Schnee

„Hey James!"

„Ja Si-", weiter kam er nicht, denn ein faustgroßer Schneeball traf in genau im Gesicht.

„Sirius, wenn ich dich erwische!"

Damit rannte er lachend seinem besten Freund hinterher, der, von theatralischer Panik ergriffen, kopfüber das Weite suchte.

Lily schüttelte nur lächelnd den Kopf. Die beiden Hitzköpfe waren wirklich unverbesserlich.

Langsam schritt sie den verschneiten Weg über die Ländereien von Hogwarts nach Hogsmeade weiter, etwas entfernt von ihr tollten James und Sirius in der schneebedeckten Weise.

Gerade als sie auch den letzen vom Winter Kahlgeschorenen Ausläufer des verbotenen Waldes hinter sich ließ und neben ihr die heulende Hütte auftauchte, rief jemand ihren Namen.

„Oh nein, ich werde mich bestimmt nicht umdrehen, James kann man mit so was reinlegen, mich nicht", protestierte sie energisch, schmunzelte aber hinter ihrem Schal, den sie sich fast bis über die Nase gezogen hatte.

„Hast du etwa grade meinen Namen erwähnt, mein Schatz?"

Tief einatmend blieb sie stehen und drehte sich abrupt um.

„Nenn mich nie wieder, nie wieder-", doch auch ihr wurde es nicht gewährt ihren Satz zu vollenden; Eine geballte Ladung Schnee donnerte in ihr Gesicht.

Von der Wucht dieses Angriffes etwas überrascht vernachlässigte sie ihren Gleichgewichtssinn und fiel hinten über.

„Oh! Wen haben wir den da?"

Sie wäre zwar wahrscheinlich wegen dem gestrigen Schneefall weich gelandet, doch aufgefangen zu werden war doch wesentlich bequemer.

Nachdem Lily wieder auf ihren eigenen Füßen stand, klopfte sie sich so unauffällig wie möglich den Schnee vom Mantel, bevor sie sich mit ihrem Dankeschön an ihren Retter wandte.

„Ich dan… Remus?", unterbrach sie sich selbst etwas überrascht, lächelte ihn dann aber erfreut an.

Remus Lupin erwiderte etwas unsicher ihr Lächeln.

„Schön dich zusehen Lily."

„Hey Lupin! Lange nicht gesehen! Was machst du hier?", rief James, der, den Arm Kameradschaftlich um Sirius gelegt, auf die beiden zukam.

„Sorry wegen der Scheeladung Süße", flüsterte er zu Lily, die im aber als Antwort nur einen Rippenstoß verpasst und irgendetwas von Wunschträumen nuschelte.

„Also Lupin, was machst du hier so ganz alleine?", meldete sich Sirius jetzt auch zu Wort und strich sich selbstsicher eine Strähne seiner zu einem Zopf zusammen gebundenen schulterlangen, rabenschwarzen Haare hinters Ohr.

„Ich.. also eigentlich wollte ich ja nach Hogsmeade…", stotterte dieser und sah leicht betreten zu Boden, als er Sirius´ amüsiertes Grinsen bemerkte.

„Na dann komm doch einfach mit uns mit, wir wollten ein wenig über den Butterbiervorrat herfallen", sagte James freundschaftlich und als Lupin aufsah, streckte er ihm lächelnd die Hand entgegen.

Lily schmunzelte. Auch wenn James oft arrogant und überheblich wirkte, er konnte auch sehr offen sein und auf Menschen zugehen. Und in letzter Zeit war er auch sonst eher ruhig geworden. Langsam lernte Lily ihn von einer ganz anderen Seite kennen.

Mit dankbaren Blick nahm Remus James´ Hand an und zusammen machten sie sich auf den Weg, nicht ohne einige mit Schneeballschlachten beladene Zwischenstopps.

Als sie das Dorf schon fast erreicht hatten, fing es an zu schneien.

Sie beschleunigten ihre Schritte und kurz darauf ereichten sie den heute gut besuchten Honigtopf.

Sirius zwängte sich zur Theke durch, während James Lily und Remus durch die Massen zu dem einzig freien Tisch in der Nähe der Treppe, die zum Keller führte, schleuste.

Dort angekommen drückte er Remus sanft aber bestimmt in einen Stuhl, der das wortlos hinnahm. Lily blieb stehen und zog ihren Umhang aus, atmete auf, als sie von der wärmenden Last befreit war und ließ sich zufrieden neben Remus nieder.

