„Habt ihr zwei zufällig James Potter gesehen? Wir haben nach dem Unterricht Training und ich find ihn einfach nicht. Leo und ich haben schon das halbe Schloss nach ihm abgesucht." Fragte er Honey und Lily aufgeregt.
„Also vorhin ist er nach unten gegangen. Vielleicht hat er gerade Kräuterkunde oder Verwandlungen." Antwortete Lily ihm. Sofort galoppierte er „Danke" rufend nach unten.
„Dürfen wir beim Training zuschauen?" Rief Honey ihm noch schnell hinterher.
„Klar!" Brüllte er im Laufen zurück. Erfreut lächelten Honey und Lily sich an und gingen zum Flugunterricht.
„Heute vertiefen wir die Übung vom letzten Mal." Sagte Professor
Hawkins, der Fluglehrer, mit seinem strahlendesten Lächeln. Er hatte
einen kurzen, dunkelblonden Bürstenhaarschnitt und trug ständig eine
alte Fliegerbrille. Er war ebenso jung und beliebt wie Professor
Garbarec und ein genauso großer Angeber. „Besteigt eure Besen und
fliegt nacheinander durch die Ringe."
„Ähm... welche Ringe Professor?" Fragte Simon irritiert.
Professor Hawkins drehte sich um, schwang kurz seinen Zauberstab und
mehrere bunte Ringe schwebten in verschiedenen Höhen in der Luft.
„Diese Ringe." Er wies begeistert auf seine soeben geschaffenen
„Meisterwerke". „Ich werde es ihnen schnell vormachen." Mit seinem
charmantesten Lächeln sprang er auf seinen Besen und stieß sich vom
Boden ab. Mit unglaublicher Leichtigkeit und übertrieben scharf
geschnitten Kurven sauste er durch seine Ringe und sprang danach einen
Meter über dem Boden von seinem Besen.
„Und jetzt schön nacheinander. Die Ravenclaws durch die Blauen
und die Gryffindors durch die Roten. Okay, Miss Evans, Mr Abrasion. Sie
beginnen." Lily und Samuel stiegen auf ihre Besen und flogen los. Beide
durchquerten fast problemlos die Ringe. Die anderen folgten ihrem
Beispiel. Honey schaffte es sogar ziemlich schnell. Professor Hawkins
zwinkerte ihr begeistert zu. Honey und Lily stellten sich in eine Ecke
und warteten darauf, dass auch die anderen ihren Parcours beendeten.
Sally Warren, die letzte von den Gryffindors winkte sie heran.
„Honey, Lily. Ich hab gehört, ihr dürft nachher beim
Quidditchtraining zusehen?" Fragte sie verlegen. „Darf ich mitkommen?"
Honey überlegte kurz. Sie dachte an die schmachtenden Blicke,
die Sally Steward Fly, dem Treiber der Gryffindors immer zuwarf.
„Okay, du kannst mitkommen." Antwortete Honey. Sally hüpfte vor
lauter Freude auf und ab und umarmte Honey und Lily überraschend. Als
Sally endlich mit dem Flugparcours an der Reihe war, zischte Lily Honey
zu: „Müssen wir die denn unbedingt mitnehmen?"
„Ach, die wird uns gar nicht stören." Beruhigte sie Lily.
„Sobald sie Steward sieht, fällt sie doch wieder in ihre gewohnte
Trance." Honey imitierte dabei auf recht übertriebene Weise Sallys
Gesichtsausdruck, woraufhin Lily in heftiges Lachen ausbrach und sich
beide einen missbilligenden Blick von Professor Hawkins.
„Ich muss sie doch bitten, meine Damen. Hatten sie in Professor Garbarecs Stunde nicht genug Zeit zum plaudern?"
„Tut uns Leid, Professor." Antwortete Lily immer noch kichernd.
„Zur Belohnung dürfen sie beide eine extra Runde drehen." Er warf ihnen ein kurzes Band zu. „Synchron bitte."
Honey und Lily sahen einander an. Synchron? Das war unmöglich!
Zitternd bestiegen sie ihre Besen und nahmen jeder ein Ende des Bandes.
Mühselig schwankten sie durch die magischen Ringe, stießen hin und
wieder zusammen und drohten mehrmals von ihren Besen zu fallen. Nach
unendlichen viereinhalb Minuten ließen sich, unter dem Gelächter der
anderen, Honey und Lily erschöpft zu Boden gleiten.
„Das war beeindruckend!" Professor Hawkins lief fröhlich auf sie
zu und zog sie auf die Beine. „Das gibt 10 Punkte für Gryffindor."
Weder Honey noch Lily konnten sich erklären, was an ihrem kläglichen
Manöver beeindruckend gewesen sein sollte. Donald Simmons zischte ihnen
ein gereiztes „Streber" zu. Honey zog eine Grimasse hinter seinem
Rücken.
„Wenn sie so weitermachen, werden sie nächstes Jahr noch ins
Quidditchteam aufgenommen. Das soll´s für heute gewesen sein. Bis
nächsten Freitag."
