"Schlafen sie nun noch, oder nicht? Das kann man bei diesen Spitzohren nie sagen. Sie sind aber auch die einzige Rasse, die mit offenen Augen schläft."
Es war Gimlis Stimme, die Ethuil aus dem Schlaf riss, und langsam klarte sich nun auch ihr Blickfeld. Nun konnte sie auch erkennen, wie er sich über sie beugte, und wie Aragorn neben ihm auftauchte, um wie Gmli einen prüfenden Blick auf sie und Legolas zu werfen, den sie in ihren Armen spüren konnte.
"Legolas schläft noch, aber sie ist wach", antwortete Aragorn mit einem Grinsen, das ihr galt, und verschwand wieder. Dafür lag nun Gimlis prüfender Blick wieder auf ihr, und er schmälerte die Augen, da er sich hereingelegt fühlte. Schließlich wusste er nicht, seit wann sie wach war, und traute ihr durchaus zu, ihn die ganze Zeit beobachtet und belauscht zu haben.
"Guten Morgen", presste er etwas missmutig hervor und warf noch einen prüfenden Blick auf Legolas. Wir würden gern weiterziehen, aber nur, wenn dein dir Anvertrauter dazu in der Lage ist. Dass er gestern einfach so eingeschlafen ist, hat uns gezeigt, dass er sich wohl doch nicht so gut einschätzen kann. Aber du kannst es. Also halte ihn bitte auf, wenn du glaubst, dass er noch Ruhe braucht. Und wenn du ihn anlügen musst."
Er klang tatsächlich besorgt und hielt Legolas die ganze Zeit über im Auge, während sich langsam ein Lächeln auf Ethuils Gesicht stahl, denn sie hatte noch nie einen Zwerg gesehen, der sich so um einen Elben sorgte. Sie waren tatsächlich Freunde, obwohl sie es beide ungern und nur in aussichtslosen Situationen zugaben.
"Ich kann mich jederzeit richtig einschätzen und sage jetzt, dass wir weiterreiten", erklang plötzlich die Stimme von Legolas, und im nächsten Moment erhob er sich auch schon in eine sitzende Haltung. "Und solltest du, Gimli Gloinssohn, jemals wieder meine Verlobte zum Lügen anstiften, werde ich dich bis nach Mordor zurückjagen. Und glaube mir, auch dazu fühle ich mich wieder in der Lage."
"Wer gesund genug für schlechte Laune ist, kann auch wieder reiten", war alles, was Gimli dazu sagte, bevor nun auch er verschwand, aber trotzdem konnte er das erleichterte Lächeln nicht verstecken, das auch gleich von Ethuil entdeckt wurde. Dann erhob auch sie sich und sah den Anderen eine Weile beim Abbruch des Lagers zu.
"Ist das eure Art, euch Guten Morgen zu sagen?" fragte sie dann dabei und hatte Mühe, ihr Grinsen zu verstecken, denn sie war so froh, dass Legolas in dem Zwerg einen Freund gefunden hatte. Gimli hatte nämlich die Wirkung auf ihn, dass er ihr Seiten von sich zeigte, die sie noch gar nicht kannte. Und Gimli ging es durch ihre Anwesenheit wohl auch so.
"Ja, aber nur an guten Tagen", antwortete Legolas, als Gimli außer Hörweite war, und stemmte sich in die Höhe. Dann half er Ethuil auf die Beine und wünschte ihr mit einem Kuss einen Guten Morgen.
"Dann bin ich ja beruhigt", lächelte sie ihn an und hielt ihn einfach einen Moment länger fest. "Denn wäre das eure Begrüßung an schlechten Tagen, müsste ich befürchten, dass ich nicht die Einzige bin, die einen Kuss bekommt."
"Du bist die Einzige, und wirst es auch bleiben." Legolas wusste, was sie jetzt hören wollte, und er wusste auch, was ihr Lächeln zu bedeuten hatte, aber trotzdem fiel es ihm etwas schwer, es zu erwidern. "Das habe ich dir schon bei unserem Abschied gesagt, und es wird auch immer Bestand haben."
Auch Ethuils Gedanken wanderten nun zu dem Augenblick zurück, als er aufgebrochen war, um an Elronds Rat teilzunehmen, und so verschwand auch ihr Lächeln nun langsam. Sie hatte schon damals geahnt, dass es kein Abschied für nur ein paar Wochen sein würde. Und sie hatte gefürchtet, dass das, was sie beide verband, zu schwach für eine längere Trennung sein würde. Aber zum Glück hatte sich dies nicht bestätigt.
"Ich weiß, Legolas", konnte sie ihm endlich antworten und studierte dabei sein Gesicht, dass sie beinahe nicht mehr hätte betrachten können. "Und wie damals sage ich dir jetzt, dass auch du der Einzige bist, dem ich meine Küsse schenke."
Doch dann blitzte es plötzlich in ihren Augen auf. "Allerdings muss ich dir ein Geständnis machen. Es gibt noch einen anderen Mann in meinem Leben, den ich zumindest ab und zu, dann aber nur auf die Wange oder die Stirn küsse." Sie grinste, als er die Augen schmälerte, aber dieser Moment dauerte leider nur kurz.
"Ich gönne deinem Vater diese Küsse, solange er es mir gönnt, dich an meiner Seite zu wissen." Er hatte ihr Spiel schnell durchschaut und auch noch schnell seinen Heiratswunsch zum Ausdruck gebracht.
Typisch Legolas.
"Er wird stolz sein, dich als seinen Schwiegersohn zu haben", erwiderte Ethuil und ließ ihre Finger ihrem Blick folgen. "Außerdem wird er gerade mit deinem Vater über den Ablauf der Hochzeitszeremonie diskutieren."
