Teil 2!
Sie zählt nicht, sie zählt nicht, sie zählt nicht! Diese drei Worte hallen immer wieder in meinen Ohren. Sie sind wahrscheinlich gesagt worden, ohne dass man sich viel dabei gedacht hat, oder etwa doch? War es Absicht? Wollten sie mir dabei wehtun? Wollten sie das? Nun ja, sie haben es geschafft! Ich will nicht mehr. Kann bald nicht mehr. Will weg, weg von ihnen, von der Schule, von diesem Horror. Sie kommen in die Klasse. Sie sind die ersten, nein doch nicht, ich bin auch da. Jeah ich bin dritter- nein bist du nicht, ich bin auch noch da. Sie zählt nicht! Ach nein, tu ich das nicht? Bin ich mein Mensch? Hab ich nicht die gleichen Rechte wie ihr? Seid ihr etwas Besseres? Bin ich es nicht wert, nur weil ich alleine bin?
Ich komme mir vor wie eine Schneeflocke. Eine Schneeflocke, die vom Wind immer weiter getragen wird, und weiter und weiter! Sie fliegt über all die Schneemassen hinweg. Überall die Gruppen, die Gemeinschaften. Doch wann kommt sie endlich zum Liegen, wann findet sie endlich ihren passenden Fleck- ihre Gruppe? Manchmal, wenn der Wind etwas nachlässt sinkt sie immer tiefer, zu einer Gruppe hinab, und freut sich, freut sich, endlich ruhen zu können und dann, dann kommt wieder der Wind und weht sie fort, weg von allen. Wann komme ich denn endlich zum Liegen? Wann finde ich endlich mein zu Hause? Wann?
Der Schnee ist ja an sich etwas Schönes. Doch wie viel steckt dahinter? Schneebälle, ja sie können Spaß bedeuten, aber auch Hass, Verachtung, Spaß auf einer, Leid auf der anderen Seite. Getroffen zu werden ist ja an sich nicht schlimm, nein. Es ist der Gedanke, der dahinter steckt. Es ist der Gedanke, der quält, der schmerzt!
Was wäre, wenn mir etwas passieren würde, wenn ich im Krankenhaus wäre? Würden sie sich überhaupt die Mühe machen mich zu besuchen? Mich aufzumuntern? Meine Einsamkeit zu verhindern? Würden sie um mich trauern, wenn ich sterben würde? Nicht nur so dahin trauern, wie man halt trauert, wenn jemand gestorben ist den man kannte, nein richtig trauern. Selbst nicht mehr leben wollen? Seine Fehler einzusehen? Alles so richtig zu bereuen? Würden sie das tun? Würden sie um mich trauern wie um einen ihrer guten Freunde? Wohl kaum- ich kann es nicht wissen, und ich will es auch nicht wissen. Ich will leben, richtig leben. Nicht nur als Körper, sondern auch als Seele. Nicht nur als Hülle ohne Inhalt, sondern als Inhalt mit Hülle als Verzierung. Ich bin doch noch so jung, ich will doch leben- richtig leben. Meine Jugend genießen. Doch wie soll das gehen, wie soll ich das schaffen, anstellen. Ohne jemanden. In den Momenten, wo ich etwas mit meiner Familie unternehme lebe ich. Dort lebe ich richtig. Sie sehen alle mich, mich ohne Maske, bei ihnen gibt es keine Maske! Doch mein Leben kann nicht nur aus Familie bestehen. Ja sicher, bei ihnen habe ich die Versicherung, dass sie mich nie verletzten werden, nie so sehr. Denn sie werden mich immer lieb haben, egal was passiert, egal was noch auf uns zukommt. Doch sie führen auch alle ein eigenes Leben, ein Leben ohne mich, mit Ihren Freunden. Wo bleibe ich dort, Wo? Alleine, alleine im Nichts, verloren.
Und dann kommt endlich mein Traum, der Traum vom perfekten Leben, vom fehlerlosen Leben, so fehlerlos es eben sein kann. Alles ist perfekt. Ich lebe, lebe nicht nur in der Freizeit, in der Zeit mit der Familie. Nein, ich lebe immer, immer. Ich freu mich in der früh auf die Schule, auf die Pausen, in der ich mit meinen Freunden alles und doch wieder nichts machen kann. Spaß haben kann. Und dann
.. dann wache ich auf. Die Schule beginnt. Ich bin müde, will nicht aufstehen, will zu Hause bleiben, will sie alle nicht sehen. Und doch muss ich in die Schule, es hilft nichts, ich kann es nicht ändern. Kann nicht immer zu Hause bleiben. Die erste Stunde endet, alle freuen sich- endlich Pause, endlich Spaß, endlich tratschen was das Zeug hält und ich, ich freu mich auf den Stundenbeginn. Sehne mir die nächste Stunde herbei, in der sie mich in Ruhe lassen, ich nicht alleine bin. Und vor allem sehne ich mir den Schulschluss herbei, wenn ich endlich wieder weg kann, weg von dem Horror. Mein Kalender- der wichtigste Tag in meinem Leben. Nein, nicht mein Geburtstag oder Geburtstag einer meiner Freunde, die ich nicht habe. Nein, der Tag an dem ich die Schule verlassen kann. An dem ich diese Klasse nie mehr wieder sehen muss. Nie mehr wieder die Schulbank mit ihnen drücken muss. Von allem weg kann, weg! Die Schule, die schule ist schön, der Schule fehlt nichts. Nein, es sind die Schüler von denen ich weg will. Doch sie Schüler sind in dieser Schule. Sie stehen automatisch mit ihr in Verbindung! Von den Schülern weg, heißt von der Schule weg. Sie verbirgt zu viele schlechte Erinnerungen. Viel zu viele. Und ich werde auch nicht dort bleiben, werde weggehen. Werde flüchten. Werde alles zurücklassen und mein altes Leben nicht vermissen. Keine einzige Sekunde. Keine einzige.