Während die anderen zurück ins Schloss gingen, machten sich Sally, Lily und Honey auf zum Quidditchstadion.
„Steward wird doch auch da sein, oder? Meint ihr er mag mich?
Sitzen meine Haare? Hab ich was zwischen den Zähnen?" Sprudelte es aus
Sally heraus.
„Keine Sorge, Sally. Du bist hübsch genug. Und warum sollte er
nicht da sein? Er ist schließlich Treiber." Honey und Lily waren jetzt
schon genervt. Wie sollte das erst werden, wenn das Training begann?
Sie ließen die Ländereien hinter sich und sahen schon von weitem die
Tribünen des Quidditchstadions. Fast das gesamte Quidditchteam war
schon versammelt, nur einer fehlte noch ...
„Honey? Was willst du denn hier?" Fragte Leo genervt.
„Ist schon okay, ich hab´s ihnen erlaubt. Habt ihr James gesehen?" Fragte Jonathan Wood aufgebracht.
„Hast du ihn vorhin nicht gefunden?" Fragte Lily etwas
enttäuscht, während Sally in ihre gewohnte Trance verfallen war und
Steward sehnsüchtig anstarrte.
„Doch, aber er ist noch nicht aufgetaucht." Besorgt und verärgert versuchte er James irgendwo zu entdecken.
„Wo bleibt er bloß?" Ungehalten trat er von einem Fuß auf den
anderen, bis die Jägerin Liza Thompson gen Himmel zeigte und sagte:
„Ich glaube da oben kommt er." Alle, bis auf Sally, die immer noch den
armen Steward begaffte, blickten nach oben. Wie der Blitz kam James auf
seinem Besen über die Ländereien gerauscht und sprang aus über zwei
Metern Höhe vor ihnen ins Gras.
„Wartet ihr auf jemanden?" Fragte er breit grinsend.
„Auf jemanden? Wir warten schon seit fast zehn Minuten auf dich!
Kannst du denn nicht einmal pünktlich sein?" Beinah fünf Minuten
prasselte Jonathans Redeschwall auf den armen James ein, der langsam
immer kleiner wurde bis Richard Williams sie unterbrach.
„Ähm, Jonathan. Wollen wir nicht endlich anfangen?" Fragte er vorsichtig.
„Was? Oh, natürlich! Gehen wir!" Die Mannschaft wandte sich zum
Gehen. Jonathan drehte sich noch einmal zu Sally, Honey und Lily um.
„Und ihr setzt euch am besten auf die Tribüne da oben. Von dort
aus habt ihr den besten Ausblick." Er gönnte ihnen noch ein
freundliches Grinsen und verschwand. Sally, Lily und Honey ließen sich
auf der Tribüne nieder und beobachteten wie Jonathan unter wildem
Armgefuchtel versuchte seiner Mannschaft Spielzüge zu erklären. Dann
ließ er den Schnatz und die Klatscher frei und das Training begann. Mit
unglaublicher Geschwindigkeit rasten Joanna und Steward den Klatschern
hinterher und pfefferten sie auf Liza, Jonathan und Richard, die
geschickt auswichen und sich den Quaffel zuwarfen, während Leo die
Torstangen umkreiste. Keine drei Minuten später brüllte James aus
vollem Hals: „Hab ihn!" Alle drehten sich zu ihm um, wobei Liza und
Steward unsanft zusammen stießen.
„Jetzt schon?" Fragte Jonathan ungläubig. „Ähm... gut, dann lass ihn los und mach´s nochmal."
James zuckte mit den Achseln ließ den Schnatz wieder frei und
ließ ihm etwas Vorsprung. In aller Ruhe drehte er ein paar Loopings und
Schrauben und grinste dabei stolz.
„So ein Angeber." Sagte Sally. „Er fliegt nicht einmal halb so
toll wie Steward." Lily und Honey seufzten genervt und sparten sich
eine Antwort. James hielt es anscheinend für Zeit sich wieder dem
Schnatz zuzuwenden, denn plötzlich raste er im Sturzflug zu Boden.
Immer näher kam er dem Boden, Lily fummelte nervös an ihrem Umhang
herum.
„Was ist wenn er nicht mehr rechtzeitig hochziehen kann?" Fragte
sie mit zitternder Stimme. Honey antwortete mit besorgtem Blick: „Dann
ist er ein hässlicher Fleck am Boden." Doch schon zog James seinen
Besen so plötzlich hoch, dass er wie eine Kanonenkugel gen Himmel
schoss. Lily schnappte erschrocken nach Luft.
„Der will sich nur wichtig machen." Sagte Sally schnippisch und rümpfte die Nase.
„Klasse Wronski-Bluff, Potter!" Rief Leo James zu und ließ sich
dabei so vom Besen baumeln, dass er sich nur noch mit einem Fuß und
einer Hand festhielt, während er den Quaffel auffing und Jonathan
zuwarf.
„Danke!" Brüllte James zurück. „Dein Seestern und Stiel war aber auch nicht schlecht!"
Lily wandte sich hilfesuchend an Honey: „Was reden die da?"
Doch Honey war ebenso ratlos.
