3. Kapitel: Nora Jane Phillips

Etwas erschöpft lehnte sich Draco an einen Baumstamm. Um ihn herum war es still und sein rasselnder Atem war alles was er hörte, und, was sich bewegte.

Es war nämlich Nacht; Eine rabenschwarze, stern- und mondlose Nacht.

Während er am Stamm runterrutschte und sich auf den mit Raureif bedeckten Boden setzte, dachte er an die Strecke nach, die er von diesem Nachmittag an gegen 19 Uhr, bei seiner Abreise von Hogwarts, bis jetzt zurückgelegt hatte.

Unglaubliche 800 Meter.

Mit ausgestreckter Hand, einem leuchtenden Zauberstab darin und angespannt bis in die kleinste Sehne seines Körpers setzte er seinen Weg durch den düsteren Wald fort.

Nicht in irgendeinem Wald.

Nein, es war dieser Wald.

Der verbotene Wald.

Um ihn zu erreichen hatte er ungefähr 3 Stunden gebraucht:

Nach dem Gespräch mit Dumbeldore hatte er sich in sein Zimmer verzogen und dort den Brief geöffnet. Wie er erwartet hatte waren in ihm Anweisungen, die er befolgte.

Er sollte sich um 19 Uhr in der Großen Halle einfinden, wo ihn ein Mann mittleren Alters in einem schwarzen Umhang erwartete, ihn deutete ihm zu folgen und Draco in eine von Hippogreifen gezogene Kutsche bugsierte. Der Mann selbst bestieg den Kutschbock und ohne zu wissen, wohin die Reise gehen würde hoben sie ab.

In den Brief stand weiterhin, dass als Grund für sein doch ziemlich plötzliches Verschwinden der durch schwere Krankheit bevorstehende Tod seiner Mutter angegeben werden würde. Dies war eine der vielen Aussagen des Briefes, die Draco beunruhigten.

Als die Kutsche landete, fand sich Draco in einem kleinen Kaff wieder. Um dieses Dorf waren ausschließlich Felder.

Draco sah auf die Uhr einer kleinen Kirche, welche die anderen „Gebäude" bei weitem überragte.

Es war 20.15 Uhr.

Noch bevor er sich weitere Fragen (Wie: Wo bin ich eigentlich? Wie heißt dieses verdammte Kaff? Oder: Was zum Teufel hat das eigentlich mit der Geschichte zu tun?!?) stellen konnte, war der Fahrer der Kutsche, welcher es immer noch vorzog zu schweigen, von selbiger abgestiegen und hatte ihm am Arm bepackt.

Der Ruck, der durch seine Glieder ging, löste, nach der langen im Sitzen verbrachten Fahrt eine Schwindelattacke aus und Draco konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor dem anderen zu setzten, um mit dem Unbekannten mitzuhalten, so dass er nicht viel von seiner Umgebung mitbekam.

Als er sich wieder zu Recht fand, stand er außerhalb des Dorfes an einem riesigen Maisfeld, in welches er auch prompt hineingezogen wurde.

Während er sich noch fragte, wie der Kutschenfahrer sich hier überhaupt zurechtfinden konnte, hielt dieser ohne Vorwarnung an und Draco fiel seinem Vordermann in den Rücken.

Der grunzte nur grimmig, deutete auf eine Kiste, die etwas versteckt zwischen den Maisstauden stand und dann auf den Brief, welchen Draco immer noch in der Hand hielt.

Dann war er auch schon verschwunden.

Leicht irritiert überlegte der alleingelassene Draco erst, was er jetzt tun sollte, entschloss sich aber dann, die schlichte, längliche Kiste zu seinen Füßen einfach mal ihres Inhalts zu berauben.

Zum Vorschein kamen ein Feuerblitz, den er einen Augenblick lang in seiner Hand wiegte, seinen Augen nicht trauend, und – ein Tarnumhang.

So langsam hatte er eine Ahnung, woraus das Ganze hinaus laufen würde.

Der Blick auf den Brief bestätigte seine Vermutung.

Die Text hatte sich inzwischen geändert.

Die neuen Anweisungen lauteten in etwa:

„Schwing dich unerkannt in die Lüfte, dein Gaul kennt den Weg."

