Legolas musste feststellen, dass ihm die Reise von Gondor viel kürzer vorgekommen war, als die Reise dahin zurück. Das mochte daran liegen, dass nun alle viel erschöpfter waren, oder dass ihn selbst die Wunde zu schaffen machte. Jedenfalls schien eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein, bis es endlich Abend wurde, und sie das Nachtlager vorbereiteten.

Er wollte sich ebenfalls daran beteiligen, aber angesichts einer Übermacht bestehend aus Ethuil und Aragorn gab er dann doch lieber nach und setzte sich an das Feuer, das gerade von Sam entfacht wurde. Bald darauf legte sich wie von Geisterhand eine Decke um seine Schultern, die er dann eng um sich schlang. Auch wenn es etwas an seinem Stolz nagte, so hieß er sie doch willkommen, weil die Sonne bereits untergegangen war. Nur leider konnte er den edlen Spender nicht ausfindig machen, und so ließ er es auch bald auf sich beruhen.

Er sah Sam dabei zu, wie er das Essen über dem Feuer bereitete, und warf auch ab und zu einen Blick auf die Anderen, die das Nachtlager herrichteten. Er wollte ihnen helfen, aber er spürte Ethuils Blicke, die genau auf ihn achtete und ihn sofort mit Argumenten bewerfen würde, sobald er sich regte. So blieb ihm nichts Anderes übrig, als weiterhin hier zu sitzen und Sam zuzuhören, der ihm genau erklärte, wie das Essen zubereitet werden musste. Ab und zu warf er ein paar Worte dazu ein, aber irgendwie hörte er ihm doch nur halb zu. Müdigkeit hatte sich über seine Glieder gelegt und zwang sogar ab und zu seine Augenlider nieder.

Einmal musste er sogar ein paar Sekunden geschlafen haben, denn plötzlich saß Ethuil neben ihm und war gerade dabei, sich die Decke auch um ihre Schultern zu legen. Er seufzte und rückte etwas näher heran, um ihr dabei zu helfen und einen Arm um sie zu legen. Sie lächelte ihn dankbar an, und er nutzte die Gelegenheit, ihr einen kleinen Kuss zu geben. Wie sehr hatte er das vermisst.

"Ich hätte nie gedacht, dass unser Legolas ein Turteltäubchen ist", erklang plötzlich die Stimme von Gimli, der sich von ihnen ungesehen neben Sam niedergelassen hatte und schon etwas von dessen Essen verzehrte. Dabei grinste er über das ganze Gesicht und freute sich wohl sehr darüber, endlich wieder etwas gefunden zu haben, womit er seinen Freund aufziehen konnte.

"Obwohl er ja in jeder Stadt ein Mädchen haben könnte", erwiderte nun auch Aragorn, der sich gerade zu ihnen gesellte. "Ich gebe es ja nur ungern zu, aber unser elbischer Freund hat etwas an sich, bei dem jede Frau schwach werden könnte, wenn er nur ein wenig mehr aus sich herauskommen würde. Elbischer Charme zieht immer."

"Bei ihm funktioniert das aber auch nur so gut, weil er neben mir so groß aussieht." Gimli toastete dem künftigen König zu und bedankte sich so für dessen Unterstützung. "Außerdem geht so etwas von meinem Charme auf ihn über, und nur so erscheint er so unwiderstehlich. Ohne mich wäre er hoffnungslos verloren und würde auf ewig allein durch die Wälder ziehen."

"Also ein Elb mit zwergischem Charme und vielleicht noch der Zungenfertigkeit der Menschen?" mischte sich nun Ethuil in ihre kleine Unterhaltung ein. "Dann vereint er alle guten Eigenschaften in sich? Habe ich das richtig verstanden?" Sie sah die beiden Männer genau und durchdringend an, bis sie sich zu einem Nicken durchringen konnten. "Dann ist er also doch das Beste hier, und ich habe die richtige Wahl getroffen. Danke, meine Herren, so ein Kompliment nehme ich gern an."

Nun war es Legolas, der lachen konnte, während Gimli und Aragorn nur sprachlos auf Ethuil starrten. Sie wussten ja bereits, dass sie schlagfertig war, aber nicht, dass sie ihnen auch die Worte im Mund herumdrehen konnte, und nun hatten sie auch diese Seite an ihr kennen gelernt. Dies war eine Eigenschaft, die man bei den Frauen nicht sehr oft finden konnte, erst recht nicht bei Elbenfrauen, umso mehr verwunderte sie es, dass sich gerade der ausgeglichene Legolas so eine Frau als Gefährtin ausgesucht hatte.

