Am Morgen des letzten Schultages erschienen Honey und Lily relativ spät zum Frühstück. Die Jungs saßen bereits am Tisch; Sirius war in sein Müsli vertieft und Peter beobachtete James, der hektisch auf einem Pergament herum kritzelte. Die beiden Mädchen hockten sich daneben und schmierten sich Toasts.
„Ist Remus schon wieder krank?" Fragte Honey und versuchte mehr empört als enttäuscht zu klingen.
„Ja, nach ihm kann man sich wirklich die Uhr stellen." Antwortete James und unterdrückte ein Lachen.
„Was schmierst du da denn?" Sagte Lily neugierig und schielte kauend auf James´ Pergament.
„Hausaufgaben." Sagte James selbstverständlich.
„Und die machst du jetzt?" Lily schien entrüstet.
„Gestern Abend hatte ich keine Lust mehr." Verteidigte er sich. Lily schüttelte den Kopf und biss wieder in ihr Toast.
Mit rauschendem Geflatter erschienen die Posteulen und warfen Briefe über den Schülern ab. Kurze Zeit später brüllte Leo an drei Rücken vorbei: „Hey, Honey. Mum will, dass wir Morgen nicht mit dem Zug fahren, sondern direkt nach Hause kommen."
Honey beugte sich nach hinten und rief schmollend zurück: „Och manno, warum das denn?" Sie hatte sich bereits so sehr auf eine gemütliche Rückfahrt, vielleicht sogar mit den Jungs in einem Abteil, gefreut.
„Sie schreibt, wir kriegen volles Haus und irgendwas von ganze Familie blabla, Oma und Opa extra aus Frankreich blabla, den ganzen Tag kochen blabla." Honey verzog das Gesicht.
„Wann sollen wir denn da sein?" Fragte sie und hoffte wenigstens dem Zug bei der Abfahrt hinterher winken zu können.
„Um 8 Uhr Morgens." Leo schaute fast noch gequälter drein als Honey, denn wie sie wusste, hasste er es früh aufzustehen.
Honey maulte den Rest des Frühstücks über vor sich hin. Jetzt konnte sie nicht nur nicht hinterher winken, nein sie musste auch noch aufstehen, während die anderen wahrscheinlich noch im Tiefschlaf lagen. Auch das sie in den ersten beiden Stunden Zaubertränke hatte, besserte ihre Laune nicht. Missmutig und mit düsterer Miene mixte sie ihren Trank zusammen. Als sie gerade getrocknete Nesseln abwog, spürte sie einen Schatten hinter sich.
„Miss Jackson, was glauben sie, was sie da tun?" Fragte Professor Zanzarahs kalte Stimme.
„Ich mische einen Furunkelheiltrank?" Antwortete Honey vorsichtig und überprüfte noch einmal die Vorgaben auf der Tafel.
„Das sehe ich anders. Würden sie mir bitte die sechste Zeile von oben vorlesen."
„Geben sie 60 Gramm Stachelschweinpastillen hinzu und lassen sie es viereinhalb Minuten auf kleiner Flamme köcheln." Las sie mit zitternder Stimme.
„Miss Jackson, sie kennen den Unterschied zwischen einer fünf und einer sechs?"
„Natürlich, Professor." Verwirrt musterte sie die Tafel. „Dann heißt das also 50 Gramm und nicht 60?"
„Tja, da sie nun einsehen, dass ihr Trank auf Grund ihrer Leseschwäche vollkommen misslungen ist, werden sie es mir mit Sicherheit nicht übelnehmen wenn ich ihnen fünf Hauspunkte abziehe und ihnen eine sechs gebe." Sagte Professor Zanzarah mit seinem typischen fiesen Lächeln im Gesicht. Honey geriet langsam in Panik. Er konnte ihr doch nicht einfach eine dermaßen schlechte Note geben. Lily schielte mitleidig zu ihr hinüber. Plötzlich hatte Honey einen Geistesblitz!
„Ähm, Professor -" Sagte Honey zögernd.
„Haben sie etwas an meiner Notengebung auszusetzen?" Fragte Professor Zanzarah mit stechendem Blick.
„Nein, nein. Natürlich nicht, Professor!" Sagte Honey schnell. „Aber wenn ich ein wenig mehr von den getrockneten Nesseln hinzugebe und - " Sie griff nach den Zutaten und mixte und rührte mit nachdenklichem Blick bis sich ihr Trank von purpurrot zu hellgrün färbte.
„Beeindruckend." Sagte Professor Zanzarah und zuckte anerkennend mit der Augenbraue. „Ihrer Nachbarin sollten sie ebenfalls zur Hand gehen, bevor sie noch das Schloss in die Luft jagt. Fünf Punkte Abzug, Miss Evans." Er schenkte Lily einen verächtlichen Blick und zog weiter. Honey blickte mitleidig in Lilys Kessel. Das was sich darin befand, war zwar wunderschön hellgrün, allerdings begann es langsam die Konsistenz von altem Kaugummi anzunehmen. So unauffällig wie möglich schob sie Lily die fehlenden Zutaten hinüber und zischte ihr die richtigen Mengen zu. Sie wusste zwar, dass Professor Zanzarah auf keinen Fall die abgezogenen Punkte zurückgeben würde, doch sie hoffte inständig, er würde wenigstens ihre Note ändern, doch schon war er wieder dabei andere Schüler zu terrorisieren.
Verteidigung gegen die dunklen Künste lief ein wenig besser. Mit seinem üblichem, freudigem Grinsen teilte Professor Garbarec korrigierte Aufsätze aus. Honey und Lily bekamen beide ziemlich gute Noten, was ihre Laune erheblich besserte. Da draußen inzwischen ein wilder Schneesturm tobte, fiel zusätzlich noch der Flugunterricht aus und die Mädchen hatten den gesamten Nachmittag frei und so beschlossen die beiden Hagrid einen Besuch abzustatten.
Mühsam kämpften sich die beiden durch das Schneegestöber und klopften, so laut sie konnten an Hagrids Tür.
„Beweg deinen Arsch und mach schon auf, du riesiger Hornochse." Hörten sie Karlchens Stimme von drinnen. Kurz darauf streckte Hagrid sein riesiges Gesicht aus der Tür.
„Wer da? Ach, ihr seid´s. Kommt schnell rein, bevor ihr dort draußen fest friert." Sagte er und ließ die beiden herein. Honey und Lily klopften sich den Schnee ab und schlüpften aus ihren Wintermänteln. Drinnen war es herrlich warm, auch wenn es nach einer Mischung aus Jarvey und Lavendel stank.
„Hagrid, was ist dir denn hier explodiert?" Fragte Honey und rümpfte die Nase.
„Naja, ich hab versucht Karlchens Gestank damit wegzukriegen. Aber hat nicht ganz funktioniert." Antwortete Hagrid verlegen. „Setzt euch, ich mach euch n Tee." Das ließen Honey und Lily sich nicht zweimal sagen und warfen sich genüsslich auf das riesige Sofa. Als Hagrid ihnen den Tee brachte, sahen die beiden, dass sein Gesicht und seine Hände mit unzähligen, kleinen Bisswunden übersäht war.
„Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?" Fragte Lily besorgt.
„Ach das. Naja, ich sollte Feen für die Weihnachtsdeko besorgen und die sind ja eigentlich recht friedlich, wenn man sie die ganze Zeit bewundert. Aber dann kam Karlchen und hat wieder irgendwas gegrummelt, da sind die blöden Viecher plötzlich total durchgedreht."
„Ist ja echt blöd. Und das ist alles deine Schuld, du Stinktier." Zickte Honey zu dem Jarvey hinüber, der sich auf Hagrids Bett zusammengerollt hatte. Karlchen meckerte natürlich sofort sehr unfreundlich zurück, doch Honey ließ sich davon nicht stören und trank genüsslich ihren Tee.
Plötzlich klopfte es laut und drängend an die Tür.
„Erwartest noch jemanden, Hagrid?" Fragte Honey.
„Bei dem Wetter hätte ich nicht einmal euch erwartet." Antwortete Hagrid. Mit verwirrtem Blick öffnete er die Tür und spähte hinaus.
„Hallo?" Fragte er vorsichtig, als plötzlich drei vermummte, eingeschneite Gestalten hereinstürzten.
„Hi Hagrid." Sagte Remus und hockte sich bibbernd vor den Kamin.
„Hallo." Sagte Peter und ließ sich neben Remus plumpsen.
„Scheiße, ist das kalt draußen!" Sagte Sirius und lümmelte sich zwischen die beiden. Gerade als Honey James´ schwarzen Strubbelkopf erwartete, erschien ein anderer schwarzer Strubbelkopf in der Tür.
„Petronius!" Rief Honey verwundert.
„Wir haben ihn draußen gefunden. Hat sich mit ´nem Niffler gezofft." Erklärte Remus. Fiepend hinkte der schwarze Wolf auf Honey zu. Liebevoll zog sie ihn aufs Sofa, um ihn ausgiebig zu kraulen und zu knuddeln.
