So, hier ist das 5. Kapitel! Wünsche euch viel Spaß beim Lesen!!!

Manu2211: Danke für für's treue reviewen! Freue mich immer wieder über dein Feedback!! Ja, Elizabeth freut sich auf ein Abenteuer, die ist da anders als Will... ;-)

Nici: Es freut mich sehr, dass du meine Geschichte entdeckt hast!! Hoffentlich gefällt sie dir auch weiterhin!

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5. Kapitel

Die Palmen am Strand wiegten in der sachten Abendbriese und waren nur schemenhafte Konturen in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Nur kleine Wellen erreichten den Strand und spülten den Sand und kleinere Steinchen hinfort. Das Gerippe eines Fisches lag am Ufer, grünlich waren die Greten und eine kleine Strandkrabbe suchte sich ihren Weg hindurch in das Innere des Fisches. Die Luft war erfüllt vom Fischgeruch und die schwere Hitze des Tages verflog langsam. In der Bucht des Hafens lagen die Schiffe der britischen Flotte, das Hinterste war die Dauntless. Beinahe wirkte der riesige Schiffsleib behäbig, wie er sachte im Rhythmus der Wellen schaukelte. Auf dem Schiff waren nur wenige Navymitglieder. Fünf Soldaten, die damit beschäftigt waren Karten zu spielen und nichts von dem ahnten, was auf sie wartete. Einige Meter weiter lag die White Eagle vor Anker, ein ebenfalls stolzes Schiff der Britischen Flotte, das nach dem Verlust der Interceptor erbaut wurde. Dennoch konnte sie es nicht ganz mit ihr aufnehmen, aber sie war ohne Zweifel eines der besten Schiffe der Royal Navy. Auch hier waren nur wenige Soldaten an Bord, die meisten ebenfalls damit beschäftigt sich die Zeit mit Kartenspielen oder lesen zu vertreiben. Der Himmel färbte sich von einem dunklen rot in ein violett schimmerndes blau und schließlich in ein Dunkelblau, das langsam ins schwarze überging. Die letzten Möwen suchten sich ihre Schlafstätten und ließen einige hohe Rufe ertönen. Dann legte sich Stille über die kleine Hafenstadt.

Der Mond hatte sich sichelförmig am Himmel erstreckt und war zusammen mit den Kerzen auf dem Tisch die einzige Beleuchtung für die Männer auf der Dauntless.

„Ich bin gleich wieder da", murmelte ein älterer Soldat und stand vom Tisch auf. Er legte seine Karten, die er fächerförmig in der Hand hielt verdeckt auf den Tisch und erhob sich etwas schwerfällig.

„Beeil dich, ich gewinne", warf ihm ein junger Soldat freudestrahlend entgegen und erntete einen genervten Blick des Älteren. Mit einem behäbigen Schritt ging er an der Reling entlang in Richtung der Kajüten, als ein Plätschern an sein Ohr drang. Der ältere Soldat runzelte die Stirn und wollte schon weitergehen, als er es erneut hörte. Etwas unschlüssig lauschte er erst einen Moment, dann beugte er sich über die Reling um die Ursache für das Geräusch zu erkennen. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sich eine Hand, schwarz wie die Nacht, um die Kehle des Soldaten geschlossen und verhinderte, dass er auch nur einen Laut von sich gab. Zwei gehässige Augen starrten den Mann an und gelbe Zähne lächelten ihn scheinheilig an, zwischen denen ein Dolch steckte. So schnell, wie Bo'sun den Mann gepackt hatte, ließ er ihn auch wieder los, nahm blitzschnell seinen Dolch aus dem Mund und zog ihm dem Mann die Kehle entlang. Kein Laut verließ den alten Soldaten, als er über die Reling stürzte und begleitet von einem Platschen ins Wasser fiel. Bo'sun blickte dem leblosen Körper, der auf dem Wasser trieb mit Genugtuung hinterher, obwohl er ihn nicht sehen konnte durch die Dunkelheit. „Weiter"knurrte er im Flüsterton und kletterte die Ankerkette weiter hoch. Bo'sun befand sich im Schatten des Schiffes, genauso wie Twigg, der ihm direkt folgte und Grapple. Mallot hingegen, der sich hinter Grapple die Ankerkette entlanghangelte war zur Hälfte außerhalb des Schattens und somit waren seine Beine ohne Haut und nur weiße Knochen. Hinter Mallot waren Maximo, Monk und Pintel, ebenfalls alle nur Skelette durch den Mond. Ragetti schwamm noch in Form eines Gerippes im Wasser und stieß den toten Soldaten etwas angewidert weiter hinaus auf die See. Der Rest der Piraten befand sich noch unter Wasser und wartete darauf, dass ihre Kameraden die Ankerkette erklommen und auf das Schiff kletterten. Die weißen Knochen von Nipperkin schimmerten unter der Wasseroberfläche und kamen immer näher, bis er neben Ragetti auftauchte.