"Lass das aber ja nicht Gimlis Auserwählte hören. Sie hat nämlich bestimmt eine ganz andere Meinung. Und ich weiß ja, wie gern du dich streitest." Legolas hatte sich nun endlich wieder so weit beruhigt, dass er ihr dies an den Kopf werfen und Gimli davon abhalten konnte, ihn zu fragen, ob er denn unter ihrem Pantoffel stehen würde. Nun hatte dieser keine Gelegenheit mehr dazu, und außerdem hatte Legolas gerade etwas erwähnt, dass eigentlich niemand wissen durfte, dementsprechend geschockt sah Gimli zu seinem großen Freund.

"Wenn du nicht gerade schnarchst, sprichst du im Schlaf", antwortete dieser zufrieden lächelnd, denn er hatte es geschafft, ihn sprachlos zu machen. Und das sogar für eine beachtliche Zeit, denn noch immer wurde er von Gimli mit großen Augen und offenen Mund angestarrt. Merry und Pippin, die nun ebenfalls den Weg zum Lagerfeuer gefunden hatten, starrten nun ihrerseits Gimli an, denn diesen Anblick hatten sie noch nie genießen dürfen.

"Sieh ihn dir an, Legolas, er ist ja recht schnell ruhig zu stellen", lachte Ethuil und machte sich wirklich einen Spaß daraus, diesen Moment auszukosten. "Und der Rest ist ja auch gerade nicht sehr gespächig. Sind sie immer so?" Nun sah sie ihn fragend und gespielt traurig an. "Und sie hast du mir vorgezogen, als du dich dafür entschieden hast, dich der Gemeinschaft anzuschließen?"

"Nun ja, wäre da nicht die Sache mit dem Ring gewesen, dann hätte ich mir das wohl auch noch anders überlegt." Legolas sah in die Gesichter seiner Freunde und musste sich ein Lachen verkneifen, denn er konnte ihnen sehr gut ansehen, dass sie gerade an sich, an ihm oder sogar an der Welt zweifelten. "Aber wenn du sie dann besser kennst, wirst du feststellen, dass man es doch mit ihnen aushalten kann."

Ethuil nickte dazu, aber konnte nichts mehr sagen, denn sie hatte seiner Stimme angehört, dass er es nicht nur mit ihnen aushielt, sondern dass sie sogar einen Platz in seinem Herzen hatten, den sie auch für immer behalten würden. Irgendwie hatte sie ihnen immer die Schuld dafür gegeben, dass er so lange von ihr fort gewesen und sogar beinahe getötet worden war, aber jetzt wusste sie, dass er damals die richtige Entscheidung getroffen hatte.

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Legolas hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde, als sein Vater ihn in Elronds Reich geschickt hatte, um den Düsterwald und dessen Herrscher zu vertreten. Er hielt dies eher für eine weitere Gelegenheit, der Diplomatie zu frönen, sich stunden- und tagelang zusammenzusetzen und unnütze Reden zu schwingen. Er war noch nie ein Freund solchen Zeitvertreibs gewesen, und so war er nicht gerade begeistert von diesem Auftrag gewesen. Außerdem trennte er ihn von Ethuil, die nun ganz allein seinem Vater Rede und Antwort stehen musste, da dieser sie im Bett von Legolas vorgefunden hatte, und das, ohne vorher ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Wenn dies bekannt wurde, war dies der erste Skandal im Königshaus seit über drei Jahrhunderten, und so musste schnell eine Lösung gefunden werden. Alllerdings ohne Legolas, was ihm überhaupt nicht gefiel.

Doch dies alles war vergessen, als er sah, wer noch alles an der Besprechung teilnehmen würde. Menschen, Zwerge, ein Zauberer und sogar ein kleiner Hobbit, der mitten in der Versammlung recht verloren aussah. Legolas grämte sich nicht mehr, hierher geschickt worden zu sein, was wohl auch daran lag, dass er endlich seinen alten und langjährigen Freund Aragorn wiedersehen durfte. Dieser freute sich natürlich auch, aber ein Schatten der Sorge hatte sich über sein Gesicht gelegt. Das überzeugte Legolas nun endgültig davon, dass dies keine dieser langweiligen Besprechungen werden würde.