„Hey, du siehst ja wieder ganz gesund aus." Sagte Honey zu Remus.
„Ja, war wohl doch nicht so ernst." Antwortete er und lief ein wenig rot an.
„Hagrid, mach endlich die Tür zu, es ist kalt!" Rief Sirius und drängte sich näher an den Kamin. „Und Schokofröschchen, wir sollen dir von Leo ausrichten, dass du seinen Besen mitbringen sollst." Honey hörte auf Petronius zu knuddeln und blickte Sirius entgeistert an.
„Bei dem Wetter? Dem geht´s wohl nicht gut!" Rief Honey empört.
„Keine Sorge. James bringt ihn mit, wenn er von seinem Extremtraining kommt." Antwortete Sirius.
„Du willst doch wohl nicht sagen, dass Jonathan ihn bei dem Wetter auf´s Quidditchfeld schickt?" Fragte Lily entgeistert.
„Nö, der ist freiwillig gegangen. Wenn´s um Quidditch geht, hat James manchmal echt ´ne Klatsche." Antwortete Remus kopfschüttelnd. Als er seinen Satz beendet hatte, klopfte es zum dritten Mal an der Tür. Kaum hatte Hagrid sie geöffnet, um zu sehen, wer sein neuer Gast war, zwängte sich James, bewaffnet mit Leos Besen, an ihm vorbei, schubste Remus und Peter zur Seite und wärmte sich am lodernden Kamin.
„Hast du den Schnatz etwa schon gefangen?" Fragte Lily ihn verblüfft.
„Nee, die Flügel waren festgefroren. Also hab ich nur Leos Besen geholt." Antwortete James und wollte Honey den Besen zuwerfen, der allerdings an seiner geöffneten Hand hängen blieb und sich auch durch energisches Schütteln nicht lösen wollte.
„Och nö! Sirius zieh doch mal!"Sagte er genervt und hielt Sirius seine Hand hin. Nach ein paar kräftigen Rucken machte es unschön krrrkkkssss und es hatte sich nicht nur der Besen sondern auch ein Teil des Handschuhs gelöst. Doch schien ihn das nicht zu interessieren, denn er schaute nur beiläufig auf das Loch in seinem Handschuh, zuckte mit den Schultern und warf Honey dann den Besen rüber.
„Oh, ich muss euch mal was zeigen!" Sagte Hagrid und kramte aus einer gut behüteten Ecke einen Topf mit einer kleinen, kristallblauen Blume hervor. Neugierig scharrten sich alle um den kleinen Blumentopf.
„Das ist ´ne Zuckerblume. Sind ziemlich schwer zu züchten." Sagte Hagrid stolz.
„Seltene Zaubertrankzutat. Wächst vorwiegend in Sibirien und Skandinavien. Blütezeit Ende Dezember bis Mitte Januar. Blüten sowie Blätter sind essbar und werden auf Grund ihres süßen Geschmacks gerne für magische Süßigkeiten benutzt, verstärken zusätzlich die Wirkung der meisten Zaubertränke." Ratterte James lehrbuchgleich herunter. Alle starrten ihn verwirrt an.
„Ja, was? Ich bilde mich!" Verteidigte er sich.
„Glaubst du, sie wird deiner Mum gefallen?" Fragte Hagrid Honey ein wenig verlegen.
„Bestimmt." Antwortete Honey immer noch staunend. „So eine wollte sie schon immer haben!"

Am nächsten Morgen erwachte Honey wie immer viel zu früh. Lily, Sally und Marianna schlummerten noch selig; Petronius schnarchte leise am Fuß ihres Bettes. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, schlich sie sich aus dem Bett und spähte aus dem Fenster. Trotz der Finsternis konnte sie erkennen, dass sich der Schneesturm gelegt hatte. Auf Zehenspitzen schlich sie durchs Zimmer, wusch sich und zog sich an. Nachdem sie ihre letzten Sachen in den Koffer geschmissen hatte, schnappte sie sich Lilys Geburtstagsgeschenk und ging hinunter in den Gemeinschaftsraum. Er war ungewohnt still und leer, nur das Kaminfeuer knisterte leise.
Honey ließ sich genüsslich in einen der Sessel fallen und fing an den Ball an der Schnur gegen den Schläger ploppen zu lassen. Eingelullt von dem regelmäßigen Ballploppen und dem Knistern des Feuers, merkte sie kaum, wie die Zeit verging. Langsam füllte sich der Gemeinschaftsraum mit aufgeregten Gryffindors, die alle schon von ihren Weihnachtsfeiern zu Hause schwärmten. Plötzlich klopfte ihr jemand auf die Schulter.
„Guten Morgen, Schokofröschchen!"
Honey ließ vor Schreck ihren Schläger fallen und drehte sich um.
„Hab ich dich erschreckt?" Fragte Sirius breit grinsend.
„Nein." Log sie frech.
„Ja, sicher." Sagte er ironisch und hob ihren Schläger auf. „Wolltest du n Weltrekord brechen? Ich steh seit fast zehn Minuten hier und du hast mich nicht mal bemerkt."
„Einen Weltrekord hab ich bestimmt gebrochen. Ich hab bei 4568 aufgehört zu zählen."
„Was? Scheiße, wie lange sitzt du schon hier?" Fragte Sirius verblüfft.
„Keine Ahnung. Wie spät ist es denn?" Fragte sie.
„Ähm... Viertel vor acht."
„Waaas? So ein Mist!" Grummelte sie, sprang auf und stürmte ungeniert die Treppe zu den Jungenschlafsälen hoch. So laut wie möglich trommelte sie gegen Leos Tür.
„LEO! Steh endlich auf! Wir kommen noch zu spät!"
Ein müder, verschlafener Jonathan öffnete die Tür.
„Wasnlos?"fragte er.
„Wo steckt Leo? Wir müssen gleich los!" Fragte sie hibbelig, während Jonathan als Antwort erstmal genüsslich gähnte.
„Der schläft noch."
Honey schubste ihn zur Seite und ging auf das schnarchende Knäuel zu, indem sie ihren Bruder erkannte.
„Leo, aufstehen!" Brüllte sie und ruckelte so kräftig wie möglich an ihm herum.
„Geh weg. Lamich schlafn." Murmelte das Deckenknäuel, drehte sich um und versuchte Honey, wie eine lästige Fliege zu verscheuchen. Doch sie ließ nicht von ihm ab und zerrte solange an seiner Decke, bis er sich gähnend und maulend aus dem Bett trollte. Im Zeitlupentempo schlurfte er ins Bad, während Honey sich erbarmte und sämtliche Klamotten ihres Bruders vom Fußboden in seinen Koffer räumte. Nervös blickte sie auf seinen Wecker.
„Leo, beeil dich gefälligst!" Brüllte sie erneut. Ohne auf eine Antwort zu warten, zog sie den Koffer an den wieder schnarchenden Betten von Jonathan und Steward vorbei, die Treppe hinab in den Gemeinschaftsraum.
„Hey, Schokofröschchen. Wo du gerade Packesel spielst, kannst du unsere Koffer auch gleich herbringen." Scherzte Sirius. James, Peter und Remus hatten sich inzwischen zu ihm gesellt und schienen diese Idee ebenfalls saukomisch zu finden. Honey streckte ihnen frech die Zunge raus und lief die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hoch, um ihren eigenen Koffer zu holen. Gerade als sie die Tür zu ihrem Schlafsaal öffnen wollte, machte es RUMS! und sie fand sich rücklings am Boden wieder.
„Warum sitzt du denn da unten?" Fragte Lily kichernd und hielt Honey die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.
„Ich erhole mich von deiner Mordattacke." Antwortete Honey, ließ sich von Lily auf die Beine ziehen und rieb ihr schmerzendes Hinterteil. „Hat dich was gebissen oder was ist passiert?"
„Ich hab dich gesucht." Sagte Lily. „Erst dachte ich, ich hätte total verpennt und du wärst schon weg, aber dann hab ich gesehen, dass dein Koffer und dein Sabbertier noch da sind, also hab ich daraus kombiniert, dass du dich wahrscheinlich im Gemeinschaftsraum mit jemandem verplaudert hast." Sie zwinkerte dabei vielsagend.
„Wenn´s mal so gewesen wäre." Sagte Honey schmollend. „Ich musste gerade erstmal meinen Bruder aus dem Bett schmeißen."
Gemeinsam trugen die beiden Mädchen, Honeys Koffer nach unten. Nachdem sie Sirius ihren Schnurballschläger abgejagt hatte, kam auch endlich Leo die Treppe herab geschlurft.
„Wo hast du Allegra gelassen?" Fragte Honey ihn.
„Die wartet draußen. Hat mich heute Nacht genervt." Antwortete er gähnend. Während ihr Bruder noch müde seine Äuglein rieb, wandte sie sich zu Lily und den Jungs um.
„Tja, ich werd dann mal gehen." Sagte sie verlegen.
