Kapitel 8

1. September, 1996

Und doch spüre ich auch bei dir diese Wärme...

„… und ich hoffe, ihr werdet die Neuen unter euch schnell einweisen!", endete Dumbeldore seine Nach-dem-Essen-Rede.

Eigentlich wären damit die Formalitäten und das Festessen erledigt, doch als sich die Schüler erhoben, um die Halle zu verlassen, hob der Schulleiter erneut seine Stimme.

„Ich bitte die Schüler des neuen sechsten Jahrganges auf ihren Plätzen zu bleiben."

Einige murrten, andere setzten sich wieder hin, neugierig mit dem Nachbarn tuschelnd.

Ich war, wissend, sitzen geblieben. Blase, der mich eigentlich fragen wollte, warum ich nicht aufstehe, sah michirritiert an, setzte sich dann aber schweigend neben mich und wartete, wie alle anderen auch, dass der Rest der Schüler den Raum verließ.

Langsam wurde es still in der großen Halle.

Dann erhob sich Dumbledore abermals und sah sich um.

„Ich hoffe, ihr werdet es noch einige Minuten aushalten, aber es gibt jemand, den ich euch vorstellen muss. Und zwar eine neue Schülerin. Sie kommt aus Durmstrang und geht ab dieses Jahr in eure Stufe. Es wird nicht lange dauern, aber nach den Regeln muss jeder neue Schüler einem Haus zugestimmt werden, und sei es mit sechzehn", sagte er lächelnd.

Einige Schüler schmunzelten. Eine Sechzehnjährige mit dem sprechenden Hut auf dem Kopf sah man ja nicht alle Tage.

Ich sah mich nochmals um. Mein Blick blieb an dem Trio am Griffindortisch hängen. Potter spürte meinen Blick und sah mich nur fragend an.

Ich nickte verstohlengrinsend.

Dann drehte ich meinen Kopf wieder nach vorne, und sah McGonagall, mitsamt Sprechenden Hut, nach vorne treten.

Ein leises Knarren ertönte und die Flügeltüren öffneten sich langsam einen Spalt.

Ruckartig drehten sich wirklich restlos alle Köpfe im Saal nach dem Hochgewachsenen, schlanken Mädchen mit weißblondem Harren und in eine samtschwarze Robe gehüllt um.

Und es wurde still. Selbst wenn Dumbledore redete waren hier und da noch Geräusche zu hören, aber jetzt konnte man nicht mal jemanden atmen hören.

Nur die leichtfüßigen Schritte des Mädchens, das quer durch die Halle ging, der alle Blicke folgten und die sich schließlich vor versammelter Mannschaft neben McGonagall aufstellte und jeden Schüler nacheinander ansah.

Um an meinen Augen hängen zu bleiben.

Nur ich bemerkte das leichte Lächeln, das in dem Bruchteil einer Sekunde über ihre Lippen huschte, es war ja auch nur für mich bestimmt.

Ihr Kopf drehte sich zur Seite und sie deutete ein Nicken zur Stellvertretenden Schulleiterin an, die sie daraufhin aufmunternd anlächelte.

Aber nur ich sah, dass sie dieses Lächeln auch wirklich brauchte.

Nur ich hörte ihren Herzschlag, der gegen ihre Brust hämmerte und in ihren Gedanken widerhallte.

Für alle anderen sah sie unantastbar aus, und eigentlich war das auch gut so…

Langsam entrollte Minerva den Hut und setzte ihn vorsichtig auf Ninas offene Haare.

Einige der Schüler stöhnten leise, als sie sich an das lange Eingangslied des Hutes erinnert, doch verstummten sie sofort, als er zu sprechen anfing.

„Nun, da ihr mich ja schon alle kennt, und ihr wohl langsam aus dem Alter raus seid, in dem auch ein sprechender, alter, zerfetzter Hut imponiert, spar´ ich mir mein kleines Ständchen am besten", murmelte er, und man konnte ein erleichtertes Ausatmen vernehmen.

„Du bist also neu hier, interessant… Saß ich nicht schon mal auf deinem Kopf?", fragte der Hut gedankenverloren.

„Nicht direkt, aber auf dem Kopf meines Bruders", sagte Nina ruhig, aber für alle in der Halle verständlich.