Bo'sun schwang sich über die Reling aufs Deck des Schiffes und starrte in die Dunkelheit. Er lauschte den Geräuschen und hörte ein Murmeln in einiger Entfernung, dann rief einer der Soldaten anscheinend nach dem eben verschwundenen Kameraden. Bo'sun machte mit grimmiger Geste eine Handbewegung und Twigg folgte ihm aufs Deck. Auch die anderen Piraten setzten sich wieder in Bewegung und krochen die Ankerkette hinauf, Ragetti begann sie zu erklimmen und der Rest der Piraten tauchte an der Wasseroberfläche auf.

„Ich geh nachsehen wo er bleibt", hörten Twigg und Bo'sun jemanden sagen und nur kurz darauf kamen Schritte auf die Beiden zu. Twigg huschte schnell hinter ein Fass und Bo'sun verbarg sich an einer Wand. Ein junger Soldat kam schnellen Schrittes auf sie zu, sah sie jedoch nicht, sondern wich erschreckt zurück als Grapple über die Reling kletterte und selber kurzzeitig überrascht dreinblickte. Der junge Soldat starrte den Piraten vor sich an und stolperte einen Schritt zurück. Als er sich wieder etwas gefasst zu haben schien, setzte er zu einem Ruf an: „PIRA...". Doch weiter kam er nicht. Twigg hatte sich aus seinem Versteck begeben und schlug dem jungen Mann mit dem stählernen Griff seines Säbels so stark auf den Kopf, dass ein gedämpfter Schlag ertönte und der Mann kurz darauf leblos auf das Schiffsdeck stürzte. Eine Blutlache bildete sich unter seinem Kopf und Bo'sun nahm den Körper des Soldaten, als würde er kein Gewicht haben über seine Schulter und warf ihn über Mallot hinweg, der gerade über die Reling kletterte, hinaus aufs Meer.

Wieder ertönten Schritte und ein weiterer Soldat kam diesmal auf Grapple zugestürzt. Anscheinend hatte er etwas gehört, denn er hatte sein Schwert gezogen und hinter ihm folgte ein weiterer Mann, ebenfalls mit gezogenem Schwert. Der letzte Soldat rannte ans Heck und versuchte die Soldaten auf der White Eagle auf sich aufmerksam zu machen. Bo'sun war jedoch sofort auf ihn aufmerksam geworden und rannte ebenfalls in Richtung des Schiffsheck. Er nahm sein Messer zur Hand und schleuderte es den um Hilfe rufenden Soldaten in den Rücken. Der Mann versuchte sich noch an der Reling abzustützen und brachte einen letzten keuchenden Satz zustande, als Bo'sun hinter ihm erschien und ihm das Messer bis zum Griff in seinen Körper stieß. Der Soldat viel auf ein zusammengerolltes Tau und bewegte sich nicht mehr. „Was ist los bei euch", hallte eine Stimme durch die Dunkelheit, die Bo'sun herumfahren ließ. „Ist etwas nicht in Ordnung?"