Der hatte sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Lily war ein hochgewachsenes, anmutiges Mädchen. Ihre schlanke Taille ließ sich nicht zierlich wirken, im Gegenteil, sie schien eher selbstbewusst und unbeugsam.

Ihr enger, dunkelroter Rollkragenpullover und der lange, schwarze Rock hoben ihre Figur noch hervor und machten sie zu einer wahren Augenweide.

Als Remus bemerkte, dass seine Blicke aufgefallen war, sah er beschämt zu Boden.

James, dem dass aufgefallen war, fing an zu lachen.

„Jaja, unsere kleine Misses Evans ist schon ein Volltreffer, nicht wahr Süße?" Er hob den Arm und wollte Lily, neben der er nun saß, an sich drücken, doch die hob abwehrend die Hände.

„James Potter, fass mich an und ich erschlag dich, ich schwör´s!"

Während James sich beleidigt umdrehte war Sirius mit den Butterbierkrügen zu der kleinen Gruppe zugestoßen. Ein kurzer Blick genügt um die Situation zu verstehen und er grinste verschmitzt, während er die Krüge austeilte.

„So, einer für den schmollenden, unglücklich verliebten James, einer für die stolze, unerreichbare Lily", wobei er ihr zuzwinkerte, „und einer für den schweigsamen Bücherwurm Remus", er machte eine Pause und sah den Angesprochenen fragend an, „Ich darf dich doch so nennen, oder?"

Remus nickte etwas unsicher lächelnd.

Sirius grinste, nickte ihm zu und ließ sich auf dem letzten freien Stuhl nieder, welchen er vorher ein Stück von Tisch weggezogen hatte, und legte schwungvoll seine Stiefel auf dem Tisch ab.

„Und einer für mich, den besten Jäger den je Hogwarts gesehen hatte!" Dann lachte er schallend, überhörte die zischende Bemerkung von Lily; er solle sich nicht so aufführen, setzte den Krug an und leerte diesen in einem Zug.

James stimmte in das Lachen ein, Lily sah Sirius nur giftig an und Lupin grinste amüsiert.

Eigentlich war er Einzelgänger. Doch seit Lily ihm vor einem halben Jahr gebeten hatte, ihm Nachhilfe in Astronomie zu geben, verbrachte er immer mehr Zeit mit ihr und ihren Freunden.

Sie waren schon ein chaotischer Haufen, doch Lupin mochte sie. Auch wenn ihn oft Zweifel kamen, doch jetzt in diesem Moment war er nur glücklich, bei dem was er sah und erlebte.

„Ah, das tat gut!"

„Sirius! Du bist hier nicht im Gemeinschaftsraum! Benimm dich doch bitte etwas Mehr!"

„Ach Lily, lass ihn doch, er hatte noch überhaupt keine Zeit, seinen Sieg letzten Samstag zu feiern!", unterbrach James, Lily seufzte zum Zeichen dass sie zwar nicht einverstanden war, aber es akzeptieren würde, für diesen Moment zumindest.

„Unseren Sieg meinst du wohl!", verbessert Sirius seinen Freund der daraufhin lachte, schwang die Beine vom Tisch und hielt ihm seinen, leeren, Krug zum Anstoß hin. James ging darauf ein.

„Mit einem leeren Krug anstoßen geht aber nicht!", rief James dann aber doch.

Lily stand seufzend auf.

„Meiner ist auch schon leer, ich gehe neue holen", damit war sie auch schon fast in der Menge verschwunden, als sie jemand zurückhielt.

„Warte Lily", es war Remus, der sie etwas unsicher ansah, „Ich helfe dir!"

Das Mädchen sah ihn erst überrascht an, lächelte dann aber erfreut.

„Schön, wenigstens ein Gentalman." Und mit einem fast vorwurfsvollen Blick zu den beiden Rabauken, die schulterzuckend auf ihren Stühlen saßen und nicht die geringste Anstallt machten sich zu bewegen, verschwand sie, gefolgt von Remus, aus dem Blickfeld.

„Sirius?", sagte James, als Lily weg war, verschwörerisch.

„Du hast eine Idee, stimmt´s?" Sirius Augen funkelten gefährlich, und ein verschmitztes Grinsen umspielte seine Lippen.

„Du hast es erfasst! Und diesmal wird ganz Slytherin nicht einen Ton mehr rauskriegen…" Sirius pfiff anerkennend.

„Du bist wirklich unverbesserlich, James! Aber wie willst du das anstellen?"

