere Ginny!", sagte nun Hermine, wenn auch nicht ganz so überzeugend, wie sie gerne gewollt hätte.
Draco blieb stehen und spürte, wie ihm das Herz in die Hose sank...Irgend etwas stimmte mit Ginny nicht, scheinbar war sie unauffindbar. Wenn ihr nun wirklich etwas passiert war?
Draco würde es sich nie verzeihen, sie nicht gesucht zu haben, also ging er schnellen Schrittes nach draußen. Hier hatte er sie zuletzt gesehen und wenn Potter mit seiner Bande das Schloss durchsuchen würde, hätten sie größere Chancen. Er stellte allerdings fest, dass es sehr kalt geworden war und holte daher schnell einen seiner warmen Umhänge aus dem Gemeinschaftsraum, bevor ihn irgend jemand bemerkte.
„Wenn sie nun in den Wald gelaufen ist? Wer weiß, was für Kreaturen da von diesem Riesenidioten herumlaufen!" - nicht, dass die „normalen" Bewohner schon schlimm genug wären...
Draco sah immer wieder Ginnys verzweifeltes Gesicht vor sich und dachte, was wäre, wenn er zu spät käme.
Dann fiel ihm ein, dass er sich wohl nicht wirklich effektiv gegen ein Was-auch-immer-da-kommen-mag verteidigen könnte. Warum hatte er nicht irgend einen Lehrer gefragt, ob er mitkommt?
„Na, weil du ein Malfoy bist! Und die haben keine Angst!", redete er sich immer wieder ein, bis er vor sich den See sah. Still und ruhig lag er da und im Mondlicht saß unter einem Baum Ginny, schön wie ein Engel, eingeschlafen während eines Nachmittagsspazierganges.
Eine Strähne ihres feuerroten Haares fiel ihr ins Gesicht und Draco näherte sich vorsichtig um ihr die Strähne hinter ein Ohr zu streifen. Draco bemerkte, dass Ginny davon wach wurde und wollte ihr sofort aufhelfen.
Dann bekam er jedoch kalte Füße und ging schnell weg. Aber dann sagte er sich, dass er allein mit ihr war und es endlich Zeit wurde, dass sie es auch wissen sollte.
Also lüftete die Kapuze, die er getragen hatte und blickte verlegen zu Boden.
Er bemerkte sehr wohl Ginnys ängstlichen Blick.
„Ähem, weißt du, ...ich...", stammelte er. Aber Ginny wollte ihn nicht hören, denn sie unterbrach ihn und Draco begriff, dass sie dachte, sein nächstes „Opfer" zu sein. War er denn wirklich so gemein zu allen gewesen? Er wollte die Sache klarstellen:
„Ich bin nicht hier, weil ich in neues Opfer suche, wie du es sagst...Weasley, hm, ...dein Bruder Ron hat sich sorgen gemacht, weil du nicht beim Abendessen warst. Die durchsuchen gerade das Schloss nach dir, aber ich bin nach draußen gegangen, weil ich dich heute nachmittag hier spazieren gesehen habe. Und da dachte ich, du wärst vielleicht immer noch hier."
Draco sah förmlich, wie es in Ginnys Kopf ratterte. Dann fragte sie, warum er denn hier sei.
Dass war seine Chance, endlich konnte er ihr seine Gefühle offenbaren, also fing er an:
„Na, weil ich dich li...", doch dann verließ ihn der Mut wieder und er schloss schlicht mit dem Wort: „...mag."
„Bin ich so schlimm, dass sie jetzt die Augen verdrehen muss?", dachte Draco leicht gekränkt.
Er bemerkte jede noch so kleine Bewegung an Ginny und ihm entging auch nicht, dass sie anfing zu zittern. Sie hatte schließlich nur ein dünnes Oberteil an und Draco seinen warmen Umhang. Da er doch irgendwann mal ein bisschen Benimm gelernt hatte, legte er sogleich seinen Umhang um Ginnys Schultern.
Ihn wärmte Ginnys Nähe im Moment von innen her. Er konnte sich keinen besseren Zeitpunkt vorstellen als jetzt, also griff er behutsam Ginnys Hand um sie wieder ins Schloss zu führen. Er hatte nämlich gerade feststellen müssen, dass Liebe doch nicht so gut warm hält wie ein schöner dicker Umhang. Ginny schien sein Umhang zu gefallen und das freute ihn.
Er führte sie bis zur Tür der Großen Halle, blieb stehen und räusperte sich.
Offensichtlich klang er dabei ganz so wie Professor Umbridge, denn Ginny sprach ihn darauf an, aber er hörte nur noch halb hin und griff nach Ginnys wunderbarer anderer Hand.