Die Stimme kam von der White Eagle, anscheinend waren dort die Wachen aufmerksam geworden. „Hier ist alles in bester Ordnung", gab Bo'sun mit verstellter Stimme zurück.

„Hast du nicht gerade gesagt, dass jemand das Schiff kapert?"

„Kapern? Nein... Nur ein Missverständnis", rief Bo'sun. Ihm schienen seine Worte nicht recht überzeugend, doch die Stimme auf dem anderen Schiff entgegnete: „Na schön. Dann mal viel Spaß beim Kartenspielen".

„Gleichfalls. Spaß haben wir, nur Kartenspielen tun wir nicht", raunte Bo'sun gehässig und so dass der Mann ihn auf der White Eagle nicht verstehen konnte.

Grapple hatte den anderen Soldaten auf sich zukommen lassen und sich nicht einmal die Mühe gemacht seine eigene Waffe zu nehmen. Der Soldat rammte ihm das Schwert einmal durch den Körper, so dass es hinten in seinem Rücken wieder austrat und schien vor Angst beinahe eingefroren, als Grapple nicht mal den kleinsten Ausdruck des Schmerzes oder der Angst zeigte. Er trat in das Licht des Mondes, so dass er ein Skelett wurde und zog sich das Schwert des Soldaten mit einem Ruck wieder hinaus. Der Mann vor ihm tat ein paar unbeholfene Schritte nach hinten und stolperte über Ragettis knochigen Fuß, dem dieser ihm hinstreckte. „Ihr... Ihr seid diese Untoten von denen man sich erzählt", stieß der Soldat am Boden hervor und seine Stimme schien fast zu ersterben vor Angst.

„Ganz Recht und du bist gleich ganz tot", antwortete Grapple sarkastisch und stieß dem Soldaten das Schwert in den Leib. Ein gurgelndes Geräusch drang aus der Kehle des Mannes und er fiel zur Seite. „Ups...", grinste Ragetti und sah zu, wie die Blutlache, die sich neben dem Soldaten bildete, immer größer wurde. Er wich einen Schritt zurück als sie seinen Fuß fast erreicht hatte und wartete bis sie wieder größer wurde. Dann ging er wieder einen Schritt zurück. „Lustig", sagte er vergnügt und wurde kurz darauf von Maximo angewiesen die Leiche endlich über Bord zu schmeißen, bevor sie den ganzen Schiffsleib mit ihrem Blut besudelte. Der recht zierliche Ragetti wuchtete die Leiche an die Reling, wurde noch halb unter ihr begraben, und schaffte es nach einigen Minuten die Leiche keuchend über Bord zu schaffen ohne dass er hinterherfiel. Pintel hatte einen der Soldaten mit einem Tau erwürgt und warf dessen Leiche hinterher.

Der Rest der Piraten war nun ebenfalls vollständig auf dem Deck erschienen. Einige, wie Nipperkin, Clubba, Kretchun und Scarus suchten das Schiffsdeck und die Kajüten nach weiteren Wachen ab, doch sie fanden keine mehr. Bo'sun kehrte zu seinen Männern zurück und sah sehr zufrieden aus. „Das Schiff gehört uns, holt den Anker rein und geht auf eure Posten, so wie wir es besprochen haben."

Ragetti und Pintel löschten alle Kerzen, die auf dem Schiff Licht spendeten, denn so konnte das jetzt völlig dunkle Schiff ungesehen auf dem Hafen schippern. Auf der White Eagle kümmerte man sich nicht darum, die Wachen dort waren viel zu sehr in ihren Karten vertieft und so viel es überhaupt nicht auf, als die vielen, kleinen, leuchtenden Punkte, die durch die Kerzen entstanden, einer nach dem anderen erlöschte.

Langsam. Ganz langsam und ohne Aufsehen zu erregen, trieb die Dauntless hinaus in die Dunkelheit auf das offene Meer. Die vielen Skelette, die eifrig ihrer Arbeit nachgingen, wurden wieder zu den lebendiger aussehenden Piraten, als sich eine Wolkendecke vor den Mond schob und ihn verhüllte. Erst als die Dauntless den Hafen hinter sich gelassen hatte und die White Eagle in ziemlicher Entfernung lag, hissten die Piraten die Segel und fuhren schneller ihrem Ziel entgegen.