„Glaubst du, Lily würde es uns übel nehmen, wenn wir jetzt wortlos verschwinden?", flüsterte James verheißungsvoll und sah dabei in Richtung Kellertreppe.

„Es wird nicht schlimmer als das letzte Mal werden", flüsterte Sirius eben so leise, und ohne ein weiteres Wort standen sie gleichzeitig auf, und verschwanden im Keller des Honigtopfs.

Kurz darauf kamen Lily und Remus, je mit zwei Krügen beladen, zu einem verlassenen Tisch zurück.

Lily blieb erst überrascht stehen, dann drohte sie vor Wut zu platzten und am Ende lachte sie sarkastisch auf.

„Ich hätte es mir denken können!", sagte sie wie zu sich selbst.

Remus, der hinter ihr stand, musste lächeln. Er hatte schon so etwas vermutet. James und Sirius verschwanden regelmäßig, und suchen war so ziemlich sinnlos. Eigentlich sollte man ihnen einen Bummerrang um den Hals binden.

Lily stellte seufzend die Krüge hin und griff ihren Mantel.

„Ich gehe zurück, kommst du mit?" Sich den Umhang zuknöpfend drehte sie sich zu Remus um.

Der wich ihrem Blick aus und murmelte ein fast unverständliches „Moment".

Er stellte die Krüge ab und griff nach seinem Umhang, den er über seinem Stuhl hing.

Während er ihn sich umzog, folgte er Lily, die sich vor ihm zum Ausgang drängte.

Sobald sie aus der Tür traten, schlug ihnen eine schier undurchdringliche Wand aus Schnee entgegen.

Währen ihres Aufenthalts im Honigtopf hatte sich das Wetter noch verschlechtert. Der Himmel und alles, was mehr als 30 Meter entfernt war, waren pechschwarz, obwohl es erst fünf Uhr nachmittags war.

„Das hat mir grade noch gefehlt", knurrte Lily, zog ihren Schal über die Nase und die Kapuze ihres Umhanges so weit es ging ins Gesicht.

Ernüchternd stellte sie fest, dass sie den ganzen Weg entgegen den Wind laufen mussten.

Und schon als sie die letzten Häuser hinter sich ließen, stellte sich das als Problem dar.

Die Schneemassen waren so enorm, das Lily beinahe das Gleichgewicht verloren hätte, wenn Remus ihr nicht seinen Arm um die Schulter gelegt hätte, um sie zu stützen.

„Danke", flüsterte sie und wandte ihren Kopf nach links, zu Remus, denn sie war sich nicht sicher ob er es durch das Brausen des Windes gehört hatte.

„Geht´s wieder?", fragte er, und aus dem zu schließen, was Lily von seinem Gesicht erkennen konnte, sah er sie besorgt an.

Sie nickte nur, und eine Weile gingen sie, Remus Lily stützend, durch den nun Kniehoch liegenden Schnee.

Irgendwann spürte Lily weder ihre Beine, noch irgendwelche anderen Körperteile, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie gleich umfallen würde, als Remus stehen blieb und sich umsah.

Fragend sah sie zu ihm hoch; Er war einen Kopf größer als sie.

Er sah sie an und beugte sich zu ihr hinab.

„Das schaffen wir bei dem Wetter nicht. Wir sollten Schutz suchen und warten, bis sich der Sturm etwas gelegt hat."

Lily nickte nur dankbar. Doch wo sollten sie Schutz finden?

Undeutlich konnte sie die Grenze des Verbotenen Waldes erkennen, doch der kam ja nicht in Frage.

„Lily?"

Sie sah ihn wieder fragend an. Vorsichtig beugte er sich ein weiteres Mal zu ihr herunter.

„Ich hoffe es stört dich nicht sonderlich, aber die Heulende Hütte ist das einzige, was mir jetzt einfällt. Ist das o.k?"

Lily stockte etwas mit der Antwort. An Remus´ Stimme konnte man erkennen, das ihm der Gedanke auch nicht sonderlich gefiel, aber hatten sie eine andere Wahl?

„Wenn du meinst", antwortete sie dann und Remus nickte.

Als er sie etwas nach links, und damit vom eigentlichen Weg ablenkte, drückte er sie etwas fester an sich.

Lily errötete leicht, was Remus aber nicht sehen konnte.

Sie wusste nicht wirklich, was sie davon halten sollte, doch sie verschob den Gedanken und konzentrierte sich auf den Weg vor ihr.