„Sollen wir dir noch beim Koffertragen helfen?" Fragte Remus.
„Nicht nötig." Sagte Leo, verknotete geschickt die Schnallen der beiden Koffer und ließ sie mit einem gekonnten Schwebefluch hinter sich herfliegen. Honey warf ihrem Bruder einen bitterbösen Blick zu und sagte ein wenig betrübt: „Also dann, fröhliche Weihnachten."
Sie umarmte Lily zum Abschied und versprach ihr, ihr mindestens fünf Eulen täglich zuschicken. Plötzlich begannen die Jungs aus vollen Halse und dazu noch reichlich schief „we wish you Merry Christmas" zu singen. Kaum hatten sie ihr Ständchen beendet, begann Leo zu maulen: „Honey, komm endlich."
Genervt verdrehte Honey die Augen und folgte ihrem Bruder, während sie den Jungs und Lily zum Abschied zuwinkte.
Kaum hatte sich das Porträt der Fetten Dame hinter ihnen geschlossen, versetzte sie Leo einen unsanften Stoß in den Rücken.
„Du kannst einem aber auch jeden Abschied vermiesen." Sagte sie wütend.
„Was regst du dich auf? Du siehst sie doch in nicht einmal drei Wochen wieder." Sagte er achselzuckend. Honey allerdings sah das ganz anders und beschloss ihren Bruder für den Rest des Tages mit bösen Blicken zu strafen.
Als sie das Schloss verließen, wurden sie stürmisch von Allegra begrüßt. Leo gähnte nur zum tausendsten Mal protestierend und schlurfte von den beiden Koffern verfolgt in Richtung Heimat. Inzwischen hatte es wieder zu schneien begonnen und ein bitterkalter Wind pfiff übers Land. Honey zog ihren Umhang enger um sich und versuchte in Leos Windschatten zu gehen, um nicht im Schnee zu ersticken. Erfroren und eingeschneit erreichten sie den Honigtopf. Erleichtert öffneten sie die Tür und traten ein. Das kleine Windspiel über der Tür klingelte zur Begrüßung. Obwohl es noch früh war, waren schon ein paar Leute aus dem Dorf da, um ihre letzten Weihnachtskäufe zu erledigen. Freundlich wurden Honey und Leo von den Nachbarn begrüßt, doch anstatt ihrer Eltern stand eine Frau mittleren Alters im schottengemusterten Umhang hinterm Tresen, während ein ebenso alter, kahlköpfiger Mann gerade die Gummischnecken auffüllte. Verwundert blickten sich Honey und Leo an und fragten sich, wer dieses eigenartige Pärchen wohl sein könnte, als die Frau in unendlicher Begeisterung auf sie zukam und ihnen liebevoll die Hände drückte.
„Hallo, ihr Lieben. Ihr müsst Honey und Leo sein. Eure Eltern haben ja so viel von euch erzählt." Sagte sie, während die beiden sie nur überrumpelt anblickten.
„Oh ihr fragt euch bestimmt, wer wir sind und was wir hier tun. Ich bin Mira McPatton und das ist mein Mann Harris. Harris, sag doch „Hallo" zu den Kindern." Rief sie ihrem Mann hinüber. Der antwortete mit einem tiefen Grummeln und wandte sich dann wieder den Gummischnecken zu.
„Er ist nicht sehr gesprächig." Erklärte Mrs McPatton. „Wir werden hier gelegentlich etwas im Laden aushelfen, damit eure Eltern mehr Zeit für sich haben. Immerhin ist euer Daddy ja so viel unterwegs, dass die beiden sich kaum noch zu Gesicht kriegen."
Während Leo sich gelassen ein paar Zuckermäuse griff, brauchte Honey noch eine Weile, um diese eigenartige Neuigkeit zu verarbeiten.
„Wie gönnt ihr es nur wagen?" Rief plötzlich eine tiefe Stimme mit starkem französischem Akzent. Ein großer Zauberer mit langem schwarzem Haar im dunkelrotem Umhang und ziemlich finsterem Blick kam wütend die Treppe hinter dem Tresen herab gestürmt. „Ihr sseid elf ein´alb Minuten su spät! Eure Mutter war gans krank vor Ssorge!"
„Daddy!" Rief Honey erfreut, kümmerte sich nicht um das keineswegs ernst gemeinte Gekeife ihres Vaters und fiel ihm um den Hals.
„Das kommt davon, wenn man seine Kinder um so eine unmögliche Nachtzeit aus dem Bett ruft!" Sagte Leo und gähnte ein letztes Mal protestierend, bevor auch er seinen Vater freudig begrüßte.
„Lasst uns ´inauf gehen, aber passt auf! Die Plusterputen ssind da." Warnte Mr Jackson seine Kinder flüsternd. Honey und Leo verdrehten die Augen. Die Plusterputen, wie ihr Vater sie nannte, waren Judith Steinberg und Ruth Hipkins, die beiden besten Freundinnen ihrer Mutter. Ihre Besuche waren immer sehr nervig, besonders für Honey. Ständig kniffen sie ihr in die Wange, sagten ihr, wie unglaublich nieeeeeeedlich sie doch wäre und versuchten ihr kleine Zöpfchen zu flechten, wenn sie nicht schnell genug floh. Dazu erzählte Judith dauernd irgendwelche Geschichten von ihrer undankbaren Tochter, die sie nie besuchte und Ruth trauerte ununterbrochen um ihre verlorene Jugend und darum, dass sie noch immer keinen Mann gefunden hatte.
Während ihr Vater die Koffer hinauf schweben ließ, stapften Leo und Honey ihm samt Wölfen hinterher.
Allegra und Petronius verschwanden sofort ins Wohnzimmer, Honey und Leo jedoch beschlossen sich in die Küche zu wagen, um ihre Mutter zu begrüßen.
Kaum hatten sie die Tür geöffnet, prasselten auch schon Judiths und Ruths Begeisterungsstürme auf sie nieder.
„Oh, sieh nur wie groß sie geworden sind!"
„Sind sie nicht nieeeeeeedlich?"
„Die Kleinen werden so schnell erwachsen!"
„Danny. Die kleine Honey sieht genauso aus wie du früher!"
„Hach, ihr seid ja sooooooooooooo süß!"
„Hallo Ruthie, Hallo Judie." Sagte Honey und zwang sich zu einem Lächeln. Zumindest hatten sie ihr noch nicht in die Wange gekniffen. Leo allerdings grummelte nur sein übliches „Tag", gab seiner Mutter einen Kuss und begann von den frischgebackenen Schokoladenkeksen zu naschen. Gefangen zwischen den stark geblümten Umhängen, ließ Honey das „Zuckerpüppchengeplapper" über sich ergehen. Hierbei musste sie, wie sooft schon feststellen, dass die strengen strohblonden Haarknoten, die, die beiden ständig trugen, absolut nicht zu ihrem Auftreten und den chaotisch bunten Umhängen passten.
„Mädels, lasst mich doch auch mal mein Kind begrüßen." Sagte Mrs Jackson und umarmte liebevoll ihre Tochter. Wie immer, wenn sie in der Küche stand, roch sie nach Plätzchen und war über und über mit Mehl und Schokoladenstreuseln bedeckt; ein wenig Teig klebte in ihrem wirren Blondschopf. Gerade wollte Honey tief Luft holen, um ihr von sämtlichen Erlebnissen in der Schule zu erzählen, als ihr ihre Mum einen Brief in die Hand drückte.
„Hier, das ist vor ein paar Minuten für dich gekommen." Sagte sie und wandte sich wieder ihrem Keksteig zu. Neugierig öffnete Honey den Brief. Zum Vorschein kam eine schillernde, rot-grüne Weihnachtskarte, die, sobald sie geöffnet wurde, in unerträglicher Lautstärke „in der Weihnachtsbäckerei" grölte. Mit hochrotem Kopf stellte sie fest, dass in der Weihnachtskarte ein Foto von Sirius, James, Remus und Peter (allesamt mit Weihnachtsmützen auf dem Kopf) und darunter ein blinkender Button mit der Aufschrift „Rumtreiber Fanclub Mitglied Nr. 1" klebte. Verlegen klappte sie die Karte zu und versuchte sie zu verstecken. Doch Judie und Ruthie, die peinliche Geheimnisse schneller rochen als ein Geheimnis-Detektor, hatten schon Witterung aufgenommen und fischten geschickt die Karte aus Honeys zitternden Fingern.
„Zeig doch mal her, Liebes." Sagte Ruthie, klappte die Karte auf und brachte sie mit einem Schwingen ihres Zauberstabes zum Schweigen.
„Ui, von wem die wohl ist?" Fragte Judie und blickte neugierig über Ruthies Schulter.
„Von niemandem! Gebt wieder her!" Honey versuchte mühselig den beiden die Karte abzujagen, doch die Plusterputen waren zu schnell für sie. Mit flinken Fingern pflückten sie Foto und Button aus der Karte und brachen in begeistertes Kreischen aus.