Legaols runzelte die Stirn. Aber sie wissen doch noch gar nichts davon."
"Melamin, du redest da von deinem Vater, der wusste, dass ich in deinem Gemach war, bevor er mich überhaupt gesehen hatte", grinste Ethui zurück.
Auch Legolas grinste nun und fing ihre Finger ein, um kleine Küsse darauf zu setzen, als er von der tiefen Stimme seines Zwergenfreundes gestört wurde, der lautstark verkündete, dass eigentlich alle zum Aufbruch bereit wären, aber von zwei Personen aufgehalten wurden. Also mussten sie sich schweren Herzens trennen und ihre Pferde besteigen, aber ihre Gedanken weilten während des Rittes am selben Ort und zur selben Zeit.
Als sie sich zum ersten und hoffentlich letzten Mal verabschiedet hatten.
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Die Nacht war viel zu früh vorbei, und die Nachricht, die Thranduil seinem Sohn überbracht hatte, viel zu schlecht, da sie mit einem Auftrag und der Abreise von Legolas verbunden war. So blieb Ethuil nichts Anderes übrig, als allein den Sonnenaufgang zu betrachten, während sich Legolas für die Reise rüstete.
Legolas war schon öfter wegen einer Ratssitzung zu Elrond gereist und wusste daher, dass dies nur ein paar Wochen dauern würde. Aber Ethuil ahnte, dass viel mehr dahinter steckte, was Legolas entweder nicht bemerkte, oder es ihr nicht zeigen wollte, da er es auch ahnte. Je länger sie darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie in ihrer Annahme, dass ihnen eine lange Tennung bevorstand. Zu lang für ihr junges Glück.
Nervös wanderte sie auf der Palisade auf und ab, wartete auf einen Abschied, der zu früh kam, und machte sich auch Sorgen um Legolas, denn sie beide wussten nicht wirklich, was ihn erwartete. Am liebsten hätte sie ihn begleitet, um ihm beizustehen, aber das stand ihr erstens nicht zu, und zweitens musste sie ihren Vater davon überzeugen, dass es noch nicht Zeit dafür war, in die ewigen Lande zu reisen.
Völlig in Gedanken versunken bemerkte sie nicht die anderen Elben, die ihren Weg kreuzten, aber Legolas bemerkte sie sofort, obwohl er sich von hinten näherte. Irgendwie hatte sie ihn gespürt und auch sofort gewusst, dass er es war, aber sie war viel zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, um dies zu realisieren. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm mit gemischten Gefühlen entgegen.
Bald stand er in seiner Reisekleidung und voll bewaffnet vor ihr, und schon allein der Bogen und die Kurzschwerter sagten ihr, dass auch er mehr als einen diplomatischen Besuch erwartete. Aber er würde dies wohl nie zugeben.
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Vater bald mit dir sprechen möchte", sagte er und versuchte dabei ein Lächeln. "Aber ich bin mir genauso sicher, dass du ihn um deinen Finger wickeln wirst. Sei einfach du selbst, und er wird dich mögen."
"Ich habe damit wohl die leichtere Aufgabe von uns beiden." Auch Ethuil versuchte ein Lächeln, aber scheiterte daran mehr als er. Außerdem spielte sie nervös mit ihren Fingern und hätte ihn am liebsten angefleht zu bleiben. Aber das hätte ihr Stolz nicht zugelassen, und außerdem hätte er sie auch nicht erhört. Er musste diesen Auftrag erfüllen. Das war seine Pflicht.
"Ich komme zurück. Das verspreche ich dir." Legolas nahm ihre Hände in seine und brachte sie so zur Ruhe, aber ihn beruhigte das nicht, denn es zeigte ihm, dass er nicht der Einzige mit einer bösen Vorahnung war. Zum Glück hatte sie nicht Thranduils Worte gehört, als sie sich verabschiedet hatten, denn dieser hatte ihm offenbart, dass es diesmal um wirklich wichtige Dinge gehen sollte. Und die Gerüchte um Mordor waren auch Legolas zu Ohren gekommen.
"Aber ich kann nicht versprechen, hier auf dich zu warten, denn Vater will ich in den Westen schicken", erwiderte sie traurig und spielte nun mit seinen Fingern. "Und wenn sich die Gerüchte bewahrheiten, kann auch ich nichts mehr dagegen sagen."
"Dann werden wir uns dort wiedersehen", entgegnete er. "Wann auch immer. Wir werden wieder vereint sein. Auch das verspreche ich dir. Und ich verspreche, dass ich niemandem außer dir meine Küsse schenken werde. Jetzt und für immer."
"Und ich schenke... Was?" Schon hatte sie völlig automatisch seine Worte wiederholen wollen, als sie plötzlich mehr in ihnen hörte. War dies wirklich so oder bildete sie sich das nur ein? Aber warum sollte sie das tun? Glaubte sie daran, weil es ihr so ging? Aber kannten sie sich nicht zu kurz dafür? Sicher, sie hatten bereits eine Nacht zusammen verbracht, aber das war mehr leichte Annäherung mit einem abrupten Ende wegen eines überraschenden Besuches gewesen. Reichte das aus?
"Und ich schenke...nur dir meine Küsse", erwiderte sie nun endlich, als sie sich klar darüber geworden war, dass auch sie mehr mit diesen Worten versprach und es auch wirklich wollte. Sein erleichtertes Lächeln daraufhin besiegelte ihren Bund, und so küssten sie sich ein letztes Mal für eine lange Zeit, die viel länger wurde, als sie sich erhofft und vorgestellt hatten.
Aber letzten Endes hatten sie auch dies überstanden.