„Das ist ein...", Commodore Norrington fehlten die Worte. „Ein Skandal!"

Für einen Moment vergaß er seine vornehme Art und ging mit grübelnder Miene und viel zu schnellem Schritt auf und ab. „Wie kann ein Schiff der Royal Navy einfach so aus dem Hafen gesegelt werden? Und ohne dass es einer bemerkt?"

„Sir... Die armen Hunde auf dem Schiff, der Herr sei ihren Seelen gnädig, sind alle ermordet worden. Heute als die Soldaten auf der White Eagle das Fehlen der Dauntless bemerkten und ein Gewehr aus dem Wasser gefischt haben, sind sie mit Ruderbooten unterwegs gewesen...", erklärte Mullroy untertänig. Er blickte Norrington nicht an, sondern hielt seinen Hut in den Händen und strich immer wieder über die Krempe.

„Und was haben sie gefunden", wollte Gillette wissen und nahm Norrington seine Frage damit vorweg.

„Nun... Thomson und Miller hat man aus dem Wasser gezogen. Beide tot. Der eine erstochen, der andere scheinbar erwürgt. Grey und Bottom lagen am Strand, ebenfalls tot. Der eine erstochen und der andere...", Mullroy verstummte und hob zum ersten Mal seinen Blick. „Sie haben ihm die Kehle aufgeschnitten, Sir", sagte er viel zu energisch. Gillettes Hand fuhr unwillkürlich zu seinem Hals und rieb sich seinen Kehlkopf.

„Was ist mit dem Fünften", wollte Norrington wissen und wirkte wesentlich gefasster als alle anderen im Raum.

„Sie haben ihn nicht gefunden. Wahrscheinlich hat ihn die See zu sich geholt. Sie haben lange gesucht, aber nichts von ihm gefunden...", antwortete Mullroy kleinlaut und Murtogg nickte nur um die Erzählung noch zu bestätigen.

„Erstochen, erwürgt und die Kehle haben sie ihnen aufgeschnitten. Ein Schiff wurde praktisch vor unseren Augen aus dem Hafen gesegelt. Es müssen einige Mann gewesen sein, denn die Dauntless lässt sich nicht so einfach segeln", der Commodore verstummte und ging mit finsterer Miene auf Mullroy und Murtogg zu. Er blieb vor ihnen stehen und sah sich in dem kleinen Raum um in dem er sich befand, als gäbe es etwas unheimlich interessantes zu entdecken. „Wurden Piraten gesichtet", platze es aus dem Commodore hinaus.

„Sir, nein, Sir. Keine Piraten. Niemand. Ein Soldat hat gestern etwas merkwürdiges erlebt. Erst schien jemand um Hilfe auf der Dauntless zu rufen, dann meinte derjenige, es sei alles in Ordnung. Niemand wurde gesehen. Wir haben bereits den Hafenmeister befragt. Keine merkwürdigen Gestalten erreichten den Hafen und das seit Wochen. Die Meisten kannte er, waren irgendwelche Handelsleute. In der Stadt wurde auch niemand bemerkt der auffällig war. Nur einige Verkäufer klagten über Diebstähle. Doch nichts erklärt wie oder durch wen das heute Nacht passieren konnte", endete Mullroy seine Erklärungen.

„Ich danke euch... Ich werde überlegen was zu tun ist", verabschiedete sich Norrington von Murtogg und Mullroy und schloss die Tür hinter ihnen. Gillette musterte den Commodore. „Was wollt ihr tun, Sir?"

