Kapitel 3 Nächtliche Ausritte

Celebnîn stieg aus der Wanne. Ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Haare klebten nass an ihrem Rücken. Sie trocknete sich mit einem Handtuch ab. Das Bad hatte ihr gut getan, aber trotzdem wollte sie jetzt nach Hause, oder zumindest fort um ganz alleine zu sein. Sie ging zurück in das große Zimmer, zog das blaue Kleid an und sah zum Fenster hinaus. Es regnete nicht mehr, aber dafür herrschte jetzt ein Sturm. Die Bäume bogen sich im Wind und hier und da brachen Äste und Zweige ab. Prinz Legolas würde bei diesem Wetter sie bestimmt nicht nach Hause lassen. Aber sie wollte nicht länger im Palast bleiben. Sie konnte die Musik und das Lachen der Leute von hier aus hören. Das Fest war im vollen Gange. Diese Freude konnte sie nicht ertragen, natürlich gönnte sie es den anderen, dass sie sich freuten, aber sie wünschte sich sie könnte mit Valandil mit feiern. Sollte sie jetzt einfach gehen? Weshalb nicht? Auch wenn er ein Prinz war konnte er sie nicht gegen ihren Willen festhalten. Sie fand ihn zwar nett aber es war ihr egal wenn sie unhöflich zu ihm war. Sie ging aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Zum Glück waren alle am Fest, sodass sie Fragen entgehen konnte. Die Gänge waren vollkommen leer. Celebnîn und lief so lautlos wie möglich die langen Gänge entlang, immer mit der Angst im Nacken Legolas könnte sie sehen. Sie sah sich ständig nach ihm um, nicht, dass sie sich etwas von ihm befehlen lassen würde, aber mit seinem Blick konnte er sie bestimmt wieder überreden hier zu bleiben, sie waren Valandils Blicken so ähnlich. Sie spürte wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Nicht jetzt, du darfst jetzt nicht weinen, warte bis du zu Hause bist.
Celebnîn sah mehrere Ständer mit Umhängen darauf vor den Türen zum großen Saal stehen. Alle waren entweder dunkel- oder hellblau. Sie waren Geschenke Thranduils für die Gäste zur Feier der Freiheit Mittelerdes. Da Celebnîn eigentlich auch zu den Gästen gehörte nahm sie sich einen und verhüllte sich darin. Sie hatte einen dunkelblauen genommen, mit dem würde sie nicht so auffallen. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen ging sie gegen den starken Wind kämpfend sie zu den Ställen, wo ihre nachtschwarze Stute Elen auf sie wartete.

Legolas schritt etwas nachdenklich durch die Gänge. Sein Vater war natürlich hoch erfreut über seine Rückkehr gewesen und sie hatten auch mit den anderen gefeiert, aber Legolas hatte immer an Celebnîn und ihr Leid denken müssen. Sie musste beschützt und getröstet werden sonst würde sie an ihrer Trauer zerbrechen, aber sie hatte niemanden und wollte auch niemanden an sich heranlassen. Vielleicht sollte er ihre Eltern bitten zu kommen. Nachdenklich ging er durch das große Tor hinaus und stieg die Treppen hinunter. Es war ein ungeheurer Sturm. Er konnte kaum vorangehen, wurde immer wieder zurückgestoßen und fast zu Boden geworfen. Plötzlich galoppierte jemand in hohem Tempo knapp an ihm vorbei, hinaus in die Nacht. Wer der Reiter war konnte er nicht erkennen, da der oder die jenige einen Umhang trug. Aber auch wenn er nicht wusste wer es war machte er sich trotzdem Sorgen, bei dem Sturm war ein Ritt nicht ratsam, aber Legolas konnte ja schlecht einem Fremden nacheilen um ihn auf zu halten, also ging er zurück in den Palast.
Er klopfte an die Tür seines Zimmers. Keine Antwort. Celebnîn musste doch schon längst mit dem Bad fertig sein. Vorsichtig öffnete er die Tür. "Celebnîn? Seid ihr fertig?" Keine Antwort. Er ging hinein. Das Kleid lag nicht mehr auf dem Bett und die Tür zu dem kleinen Zimmer in dem die Wanne stand war offen. Es war niemand da. War sie jetzt doch auf das Fest gegangen? Das glaubte er nicht, dazu war sie noch zu sehr in Trauer. Da dämmerte es ihm langsam... der Reiter!

Legolas lief zu den Ställen und packte einen Stallburschen. "Wer ist hier vor kurzem weg geritten." Der Stallbursche war überrascht über die Eile des Prinzen. "Eine junge Frau." "Wisst Ihr ihren Namen?" "Ja, jeder Nicht-Angehörige der königlichen Familie, der sein Pferd hier unterstellt, muss seinen Namen angeben. Der Name der jungen Lady ist Celebnîn, mein Herr." "Danke." Legolas wollte gerade gehen, als der Stallbursche ihn aufhielt. "Verzeiht mein Herr, aber ist irgendetwas mit ihr? Sie sah so verzweifelt aus." So waren die Leute im Düsterwald, sie sorgten sich um ihre Mitmenschen, das liebte Legolas an seiner Heimat. "Macht Euch keine Sorgen, sie ist stark."

