Epilog

Eine quäkende Stimme hallte durch das kleine Zimmer im Hause Kusosaki. „Ich bin Sailormoon und im Namen des Mondes werde ich dich bestrafen."

Ichigos Augenbrauen schienen in der Mitte zusammen gewachsen zu sein bei dem Versuch, diese Stimme zu ignorieren. Missmutig verkroch er sich hinter seinem Geschichtsbuch. Er hätte die Puppe doch lieber gleich entsorgen sollen. Jetzt ging es schon wieder los.

„Ich bin Sailormoon…", ertönte es schon aus Richtung des Fensters.

Da platzte Ichigo der Kragen. „Jetzt reicht´s", fauchte er wütend und warf das Buch auf den Boden. Dann stapfte er zum Fenster und lehnte sich hinaus. Unter ihm baumelte die Sailormoon-Puppe an einem Seil etwa einen halben Meter unterhalb des Fensterbrettes.

„Wenn du jetzt nicht sofort den Schnabel hältst...", brüllte er.

Mürrisch blickte Sailormoon ihn an. „Das was?", schnauzte sie zurück. „Womit willst du mir wohl noch drohen. Tiefer kann man doch schon gar nicht mehr sinken. Ich hätte nicht gedacht, dass du so wie gehen würdest. So sehr hat mich noch niemand beleidigt."

Jetzt war es an Ichigo zu grinsen. „Ach komm schon, Kon, so schlecht ist es nun auch wieder nicht. Immerhin bist du an der frischen Luft."

Kon verschränkte die Arme und versuchte zu ignorieren, dass schon wieder die piepsige Puppenstimme aus seinem Bauch drang. "Ich finde das gar nicht komisch.", muffelte er. „So hart hätte die Strafe nun wirklich nicht ausfallen müssen."

Ichigo setzte sich auf das Fensterbrett und ließ die Beine in sein Zimmer baumeln. „Findet du nicht?", meinte er nachdenklich. „Du bist weggelaufen, du hast eine meiner Klassenkameradinnen fast getötet und nicht zuletzt hast du ihren Körper missbraucht, um sich an ihre beste Freundin ranzumachen. Ich denke, da ist das Mindeste, was du verdienst. Wir hätten dich dann vielleicht doch lieber an diesen Sandalen-und-Hut-Typen abgeben sollen, Der war da ganz scharf drauf."

Eisiges Schweigen antwortete ihm.

„Schön": stellte Ichigo befriedigt fest. „Dann kann ich jetzt ja endlich weiterlernen. Er sprang vom Fensterbrett und schnappte sich sein Buch.

Er wollte sich gerade wieder auf das Bett werfen, als Kon leise fragte: „Meinst du, sie mag mich?"

Ichigo runzelte die Stirn. „Wer?", fragte er uninteressiert.

„Inoue-san.", kam es vom Fenster.

„Warum sollte sie dich nicht mögen.", gab Ichigo trocken zurück. „Inoue mag eigentlich jeden. Warum sollte sie bei einem Trottel wie dir eine Ausnahme machen. Das hat mit diesem Kindchenschema zu tun. Große Augen und so."

„Aber ich hab doch gar nicht so große Augen.", widersprach Kon.

„Doch", grinste Ichigo. „Im Moment schon. Große, blaue Augen. Ein Echter Frauentyp. Zumindestens solange sie nicht älter sind als zwölf."

„Ichigo!", gellte ein wütender Schrei vom Fenster. „Warte ab, bis ich wieder in meinem richtigen Körper bin. Oder nein, noch besser, bis ich wieder in deinem bin. Dann werde ich sämtliche Karamellbonbons essen, die ich finden kann. Und es wird mir nicht leid tun."

„Ich zittere vor Angst.", grunzte Ichigo und vergrub sich wieder in seinen Hausaufgaben.

Aber wirklich konzentrieren konnte er sich nicht. Die halb geöffnete Schranktür erinnerte ihn immer wieder daran, dass Rukia noch nicht zu hause war. Sie hatte etwas von „wichtigen Geschäften" gemurmelt und war bereits den ganzen Abend verschwunden. Wahrscheinlich zu diesem komischen Typen. Der hatte nach der Geschichte gestern irgendetwas von Bezahlung erzählt und Ichigo war sich nicht sicher, ob ihm der Gesichtsausdruck gefiel, den Rukia danach gehabt hatte. Statt einer Antwort hatte er jedoch die ruppige Aufforderung erhalten, sich doch gefälligst um seine eigenen Sachen zum kümmern.

Sein Blick fiel auf das Buch, das er ihr besorgt hatte. Er hatte ziemlich lange suchen müssen um etwas zu finden, dass ihr gefallen würde. Aber schließlich ging es in dem Buch um nichts anderes als Kaninchen. Er erinnerte sich noch, dass er als kleiner Junge beim Ansehen des Zeichentrickfilms Rotz und Wasser geheult hatte. So was gefiel ihr bestimmt. Oder?

Bei seiner Suche hatte er festgestellt, dass er eigentlich nicht besonders viel über sie wusste; bis auf die Sache mit den Kaninchen und das sie wahnsinnig schlecht zeichnete. Es hatte ihn bis jetzt auch noch nie interessiert. Sie war eben das Mädchen in seinem Wandschrank gewesen. Eigentlich noch nicht einmal das. Die Störung in seinem Wandschrank traf es wohl eher. Doch irgendwie hatte sich das im Laufe der Zeit geändert. Er hätte nicht sagen können warum oder wann, aber die Veränderung war zu deutlich, um sie komplett ignorieren zu können.

„Ichigo?", kam Kons Stimme diesmal leicht zaghaft vom Fenster. „Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn man verliebt ist? So richtig verliebt, meine ich."