Voller Entsetzen hörte er die Anderen über den Einen Ring sprechen, der vor ihnen allen auf dem Podest lag und sie alle in die Dunkelheit stürzen konnte, und nun wusste er ganz genau, dass das nicht im Geringsten eine der Besprechungen war, an denen er bisher teilgenommen hatte. Es war auch noch nie so etwas in der Art passiert, nicht einmal ansatzweise. Ein Teil von ihm weigerte sich, dies alles zu glauben, und gab auch Boromir Recht, der den Ring gegen Sauron einsetzen wollte, bis dann Gandalf seine Stimme erhob.

"Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul, ash nazg thrakatulûk, agh burzum-ishi krimpatul!"

Legolas hatte noch nie so etwas gespürt wie das, was nun durch seinen Körper jagte, als Gandalf diese Worte aussprach. Er wusste, was das Böse war, aber er hatte es noch nie so intensiv gespürt. Es kroch unter seine Haut, setzte seine Nerven schmerzvoll in Brand und löschte gleichzeitig sämtliches Gutes in ihm aus. In ihm wuchs der Wunsch, sich und alle Anderen sofort und auf der Stelle dem Tod zu überlassen, und dieser Wunsch war so groß wie keiner zuvor. Fast setzte er ihn in die Tat um, als das Gefühl so plötzlich verschwand, wie es aufgetaucht war, und er endlich wieder atmen konnte.

Geschockt schaute er sich um und erkannte, dass es den Anderen wohl auch so ergangen war, während Gandalf erklärte, dass dies nur ein Vorgeschmack gewesen war. Jetzt würde auch der Letzte von ihnen wissen, worum es wirklich ging, und Legolas schwor sich, alles dafür zu tun, damit das Böse nie Besitz vom Mittelerde nehmen würde, als er plötzlich eine Stimme hörte, die nicht hierher gehörte, da deren Inhaberin nicht anwesend war, und die ihn fast zusammenzucken ließ.

"Was war das? Wo kam das her?" beschwerte sie sich lautstark, und Legolas konnte beim besten Willen nicht herausfinden, woher die Stimme kam. "Ich habe noch nie so etwas Schreckliches erlebt..."

Während sie sprach, und er sich darauf konzentrierte, konnte er auch so langsam die Gefühle spüren, die dabei von ihr empfunden wurde. Sie hatte Angst, war verwirrt und verstand wohl genauso wenig wie er, was hier gerade passierte. Er dagegen erkannte langsam, dass ihre Verbindung von nun an viel tiefer gehen würde als jemals zuvor.

"Ethuil? Kannst du mich hören?" rief er in Gedanken und hoffte, dass diese Verbindung auch dafür stark genug sein würde. "Ich bin es. Das alles kam von mir. Es tut mir Leid, wenn ich doch erschreckt habe."

"Legolas? Was hat das zu bedeuten?" Noch immer klang sie sehr verwirrt. "Sind das deine Gedanken, die ich hier höre?"

"Ja, und ich höre deine", antwortete er innerlich jubelnd, während er versuchte, den Gesprächen der Anderen zu lauschen. Sie beide mussten das Ganze erst einmal verdauen und einigten sich darauf, es später noch einmal zu versuchen, sodass sich Legolas auf die Besprechung konzentrieren konnte, und Ethuil die Zeit nutzte, um Thranduil darüber auszufragen, ob so etwas schon einmal zwischen Elben geschehen war.

Es war dann bereits Abend, als sich Legolas an einen ruhigen Platz zurückzog und dort der Sonne in ihren letzten Minuten zusah. Es war immer wieder faszinierend, wie schnell und wunderschön sich ihre Farbe vom hellen Gelb in ein tiefes Rot verwandelte, bevor sie sich für diesen Tag verabschiedete. Er genoss es immer wieder, aber dieses Mal musste er seine Gedanken davon losreißen, und ließ noch einmal die Geschehnisse der letzten Stunden Revue passieren.

