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Dareios verzog seine edlen schmalen königlichen Lippen zu einem leisen Grinsen. Was er dachte, brauchte er nicht sagen, es stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Die Diener des Dareios verzogen keine Miene, vermutlich waren sie es gewohnt, zu schweigen und zu gehorchen. Denn daran, dass dieser persische Großkönig nur mit einer einzigen Bewegung eines einzigen Fingers Völker zum Handeln oder zum Nichthandeln zwingen konnte, zweifelte Alexander in diesem Moment nicht.

"Auf Grund gewisser körperlicher Eigenschaften, die du besitzt, halte ich es für angemessen, wenn du dich wieder auf deine Kniee begibst!" sagte Dareios dann einfach und es war überhaupt nicht nötig, Alexander zu zwingen, denn er tat, aus seltsamem Antrieb heraus, was Dareios forderte.

Tatsache war, dass ihn der Perser faszinierte.

Er hatte noch nie einen solchen Menschen gesehen, so fremdartig, so schön, so königlich. Und in diesem Moment fiel seine eigene Persönlichkeit von ihm ab, er war nicht mehr Alexandros von Makedonien, er war genau das, was der Perserkönig ihn nannte... und er hatte eh keinerlei Waffen bei sich, sich zu wehren, vermutlich würde der König ihn noch ein wenig verhöhnen und dann wieder gehen lassen.

Auf dem Schlachtfeld würde man sich wieder sehen, morgen.

Entkräftung durch Schlafentzug.

Wenn er das hätte haben wollen, hätte er besser Hephaistion nicht weggeschickt in dieser Nacht! Wäre besser gewesen, dachte Alexander, aber nun ist es so gelaufen.

Wie auch immer, es würde vorbei gehen. Wie jede Erniedrigung in Alexanders Leben, es ging immer vorbei und es kam immer ein neuer Tag, an dem die Sonne heller schien.

Vielleicht vermisste man ihn auch schon. Man konnte doch nicht einfach den König entführen!

Wie Alexander nun erfuhr, konnte man.

Dies war der Preis dafür, den er zahlte, wie ein einfacher Soldat zu sein. Dies war der Preis dafür, dass er sein wollte wie seine Männer, und dass es keinerlei Schutz für ihn gab, keine Wachen.

Dareios' Hand streckte sich aus und fuhr durch seine frischgewaschenen blonden Haare.

"Sehr schön", sagte er, "sehr schön. So fein und hell wie gesponnene Seide. Wie ein Mädchen. Und dieses Gesicht...", seine Hand fuhr fast zärtlich über die glattrasierten Wangen, "man würde nicht meinen, dass dies hier ein Mann ist. Und ich möchte es auch nicht meinen. Er ist ein Knabe, und zwar ein sehr schöner. Bagoas!" Ein dunkler, langhaariger Eunuch erschien, von wunderschönem orientalischen Aussehen und katzenhafter Anmut. "Bagoas. Bring diesen goldenen Knaben in mein Bett. Und bereite ihn vor."

Der katzenhafte Junge sah Alexander unter langen dunklen Wimpern mitleidig an.

"Folge mir in das Zelt, in dem Dareios zu ruhen pflegt!" sagte er dann in fast akzentfreiem Griechisch. Dareios schien diese Sprache zu pflegen, stellte Alexander verblüfft fest, doch folgen konnte er nicht, da seine Füße immer noch gefesselt waren.

Bagoas sah es und warf mit anmutiger Geste seine langen Haare zurück. "Oh, du kannst ja nicht gehen. Aber ob ich dich laufen lassen kann? Ich bezweifle es. Zürne mir nicht, doch ich werde dich tragen lassen."

Der Eunuch ließ zwei Wachen holen und befahl ihnen, Alexander in das Zelt des Großkönigs zu tragen.

Dort wurde Alexander auf das große Bett geworfen, das mit farbenprächtigen Kissen und Decken ausgestattet war und mit Pfosten, an die er gefesselt werden würde.

Und so war es. Bagoas und die Wachen befreiten Alexander von seinen Handfesseln und banden ihn erneut, dieses Mal an das Bett. Und Alexander ahnte mehr als Schlimmes, denn man band ihn bäuchlings.

Dann verließen die Wachen das Zelt und Bagoas entfernte den Knebel aus Alexanders Mund.

"Schhhhh..." flüsterte er und sah den makedonischen Gefangenen mit unendlichen, schwarzen Augen an. "Nicht schreien, das bringt dir nichts hier. Sei ruhig. Empfehle dich deinem Schicksal, das ist das Beste." Seine Hände glitten durch Alexanders Locken, streichelten sein Gesicht. "Du bist sehr schön, Sikander..." Bagoas lächelte und fuhr fort, leiser: "Ich würde dir gerne helfen, aber ich kann nicht. Er würde mich töten. Und dich auch. Tu jetzt, was ich dir sage, auch wenn es gegen deine Natur ist. Hast du schon einmal bei einem Mann gelegen?"

Hephaistion.

Alexanders Gedanken rasten zu seinem Gefährten, zu dessen blauen Augen, die ihn immer bittend angesehen hatten, verlangend, sehnsüchtig, aber nie hatte er ihm willfahren, sich ihm nie hingegeben, genau so wenig, wie er Hephaistion je gegeben hatte, was sich dieser gewünscht hätte. Vermutlich gewünscht hätte, denn sicher wusste es Alexander nicht. Es war nie mehr als Umarmen, die mehr oder weniger zufällige Berührung ihrer Hände, Blicke, Worte.

Hätte er doch...!

Doch diesen Gedanken schob er weit von sich, denn er hatte eben NICHT und nun war es zu spät. Nun würde etwas geschehen, was er in seinen schlimmsten Albträumen nie erwartet hätte, nicht nur, dass er das Höchste, was er je erstrebte, die Vereinigung mit einem geliebten Menschen, auf diese Art zum ersten Mal erleben musste, erniedrigt durch den Feind, nein, auch dies war unerhört, dass es der König der Perser sein musste, der ihn missbrauchen würde.

Hätte er doch...!

Aber Hephaistions Augen verblassten und Bagoas' Augen, wie glühende Kohlen, sahen ihn fragend an.

"Nein, ich habe noch nie bei einem Mann gelegen.", antwortete Alexander schließlich wahrheitsgemäß und seufzte.

Bagoas seufzte.

"Dann muss ich dir einige Dinge erklären. Und dir einige Dinge zeigen. Wenn ich das nicht tue, wird er dir sehr weh tun. Du kannst wenigstens das vermeiden. Möchtest du, dass ich dir das zeige? Oder möchtest du, dass ich jetzt gehe und Dareios Bescheid gebe, dass du in seinem Zelt bist?"

"Ich möchte, dass du es mir zeigst!" sagte Alexander schließlich, gequält und gebrochen. So endete also sein Traum von der Befreiung Griechenlands. Aber besser, der Eunuch half ihm, als dass er unnötig litt.

Bagoas lächelte, während er Öl in seinen Händen erwärmte.

"Das ist eine weise Entscheidung, Sikander. Du wirst es nicht bereuen, glaub es mir."

tbc