Wieder wandten alle hastig und gleichzeitig die Köpfe, und ich spürte dutzende Augenpaare auf mir ruhen, doch das störte mich nicht im Geringsten.

Ich lächelte in mich hinein und beobachtete gelassen das Geschehen.

„Soso, dann sag mir doch mal deinen Namen, damit ich meinen Verdacht bestätigen kann", brummte der Hut, anscheinend immer noch sehr beschäftigt mit dem Durchforsten von dem Inhalt des Kopfes meiner Schwester.

„Mein Name ist Nina Malfoy."

Diesmal hatten sich einige zu schnell zu mir umgedreht, und man konnte aus mehreren Richtungen ein Knacksen hören, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Prompt folgte dem Geräusch auch der Schmerz und einige jammerten leise und fluchten unterdrückt.

„Die Malfoys, hatte ich mir gleich gedacht. Aber Zwillinge kamen bei denen ja seit Generationen nicht mehr vor… Welche Ehre für mich. Na dann lass mal sehen… Eigentlich nicht viel anders als bei deinen Verwandten, nur mit diesem kleinen Unterschied, den ich auch bei deinem Bruder gespürt habe. Damals konnte ich es nicht zuordnen. Jetzt ist es sehr eindeutig", murmelte der Hut vor sich hin, und gerade, als alle dachten, er wäre eingeschlafen, rief er:

„Slytherin!"

Erst herrschte Stille, dann johlten die Grünen und die Halle füllte sich mit gedämpften Stimmen.

Ich saß ganz still da und wartete.

Vorsichtig streifte sich Nina den Hut ab, überreichte in Professor McGonagall und schritt dann auf ihren neuen Haustisch zu.

Sie lächelte ihren Kameraden entgegen und ging dann am Tisch endlang.

Zu mir.

Sie setzte sich neben mich und sah mich an.

Komischerweise verebbten die Stimmen, je näher sie mir war, immer mehr.

Und dann legte sie mir eine Hand in den Nacken und ich legte einen Arm um ihre Hüfte und zog sie zu mir heran.

Stille.

Absolute Stille.

Wahrscheinlich hätte sich nicht mal eine Stecknadel getraut, eine Geräusch zu machen, und dann…

Küssten wir uns.

Wir vergaßen die Zeit, unsere Umgebung und die Blicke, die auf uns gerichtet waren.

Nur eins war wichtig.

Wir waren hier, vereint, zusammen, und wir würden uns nicht mehr trennen lassen.

Das einzige, was ich wahrnahm, war, dass irgendwann, als wir den Kuss vertieften und man ab und zu deutlich unsere Zungen hätte sehen müssen, ich ganz deutlich Weasley japsen gehört habe, und schließlich sein Wimmern, nachdem ihm Granger anscheinen einen kräftigen Rippenstoß mitsamt einen ihrer tadelnden Blicke geschenkt haben muss.

Als wir uns nach einer schier unendlich langen Zeit lächelnd voneinander lösten, räusperte sich der Schulleiter.

„Gut, nachdem ich jetzt überzeugt wurde, dass ihr sie mehr als überaus freundlich in eure Reihen aufnehmen werdet, erkläre ich die Förmlichkeiten auch nun für euch für beendet und wünsche euch eine gute Nacht", sagte er fast verlegen und die allgemeine Spannung löste sich langsam.

Erst nachdem sich der Großteil der Schüler verzogen hatte, standen wir auf und schlenderten händchenhaltend durch die Gänge von Hogwarts, ignorierten die Blicke, wenn wir uns nicht gerade darüber amüsierten, wie dämlich einige Leute starren konnten.

Und schließlich verschwanden wir in den Kerkern in meinem Zimmer.

Ich war nämlich seitletztem Jahr Vertrauensschüler und genoss den Luxus eines Einzelzimmers.

Ob Dumbledore schon vor diesem Tag von unserer Beziehung gewusst hatte und mir in weiser Voraussicht ein Einzelzimmer gab…?

Spätestens nachdem wir den zweiten Schrank und Ninas Koffer in dem Zimmer gefunden hatten, war ich mir sicher.

Und das ist immer noch nicht das Ende...