Norrington sog scharf die Luft ein. „Ich würde meine Hand darauf verwetten, dass es Piraten waren, die das getan haben. Doch ich frage mich wie sie in die Stadt gelangt sind! Aber wer auch immer es war, er ist auf und davon mit unserem Schiff! Wir haben nicht die geringste Ahnung in welche Richtung sie gesegelt sind, wir könnten natürlich mit der White Eagle lossegeln und sie suchen, doch die Chancen, dass wir sie auf dem offenen Meer finden sind genauso groß, wie die, dass ich Miss Swann doch noch heiraten werde", sagte Norrington sichtlich in Rage und war sich noch nicht ganz bewusst darüber welche Wortwahl er da eben getroffen hatte. Gillette jedoch machte ihn sofort darauf aufmerksam. „Commodore Sir, darf ich sie bitten... Wahren sie ihre Fassung".

Norrington verdrehte leicht die Augen, setzte sich an den Tisch und faltete die Hände fürsorglich zusammen. „Verzeihung. Der Zorn ging mit mir durch. Ich weiß nicht wie ihr es seht, aber ich denke wir haben keine Chance die Verantwortlichen dieser Tat zu finden und sie zu verurteilen."Norrington erhob sich wieder und ging wieder auf und ab. „Ich werde mit dem Governor sprechen, ich denke er sollte von den Geschehnissen in Kenntnis gesetzt werden."

„Ganz Recht, Sir", bestätigte Gillette und nahm einen Schluck Wasser aus einem Becher.

Norrington nickte ihm zu und setzte sich dann wiederum in seinen Stuhl. Er wusste nicht warum, aber er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. In seinem Kopf hatte sich sofort der Gedanke eingenistet, es könnten diese verfluchten Piraten sein, mit denen er es vor einigen Monaten zu tun gehabt hatte. Doch sie waren tot, der Fluch war gebrochen... Einige Leichen hingen sogar noch in ihren Schlingen vor der Stadt! Der Commodore stutzte. Ihm fiel der Bericht von Murtogg und Mullroy wieder ein, die ihm gesagt hatten, die toten Körper würden nicht verwesen. Er musste der Sache auf den Grund gehen!

„Vater... Bitte...". Elizabeth hatte ihren unschuldigsten Blick aufgesetzt und sah ihren Vater durchdringend an.

„Elizabeth mein Kind... Du wirst nicht Tag und Nacht allein mit Will Turner auf einem Schiff verbringen und irgendwohin segeln", antwortete der Governor und schien unbeirrt.

Elizabeth hatte es ihm sicherheitshalber verschwiegen, dass auch noch Stiefelriemen Bill Turner mit von der Partie sein sollte, der immerhin ein waschechter Pirat war und dass sie alle drei vorhatten zur Isla de Muerta zu segeln. Elizabeth war der Überzeugung, diese paar Umstände könnten ihren Vater erst recht von seinem Verbot überzeugen...

„Aber wieso nicht? Traust du Will nicht", fragte Elizabeth energisch.

„Es geht nicht darum ob ich ihm traue oder nicht, er ist ein... Nun... MANN!"

„Ja und", fragte Elizabeth und setzte eine trotzige Miene auf. Sie ging im Zimmer hin und her und ihr langes Kleid schleifte auf dem Boden. „Er ist ein Mann, ich weiß. Würde ich dich je enttäuschen, Vater? Würde ich etwas tun, was nicht rechtens wäre?"

„Nein, Elizabeth, Kind in der Tat nicht! Aber ich kenne doch die jungen Leute! Das Plätschern der Wellen, der Sonnenuntergang und auf einmal sind alle guten Vorsätze dahin", erklärte der Governor.

„Woher weißt du das? Hast du Erfahrungen damit Vater", platze es aus Elizabeth etwas zu energisch heraus. Sie konnte diese Verklemmtheit ihres Vaters nicht ertragen.

„Kind, du gehst zu weit", sagte Weatherby Swann streng und musterte seine Tochter mit einem tadelnden Blick.

„Verzeih Vater... Aber bitte, bitte lass mich doch mit Will ein paar Tage auf dem Schiff sein! Nur ein paar Tage...", sagte Elizabeth und setzte einen flehenden Blick auf.