Nun gut, dachte sich Draco, legte sich den Mantel um, klemmte sich den Besen zwischen die Beine und überlegte sich noch einmal angestrengt, warum er dass alles tat.

Die Antwort fiel ihm sofort ein, und mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck stieß er sich vom Boden ab um sich sogleich von einem magischen Wind geführt zu fühlen.

Der Grund war Evelyn…

----------------------------------------

Tja, und das war dann auch schon die ganze Geschichte.

Er war hier gelandet, am Rande des Verbotenen Waldes, 2 min von Hogwarts entfernt.

Natürlich war ihm klar, dass dieses Manöver der Abschüttelung von eventuellem Gegner gedient hatte, aber geärgert hatte es ihn trotzdem.

Und er war ja noch lange nicht am Ziel.

Das hier konnte unmöglich der eigentliche Treffpunkt sein.

Energisch stieß er sich vom Stamm ab und drehte sich mit dem Gesicht zum Baum.

Wie in dem Brief beschrieben, legte er seine rechte Hand auf die Rinde.

Ein kleines, Goldschimmerndes Wesen stieg aus dem Stamm hervor.

Eine Gartenfee.

Ungerührt betrachtete Draco das zerbrechlich wirkende Geschöpf. Sie wurden Gartenfee genannt, weil sie sich mit Vorliebe in farbenfrohen Blumen einquartierten. Viele Muggel glaubten fälschlicherweise, dass es sich bei dem Feen um Nymphen handeln würde, doch diese waren zu scheu, um aus ihren dichten Wäldern herauszukommen, geschweige denn, sich in der Nähe von Menschen niederzulassen.

Sacht begannen die durchsichtigen Flügel der Fee zu schlagen, und spielerisch flog sie ins Innere des Waldes.

Seufzend folgte Draco ihr.

Eine Gartenfee zeigte ihm den Weg!

Man, dieses Mädchen musste ihm echt viel bedeuten!

………..

Mühelos sprang Draco nun schon seit gut zehn Minuten über Wurzeln und umgefallene Baumstämme.

Während er der Gartenfee folgte, versuchte er sich auf das Treffen mit seinem Vater vorzubereiten.

Ihm war nicht wirklich gut zumute bei dem Gedanken, von ihm unterrichtet zu werden.

Wirklich nicht.

Ein schriller Schrei holte ihn aus seinen Gedanken.

Er hob den Kopf und sah geradeaus. Zuvor hatte er den Boden vor sich im Auge behalten, um nicht zu fallen.

Jetzt richtete Draco seine volle Aufmerksamkeit wieder nach vorne.

Die kleine Fee schwebte bewegungslos vor ihm.

Er musste die Augen etwas zusammenkneifen, um die riesige, unförmige Gestalt vor ihr aus der Dunkelheit heraus zu erkennen.

Vorsichtig trat er näher.

Jetzt, wo er seine Umgebung genauer wahrnahm, hörte er ein röchelndes Geräusch.

Irgendwie hörte es sich an, als würde irgendetwas überdeminsionales… schnarchen.

Dracos Neugierde war geweckt, und während er überlegte, welche Art von Tier solche Geräusche machte, trat er weiter nach vorne.

Als ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, flog ihm plötzlich etwas in den Weg.

Irritiert taumelte er zurück.

Die kleine zerbrechliche Fee, grade mal so groß wie sein Daumen, hatte alle Glieder von sich gestreckt und stellte sich in ihm in den Weg.

„Was soll das?", zischte Draco sie kalt an.

Man stellte sich ihm nicht einfach so in den Weg, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Die Fee wich zwar etwas verängstigt zurück, doch nicht zur Seite.

Gartenfeen waren auf Grund ihrer schwachen Magie nicht in der Lage, mit Menschen zu sprechen. Sie konnten sie zwar verstehen, doch mehr als nicken oder Kopf schütteln war nicht drin.

Was wollte sie von ihm? Wusste sie, was dort vorne, keine fünf Meter mehr entfernt, vor ihm lag?

Eine Antwort sollte er schnell gekommen, denn das Schnarchen hatte aufgehört.

Aber Stille herrschte trotzdem nicht.