Honey konnte nichts weiter tun, als gequält dreinzuschauen. Das Unglück war bereits geschehen.
„Schau nur, Danny, wie nieeeeeeedlich!" Riefen die beiden und hielten Honeys Mum, die gerade Marmeladenplätzchenteig knetete, grinsend das Foto unter die Nase.
„Hey, ist das nicht der Sohn von dieser Ziege Dorothee?" Fragte Judie und tippte dabei auf Sirius.
„Judie, Dorothee Black ist zwar etwas eigensinnig, aber keine Ziege." Sagte Mrs Jackson tadelnd und schaute sich das Bild genauer an. „Ja, das müsste er sein. Hübscher Junge."
Plötzlich wurde Honey hellhörig.
„Du kennst, die Mutter von Sirius?" Fragte sie verwirrt.
„Ja, sicher." Antwortete Mrs Jackson. „Ich trinke öfters Tee mit ihr. Sie ist sehr nett." Honey dachte daran, wie Sirius seine Mutter beschrieben hat und konnte sich nicht erklären, wie ihre Mum sie als „sehr nett" bezeichnen konnte.
„Ist sie wirklich." Fügte ihre Mum auf Honeys ungläubigen Blick hin hinzu.
„Ja, wenn man die Gesellschaft von blutrünstigen Todesfeen schätzt." Sagte Judie leise, während sich Mrs Jackson wieder ihrem Teig widmete.
Erst jetzt bemerkte Honey, dass Ruthie sie schon die ganze Zeit erwartungsvoll anstarrte.
„Jetzt sag´s doch endlich." Sagte sie ungeduldig und kicherte dabei.
„Was denn?" Fragte Honey.
„Na, in welchen von ihnen du verliiiiiiiiieeeeeeeeeeebt bist."
Honey lief augenblicklich noch viel dunkelroter an. Verlegen stammelte sie: „I-Ich? I-In keinen!"
„Och, sag schon!"
„Wem sollten wir es denn weiter erzählen?"
„Spann uns doch nicht so auf die Folter!"
„Wir wissen doch genau, wie das ist!" Judies und Ruthies Betteleien prasselten wie Platzregen auf sie nieder und sie versuchte ihr „Keiner, ehrlich" möglichst überzeugend klingen zu lassen, aber die beiden ließen nicht von ihr ab. Doch eher würde sie sterben, als sich den Rest ihres Lebens von den zwei Plusterputen damit aufziehen zu lassen!
Inzwischen hatte sich Leo von seinem Kekstablett losgerissen. Er blickte nur kurz auf das Foto in Judies Hand, tippte ohne zu zögern auf Remus und sagte kekskauend: „Der da isses."
„LEO!" Brüllte Honey außer sich vor Zorn und hatte das starke Bedürfnis ihn vom Dach zu stoßen, während Judie und Ruthie in einen unglaublichen Kicheranfall verfielen.
„Ich bitte dich. Das sieht doch ´n Blinder, dass du total in ihn verknallt bist!" Sagte Leo bestimmt und flüchtete aus Honeys Reichweite. Die ließ sich grummelnd auf einen Stuhl fallen und hoffte, dass Ruthies und Judies Anfall bald vorbei sein würde.
„Kuck´doch mal, Danny, das ist dein zukünftiger Schwiegersohn!" Sagte Judie und quiekte dabei wie ein Meerschweinchen. Begeistert hielt sie Mrs Jackson wieder das Foto unter die Nase und tippte dabei auf Remus.
„Ui, das gibt bestimmt wunderschöne Enkelkinder!" Sagte sie neckisch und zwinkerte ihrer Tochter zu. „Naja, ich hab vorsichtshalber allen vieren ein Weihnachtspaket geschickt."
„Mum, das ist doch wohl nicht dein Ernst?" Fragte Honey fassungslos. „D-Du konntest doch gar nicht wissen, dass-"
„Eine Vision, stimmt´s?" Fragte Ruthie wissend.
„Eine Vision." Antwortete Mrs Jackson und zwinkerte ihren Freundinnen bedeutungsvoll zu. Honey beschloss für den Rest der Ferien ihren Bruder und die Visionen ihrer Mum einfach zu hassen! Warum passierten heute ständig Dinge, die ihr peinlich waren? Hoffentlich waren die Pakete unterwegs verloren gegangen.
„Jetzt lacht meine Tochter nicht so viel aus, sondern tut lieber was." Sagte Mrs Jackson und warf ihren gackernden Freundinnen einen Batzen Keksteig von der Größe eines Kürbisses zu. Immer noch kichernd schwangen die beiden ihre Zauberstäbe, rollten den Teig platt und stachen Plätzchen (von denen ungewöhnlich viele herzförmig waren) aus und ließen sie auf ein Backblech schweben, während Mrs Jackson schon die Zutaten für den nächsten Teig zusammensuchte.
„Ihr braucht gar nicht so einen Aufstand zu machen. Aus den beiden wird eh nichts." Sagte Leo gelassen, warf ein Stück Keks hoch und fing es gekonnt mit dem Mund auf.
„Ohhhh, warum nicht?" Fragte Judie neugierig und ließ den Keks, der eigentlich auf dem Backblech hätte landen sollen achtlos zu Boden klatschen.
„Hat er etwa eine andere?" Wollte Ruthie wissen und lehnte sich mit den Ellenbogen mitten in den Teig. Auch Honey war sehr an einer Antwort interessiert. Was wusste ihr Bruder? Hatte Remus tatsächlich eine Freundin? Sie fühlte wie ein bitteres Gefühl sich in ihrer Magengegend breit machte.
„Nö, er is´n Halbblut." Sagte Leo, wischte seine Kekshände in seiner Jeans ab und verschwand mit schadenfrohem Blick in seinem Zimmer.
„Oh, naja, es könnte schlimmer sein." Sagte Ruthie, räusperte sich und entfernte den Teig von ihren Ärmeln.
„Ein Halbblut..." Sagte Mrs Jackson mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu. Honey gefielen dieser Ton und dieser Gesichtsausdruck gar nicht. Genauso hatte ihre Mum gekuckt, als sie erfahren hatte, dass Lilys Eltern Muggel waren.
„Aber Hagrid ist doch auch ein Halbblut." Sagte sie und versuchte die Situation irgendwie zu retten.
„Das hast du in der Schule doch wohl keinem verraten?" Fragte Ruthie geschockt.
„Nein." Antwortete Honey beiläufig und blickte ihre Mum wieder fragend an.
„Rubeus ist zur Hälfte ein Riese und kein Muggel." Erklärte ihre Mutter bestimmt und sprach dabei das Wort Muggel mit Widerwillen aus.
„Oh bitte, Danny. Jetzt tu doch nicht so scheinheilig! Du solltest doch wissen, dass bei junger Liebe das Blut keine Rolle spielt." Sagte Judie und grinste dabei fies. Honeys Mum wandte sich beschäftigt aussehend wieder ihrem Teig zu und tat so, als würde sie der weitere Gesprächsverlauf nichts angehen.
„Ja stimmt! Wie hieß er doch gleich? Tyler... Tim..." Überlegte Ruthie laut mit verschmitztem Grinsen.
„Nein, Tom. Tom Riddle!"
KLIRR! Die Milchkanne, die Mrs Jackson gerade aus dem Kühlschrank genommen hatte, zerschellte am Boden.
„Wer war denn Tom Riddle?" Fragte Honey neugierig und vergaß dabei die beiden Plusterputen an zu schmollen und sich über die kaputte Milchkanne zu wundern. Ihre Mum hatte nie einen Mann vor ihrem Dad erwähnt.
„Sag bloß Danny hat nie von ihm erzählt?" Fragte Judie ungläubig. Honey schüttelte den Kopf und blickte die beiden begierig an. Ihren Zorn auf Leo und die Weihnachtspakete ihrer Mum hatte sie schon ganz vergessen.
„Hach, sie waren DAS Träumpärchen unserer Schulzeit." Schwärmte Judie.
KLIRR! Nun lag die Zuckerdose zerbrochen am Boden; der Zucker verteile sich wie Schnee in der Milch.
„Er war zwei Jahre älter und Vertrauensschüler von Slytherin. Ein echtes Genie! Und er sah verdammt gut aus. Groß, schlank, dunkle Haare, wunderschöne Augen. Einfach perfekt. Und dazu noch ein tragischer Held." Fuhr Ruthie fort.
PLATSCH! Der Eierkarton fiel herunter und sechs der zehn Eier gingen zu Bruch.
„Ja, sein Vater war ein Muggel und hat seine arme Mutter noch vor seiner Geburt verlassen. Dann starb sie, kurz nachdem er auf die Welt gekommen war und er ist in einem Muggelwaisenhaus aufgewachsen." Judie und Ruthie verzogen angewidert das Gesicht. „Aber dieser Kerl war echt heiß. Ich sage dir, alle haben Danny um ihn beneidet!"
PUFF! Jetzt lag auch die Mehltüte am Boden und verteilte ihren Inhalt zwischen den anderen Zutaten.