Er zog sie langsam zu sich heran und wartete wirklich auf ein schnelles Wegrucken von Ginny, da er ja immer der „Böse" für sie war, doch er bemerkte keine Gegenwehr und so passierte es: Ihre Lippen berührten sich...
Draco schwebte auf Wolke 7...es war der glücklichste Moment seines Lebens, er hatte etwas getan, was er nicht für möglich gehalten hätte: Er hatte sich mit dem Feind verbündet!
Doch das Glücksgefühl währte nur kurz, denn er bemerkte, wie Ginny sich plötzlich von ihm löste. Er sah, wie Ron und Harry neben Ginny standen und sie stützten.
„Was habt ihr mit...", fing Draco an, aus erneuter Sorge um Ginny, doch wurde er jäh unterbrochen:
„Was hast du hier mit meiner Schwester zu tun? Wir haben das ganze Schloss durchsucht und du? Du machst hier...du machst...". Ron fehlten die Worte, er konnte und wollte nicht glauben, was er da gerade gesehen hatte.
Harry stand nur stumm daneben und ihm wurde plötzlich etwas klar: Wenn er Ginny an Draco verlieren würde, könnte er nie wieder jemanden finden, den er so sehr lieben würde, wie Ginny. Sie war die perfekte Wahl für ihn...Aber darüber musste er später nachdenken, denn Ginny hing immer noch schlafend in seinen Armen und wurde allmählich richtig schwer.
Hermine, die hinter der Ecke verborgen geblieben war, hatte einen Schlaffluch auf Malfoy gehetzt, doch in der Aufregung Ginny getroffen.
Draco fühlte sich allein ohne Crabbe und Goyle, richtig hilflos. Vor ihm stand der wutentbrannte Bruder seiner heimlichen Geliebten und noch dazu war Harry Potter da und er hielt Ginny fest, damit sie nicht auf den kalten Boden fallen würde.
Auch Draco begriff, dass Ginny Harry sehr viel bedeutete.
Draco war ein Malfoy und deshalb wusste er, dass er verloren hatte. Er hatte Ginny an seinen größten Feind verloren, an den guten Harry Potter, der immer bekam, was er wollte.
„Hört zu, Potter, Weasley, ihr könnt sie behalten, sie bedeutet mir nichts! Das war nur ein Spiel, versteht ihr? Und die kleine dumme Weasley ist drauf reingefallen! Hey, Wieselkönig!", wandte Draco sich direkt an Ron, der immer noch nach Worten suchte, „pass demnächst besser auf sie auf, klar? Wir wollen ja nicht, dass ihr etwas passiert!"
So bittere Worte hatte Draco sich noch nie sagen hören. Den letzten Satz meinte er vollkommen ernst - doch wenn seine Gegenüber das wüssten, würden sie in der jetzigen Verfassung alles mit ihm anstellen. Draco wollte gehen, als ihm noch etwas wichtiges einfiel:
„Ach ja, Weasley, ein Wort hiervon und dein Vater ist seine Job los!". Draco wusste, dass sein Vater gute Verbindungen im Ministerium hatte und die Sache dann schon regeln würde, also blieb ihm jetzt nichts anderes mehr übrig, als wegzurennen.
„Sie wird gleich aufwachen, beeilt euch! Und denkt dran, lasst euch nichts anmerken!", bleute Hermine zum 150x Ron und Harry ihren Plan ein: Ginny sollte, vom Schlaffluch getroffen, glauben, dass heute gestern sei. Der Plan hatte einige Schwachpunkte, aber da müssten sie dann improvisieren. Zuerst mal hatte Hermine Ginny noch einen Sonnenbrand verpasst, damit sie auch glaubte, richtig lange hier gesessen zu haben. Ron, Harry und Hermine hatten nicht vor, irgendwem zu erzählen, was sie gestern Abend beobachtet hatten, denn auch sie wussten sehr wohl, dass Lucius Malfoy und der Minister gut befreundet waren. Am wenigsten würden sie es Ginny erzählen, sie sollte glauben, dass es lediglich ein Traum war...ein sehr verrückter Traum.
Draco war Ginny so weit es ging aus dem Weg gegangen, er wusste auch nichts von dem Plan, den Hermine & Co. geschmiedet hatten. Er sah sie erst wieder, als er die Große Halle verlassen wollte. Ginny ging genau neben ihm, ohne ihn auch nur zu registrieren.
Er schlug gerade den Weg in die Kerker ein, als er sich umdrehte und sah, dass Ginny ihn auch erblickt hatte. Unweigerlich musste er lächeln...