Noch völlg von dem geheimen Gedankenaustausch mit Ethuil überrascht, hatte er es trotzdem geschafft, sich selbst den Ernst der Lage klar zu machen. Dadurch war es auch eine Selbstverständlichkeit für ihn, sich der Gemeinschaft anzuschließen, die den Ringträger begleiten und beschützen sollte. Von ihm hing nun alles ab, und Legolas wollte und musste einfach alles dafür tun, damit er seine Aufgabe erfüllen konnte. Auch wenn es nicht gut dafür aussah, dass er dies schaffen würde.

Aber er wusste auch, dass Ethuil von seiner Entscheidung nicht im Geringsten begeistert sein würde. Sie wollte ihn sicher und bei ihr wissen, und er wäre auch viel lieber in ihren Armen als im Kampf gegen eine unbekannte Macht, aber es gab nun einmal Pflichten, die erfüllt werden mussten. Wozu auch das kommende Gespräch zählte, und so rief er nun wieder in Gedanken nach ihr.

"Du hast keine guten Neuigkeiten für mich, nicht wahr, Legolas?" Ihre Antwort klang ruhig und gefasst, schon fast zu ernst, und so wusste er, dass sie seine Entscheidung bereits geahnt hatte. Auch wenn sie sich noch nicht so lange kannten, so kannte sie doch sein Herz gut genug, um zu wissen, dass er etwas dagegen unternehmen musste, wovon sie selbst noch vor Kurzem etwas zu spüren bekommen hatte.

"Nein, und ich wünschte, es wäre nicht so", lautete seine ehrliche Antwort, und er schickte alle Gefühle zu ihr, die er mit diesem Satz verband. Bedauern, Sehnsucht, und ganz viel Liebe. Mehr, als er selbst dachte, für sie in sich zu haben, und mehr, als sie jemals von ihm erwartet hatte. Das überraschte sie beide so sehr, dass plötzlich Schweigen zwischen ihnen und ihren Gedanken herrschte.

"Ich auch, melamin, ich auch..." Wäre es hier und jetzt nicht so unglaublich still gewesen, hätte Legolas ihren Gedanken überhört, aber so war er nur zu deutlich für ihn. Außerdem war inzwischen so viel Zeit vergangen, dass er schon befürchtet hatte, überhaupt nichts mehr von ihr zu hören. Doch jetzt konnte er endlich aufatmen, bis auch die Gefühle, die zu ihren Worten gehörten, bei ihm eintrafen, und ihn wohl mit der selben Wucht trafen, wie seine Gefühle sie getroffen hatten. Genau wie bei Gandalfs Worten hatte er noch nie so etwas gespürt, doch diesmal war es das genaue Gegenteil davon. Er hätte nie geglaubt, dass jemand so viel Liebe empfinden konnte, bis zu dem Moment, als er ihr seine Gefühle gesendet hatte.

"Dann...sollte ich auf mich aufpassen, damit ich bald und gesund zu dir zurückkehren kann?" Seine Worte halfen über diesen Moment, bei dem sie beide nicht so recht wussten, wie sie damit umgehen sollten. Und Ethuil war ihm dankbar dafür.

"Das will ich dir aber unbedingt geraten haben", erwiderte sie und schickte ihm ein Lächeln. "Du willst bestimmt nicht diese Seite von mir kennenlernen, die dann zum Vorschein kommen würde. Sie kann nämlich sehr unangenehm werden. Für dich, für mich und sogar für unsere Umgebung."

"Ich will jede Seite von dir kennenlernen, melamin." Diese Antwort klang ernster als sie hätte klingen sollen, und schon legte sich wieder Stille zwischen sie. "Und ich will diese Seiten jetzt kennenlernen, aber ich kann nicht", zwang er sich weiterzusprechen. "Doch ich weiß, dass ich das eines Tages werde, genau wie du meine Seiten kennenlernen wirst. Jede einzelne davon. Daran kann auch Sauron nichts ändern."

"Sonst bekommt er es mit mir zu tun." Wieder konnte sie sich einen entsprechenden Kommentar nicht verkneifen, aber wurde gleich darauf wieder ernst. "Ich liebe dich, Legolas..."

"Ich liebe dich auch, Ethuil..."

Noch nie hatten sie dies ausgesprochen, aber kein Moment schien dafür richtiger zu sein als dieser. Auch wenn sie körperlich getrennt waren, so hatten sie nun doch diese Verbindung ihrer Gedanken, die ihnen durch die nächste Zeit helfen würde. Und das mehr als sie jetzt schon ahnen konnten.