„Nein. Es ist zu gefährlich. Lassen wir die Tatsache, dass Will Turner ein Mann ist einmal außer Betracht. Ihr seid zu zweit auf einem Schiff, weißt du was da alles passieren kann? Auf dem Wasser gibt es Piraten, das Schiff könnte sinken... Was weiß ich könnte alles geschehen!"

„Ja, natürlich Vater. Hier könnte ich auch die Treppe runterfallen... Oder draußen werde ich von einer Kutsche überfahren", argumentierte Elizabeth.

„Kind du hast in der Tat eine überzeugende Argumentationsweise deinen Willen durchzusetzen, aber NEIN. Das ist mein letztes Wort. Es ist nur zu deinem Besten und in ein paar Jahren wirst du mir dafür dankbar sein, glaub mir!"

Elizabeth hatte das Gefühl zu platzen. Sie verzog wütend ihr Gesicht und ballte die Hände zu Fäusten. „Schön Vater", stieß sie hervor und rauschte aus dem Zimmer. Der Governor hatte einen äußerst entschlossenen Blick aufgesetzt und Elizabeth wusste, dass es hoffnungslos war. Sie hatte genug Erfahrung um zu wissen, wann sie etwas bei ihrem Vater erreichte und wann nicht. Der Gouvernor fuhr fort sein Schreiben, dass er angefangen hatte als Elizabeth zu ihm gekommen war, zu beenden und stellte sich wie immer die Frage, ob er vielleicht zu streng mit seiner Tochter war. Aber wenn er daran dachte was sie vorhatte... Selbst wenn Elizabeth und Will anständig blieben, was würde das für ein Gerede geben, wenn ein Mann und eine Frau, beide unverheiratet und jung, tagelang allein auf einem Schiff umhersegeln.... Nein, er hatte richtig entschieden! Für ihn gab es keinen Zweifel.

Tage vergingen seit die Dauntless gekapert worden war. Die Royal Navy war nicht wirklich voran gekommen. Norrington hatte einen bösen Verdacht, denn er hatte herausgefunden, dass die Leichen, die zur Abschreckung vor der Stadt gehangen hatten, verschwunden waren. Außerdem hatte er das ‚Piraten seid Willkommen' Schild gefunden und damit schien sich sein Verdacht bestätigt zu haben. Eigentlich hätte dies nichts heißen mögen, doch der Commodore wusste es. Er wusste nicht warum, doch er fürchtete die Piraten waren zurückgekehrt und hatten die Dauntless genommen. Er bezweifelte nicht, dass er damit Recht hatte und das hatte er in der Tat. Nur machte er sich zugleich schwere Vorwürfe, denn immerhin hatten ihn Murtogg und Mullroy rechtzeitig auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht, doch er hatte sie ignoriert! Er fühlte sich schuldig. Er hatte mit dem Governor gesprochen, hatte jedoch seinen Verdacht was die Piraten angeht vornehm verschwiegen. Denn es zeigte ihm ganz deutlich, dass er seine Arbeit nicht gut machte! Er war für die Sicherheit von Port Royal verantwortlich, er hätte handeln müssen, hätte aufpassen müssen, doch seine Gedanken waren vernebelt. Und er wusste auch warum sie das waren. Er dachte nur an Elizabeth. Er bekam sie nicht aus dem Kopf und es schmerzte ihn, dass Will Turner ihr zukünftiger Mann war. Commodore Norrington war ein Mann der Ehre, er hatte keine Interesse daran, ein Nebenbuhler um Elizabeth zu sein. Er hatte sie an Will Turner frei gegeben und das hatte er auch ehrlich gemeint. Er wusste, dass die junge Miss Swann bei ihm nicht glücklich gewesen wäre. Er hasste weder sie noch Will für das, was geschehen war. Und dennoch bekam er sie nicht aus seinen Gedanken und nun war es schon so weit, dass er seine Arbeit wegen ihr vernachlässigte, dass er Gefahren übersah und in Situationen, die entscheidend waren, falsch reagierte. Norrington wusste er würde Elizabeth nie an seiner Seite haben, er wusste Will würde sich in naher Zukunft um sie sorgen und ihr ein guter Mann sein und umso schlimmer fand er es dann, dass er immer wieder mit den Gedanken spielte, wie es sein würde, wenn sie ihn genommen hätte. Wie wäre es wohl mit ihr verheiratet zu sein, von ihr geliebt zu werden, sie sein Eigen nennen zu können? Norrington schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er führte sich auf wie ein Junge. Er dachte an etwas, dass er nie bekommen konnte und das er auch nicht wollte, wenn es nicht freiwillig zu ihm kam. Trotz seiner Gedanken an Elizabeth kam ihm nie die Idee, sie Will wieder wegzunehmen oder Will zu verachten, weil er sie liebte und sie ihn auserwählt hatte.