„Keine Ahnung. Quidditch-Latein würde ich sagen."
Honey blinzelte. Etwas kleines Goldenes flog auf sie zu und stoppte genau vor Lilys Nase.
„Nicht bewegen." Flüsterte Honey. Lily schielte auf das glitzernde Goldding vor ihrer Nase.
„Warum? Beißt er?"
„Nein, aber ..."
„DUCKEN!" Brüllte es von weiter oben und schon kam James wie
der Wind angebraust. Er flog keine 10 Zentimeter über ihren Köpfen
hinweg, während Lily nichts anderes einfiel als sich rücklings in die
Zuschauerbänke fallen zu lassen. James streckte nur kurz den Arm aus
und hatte den Schnatz, dann bremste er scharf ab, drehte einen Looping
und sprang knapp über der Tribüne ab. Lily lag immer noch mit
geschocktem Blick in den Bänken, Honey kniete neben ihr und fuchtelte
mit den Fingern vor ihrer Nase herum.
„Lily! Sag´doch was! Geht´s dir gut?"
Mühsam und von dem Sturz noch etwas benommen setzte Lily sich auf.
„Ist alles okay?" James kniete neben ihr und blickte sie mit schuldbewusster Miene an.
„Ähm... Ja." Stammelte Lily.
„Dann ist ja gut." Grinste James, nahm Lilys Hand und zog sie so
schwungvoll auf die Beine, dass sie beinahe wieder gestürzt wäre. Honey
bemühte sich verzweifelt, bei dem Anblick von Lilys tomatenrotem
Gesicht nicht laut loszulachen.
Als James seinen Besen wieder bestiegen hatte, rief sie ihm,
hauptsächlich um Lily aus ihrer „Trance" zu wecken, hinterher: „Hey,
James. Dieses Fangmanöver war echt genial!" Er lächelte stolz zurück
und machte noch einen Ehrenlooping bevor er den Schnatz wieder losließ
und ihm erneut hinterher jagte.
Da Lily das Training jetzt mit der gleichen verträumten Miene
beobachtete wie Sally, wurde es Honey schnell langweilig und deshalb
beschloss sie Hagrid besuchen zu gehen und die beiden sabbern zu
lassen.
„Lily, ich geh´ mal Hagrid besuchen. Du kannst gerne noch hier bleiben, wenn du möchtest."
Lily schenkte ihr ein abwesendes Nicken.
Honey streifte über die Ländereien und hielt Ausschau. Eigentlich
wusste sie nicht wirklich wonach sie Ausschau hielt, entdeckte dann
aber doch etwas höchst Interessantes, denn sie sah gerade noch
Professor Zanzarahs wehenden Umhang im Eingang zum Verbotenen Wald
verschwinden. Kaum war er nicht mehr zu sehen, hörte sie aus dem Wald
ein aufgeregtes Summen und Piepsen. Sie lugte vorsichtig zwischen die
Bäume und versuchte die Ursache dieser komischen Geräusche zu erkennen,
doch sie sah nichts zwischen den Bäumen als Dunkelheit. Diese
Dunkelheit allerdings bewegte sich mit hoher Geschwindigkeit auf sie
zu! Eine dunkle Wolke ähnlich der blauen Wichtel-Wolke von vorhin kam
sirrend und brummend aus dem Verbotenen Wald direkt auf sie zu! Honeys
erster Gedanke war „Bloß nicht bewegen!" Sie hatte mal von Tieren
gehört, die einen nur registrierten, wenn man sich bewegte. Diesen
Gedanken verwarf sie allerdings schnell wieder, denn die Wolke kam sehr
zielstrebig auf sie zu. Sie schaute sich um. Hagrids Hütte war nicht
einmal mehr 250 Meter entfernt. Also lief sie so schnell sie konnte
los, doch die Wolke war schnell. Das Surren und Brummen kam ihr schnell
näher und bald erkannte sie auch schon, aus was die Wolke bestand. Es
waren Doxys. Viele Doxys! Noch 100 Meter trennten sie von Hagrids
Hütte, auf die Idee um Hilfe zu schreien kam sie erst gar nicht.
Plötzlich befand sie sich mitten in der Wolke. Die Doxys umschwirrten
sie wild, schlugen mit ihren Flügeln und immer wieder stürzte eine
nieder um Honey zu beißen. Verzweifelt versuchte sie, die summenden,
kleinen Ungeheuer abzuwehren, aber es waren einfach zu viele. Obwohl
sie wusste, dass es hoffnungslos war, zückte sie ihren Zauberstab und
rief so viele Zauberflüche, wie ihr nur einfielen, doch dieser
beißenden Masse war sie einfach nicht gewachsen. Honey spürte, wie sich
das Gift der Doxys langsam in ihrem Körper ausbreitete, kämpfte aber
tapfer weiter. Es waren immerhin nur Doxys. Plötzlich hörte sie hinter
drei ihr bereits wohlbekannte Stimmen: „Immobilus!", „Flipendo!"
Honey sank wie in Zeitlupe ins weiche Gras und ihr wurde schwarz vor Augen.