„Was zum…", fuhr Ichigo auf. „Woher zum Henker soll ich das wissen."

„Ich dachte ja nur.", schmollte Kon. „Du bist schließlich schon länger in dieser Welt unterwegs als ich. Ich dachte, du kennst dich da vielleicht aus."

„Mich interessiert so was nicht.", schnauzte Ichigo zurück. Sein Blick fiel auf das Kaninchenbuch und dann auf den verlassenen Schrank. Er seufzte leise.

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Kurz darauf wurde Kon am Genick gefasst und hochgehoben. Zu seinem Erstaunen schloss Ichigo ihn nun aber nicht in den Nachtschrank ein, sondern setzte ihn auf das Bett neben sich. Dann verkroch er sich wieder einmal hinter einem fürchterlich intelligent aussehenden Buch und knurrte: „Und nun gib Ruhe."

Kon legte den Kopf schief und überlegte. Warum in aller Welt war Ichigo mit einem Male nett zu ihm? Das machte irgendwie keinen Sinn. Neben Ichigo lag ein Buch auf dem Bett. Vorsichtig, um den Sprachmechanismus der Puppe nicht erneut zu aktivieren, rückte Kon näher und entzifferte den Titel.

Unten am Fluss…", las er. „Was ist das?"

„Das geht dich nichts an.", grummelte Ichigo und nahm Kon das Buch wieder aus der Hand. „Das ist für Rukia."

Der Ton in dem er das gesagt hatte, war weniger unfreundlich gewesen, als es sonst der Fall war. Kon kannte sich damit aus, schließlich war er oft genug Ziel von Ichigos Gebrüll, aber dieser Unterton war neu. Vorsichtig krabbelte er zu Ichigo und versuchte dessen Gesichtsausdruck zu identifizieren. Doch das Einzige, das er erspähte waren zusammengekniffene Augenbrauen. Hatte der Kerl eigentlich auch ein nettes Gesicht? Dann jedoch bemerkte Kon den leichten Rosaschimmer um Ichigos Nase.

Kon ließ sich gegen das Kissen sinken und überlegte. Er überlegte eine ganze Weile, denn mit Plastikdrähten Im Kopf wurde die Sache nicht unbedingt einfacher. Dass er dauernd an Inoue denken musste kam erschwerend dazu. Doch wie er die Sache auch drehte und wendete, Ichigos Verhalten blieb rätselhaft.

Als es dunkel war schreckten Ichigo und Kon gleichzeitig hoch, als eine kleine, dunkel Gestalt in das Zimmer kletterte.

„Gut geschlafen?", fragte Rukia mit unverhohlener Missbilligung in der Stimme.

„Ich hab gelernt.", verteidigte Ichigo sich.

„Und ich hab geholfen.", schloss Kon sich an.

Ichigo sah auf ihn herab. „Wo hast du mir denn bitte geholfen?"

„Ich hab immerhin nichts mehr gesagt?", meinte Kon hoffnungsvoll und starrte dann unverhohlen zurück.

„Wie auch immer.", beendete Rukia ihr Blickduell. „Ich werde mich jetzt zurückziehen, die Sache bei Urahara war anstrengend."

Rukia drehte sich um, um sich zu ihrem Schlafplatz zu begeben, als Kon das Buch auffiel, das immer noch zwischen ihm und Ichigo lag. Zuerst wollte er etwas sagen, doch dann hielt er es für besser, Ichigo nur leicht am Hosenbein zu zupfen. Der schaute erst unwillig, doch dann wie Kon wortlos auf das Buch. Ein kleines, dankbares Lächeln schlich sich in sein Gesicht.

„Ach Rukia.", sagte Ichigo gleichgültig. „Ich habe da noch etwas für dich. Falls du wieder mal nicht schlafen kannst. Ein Buch und neue Batterien für die Taschenlampe."

Rukia war stehen geblieben und drehte sich nun erstaunt um. Ihr Blick wanderte von Ichigo zu dem Buch und wieder zurück.

„Danke.", sagte sie leise und nahm das Buch. Nachdem sie den Klappentext gelesen hatte, lächelte sie. „Kaninchen, was?"

„Naja", lächelte jetzt auch Ichigo. „Nachdem du deinen 'Chappy' ja netterweise an Yuzu abgetreten hast."

„Keine Ursache.", meinte Rukia leichthin und drehte sich wieder zu ihrem Schrank um. An der Tür blieb sie noch einmal stehen und sah über die Schulter zurück. In dem dunklen Zimmer war nur wenig von Rukia zu erkennen; ein einzelner, schwacher Mondstrahl fiel af ihr Gesicht. Ihre dunklen Augen schimmerten sanft und auf ihrem Gesicht lag ein ungewöhnlich friedlicher Ausdruck.

„Gute Nacht, Ichigo.", sagte sie leise, bevor sie endgültig in ihrem Schrank verschwand.

Verzück sah Kon ihr nach und fand seine 'Schwester' einfach nur wunderschön. Doch offensichtlich war er nicht der Einzige. Ichigo hatte anscheinend ebenfalls Schwierigkeiten damit, den Mund wieder zuzubekommen. Da machte es mit einem Mal „Klick" bei Kon und das raue „Gute Nacht!", das Ichigo Rukia noch hiterherstammelte, machte mit einem Mal sehr viel mehr Sinn. Kon wusste nicht recht, ob er sich jetzt freuen oder eifersüchtig darauf sein sollte, dass Ichigo Rukia einfach so anstarrte und das aus so niederen Beweggründen. Doch dann dachte Kon an Inoue, ihr freundliches Lächeln und diverse andere Dinge, die ihm an ihr gefielen und er beschloss, Ichigo ausnahmsweise mal damit durchkommen zu lassen.

Nur für heute Nacht.

Denn schließlich sah es draußen nach Regen aus.