Commodore Norrington hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte. Er hatte einen schrecklichen Fehler gemacht und er schämte sich diesen einzugestehen. Bisher hatte er mit niemandem über seinen Fehler geredet oder jemandem gesagt, was er für böse Ahnungen hatte. Und das würde er auch nicht tun! Es gab keinen Grund dazu. Norrington hatte zwar die leise Vermutung, dass die Piraten vorhatten zu der Insel zu segeln, doch der Commodore hatte ein gewaltiges Problem: Er wusste nicht wie er zu ihr kam. Er hatte im Gegensatz zu Jack keinen Kompass, der ihn dort hinführte, er würde nie bei der Isla de Muerta ankommen, so viel war sich Norrington bewusst. Er konnte nichts tun, er wusste wer das Schiff gestohlen hatte, er wusste wo die Diebe waren, aber er hatte keine Ahnung wie er hinkommen könnte. Norrington schlug mit seiner geballten Faust auf den Tisch. Er verfluchte seine Torheit und die Tatsache, dass er nichts tun konnte. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken mit Elizabeth über das Problem zu sprechen, dass er nicht wusste wo die Insel lag. Oder noch besser, er sollte mit Will Turner darüber sprechen, denn beide waren dort gewesen, vielleicht kannten sie noch den Weg? Nein. Das konnte Norrington nicht tun. Erstens würden sie es wahrscheinlich ebenso wenig wissen, wie er selbst auch sie hatten keinen Kompass wie Jack und zweitens würde er damit seinen Fehler bei den Beiden eingestehen. Der dritte Grund war, dass Norrington nicht mit Elizabeth sprechen konnte, ohne dass es ihn irgendwo schmerzte. Der Commodore schüttelte den Kopf, trat an das Fenster seines Arbeitszimmers und sah hinaus. Er sah Soldaten, die eine Übung machten und seufzte. Für einen Moment konnte er Schwäche zeigen, Gillette war nicht da und auch sonst war niemand im Raum. Er musst etwas tun! Die Familienmitglieder der ermordeten Soldaten wollten Taten sehen und bisher war noch nichts geschehen. Etwas, das Ergebnisse zur Folge hatte konnte Norrington ohnehin nicht tun, aber er konnte als Alibifunktion etwas tun. Norrington fasste einen Beschluss. Er würde Morgen mit Soldaten auf die White Eagle gehen und aus dem Hafen segeln. Dann würde er ein bestimmtes Gebiet entlang fahren und Ausschau nach der gestohlenen Dauntless halten. Er wusste, er würde sie nicht finden, aber so sah es immerhin so aus, als würde die Royal Navy etwas tun um die Mörder ihrer ermordeten Kameraden zu fassen und das gestohlene Schiff zurückzubekommen. Ja, das würde er tun. Morgen würde er mit der White Eagle und seinen Männern auslaufen, er musste Gillette darüber informieren. Norrington fühlte sich schlecht, er verheimlichte dem Governor und seinen Männern etwas ganz Entscheidendes. Das hatte er noch nie zuvor getan, doch er sah keine andere Möglichkeit. Es war zu spät, die Piraten waren fort, er würde sie nicht finden, keiner konnte ihm helfen und seinen Fehler einzugestehen würde nur Fragen aufkommen lassen. Und er konnte ja kaum erzählen, dass er immerzu an Elizabeth denken musste und deshalb die wichtigen Hinweise übersehen hatte. Norrington richtete sein Hemd, zog seinen Hut zurecht und steckte das Schwert, das ihm Will Turner einst angefertigt hatte, in seinen Gürtel. Dann öffnete er die Tür und trat hinaus aus dem Zimmer um Gillette zu suchen und ihn von seinen Plänen zu unterrichten. Das einzige was Norrington tun konnte war zu tun, als würde er etwas tun...