„Hach, sie waren ja ein soooooo süßes Paar. Aber dann-"
Plötzlich streckte Honeys Dad seinen Kopf herein.
„Chérie, deine Eltern und deine Großeltern ssind gerade angekommen." Sagte er, entdeckte das Zutatenchaos am Boden und trat dann lachend in die Küche. „´attest du vor die Kekse am Boden su backen?"
„I-Ich war wohl ein wenig ungeschickt." Stotterte Mrs Jackson und begann Zauberstab schwingend das Chaos zu beseitigen.
Kaum waren Milch, Mehl, Zucker und Eier vom Boden entfernt, hörte man es auch schon auf der Treppe poltern.
„Pass doch auf, wo du hintrittst, Kind!" Rief eine zornige Frauenstimme von draußen. Einen Augenblick später stand eine dickliche, ältere Frau im blauweißkarierten Festumhang mit weit ausgebreiteten Armen in der Küchentür. Ihr fast vollständig ergrautes Haar war zu einem kunstvollen Geflecht aufgesteckt und mittendrin prangte eine riesige rosane Orchidee. Hinter ihr konnte Honey ihren Uropa, einen ruhigen alten Mann mit Spitzbart im schokoladenbraunen Festumhang, ihren Opa, in dunkelgrau gekleidet und wie immer mit seinem schrecklichen braunem Hut und ihre Oma, mit strengem Zopf und in zartviolett.
„Wo sind meine Lieblingskinder?" Fragte ihre Uroma mir breitem Grinsen.
„Oma Ammy!" Rief Honey und umarmte sie.
„Hach, Kindchen bist du aber groß geworden." Sagte Oma Ammy und strich ihr über den Kopf.
Nachdem die Begrüßungsorgie mit allgemeinen Floskeln wie „Hattet ihr eine gute Reise?" und „Was siehst du heute hübsch aus" ausgetauscht waren, wurden die Männer gnadenlos zum Hausschmücken abkommandiert, während sich die Damen wieder dem Kochen und Backen zuwandten. Honeys Mutter bereitete mittlerweile verschiedene Sorten Beilagen für das Abendfestmahl vor und Judie, Ruthie, Honey und ihre Oma kümmerten sich um die letzten Kekse, während Oma Ammys Arm in einer riesigen Weihnachtsgans steckte.
Honey freute sich zwar, dass schon so viele ihrer Familie da waren, doch gefiel es ihr gar nicht, dass Judie und Ruthie ihren Vortrag über diesen ominösen Tom Riddle dafür hatten unterbrechen müssen. Noch dazu an einer so interessanten Stelle.
„Was war dann mit Mum und diesem Tom?" Fragte sie die Plusterputen neugierig. RUMS! Diesmal fiel das Messer, mit dem ihre Mutter gerade Karotten geschält hatte, zu Boden. Doch nicht nur sie reagierte jetzt merkwürdig. Ihre Oma blickte sie erbost an, als hätte sie eben ein schlimmes Schimpfwort ausgesprochen, Oma Ammy zerquetschte das Stück Eingeweide, das sie gerade aus der Gans gezogen hatte und Judie und Ruthie sahen einander schuldbewusst an.
„Ihr grässlichen Weiber habt der Kleinen doch nicht etwa von diesem ... diesem ... Kerl erzählt?" Fragte Honeys Oma die beiden und sah aus als würde sie jeden Moment explodieren.
„Mrs O´Connell, das hat sich irgendwie so ergeben." Verteidigte sich Judie.
„Ja, weil unsere kleine Honey sich verliebt hat." Ergänzte Ruthie. Honey fluchte innerlich. Die dummen Plusterputen mussten aber auch alles ausplaudern. Plötzlich wandte sich Honeys Oma von den Weibern ab und ihr zu.
„Du hast dich doch wohl nicht etwa in einen dieser Serpentiellen verliebt?" Fragte sie und ihre Augenbraue zuckte gefährlich. Honey schluckte schwer und hoffte, dass was immer ein Serpentieller auch sein mochte, Remus keiner von denen war.
„Ich weiß nicht. Was ist ein Serpentieller?" Fragte sie ängstlich.
„Ein Serpentieller, ein Schlangenanbeter, ein Slytherin!"
Honey atmete kurz auf.
„Nein, er ist ein Gryffindor." Sagte sie erleichtert.
„Sehr gut! Das ist meine Enkelin!" Sagte Ihre Oma begeistert und gab ihr einen Kuss.
„Genau das ist damals mit den beiden passiert." Flüsterte Ruthie ihr zu, als ihre Oma sich wieder den Keksen widmete.
„Was? Oma?" Fragte Honey verwirrt.
„Ja. An seinem letzten Schultag hat er Danny einen Heiratsantrag gemacht."
„Ist nicht wahr?" Sagte Honey verblüfft.
„Doch!" Fuhr Judie fort. „Und deine Oma hat sie gezwungen mit ihm Schluss zumachen."
„Das war mein gutes Recht!" Sagte ihre Oma plötzlich laut. „Zu Anfang habe ich es geduldet, weil ich dachte, es würde wie eine Erkältung schnell vorüber gehen. Doch dann musste ich Daniella vor dem größten Fehler ihres Lebens und vor allem unsere Familie vor Blutsschande bewahren! Ein Serpentieller in unserer Familie. Das hat es nie gegeben und solange ich lebe, wird es das auch nicht geben! Wer weiß, welches Unheil er über die Familie gebracht hätte!"
„Ach, sei doch endlich still." Sagte Oma Ammy überraschend. „Was weißt du frigide Jungfer denn schon von Familienschande."
„Mama!" Sagte ihre Oma empört. Honey kicherte leise. Ihre Oma und Oma Ammy zankten sich dauernd, doch Oma Ammy war im Umgang mit Schimpfwörtern jeglicher Art wesentlich geschickter und einsatzfreudiger.
„Wenn´s nach dir gegangen wäre, hätte sie doch das Bürschlein geheiratet und einen Haufen zwei Meter großer Kinder gekriegt." Sagte Oma Ammy schließlich und tat das Gespräch als beendet ab. Honey wusste genau, wer mit „Bürschlein" gemeint war, doch war ihr nicht klar, wie man Hagrid, der nun wirklich nicht zur kleinen Sorte Mensch gehörte, als „Bürschlein" bezeichnen konnte.
Plötzlich kam Honeys Vater wieder in die Küche, diesmal mit miesepetrigem Gesichtsausdruck und einem Brief in der Hand.
„Schleschte Nachrischt. Der isst von meinem Onkel Antoine. Er sagt, sie können nischt kommen, weil das Sabberkind Mümmelmumps ´at." Sagte er seufzend. „Sie" das waren Honeys Großonkel Antoine und seine zickige Gattin Monique, deren Tochter Cécile, die leider nichts von ihrem Vater geerbt hatte und ihr Gatte Argos, der die ganze Zeit nur von seinem Geld und seinen Besitztümern sprach und natürlich ihr ständig sabbernder Sohn Étienne. Honey war froh, dass sie wegblieben, auch wenn es um Großonkel Antoine sehr schade war. Im Gegensatz zum Rest seines Familienzweiges war er immer ruhig und freundlich. Meistens saß er nur in einer Ecke, rauchte sein Pfeifchen und dachte über Gott und die Welt nach. Mr Jackson behauptete immer, dass tue er, weil seine grässliche Ehefrau ihm das Sprechen verboten hatte.
„Aber keine Ssorge, er will die Geschenke trossdem schicken." Fügte ihr Vater lachend hinzu.
„Verflucht, das sagen sie jetzt? Na wunderbar, ich muss mein ganzes Menü umdenken!" Sagte Mrs Jackson empört und hüpfte aufgeregt von Topf zu Topf.
RUMS! Diesmal war es nicht, ihre Mutter, die irgendetwas fallen gelassen hatte, sondern ein lauter, scheppernder Knall im Wohnzimmer. Aufgeregt stürmten alle aus der Küche hinüber, wo ein Zauberer in buntem Festumhang am Boden vor dem Kamin saß, umringt vom Rest der Familie, die gerade dabei gewesen waren, Girlanden aus Tannenzweigen aufzuhängen. Er war über und über mit Tannennadeln bedeckt und an der Spitze seines Zauberhutes hing eine Weihnachtskugel.
„Francois!" Rief Honeys Vater begeistert, zog den merkwürdigen Mann auf die Beine und umarmte ihn, wie einen lange verschollenen Bruder. Nach einem kurzem, erregtem Gespräch in unglaublich schnellen, unverständlichem Französisch, trat der eigenartige Zauberer vor und sagte mit einer eleganten Verbeugung: „Bonjour, isch bin Francois Mathieu Joel Gregoire Charles Gaston Jean Luc LaBête. Und isch bin über alle Massen entsückt, den Abend mit sso vielen wunder´übschen Damen verbringen su können."
Er sprach sehr schnell und hatte einen noch viel schlimmeren Akzent als ihr Vater; Honey verstand kaum ein Wort von dem, was er sagte und blickte ihn nur mit großen Augen an.
