Dependance

Ihre nackten Füße auf den hellen Marmorboden hinterließen ein leises Tapsen. Das Geräusch hallte durch den dunklen Gang, ließ alles erst recht gespenstisch wirken. Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen.

„Unheimlich," flüsterte Mia zu sich selbst und rieb sich über ihre Oberarme. Das Mädchen steckte nur in einem seidenen dünnen hellblauen Nachthemd, darüber eine Art kurzen Morgenmantel. Wer hatte sie überhaupt umgezogen! Nein, daran sollte sie jetzt am allerwenigsten denken, denn ihr Magen hatte sich lautstark bemerkbar gemacht. Wie lange war es eigentlich her, seid sie etwas Vernünftiges zwischen die Zähne bekommen hatte? Eindeutig zu lange und deswegen schlich sie jetzt auch mitten in der Nacht durch die Mutantenschule, wobei sie nicht mal wusste, ob sie diesen Menschen überhaupt wirklich vertrauen konnte. Besonders Wolverine, denn der hätte sie doch fast kaltblütig ermordet.

„Na toll, jetzt laufe ich hier wie blöd...durch die Gegend und finde doch nicht die Küche...!"

Ein gequältes Seufzen entwich ihr. Sollte sie doch vielleicht aufgeben und wieder zurück ins Zimmer? Nein, jetzt war sie schon mal aufgestanden. Außerdem könnte sie eh nicht mehr einschlafen. Denn schreckliche Alpträume hatten sie heimgesucht, in denen sie von einem Monster mit messerscharfen Krallen gejagt wurde. Das erinnerte sie doch sofort an jemanden und das war mal wieder Wolverine oder besser gesagt Logan. Wieso musste auch immer dieser unsympathische Kerl in ihrem Kopf herum spuken?

„Hmmm...!"

Abrupt blieb sie stehen und spähte nun den linken Gang hinunter, da sie an einer Weggablung angekommen war. Da hinten war doch eindeutig noch Licht an. Aber wer sollte so spät denn noch wach sein? Ohne groß nachzudenken ging sie in diese Richtung, kam dem Licht immer näher. Jetzt stand sie direkt vor einer Tür, die einen Spalt offen stand. Vorsichtig vergrößerte sie diesen Spalt etwas , aber bereute das auch schon wieder. Es war zwar die Küche, die sie nun endlich gefunden hatte, aber es machte sie weniger glücklich, was sie dort sah. Nämlich Wolverine und ein junges Mädchen, das wahrscheinlich ein paar Jährchen jünger, als sie selbst war. Aber was taten sie da und worüber sprachen sie? Ihre Neugier war mal wieder geweckt, wobei sie doch eigentlich nicht vor hatte zu lauschen.

Fragend zog sie ihre linke Augenbraue in die Höhe, als ihr Blick auf die Handschuhe fielen, die das Mädchen trug. Wieso trug sie Handschuhe mitten im Sommer? Hier war doch eindeutig etwas faul.

„Rogue, du weißt doch...das...," brach Logan seinen Satz ab, schien etwas gehört zu haben, denn sein Kopf drehte sich plötzlich abrupt in Mia´s Richtung, visierte sie so gut es ging durch den dreißig Zentimeter breiten Spalt an. Die junge Frau hielt für einen Moment den Atem an, ihre Kehle schien wie zugeschnürt zu sein und erschrocken machte sie einen Schritt zurück. Oh nein, jetzt hatte sie man doch tatsächlich bemerkt. Wieso musste sie auch immer so neugierig sein?

„Logan, was ist...!"

Diese Rogue schien Wolverine´s Blick gefolgt zu sein und gelang schließlich auch dem fremden Mädchen an. Sie schaute überrascht drein, lächelte aber sofort freundlich, als sie bemerkte, wie verschüchtert Mia doch zu sein schien.

„Du musste die Mutantin sein, die Logan...hier her gebracht hat," plapperte sie plötzlich drauf los, riss die Küchentür auf und grinste.

„Meine Name ist Rogue, freut mich...!"

Mia atmete erleichtert aus. Die waren hier nicht alle, wie Logan und schienen doch ganz nett zu sein.

„Rogue...?"

Das war wahrscheinlich ihr Codename. Wie sollte sie sich dann vorstellen? Mit ihrem Geburtsnamen oder doch lieber mit ihrem Codenamen! Aber Logan schien die Entscheidung für sie tz übernehmen und knurrte ein: „Was willst du hier, Mia? Du gehörst ins Bett...genauso, wie Rogue...!"

Dabei streifte sein Blick das andere Mädchen, der keinesfalls böse war, sondern fast schon sanft, aber auch etwas tadelnd.

„Aber Logan," begann Rogue, seufzte aber geschlagen und schob sich an Mia vorbei.

„Dann bis morgen und..."

Dabei wand sie sich noch an Mia und lächelte leicht.

„Kommst du mit..!"

Darauf schüttelte Mia aber nur ihren Kopf. Sie ließ sich bestimmt nicht, wie Rogue so einfach wieder zurück ins Bett schicken, denn sie hatte verdammt noch mal Hunger und musste etwas essen? Da war es ihr jetzt auch egal, dass Logan in der Küche war. Da musste sie nun mal jetzt durch.

„Wir sehen uns dann morgen und pass auf...," flüsterte sie ihr leise ins Ohr, deutete dabei Richtung Logan.

„Mit ihm ist heute nicht zu spaßen...!"

