Schaun mer mal...

3. Tag: Blinde Kuh & Nachtwanderung

Dementsprechend müde waren auch alle am nächsten Tag.

Diesmal stand die Besichtigung des Canada Place und des Altstadtviertels Gastown auf dem Tagesplan. Wer wollte durfte danach noch einen kurzen Abstecher nach China Town machen. Alles in allem fanden die meisten diesen Tag total super.

Mit vielen neuen Eindrücken fielen sie abends wieder in die Jugendherberge ein.

Für diesen Abend hatten die Lehrer etwas vorbereitet. Mit viel Gelächter wurden die Kostüme quittiert. Begeistert waren sie auch noch bei der Aufgabenstellung. Doch als dann herauskam, das sie sich blind schminken sollten, schlug die Begeisterung in entsetztes Gequietsche um, was aber bald wieder in Lachen umschlug, als die ersten "Opfer" geschminkt worden waren.

Die Jungs lachten Tränen. Die Mädels sahen aber auch zu komisch aus. Doch El erstickte das Lachen schnell, denn nun waren die Jungs dran.

Josh's entsetztes "Aber wir sind doch Jungs!" wurde komplett ignoriert. Nach vollendetem Werk lagen die Mädchen teilweise vor Lachen am Boden. Die Jungs waren kaum wieder zu erkennen.

"JOSH! Blauer Lidschatten steht dir super! Solltest du öfter tragen!", quietschte Rae unter Kaskaden von Gelächter.

Josh warf sich auf sie und kitzelte sie durch, bis sie sich vor Lachen verschluckte.

"Okay. Ist gut jetzt!" Tracy schubste ihn von der lachenden Rae hinunter.

"Ich wusste gar nicht, das du so kitzlig bist, Rae!" Rae konnte nur nicken. Sie gickste immer noch leise.

Dann zog Tracy sie hoch und musterte sie. "Du siehst echt schräg aus."

Sie hielt ihr einen kleinen Taschenspiegel vors Gesicht. Daraufhin erlitt Rae einen erneuten Lachanfall.

"Luft!", quetschte sie schließlich heraus und stellte sich ans offene Fenster. "Ich kann nicht mehr!" Sie hielt sich den Bauch. "Oh, aua! Josh, ich kille dich."

"Bauchschmerzen vor Lachen?", fragte eine grinsende Deanna. "Willkommen im Club!"

"Jepp." Rae hatte sich inzwischen wieder etwas in den Griff bekommen und grinste nur noch verhalten.

"Okay." Mrs Hamilton klatschte in die Hände. "Bevor wir hier weitermachen, geht ihr euch erst mal waschen. Ihr seht wirklich heiß aus!"

Das rief eine neue Welle des Gelächters hervor. Mr Rush schoß noch schnell ein Gruppenfoto von den verunstalteten Schülern und dann hatten alle Mühe, die Schminke vom Gesicht zu bekommen. Mit roten Gesichtern saßen eine Viertelstunde später wieder alle im "Schminkraum", wie er getauft worden war.

"Und zwar haben wir jetzt vor, "Blinde Kuh" zu spielen."

Alle sahen sich verwirrt an. Das war doch ein Kleinkinder Spiel! Die Lehrer blinzelten sich in stillem Unverständnis an. Kein lautes Protestgeschrei?

"Naja, ist doch lustig, oder?" Steve konnte das Schweigen nicht mehr ertragen. "Wo ist der Schal? Ich fang an!"

"Ohjemine!", lachte Hal ausgelassen. Sie sprang auf, verband ihm schnell die Augen und drehte ihn ein paar Mal im Kreis. "So und los geht's!"

Alle sprangen lachend auseinander. Spock runzelte die Stirn. Menschen! Diese Gewohnheiten werden auch immer verrückter.... Warum nimmt der den Schal nicht einfach ab? Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Rae kam herbei gesprungen, zog ihn aus der Reichweite von Steves Grapschern und erklärte ihm schnell die Regeln. Völlig fasziniert sah er Rae an, die ihm die letzten eineinhalb Tage aus dem Weg gegangen war und vergaß völlig, das Steve immer näher kam. Er gab einen erschrockenen Laut von sich, als Steve ihn zu fassen bekam.

"Mhm", brummte Steve. "Bei der Stimme einer von den 13 Jungs... Gucken wir doch mal." Er patschte kurz auf Spocks Kopf herum, der ihn verwirrt ansah. Das kann ja lustig werden! Schließlich stupste Steves Hand gegen eins von Spocks Ohrspitzen und zog einmal kurz daran, was einen leisen Schmerzenslaut zur Folge hatte. "Aha!" Steve grinste. "Unser Vulkanier! Spock, du bist dran!" Triumphierend riss er sich den Schal ab und verband Spock die Augen, der sich noch das Ohr rieb.

"Das war unfair!", beschwerte er sich. Steve grinste, was Spock natürlich nicht sehen konnte und drehte ihn ein paar Mal im Kreis herum. "Los, Kumpel!"

Spock blieb stehen und rieb an dem kratzenden Schal. "Hör auf daran herumzufummeln!" Josh! Diese Stimme kam von irgendwo links.

Er wanderte los, zuerst recht zielstrebig, doch dann wurde er von einem der Tische aufgehalten, die an die Wand geschoben worden waren. Ein paar Leute kicherten. Spock rollte die Augen. Es war... entnervend! Er wirbelte blitzschnell herum und tapste wieder los.