„´alt dass mal, Garçon. Aber pass auf mein Bällschen auf." Sagte Francois strahlend und warf Leo seinen Hut zu. Dabei entblößte er sein dunkelblondes Haar, dass ihm in langen Locken bis weit über die Schulter fiel.
„Meine Damen, es isst mir ein Festmahl." Sagte er, verbeugte sich erneut und gab jeder weiblichen Person im Raum, das übliche, französische Küsschen-rechts-Küsschen-links. Honey hatte diese Sitte nie wirklich gemocht, vor allem weil Francois´ Ziegenbärtchen sie in die Wange piekste. Die beiden Plusterputen fingen sofort an wie wild zu kichern, als er bei ihnen war. Honey hoffte inständig, dass er Junggeselle war. Dann hätten Ruthie und Judie wenigstens etwas anderes zu tun, als sie mit Remus aufzuziehen und würden sich eher bemühen Ruthie endlich einen Ehemann zu verschaffen.
„Francois, ´ast du Edmond nischt mitgebracht?"fragte ihr Vater.
„Er war direkt ´inter mir. Ssein Täubschen ´atte wohl ihren Lippenstift vergesssen und er musste nochmal den ganssen Weg surück." Antwortete Francois und verdrehte dabei die Augen.
Kaum hatte er fertig gesprochen machte es PUFF, diesmal leiser und ohne Geschepper, und ein weiterer Zauberer im hellblauem Festumhang, allerdings mit ordentlich gekämmter Rothaarfrisur, geradem Schnurrbart und zwei Koffern Gepäck.
„Edmond!" Rief ihr Vater begeistert und umarmte den Neuankömmling.
„Oh mein Gott, das ist Edmond DuPrestige." Sagte Leo plötzlich in einem Ton, als wäre ihm gerade der Geist von Godric Gryffindor persönlich begegnet und ließ Francois´ Hut achtlos zu Boden gleiten.
„Oh, er isst es tatsäschlisch!" Sagte Honeys Vater in gespielt überraschtem Ton.
„Bitte, Monsieur, darf isch ein Autogramm von ihnen ´aben!" Ergänzte Francois und fiel lachend vor Edmond auf die Knie und reckte die Hände bettelnd in die Höhe.
„Er´ebt eusch, Normalsterblische. Isch bin inkognito ´ier." Sagte Edmond und hob wohlwollend die Hände.
„Dad, warum hast du nie erzählt, dass du den französischen Nationalhüter Edmond DuPrestige kennst?" Sagte Leo vollkommen entgeistert. Honey war jetzt auch sichtlich beeindruckt. Sie hätte nie geglaubt, dass ihr Vater so berühmte Leute kannte.
„Wenn du deinem alten Vater mal su´ören würdest, anstatt immer nur mit den Augen su rollen, wüsstest du es auch." Sagte Mr Jackson und wandte sich dann wieder an seinen Freund Edmond. „Edmond, wolltest du ´ier einzie´en oder wosu brauchst du swei Koffer?"
„Das sind nischt meine, die ge´ören meinen Damen." Antwortete Edmond und wie auf Befehl ertönte wieder ein PUFF! und die eben erwähnten Damen erschienen im Kamin. Die Ältere von beiden, offensichtlich Edmonds Gattin, war groß, schlank und wunderschön. Sie trug einen engen hellroten Festumhang und das lange dunkelbraune Haar fiel ihr fast bis zu den Hüften. Die Jüngere musste Edmonds Tochter sein. Sie hatte das Haar ihrer Mutter, aber die hellbraunen Augen ihres Vaters. Beide boten einen Anblick von Eleganz, doch sie schauten sich auf sehr arrogante Weise um.
„Edmond, présente-nous." Sagte seine Gattin in gebieterischem Ton. Edmond räusperte sich kurz und sagte dann feierlich: „Isch darf eusch vorstellen: Meine besaubernde femme Sandrine Gracia und meine entsückende Tochter Sérafine Angeline vorstellen." Die beiden schauten drein, als erwarteten sie jetzt Applaus dafür, dass sie existierten. Honey betete, dass ihr Vater nicht auch auf die dumme Idee kommen würde, sie auf so eine Weise vorzustellen. Doch natürlich tat er das.
„Und isch präsentiere feierlisch meine göttlische femme ´oney Daniella, ma fille ´oney Rubina, mon fils Leo Thomas, Daniellas Freundinnen Judie et Ruthie, Mama ´oney Denebola, Papa Louis Rick, Oma ´oney Amily, Grandpère Daniel Ned", sagte er und wies jedesmal mit großzügiger Geste auf die genannten Personen. Dann zeigte er kurz auf die fünf Wölfe, die sich in einer Ecke versammelt hatten und sagte beiläufig „ein ´aufen ´undchen". Als letztes drehte er sich zu Francois und sagte gespielt abfällig: „Und wer dieses verkommene Subjekt isst, weiß isch auch nischt."
Auf einmal ertönten schwere Schritte von der Treppe her und eine riesige Gestalt betrat das Wohnzimmer.
„Komm ich etwa zu spät?" Fragte Hagrid mit breitem Grinsen.
„Rubeus!" Rief Honeys Mum begeistert.
„Hallo Honey." Hagrid war der einzige, der ihre Mum Honey nannte und sie und die Plusterputen waren so ziemlich die einzigen, die ihn Rubeus nannten. Ihr Dad nannte dies „ihre gewissen Vorrechte", aber Honey wusste ganz genau, dass er ihre Mum nur Daniella nannte, weil er sich jedesmal fast die Zunge brach, wenn „Honey" aussprach. Aus diesem Grund nannte er sie auch meist nur „chérie", „mielle" oder einfach Rubina. Honey hoffte inständig, dass er nicht auf die Idee käme, Hagrids „Schokofröschchen" zu adoptieren.
„Hab euch was mitgebracht!" Sagte Hagrid strahlend und hielt Honeys Mutter ein Tablett mit Keksen und ein unförmiges, in rot-grünes Papier verpacktes Geschenk, in dem Honey die Zuckerblume vermutete.
„Ich bring das in die Küche. Mach dich doch schnell mit den andern bekannt." Sagte Mrs Jackson und verschwand mit dem Tablett und dem Geschenk in der Küche.
„Mein Bürschlein! Lass dich umarmen!" Sagte Oma Ammy und drückte Hagrid so heftig, dass er fast umzufallen drohte.
„Hallo Oma Ammy." Sagte er und schüttelte Honeys Großmutter dann die Hand. „Schön sie wiederzusehen Mrs O´Connell."
„Ah ´agrid!" Sagte Honeys Vater erfreut. „Isch darf bekannt machen: Rubeus ´agrid, das ssind mes amis Francois und Edmond mit sseiner femme Sandrine und fille Sérafine." Während die beiden Damen noch über Hagrids Größe staunten begannen Francois und Edmond an auf französisch zu tuscheln und zu kichern.
„Wass isst sso witzisch?" Fragte Honeys Vater empört.
„Er erinnert unss an Francois´ Freundin Olympe." Sagte Edmond und kicherte weiter.
„Ah oui! Ohlala, das war ein großess Mädschen!" Während ihr Dad und seine Freunde noch in Erinnerungen schwelgten, kam Honeys Mum ins Wohnzimmer zurück.
„Okay, meine Herren. Jetzt ist Schluss mit lustig. Zurück an die Arbeit!" Sagte sie bestimmt. „Und wir Mädels gehen wieder in die Küche. Du, Rubeus, kommst natürlich mit. Leo, zeig den Damen DuPrestige doch bitte das Gästezimmer." Fügte sie beiläufig hinzu. Honeys Vater blickte plötzlich ganz ernst drein. Honey kannte diesen Blick. So schaute er immer, wenn er eine fixe Idee hatte.
„Ja, Leo. Führ die Damen doch ein bissschen ´erum, sseig ihnen unsseren Laden und unsser Dörflein." Sagte er begeistert und mit vielsagendem Lächeln. Honey grinste in sich hinein. Jetzt würde ihr Vater mindestens den gesamten Abend versuchen Leo mit Edmonds Tochter Sérafine zu verkuppeln. Das war mehr als genug Strafe dafür, dass er den Plusterputen von Remus erzählt hatte.
Zufrieden folgte sie ihrer Mutter in die Küche. Während sich alle wieder an ihre Kocharbeit machten, Hagrid wurde dazu verdonnert Kartoffeln zu schälen, fiel Honey ein, dass sie ja noch einen Brief an Lily schreiben wollte. Kurzentschlossen ging sie zum Fenster und rief nach der Hauseule Paracelsus.
„Uhh, wem will sie wohl schreiben?" Fragte Judie anrüchig.
„Bestimmt ihrem Schatziiiiiiiiiiiiiiiiii." Sagte Ruthie und zog das „i" soweit in die Länge, dass es Honey schon wehtat.