Bevor Mia darauf noch irgend etwas erwidern konnte, war diese Rogue auch schon verschwunden. Allein blieb sie mit Logan, der nun lässig und cool am Kühlschrank lehnte.

Seine wilden dunkelbraunen Augen waren immer noch misstrauisch auf sie gerichtet. Schienen zu sagen: Geh nun endlich! Oder hau ab!' Aber so leicht war sie nun mal nicht unter zu kriegen und sie betrat nun mutig die Küche. Wieso misstraute Logan ihr eigentlich so? OK, sie wollte anscheinend ein paar wichtige Unterlagen stehlen, aber sie hatte doch eindeutig allen klar gemacht, dass sie sich daran nicht mehr erinnern konnte. Ohne unnötige Umschweife ging sie nun um den länglich stahlbläulichen Esstisch herum - direkt auf Wolverine zu. Ihr Herz pochte dabei schmerzhaft gegen ihren Brustkorb und drohte fast zu zerspringen, so nervös war sie!

„Habe ich dir nicht gesagt, dass du wieder ins Bett sollst," kam es gefährlich leise knurrend über seine Lippen und seine Augen schienen sie durchdringlicht zu mustern, nahmen einen leicht belustigendes Funkeln an. Irritiert sah Mia an sich herunter, schien nichts Ungewöhnliches entdecken zu können, außer das sie vielleicht etwas zu freizügig gekleidet zu sein schien. Aber das war ihr in diesen Moment egal. Oder war vielleicht etwas in ihrem Gesicht, dass er deswegen so starrte? Ihr schulterlanges rot-orangefarbenes Haar war zu einem Zopf zusammen gebunden und ihre tiefgrünen Augen strahlten die reinste Unschuld aus. Auch nichts Unnormales. Also was war es nun? Sie schob es einfach auf ihr gesamtes Erscheinungsbild. Ja, so musste es sein.

„Ja, das haben sie mir gesagt...!"

Oh Gott, sie siezte ihn immer noch, aber wieso sollte sie auch nicht? Immerhin besaß Mia noch Anstand und duzte ihn nicht sofort, so wie er es tat. Obwohl sie schon bald das zwanzigste Lebensjahr erreichen sollte. Wenn sie bis dahin noch am leben sein sollte.

„Aber ich kann nicht schlafen...und habe Hunger," fuhr sie ihn leise an und sah Logan fest in die Augen. Lange konnte sie diesen Blick aber nicht standhalten und sie wand ihre Blicke ab. Ließ diese weiter nach unten schweifen. Bestaunten die durchtrainierte Brust des männlichen Mutanten und die Bauchmuskeln, die sich durch das feine weiße Baumwollhemd abzeichneten. Mia schluckte, konnte nicht wirklich wegsehen, war fasziniert. Wieso musste jeder unausstehliche Typ verdammt noch mal so gut aussehen! Das Leben schien wirklich ungerecht zu sein.

„Gefällt dir, was du da siehst!"

Logan hatte sich zu dem jungen Mädchen herunter gebeugt, hatte ihr diese Frage ins Ohr geflüstert und sein warmer Atem gegen ihr empfindliches Ohrläppchen geschlagen. Gute Güte, da konnte man ja direkt schwach werden! Aber sie riss sich zusammen, stemmte ihre Hände gegen seinen Brustkorb, stieß ihn leicht an die Kühlschranktür und funkelte ihn wütend an.

„Sicher nicht?"

Oh, wow. Sie wurde eindeutig etwas zu mutig, was ihr auch gleich zum Verhängnis wurde. Denn Logan hatte kurzerhand ihre Handgelenke gepackt, voll zierte mit ihr eine halbe Drehung, sodass ihre Arme mal wieder brutal nach hinten gezogen wurden und ihr Kopf leicht gegen seine Brust lehnte. Schon wieder war sie ihm wieder so nah, nur diesmal genoss sie es richtig, roch seinen einzigartigen Duft.

„Und wieso kannst du deine Augen nicht von mir lenken! Ziehst mich regelrecht mit deinen Blicken aus..."

Wieder dieses tiefe Grollen eines Wolfes.

„...aber das ist ja egal...denn eins solltest du wissen...ich vertraue dir nicht...du könntest eine von Magnetos Leuten sein...würdest nicht auf fallen...wenn er so ein süßes kleines Mädchen...schickt.."

So langsam aber sicher brannten ihr die Sicherungen durch, aber wehren konnte sie sich ja nicht wirklich. Was besaß sie schon an Maß von Kräfte? Ihre Heilungsfähigkeiten, die sie an anderen Mutanten oder Menschen anwenden konnte? Diese schienen hier doch recht fehl am Platz zu sein.

„Lassen sie mich bitte los," bat Mia ihn mit gepresster Stimme, versuchte sich aus seinen Griff zu befreien, worauf er doch auch tatsächlich los ließ. Aber wieso? Erleichtert das Mädchen einen Schritt nach vorne. Sie wollte nur so schnell wie möglich Abstand gewinnen, wobei sie diesen Duft doch eben noch als recht angenehm befand.

Ein gefährliches letztes Knurren war von Wolverine zu vernehmen, bevor er schnurstracks die Küche verließ. Was war denn nur auf einmal mit ihm geschehen? Verwirrt sah Mia ihm hinter her, widmete sich darauf aber nur achselzuckend an die Kühlschranktür. Das sie nicht zum essen kommen konnte, sollte sie erst ein paar Minuten später erfahren.