Kapitel 2
26. August, 1996
Ich stelle das Wasser ab und wringe meine Haare aus.
Vorsichtig klettere ich aus der Duschkabine und nehme mir eins der Handtücher.
Das Badezimmer ist in ein dämmriges Licht gehüllt.
Es tut gut, wieder hier zu sein.
Das kalte Wasser hat mich etwas von meinen Gedanken abgelenkt.
Jetzt drängen sich wieder Fragen in meinem Kopf, doch ich schiebe sie in die hinterste Ecke meines Kopfes.
Ich will einfach ein paar Minuten in Ruhe hier stehen.
Mitten im Zimmer.
Nur in ein Handtuch gehüllt.
Ich habe vorhin eins der Fenster geöffnet.
Eine Brise weht herein, zieht an meinem Handtuch, bringt mich zum Zittern.
Es ist ein angenehm prickelndes Gefühl, welches die kühle Nachtluft auf meiner nackten Haut verursacht.
Ich mag die Kälte sehr.
Es ist so eine Art Bestätigung, dass man überhaupt noch etwas fühlt.
Meine Gedanken wandern wieder zu dir.
Schon zwei ganze Tage bin ich hier.
Es ist schön, dich in der Nähe zu wissen.
Dich endlich zu berühren, dich zu küssen, mit dir zu reden.
Für zwei Personen ist dieses Haus einfach viel zu groß.
Mein altes Zimmer ist von deinem so weit entfernt, auf der anderen Seite des Hauses.
Aber dort schlafe ich nicht.
An dem Tag, an dem ich angekommen bin, kam ein Angestellter vom Ministerium.
Er hat sich erkundigt, wie Draco zu Recht kommt, und ob ich schon da wäre.
Er hat mit uns einen Termin zu meiner Befragung gemacht.
Draco hat das schon hinter sich.
Er war eigentlich ein sehr netter Mensch.
Früher hätte Draco wahrscheinlich nicht mal die Tür für das Ministerium geöffnet.
Doch er hat in reingebeten.
Er hat ihm sogar Kaffee gemacht.
Er hat sich wirklich verändert.
Draco kommt sehr gut allein zurecht, hier, in diesem riesigen Anwesen.
Ich bin froh, dass unsere Eltern nicht mehr hier sind.
Er ist glücklicher.
Auf jeden Fall ist er auf dem Weg, es zu werden.
Obwohl ich in Gedanken verloren bin, starre ich auf die Tür.
Ich weiß sofort, wer es ist, als sich die Tür öffnet.
Wir stehen uns gegenüber.
Du siehst mir in die Augen.
Ich bemerke, wie dein Blick zur Wanne huscht, die in einer der Ecken steht.
Ich beiße mir auf die Unterlippe.
Hier hat es vor zwei Jahren stattgefunden.
An dem Tag, an dem ich sterben wollte.
Du hast mich gerettet.
Auch du kannst diesen Tag nicht vergessen.
„Bist du fertig?", fragst du mich.
Du siehst mich an.
Ich sehe in deine Augen.
Du bist besorgt.
Ich nicke und gehe auf dich zu.
Du hältst mir die Tür auf, schließt sie hinter mir.
Du bist froh, diesen Raum verlassen zu können.
Nebeneinander folgen wir dem Flur.
Du legst einen Arm um meine Taille.
Ich verkrampfe meine Hände in das Handtuch.
Mein Herz rast, ich mussmich zusammenreißen, um meinen Atem zu beruhigen.
Du bist mir so nah.
In unserem Zimmer angekommen, geht jeder zu seinem Schrank und zieht sich um.
Es ist das ehemalige Zimmer unserer Eltern.
Wir sehen uns nicht an.
Ich lasse das Handtuch einfach fallen und greife nach einem der Sommernachthemden.
Während ich es mir überziehe, höre ich, wie du dich ausziehst.
Als ich mich umdrehe und zu meiner Zeit des Bettes gehe, legst du dich schon hin.
Ich schlage die Decke zurück, steige auf das Bett und lege mich seitlich hin, mit dem Gesicht zu dir.
Du liegst genauso.
Und du lächelst.
Ich schließe die Augen, weiß ich doch, dass sie brennen.
Selbst jetzt, wo ich dich nicht sehe, spüre ich genau, wo du bist.
Deine Augen scheinen durch meine geschlossenen Lieder durch.
Ich strecke meinen Hals und küsse dich auf die Stirn.
Wieder prickelt es.
Ich kann deinen heißen Atem auf meiner Haut spüren.
Ich weiß, dass du mich erwartungsvoll ansiehst.
Ich drehe mich auf die andere Seite.
Meine Augen sind geöffnet und ich sehe in den Spiegel mir gegenüber.
Ich kann sehen, wie du die Decke hochhebst.
Du rutscht auf meine Seite des Bettes, schmiegst dich an mich.
Ich spüre deinen Körper.
Deine Wärme.
Deinen Herzschlag.
Du legst deinen Arm um mich, in deiner Hand hast du die Decke.
Den anderen Arm winkelst du an und legst deinen Kopf drauf.
Diesmal spüre ich deinen Atem im Nacken.
Du siehst in den Spiegel.
Ich schließe meine Augen nicht.
Wir sehen uns an.
Ich sehe das Feuer in deinen Augen.
Verlangen.
Du siehst weg.
Dein Arm gleitet unter mein Kissen und dein Kopf sinkt neben meinen darauf.
Du siehst mich mit deinem Arm fester an mich.
Ich lege meine Arme auf deinen.
Würde es einer schaffen, sich durchzuringen und den ersten Schritt zu machen, der andere würde folgen.
Aber im Moment reicht das, was wir haben.
Zeit.
Wir haben alle Zeit der Welt.
Niemand kann uns trennen.
Wir bleiben zusammen.
Für immer.