Die um ihn herum stehenden Mitschüler sprangen ihm lachend aus dem Weg, als er ankam. So ging das eine ganze Weile weiter, doch schließlich hatte er sein "Opfer" gefunden.

Joan begann zu quietschen, als sie von Spock gepackt wurde. Der arme Vulkanier ahnte nicht, dass sie zu den wenigen Menschen gehörte, die noch kitzliger als Rae waren. Ihr Gequietsch wurde hysterischer, als sie begriff, das es keine Fluchtmöglichkeit mehr gab.

"Erbarmen!", prustete sie. "Nicht anfassen! Ich bin so kitzlig!" Selbst Spock fiel es nun nicht mehr schwer sie zu identifizieren. "Joan", sagte er und nahm sich den Schal ab. Erleichtert übergab er ihn der immer noch lachenden Joanie und sah zu, das er weg kam um nicht noch einmal geschnappt zu werden. Mittlerweile war auch Joan auf Beutefang gegangen.

Schon nach wenigen Sekunden war sie fündig geworden. Sie stupste ihrem Gegenüber in die Rippen. Doch da tat sich nichts. Kein Lachen, kein Ausweichen, nichts. Joan überlegte. Rae stand ihr gegenüber und versuchte krampfhaft das Lachen zu verbeißen.

"Mhm." Joan befühlte ihr Gesicht. "Schwierig. Gebt mal nen Tipp."

"Anfangsbuchstabe R!" "Danke Josh! Also R... Und ein Mädchen."

Sie grübelte. Dann hellte sich ihr Gesicht auf.

"Rae!"

"Bingo." Sie zog Joan den Schal von den Augen. "Gratulation, Joanie!"

Sie ließ sich die Augen verbinden und stromerte dann ebenfalls los. Auch sie hatte bald jemanden gefangen.

"Aha. Ich weiß schon. Josh!"

"Mensch!" Josh zog eine Schnute. "Das war jetzt echt langweilig." "Machs besser!"

Sie verband ihm die Augen und sprang dann zu Tracy hinüber. "Fix, Mädel."

"Jepp." Sie setzte sich auf die Tischplatte und sah der "Blinden Kuh" bei erfolglosen Jagdversuchen zu.

Danach hatte niemand mehr richtig Lust noch etwas zu machen, und alle saßen herum oder lümmelten auf den Stühlen.

"Mrs Hamilton?", fragte Josh, der sich seit ein paar Minuten mit anderen Jungs beratschlagt hatte, "können wir mal ne Nachtwanderung machen? Also wer Lust hat."

Mrs Hamilton sah Mr Rush an. "Ich finde das ist keine schlechte Idee. Wer hat Lust?"

14 Finger gingen in die Höhe. "Okay. Zieht euch an, der Rest bleibt hier. Wir treffen uns in fünf Minuten am Haupteingang!"

Die 14 Schüler sprangen auf. Eine Nachtwanderung war mal ne Abwechslung!

Wenig später brachen sie auf. Mr Rush führte die muntere Gruppe an. Sie wanderten durch den Wald, durch den sie am ersten Tag schon einmal gekommen waren. Doch diesmal wählte Mr Rush eine andere Strecke. Rae hielt sich an Hal und El, da weder Tracy noch Deanna Lust gehabt hatten mitzukommen. Die verpassen was. Ist doch toll hier.

Sie sah sich um. Überhaupt waren nur wenig Mädchen mitgekommen. Insgesamt nur vier. Der Rest bestand aus Jungs.

Natürlich liefen Josh und seine Spießgesellen der Gruppe voran. Rae verringerte ihren Schritt und seufzte.

"Was ist los?" Sie zuckte zusammen. Spock lief auf ihrer Höhe und sah sie forschend und mit einem Gesichtsausdruck an, den sie absolut nicht einordnen konnte.

"Ich hab nur nachgedacht." Sie wandte den Blick ab und musterte intensiv die Bäume. Ihr Gesicht glühte schon wieder.

Verdammt. Was macht der nur mit mir? So oft werde ich doch sonst nicht rot. Und dieses Gefühl ist schon wieder da. Was mache ich bloß.... Sie beschleunigte ihre Schritte etwas. Spock sah ihr verwirrt hinterher. Vor zwei Tagen konnten wir doch noch ganz normal miteinander reden... Warum weicht sie mir jetzt aus?

Sein Herz fing an schneller zu klopfen, als er an das braunhaarige Mädchen dachte. Ich hab sie echt gern... aber anscheinend sie mich nicht... sonst würde sie doch nicht ausweichen, oder?

Mr Rush verließ jetzt so langsam den Wald und bog auf einen schmaleren Weg ein, der wieder am See vorbei führte. Da sich jetzt der Wald gelichtet hatte, sah man Sterne durch die Baumkronen leuchten.

Unbewusst seufzte Rae schon wieder. Spock, der immer noch hinter ihr herging, schüttelte den Kopf.

Irgend etwas bedrückt sie doch, sonst würde sie nicht so oft seufzen.

In der Ferne tauchte die Jugendherberge auf. Kurze Zeit später standen sie wieder im Eingangsbereich.

Umgehend wurden sie von Mr Rush zu Bett geschickt.

"Nacht", murmelte Rae Spock zu, ohne ihn jedoch anzusehen. Dann verschwand sie den Flur hinunter.

"Schlaf gut", flüsterte er, als Rae schon außer Sicht war.