Ehrlich gesagt wäre Stille Draco in diesem Moment sehr viel lieber gewesen, als dieses beunruhigende, forsche, raubtierartige Grunzen fast direkt über seinem Kopf.

Ganz langsam, und schon fast gegen seinen Willen wandte Draco seinen Blick von der Fee und sah nach oben.

In zwei Augen.

In zwei riesige, Rotleuchtende, zu engen Schlitzen gepresste Augen.

„Ganz ruhig", sagte Draco, mehr zu sich selbst.

RUHIG?!?

Wie soll man da ruhig bleiben???

„Ich werde dir nichts tun, und du mir nicht, abgemacht?"

Ganz langsam, und so unauffällig wie möglich ging Draco langsam rückwärts. Seine Hand, in der er immer noch den leuchtenden Zauberstab hielt, verkrampfte sich.

Normalerweise müsste er den Lumos-Zauber löschen, bevor er einen neuen ausspräche, aber wie würde das Wesen, welches er auf ca. 7 Meter schätzte, darauf reagieren?

Nicht gut, das war ihm klar.

Also blieb ihm nichts weiter übrig, als es so zu versuchen?

Was sollte er auch anderes tun?

Mit einem letzten verzweifelten Schlucken, was bei seinem trockenem Mund aber nicht viel brachte, machte er einen Schritt gegen die Richtung, die ihm sein Überlebensdrang riet, einen Schritt auf den Riesen zu.

Denn was war für ihn inzwischen klar; Dieses Wesen musste ein Riese sein, auch wenn der Aufenthalt eines Riesen im verbotenen Wald so nahe bei Hogwarts so ziemlich allem widersprach, was sich ein normaler Mensch als außergewöhnlich und fast schon unmöglich vorstellen würde.

Ruhig, wenn auch innerlich zitternd, streckte er dem Ungetüm seinen rechten Arm entgegen.

Der Riese, welcher von dem näher kommenden Licht geblendet wurde, schüttelte den Kopf etwas, brüllte, was Draco fast aus der Balance brachte, und beugte dann den Kopf noch weiter runter als zuvor.

Draco überlegte kurz, ob er nicht doch lieber weglaufen sollte, doch dann rief sein Verstand seine Beine zur Ordnung und regte sich noch etwas, so das er dem Riesen fast ins Auge stechen konnte.

„Imobilus!"

--------------------------------

Ein gleißendes Licht blendete ihn, und eine Druckwelle riss den sonst so standhaften Draco mehrere Meter nach hinten. Der Aufprall nahm ihm fast das Bewusstsein und ein stechender Schmerz, welcher jeden Versuch sich auch nur zu rühren zu nicht machte, breitete sich von seinem Kopf über den Nacken in seinem ganzen Körper aus.

Seine Gedanken waren vernebelt, doch aus einem antrainierten Reflex tastete er mit zittrigen Fingern den feuchten Waldboden um sich herum nach seinem Zauberstab ab.

Nachdem Draco einige Sekunden in einem traumatisierten Zustand vergeblich gesucht hatte, richtete er sich stöhnend auf.

Seine Glieder schmerzten, und er fragte sich zum ersten Mal, wie ein Imobilus-Zauber ein derartiges Inferno auslösen konnte.

Schlagartig war Draco nüchtern.

Hatte diese sehr gewagte Lumos-Imobilus Konstruktion etwa eventuell Nebenwirkungen gehabt?

Mit weit aufgerissenen Augen sah Draco sich um.

Erst war alles nur schwarz, dann erschienen Konturen, und nach einer schier endlos langen Zeit ein Gesicht.

„Ahrg!" (Nieder mit der Selbstbeherrschung! Year!)

„Hallo! Willst du nicht aufstehen?"

Im gleichen Moment wie er seine eigene Stimme schreckhaft quietschen hörte, hätte er sich schon für diese Tat ohrfeigen können.

Naja, aber da die Person vor ihm nicht gefährlich wirkte, schaffte er es, wenn auch mit etwas Anstrengung und unterdrückten Schmerzen, sich geradezu galant aufzurichten und einen kühlen Blick aufzusetzen, bevor er die lächelnde Person richtig musterte.

„Hallo nochmal, darf ich mich vorstellen? Nora Jane Phillips, Mädchen für alles."

….