„Ich hatte nicht erwartet, dass du alleine kommst", sagte Will verblüfft und machte große Augen, als er seine Verlobte sah. Elizabeth stapfte äußerst entschlossen auf ihn zu. Ihre Haare hatte sie fest nach hinten gebunden und sie trug ein sehr schlichtes Kleid, dass aussah, als hätte sie es sich von einem Dienstmädchen geliehen. In der Hand schwenkte sie eine Tasche, die anscheinend nicht gerade leicht war. Stiefelriemen Bill, der sich an einen Karren gelehnt hatte zog seinen Mundwinkel zu einem Grinsen hoch.

„Guten Abend die Herren", sagte Elizabeth forsch und ließ die Tasche vor Will fallen. „Na ja... Ähm... Mein Vater hat wieder viel zu lange gebraucht und... Ach ich dachte, ich schaffe das auch alleine", log Elizabeth und wendete sich dann schnell von Will ab. „Sie müssen Wills Vater sein... Wie darf ich sie nennen Sir..."begann sie ihre Begrüßung und lächelte Stiefelriemen an.

„Nennt mich Bill, schöne Frau", sagte Stiefelriemen süßlich, nahm ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf ihren Handrücken. „Ich verstehe meinen Sohn", murmelte er und lächelte charmant. Will ließ ein dezentes Räuspern im Hintergrund verlauten, doch Elizabeth warf ihm nur einen schelmischen Seitenblick zu. „Es freut mich sehr euch kennen zu lernen, Bill". Elizabeth musterte Stiefelriemen unauffällig und war fasziniert von der Ähnlichkeit die er mit Will hatte.

„Die Freude liegt ganz bei mir".

Will schüttelte den Kopf und spürte Zorn in sich aufsteigen. Oder war es Eifersucht? Irgend wie fand er diese über höfliche Art von seinem Vater aufgesetzt, doch Elizabeth schien sie sehr zu gefallen...

„Und dein Vater ist wirklich mit allem einverstanden", fragte Will, nur um sich mal zu Wort zu melden, als er sah, wie Elizabeth und sein Vater sich anlächelten.

„Was?" Elizabeth fuhr herum und sah ihn an. „Ja... Nun, er war nicht gerade begeistert von unserem Vorhaben, aber... Er war einverstanden", lächelte sie.

Stiefelriemen musterte Elizabeth und grinste vielsagend. Er erkannte wenn jemand log, doch er hatte nicht vor seinem Sohn, der wieder diesen kritisch fragenden Blick aufgesetzt hatte, etwas davon zu sagen...

„Also wollen wir dann? Ich zeige euch das Schiff", forderte Elizabeth sie auf.

„Darf ich euch meinen Arm anbieten", fragte Stiefelriemen sogleich und Elizabeth hackte sich lächelnd ein. In Wills Augen blitzte das Weiße zornig hervor, als die Beiden an ihm vorbeischritten und begannen sich zu unterhalten. Will fühlte sich geschlagen und nahm Elizabeths Tasche. Er trottete hinter den beiden her und lächelte gekünstelt als Stiefelriemen sich kurz zu ihm umdrehte und den Daumen hoch machte als Zeichen, dass er Elizabeth mochte. Will murmelte etwas vor sich hin. Er wusste schon jetzt, dass er einen Fehler gemacht hatte...