„Was? Unser Schokofröschchen hat einen Schatzi?" Fragte Hagrid verwundert. Honey biss sich ärgerlich auf die Lippe. Warum inserierten sie es nicht gleich im Tagespropheten?
„Nein, euer Schokofröschchen hat keinen Schatzi!" Sagte sie säuerlich. „Ich will nur einen Brief an Lily schreiben."
„Liebling, ich möchte nicht, dass Paracelsus in ein Muggelhaus fliegt." Sagte ihre Mutter und sprach „Muggel" wieder aus, als wäre es etwas ekliges.
„Aber Mum!" Widersprach Honey energisch.
„Hier!" Sagte sie, kramte einen Beutel mit Geld aus einer Schublade und warf ihr den zu. „Meinetwegen kauf ihr eine eigene Eule zu Weihnachten." Honey blickte erstaunt auf den Beutel in ihrer Hand. Das ihre Mum Lily gleich eine eigene Eule schenken würde, hatte sie beim besten Willen nicht erwartet!
„Schau nur, Rubeus. Das hier ist er. Ist das nicht nieeeeeeeeedlich." Hörte sie Ruthie quietschen und sah, wie sie Hagrid das Foto hinhielt. Ohne zu zögern zischte sie ihrer Mum ein „danke" zu, schnappte sich das Foto und verschwand, noch bevor jemand etwas sagen konnte, mit hochrotem Kopf aus der Küche.

Leise vor sich hin grummelnd verließ sie den Honigtopf und bahnte sich ihren Weg durch die Schneemassen bis hin zu „Olerias allerbeste Eulen, Uhus und Käuze", dem Eulengeschäft am anderen Ende des Dörfleins. Drinnen war es duster, stickig und roch nach Eulenmist, dazu hörte man das ständige Schuhuhen von den vielen verschiedenen Eulen. Vorsichtig arbeitete Honey sich zwischen den Eulenständern zur Theke vor. Die Verkäuferin dahinter sah mit ihrem braunen Umhang und ihrer riesigen runden Brille selbst ein wenig wie eine Eule aus.
„Willkommen in Olerias allerbeste Eulen, Uhus und Käuze. Womit kann ich dem Fräulein dienen?" Fragte sie freundlich.
„Ich suche ein Weihnachtsgeschenk für meine Freundin." Sagte Honey und betrachtete die Eulen, die sie alle neugierig anstierten.
„Oh, da gibt es vieles zu bedenken..." Plötzlich prasselte ein ungeheurer Vortrag über die Relations von Körpergewicht und Flügelspannweite, Briefgewicht und Fluggeschwindigkeit und Gefiederpflege auf Honey nieder. Vollkommen überfordert von all den Informationen begann sie sich weiter unter den Eulen umzusehen. Unwillkürlich fiel ihr Blick dabei auf eine kleine braun-weiße Eulen mit großen goldgelben Augen, die ihren Kopf schief legte und dreinschaute, als wollte sie fragen: „Hm?". Honey kicherte begeistert und sagte dann entschlossen: „Die dort möchte ich."
„Oh, eine sehr gute Wahl. Das ist Sperlingskauz. Ihr Name ist Tritogenia." Sagte die Verkäuferin und reichte ihr die Eule. Honey war froh, dass sie sich keinen Vortrag über Sperlingskäuze anhören musste und bezahlte.
„Können sie sie mir als Geschenk verpacken?" Fragte sie.
„Als Geschenk verpacken? Ähm... natürlich." Die Verkäuferin war sichtlich verwirrt über Honeys ungewöhnlichen Wunsch und band der fröhlich schuhuenden Eule ein blaugestreiftes Schleifchen um den Hals. Honey bedankte sich freundlich und ging dann wieder nach Hause, um Lily zu schreiben. Im Honigtopf angekommen griff sie sich einen Zuckerfederkiel und eine Hand voll Gummischnecken, machte einen großen Bogen um die Küche und verschwand in ihrem Zimmer. Während Honey Pergament und Tinte aus ihrem Koffer kramte, flattert Tritogenia auf den Schrank und putze dort ausgiebig ihr Gefieder. Honey warf sich aufs Bett und begann ihren Brief zu schreiben.

Liebe Lily,
fröhliche Weihnachten! Das komische Flattertier, das den Brief gebracht hat, ist dein Weihnachtsgeschenk und heißt Tritogenia (frag nicht warum, sie hatte den Namen schon vorher). Sie ist ein Sperlingskauz. Einen Käfig müsstest du ihr noch besorgen, damit sie euch nicht die Bude vollsaut.
Hast du auch einen Brief von den Jungs gekriegt? Ich hatte Pech und die Freundinnen meiner Mum haben ihn in die Finger gekriegt. Samt Foto! Und die beiden sind so grässliche Plusterputen.

Ausführlich berichtete sie Lily, wie unglaublich gemein Leo zu ihr gewesen war, wie sehr sie die Plusterputen ärgerten und das ihre Ferien wahrscheinlich ein einziges Chaos werden würden. Glücklich alles erzählt zu haben, verzierte sie die vier Seiten Pergament noch mit Blümchen, Sternchen und Grinsgesichtern und quetschte dann alles mühselig in einen Umschlag. Etwas hilflos band sie der aufgeregt flatternden und schuhuenden Eule den Brief ans Bein und hoffte, dass Tritogenia wusste, wo sie mit dem Brief hin musste. Wenig begeistert von der Idee in die Küche zurückzugehen und sich wieder triezen zu lassen, schlüpfte sie in ihren alten rubinroten Festumhang und beschloss den Heiltrankaufsatz für Professor Zanzarah anzufangen. Gelangweilt blätterte sie in ihren Büchern und kritzelte zwischendurch ein paar Sätze aufs Pergament. Wenigstens verging so die Zeit bis zum essen, denn bis auf ein paar Kekse und die Gummischnecken hatte sie heute gefastet und nun einen gigantischen Riesenbärenhunger.
Mit knurrendem Magen verließ sie ihr Zimmer. RUMS! Honey war mitten in einen großen, düsteren Zauberer hinein gelaufen. Er trug einen dunkelgrünen Festumhang und sein ehemals schwarzes Haar war bereits stark ergraut. Hinter ihm stand eine wunderschöne Frau mit langem silbergrauen Haar im zartblauseidenen Festumhang. Trotz ihres Alters war ihr Gesicht kaum von Falten durchzogen, nur ihre hellgrauen Augen blickten weise und gütig.
„Pépé, Mémé!" Rief Honey erfreut und umarmte ihre Großeltern.
„Sacre bleu, chérie, nischt sso stürmisch." Sagte ihr Opa Phillipe lachend.
„Du siehst wunder´übsch aus, ma petite." Sagte Oma Cleo. Ihre Stimme klang sanft und ruhig, wie ein Windhauch. Ihre Oma war eine Veela. Diese Zauberwesen waren, solange man sie nicht zornig machte, wunderschöne, anmutige Geschöpfe, denen die Männer willenlos zu Füßen lagen. Schon als sie noch ganz klein war, hatte Honey gehofft, dass sie eines Tages auch eine derartige Wirkung auf Männer haben würde.
„Wer ist denn das Kind?" Fragte plötzlich eine Stimme aus Richtung Treppe. Neugierig blickt Honey an ihren Großeltern vorbei und entdeckte einen großen, gut aussehenden Mann im langem, schwarzem Festumhang, sein schwarzes Haar fiel fast bis zum Boden. Er ging Arm in Arm mit einer weißhaarigen Frau. Sie trug einen fliederfarbenen Umhang und eine rechteckige Brille mit Goldrand.
„C´est ´oney. La fille d´Armand." Sagte sie und kicherte leise.
„Der kleine Armand? Ach du meine Güte, bin ich alt!"
„Pépé, wer ist denn das?" Fragte Honey ihren Opa Phillipe flüsternd.
„Dass ssind mes parents. Léa et Procyon." Antwortete er. Honey konnte sich kaum vorstellen, dass der kichernde Mann ihr Urgroßvater sein sollte.
„Sicher?" Fragte sie vorsichtig. Vielleicht war das ja nur wieder ein Scherz ihres Opas.
„Papa, komm ´er und begrüße ´oney." Sagte er lachend und schob Honey in Richtung seiner Eltern. Sie wartete förmlich darauf, dass jemand „reingelegt" oder etwas ähnliches brüllte und alle lachten.
„Hallo, meine Kleine. Als ich dich das letzte Mal gesehen hab, warst du noch so klein." Sagte der Mann freundlich und schüttelte ihre Hand. Seine Hände eiskalt und als er lächelte entblößte er strahlend weiße Zähne; ungewöhnlich lange, spitze Zähne.
„Oh mein Gott!" Platzte es aus Honey heraus und sie sprang erschrocken einen Schritt zurück. Ob dieses Ding nun ihr Uropa war oder nicht, eines war es auf jeden Fall: ein Vampir!
„Papa! Pépé!" Wie ein Schuljunge stürmte Honeys Vater aus dem Wohnzimmer; etwas schüchterner folgte der Rest der Familie. Honey zog ihren Bruder am Ärmel beiseite.