Legolas sprang auf seinen kastanienbraunen Hengst und ritt hinaus in den Sturm. Er wusste wo Celebnîn wohnte, vielleicht war sie auch schon längst zu Hause, aber er wollte sich vergewissern, dass sie gut angekommen war.

In diesem Wind zu reiten war nicht sehr einfach. Sein Pferd konnte nicht so schnell galoppieren wie sonst. Legolas wäre zweimal beinahe aus dem Sattel gerissen worden, aber zum Glück konnte er sich noch festhalten.

Nach etwa einer Stunde schnellen Galopps kam er endlich vor dem Haus zu stehen. Sie wohnte wirklich abseits. Weit und breit waren nur Bäume zu sehen, die anderen Häuser waren sicher einen halbstündigen Ritt entfernt. Es war umringt von Bäumen und schien wie ein kleines Versteck.
Legolas stieg ab und betrachtete das Gebäude. Es war keine Villa, aber ein großes und geräumiges Haus. Es war typisch elbisch, mit vielen, schönen Verzierungen. Aber Licht sah er keines, vielleicht schlief sie schon. Er klopfte an die Tür und wartete. Nicht die kleinste Reaktion kam von innerhalb.

Die Bäume bogen sich um ihn herum. Der Wind schlug ihm hart ins Gesicht. Als er es drei Mal versucht hatte gab er auf. Legolas ging zu den Ställen, falls Celebnîn schlief würde ihr Pferd ihm ihre Anwesenheit verraten. Doch im Stall stand nur ein kastanienbraunes Pferd, nicht das auf dem sie an ihm vorbei geritten war. Wahrscheinlich war es Valandils Pferd. Er war anscheinend zu Fuß oder auf einem der Pferde des Heeres in die Schlacht gezogen. Das Pferd war unruhig. Der Wind machte unheimliche Geräusche und im Stall brannte keine Kerze. Legolas zündete zwei Kerzen an und beruhigte das Pferd mit ein paar elbischen Worten. Dann streichelte er dem Hengst über den Hals. Es war ein stattliches Tier. "Du weißt nicht zufällig wo Celebnîn ist?" Das Pferd schnaubte und senkte den Kopf. "Keine Sorge, ich werde sie schon finden."

Doch dem war nicht so. Er durchstreifte den Wald die ganze Nacht lang und fand nicht die geringste Spur von ihr. Legolas begann sich große Vorwürfe zu machen. Hätte er doch besser auf sie aufgepasst.

Die Sonne ging auf und der Sturm war endlich vorbei. Legolas hatte Celebnîn immer noch nicht gesichtet. Er beschloss noch einmal zurück zu ihrem Haus zu reiten.
Als er dort ankam stand die Tür, zu seiner Überraschung, einen Spalt weit offen. Legolas zog sein Schwert und ging langsam hinein. Auf dem Boden lag Celebnîns Umhang. Er ging weiter in das große Zimmer. Dort auf der Bank vor dem Kamin lag jemand. Langsam und sein Schwert bereit zum Angriff ging er darauf zu. Aber dann steckte er sein Schwert wieder weg. Es war Celebnîn. Sie lag tief schlafend auf der Bank und hatte wahrscheinlich nur die Tür nicht richtig geschlossen. Als er sich zu ihr kniete öffnete sie langsam die Augen. Sie erschrak kurz als sie ihn sah. "Prinz Legolas... was macht Ihr denn hier?" Er lächelte freundlich. "Ich habe mir Sorgen um Euch gemacht, wo wart Ihr denn die ganze Nacht?" "Tut mir Leid, dass ich gegangen bin ohne mich zu verabschieden, aber ich hielt es nicht mehr aus." "Ich verstehe schon, aber ich bin die ganze Nacht durch die Wälder gestreift um Euch zu finden. Wo hattet Ihr Euch nur versteckt?" Sie sah ihn kurz zögernd an. Dann sah sie auf. Die Sonne schien herein. "Meine Güte, Prinz Legolas, Euer Vater sorgt sich bestimmt um Euch." Es war natürlich klar, dass sie nur versuchte seiner Frage auszuweichen, sie wusste, dass sein Vater ihn für erwachsen hielt und sich längst keine Sorgen mehr machte, wenn er die Nächte fort blieb. Er spürte deutlich dass sie alleine sein wollte und er wollte sich ihr nicht aufdrängen. Er stand auf. "Ja, ich denke ich sollte langsam gehen." "Wollt Ihr noch etwas essen?" "Nein danke, ich bin schon müde, aber ich werde Euch im laufe des Tages noch mal besuchen, wenn ich das darf."

Celebnîn sah den Prinzen verwundert an, aber nickte schließlich. Warum wollte er noch mal kommen? Wollte er nachsehen ob sie in Ordnung war? Das letzte was sie jetzt brauchte war ein Wächter oder Beschützer, sie wollte doch nur alleine sein. In Ruhe um Valandil trauern.

Elen - Stern