„Leo, unser Uropa ist ein Vampir." Zischte sie ihm zu.
„Echt? Cool!" Sagte er ungerührt und kümmerte sich nicht weiter um sie. Honey versuchte alles gelassen zu sehen. Ihr Uropa war ein Vampir, ihre Oma eine Veela, der beste Freund ihrer Mutter war ein Halbriese. Was käme als nächstes? Ein Werwolf?

Während des Essens, ihre Mutter trug jetzt auch einen dunkelroten Festumhang und hatte ihre Haare ordentlich zu einem hüftlangem Zopf gebunden, beäugte Honey ihren Vampiropa neugierig. Während alle anderen sich begeistert über die von Honeys Mum gezauberten Köstlichkeiten hermachten, beschränkte er sich darauf Wein zu trinken un sich zu unterhalten.
Honey fragte sich, ob der alte Geier vielleicht auch immer noch so jung war, weil er ein Vampir war.
„Und, Kleines, bist du auch so gut in Zaubertränke wie deine Mama?" Fragte sie plötzlich jemand.
„Was? Ich? Ich weiß nicht. Ein wenig vielleicht." Antwortete sie überrascht.
„Sei doch nicht so bescheiden! Deine Mum war ein Braugenie, das musst du doch was von geerbt haben." Sagte Judie bestimmt.
„Ja, sogar Professor Zanzarah war von ihr beeindruckt!" Stimmte ihr Ruthie zu. „Es hieß sogar, sie sei seine erste und einzige Lieblingsschülerin gewesen." Während die Plusterputen kicherten, wunderte Honey sich, dass Zanzarah überhaupt fähig sein sollte jemanden zu mögen- und dann auch noch ihre Mutter!
„Dein Papa war nie bessonders gut in Ssaubertränke. Biss su seinen fünften Schuljahr konnte er sisch nischt einmal alleine Tee kochen." Sagte Opa Phillipe lachend.
„Oui, denn ab dann bekam er nämlisch Privatnach´ilfe bei Mademoiselle Vipérine." Sagte Francois anrüchig und stupste Edmond bedeutungsvoll an.
„Aber im Duellieren war er schon immer ssehr gut." Sagte dieser im gleichen Tonfall. „Mademoiselle Sépéeduire war stets von sseinen Ssauberstabkünsten beeindruckt."
„Also bitte, doch nischt vor den Kindern!" Sagte Honeys Vater teils verlegen, teils empört.
„Ssoweit isch misch erinnere, warst du bei der Ssache mit Mademoiselle Sépéeduire noch jünger als Leo jetzt isst."sagte Opa Phillipe neckisch. „Das ´ast du alles von deiner Mama. Und deinem Pépé. Los, Papa, ersähl den Kindern von deiner Jugend!" Während Oma Cleo geschmeichelt lächelte, begann Opa Procyon von seiner chaotischen und wilden Jugend in New Orleans zu erzählen und wie er nach Paris auswanderte um reich zu werden. Honey lauschte gespannt der unglaublich unanständigen Lebensgeschichte ihres Uropas.
„Wie hast du es dann geschafft so reich zu werden?" Fragte sie neugierig.
„Ganz einfach: Ich wurde Zuhälter!" Antwortete er stolz. Alle blickten ihn fassungslos an, nur Oma Léa kicherte leise.
„Pépé, ´ättest du es nischt wenigstens freundlischer umschreiben können?" Sagte Honeys Dad und blickte seinen Großvater streng an.
Honeys Oma Nebu räusperte sich und sagte dann: „Nun, immerhin sind wir froh, dass wieder Geld in die Familie gekommen ist, nachdem Oma Bella und ihr chaotischer Anhang das Familienvermögen durchgebracht haben."
„Sprich nicht von Mandy, als sei er ein Goldesel! Was sollen denn die französischen Herrschaften von uns denken?" Sagte Oma Ammy und klapste ihrer Tochter auf den Hinterkopf, woraufhin wieder ein heftiger Streit zwischen den beiden entstand.
Honey schüttelte lachend den Kopf, beachtete die beiden nicht weiter und schaute in die Runde. Opa Procyon erzählte Hagrid, Opa Louis und Opa Daniel gerade zum dritten Mal, wie er sich einmal so stark betrunken hatte, dass er am nächsten Morgen in einem fremden Bett mit einer fremden Frau in einer fremden Stadt, mit Stierhörner auf dem Kopf und Grasgeschmack im mund aufgewacht war, Oma Léa kicherte noch immer und Ruthie warf Francois auf ziemlich plumpe Art eindeutige Blicke zu.
„Isch denke ess wird langsam Sseit für mein Geschenk!" Sagte Francois plötzlich und zog einen Mistelzweig an dem ein kleiner roter Ballon klebte aus einer Schachtel. Er tippte ihn kurz mit seinem Zauberstab an und sofort begann der Zweig sich wie Propeller zu drehen und schwebte durch den Raum.
„Voilà, la Plaisentreprise da LaBête präsentiert: La Brindille d´Amour!" Sagte er feierlich. Der Mistelzweig huschte wie ein Schnatz durch den Raum blieb dann über Oma Ammy und Opa Daniel stehen und fing an zu blinken und zu piepen. Zuerst ganz langsam, doch dann wurde beides immer schneller.
„Los, küsst eusch schnell, ssonst -" Sagte Francois noch, doch es war schon zu spät. Mit einem lauten Tröten spritze der Mistelzweig eine zähflüssige, hellgelbe Flüssigkeit in die erstaunten Gesichter von Oma Ammy und Opa Daniel und schwebte dann weiter um sich die nächsten Opfer zu suchen.
„Tada! Isst es nischt großartig?" Sagte Francois begeistert und weidete sich am allgemeinen Gelächter.
Der Brindille D´Amour sorgte am Abend noch für reichlich Knutscherei: Judie küsste Leo auf die Wange, Oma Ammy schmatzte Opa Phillipe auf die Nase, Edmond bekam von Oma Cleo einen Kuss auf die Stirn und Francois küsste Ruthie so heftig auf den Mund, dass sie das Kichern vergaß und sich erstmal erholen musste. Erst nachdem Opa Procyon, bereits ziemlich betrunken, den Zweig in seinen Schnaps stippte und der danach verwirrt über Hagrid und Opa Daniel stehenblieb, war Francois einverstanden ihn wieder in die Schachtel zu verbannen.
Je später es wurde, umso lustiger wurde die Gesellschaft. Oma Nebu und Oma Cleo flochten sich gegenseitig Tannenzweige in die Haare, Edmond versprach Leo zum nächsten Quidditchspiel nach Hogwarts zu kommen und führte ihm schwankend und auf seinem Stuhl balancierend komplizierte Spielzüge vor, Oma Ammy und Sandrine machten einen Trinkwettkampf mit Schokoladenschnaps und der Rest, Honey eingeschlossen, schmetterte laut alte Trinklieder.
Als die Uhr dann eins schlug - Leo war inzwischen nach fünf Gläsern Schokoladenschnaps und drei Bechern Glühwein friedlich unterm Weihnachtsbaum eingeschlummert, Francois und Ruthie waren in irgendein leeres Zimmer verschwunden und Opa Procyon erzählte seine Stierhörnergeschichte mittlerweile zum 17. Mal - entschloss Honey sich schlafen zu gehen. Sie packte Petronius am Halsband, den Oma Ammy gerade in einen Biber verwandeln wollte, und schlich in ihr Zimmer.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass Lily ihren Brief noch gar nicht beantwortet hatte. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was Madam Oleria über Eulen und Briefgewicht in Relation zur Fluggeschwindigkeit gesagt hatte, doch von alldem hatte sie zu wenig mitgekriegt, um sich ein klares Bild von Tritogenias Reisegeschwindigkeit machen zu können. Honey hoffte inständig, dass die kleine Eule nicht, wie die Gartengnome in Hogwarts, vollkommen durchgedreht war und Familie Evans bereits zu Tode gepickt in ihrem Haus vermoderte. Sie öffnete das Fenster über ihrem Bett und ließ den Vollmond herein scheinen.
Plötzlich hörte sie von draußen ein grausames Geheul, als würde man einem Tier gerade bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Vor Schreck fiel Honey rücklings um und kullerte aus dem Bett. Petronius allerdings sprang ungerührt ans Fenster, streckte seinen Kopf hinaus und begann laut zu heulen, als würde er sich mit dem sterbenden Tier unterhalten. Honey rappelte sich hoch, zog Petronius vom Fenster weg und Schloss es schnell.
„Du sollst doch nicht mit Fremden reden." Sagte sie tadelnd zu ihrem unschuldig dreinblickenden Wolf. „Und schon gar nicht mit irgendwelchen Ungeheuern aus der Heulenden Hütte!" Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend zog sie die Vorhänge zu und schlief trotz des anhaltenden Geschreis aus der Heulenden Hütte schnell ein.