Author's Note: So eine Resonanz, das freut mich ja :) Prima, dass Ihr alle wieder da seid bzw. neudazugekommen! Vielen Dank an Wren Craven, Cara, YanisTamiem, Loony, Boesewicht, Katharina, Shila, Fabula, Sepia, Fairy und Dream!
ABER ich muss Euch ein Geständnis machen: dieses Kapitel schrieb sich einfach so fort und fort, es wurde länger und länger und noch länger – ich musste zwei draus machen. Die zweite Hälfte kommt am Sonntag. In dieser erfahrn wir nur, was Snape in der Gegenwart getrieben hat und warum Sirius ihn damals in die Heulende Hütte geschickt hat. Also der wirklich interessante Teil (Sirius'... äh, Anfänge) betreffend lässt noch ein klein wenig auf sich warten...
Cara: Danke, an der Prophezeihung hab ich schwer geschuftet, bis sie so war wie sie sein sollte. Mit dem mystischen Geschwafel tu ich mich etwas schwer ;) Ich hoffe, Deinen musikalischen Geschmack hab ich diesmal eher getroffen?
Loony: das verrät die Beschreibung der Fic: es ist keine Snape-zentrige ;) Wegen der "worst memory" Szene: über die hab ich ja auch so was von gewettert - bis meine Schwester ankam und gemeint hat, sie wüsst aber noch sehr gut, wie ich dem soundso mal den Stuhl weggezogen hab, als er sich setzen wollte. Das hätt ich ja wohl auch nur gemacht, um die andern zum Lachen zu bringen auf Kosten von jemand anders -autsch-
Boesewicht: das freut mich aber -grinst breit-
Katharina: ja, ist richtig, was Du bezüglich Bellatrix vermutest. Ich hab schon in einer anderen Story von mir drüber geschrieben. Sie selber weiß das allerdings nicht.
Shila: Ich geh mal davon aus, dass in einem Hogwartsjahrgang alle sind die im selben Jahr geboren sind. Ron hat z. B. irgendwann im Frühling Geburtstag, Harry im Juli und Hermine im September. In meiner Geschichte hat Sirius am 5. Juni Geburtstag und Bellatrix am 14. Dezember – das passt grade noch.
Fabula: schnell genug dagewesen? Leider 2mal falsch geraten – aber die zweite Idee geht altersklassenmäßig schon etwas in die richtige Richtung lol
Sepia: die beiden freunden sich ganz schnell an, ich hab beschlossen, damit nicht viel Zeit zu verlieren :) meinst Du, warum ich grade sie Dumbledores Tochter hab sein lassen? Sie sitzt auf dem Foto, dass Harry in Band 5 gezeigt kriegt, neben ihm.
Fairy: -umarmt zurück- Ich denk mal, dass die Reinblütigen da magische Mittelchen kennen um der Verblödung durch Inzucht vorzubeugen :) Ich glaub, dass die Blacks alle aus Prinzip schwarzhaarig waren – bis auf Narcissa und bei der haben die Eltern reingepfuscht (um ein Zeichen zu setzen, wem sie versprochen ist:)).
Dream: Hello again lol Dein Bett verwettest Du sogar? lol Wo willst'n dann nächtigen, hm? ;) Dass Marlene in Hogwarts unterrichtet hat, steht im „Erlkönig" auch nicht drin, das konnte man vorher nicht wissen. Auf den "privaten Ausrutscher" komm ich natürlich zurück. Später. Vielleicht wollte Bellatrix auch nachgucken, ob ihr Blut so blau ist wie ihre Eltern behaupten? ;) Dumbledore wusste es gar nicht, er erfährts erst in Bellas 7. Schuljahr, als er mit ihrem Vater redet. Und Minerva weiß es von Tom (Näheres in "Die Kinder der Finsternis").
Weiter geht's. Wenn Sirius hier manchmal ein bisschen sehr selbstgerecht rüberkommt (in Bezug auf Snape unter anderem), dann ist das beabsichtigt. Ich schätz ihn so ein -wink-
Für alle, die "Der Erlkönig" gelesen haben: hier wird aufgeklärt, wer damals Severus Einsicht in die Ministeriumsakten gewährt hat, durch die er herausgefunden hat, dass er und Moody verwandt sind.
Überhaupt wird hier eine Menge Bezug auf Sachen genommen, die dort erwähnt und erklärt werden - z. B. das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Moody und Snape oder Eliza.
Zum Titel: ich hab nach einer Übersetzung für den englischen Begriff "staring contest" gesucht. Es gibt aber anscheinend keine gescheite, ich bin bloß auf "Augenspiel" gestoßen... -zuckt mit den Achseln- Irgendwie ist der Titel ganz schön...
II. Das Augenspiel
A sin for him
Desire within
A burning veil
For the bride too dear for him
A sin for him
Desire within
Fall in love with your deep dark sin
-- Nightwish
Es ist spät. Die erste Flasche Wodka haben wir mannhaft hinter uns gebracht, und die zweite neigte sich dem Ende zu. Mein Kopf ist angenehm schwer, in diesem Zustand könnte ich fast vergessen, dass ich ein Ausbrecher auf der Flucht bin und mich am letzten Ort, an dem ich sein möchte, verstecken muss.
Wir reden nicht viel, dafür habe ich ausreichend Gelegenheit, meine beiden Saufkumpane zu beobachten und darüber nachzudenken, wie verrückt es ist, dass ausgerechnet Snape mit am Tisch sitzt. Remus liegt halb auf dem Tisch, den Kopf auf den einen Arm gebettet, mit der anderen Hand rollt er ein leeres Schnapsglas auf der Tischplatte hin und her. In nüchternem Zustand würde Snape sich an dem Geräusch aufhängen, aber so ist er recht umgänglich, sitzt friedlich mit angezogenen Knien auf seinem Stuhl. Selbstverständlich denke ich nur deshalb so positiv von ihm, weil ich zufällig selber gerade voll bin oder es in absehbarer Zeit sein werde.
Welche hohe Meinung soll ich denn von jemandem haben, der mich ohne mit der Wimper zu zucken den Dementoren überlassen hätte, obwohl er genau wusste, dass ich unschuldig bin? Durch den Alkoholnebel spüre ich den mir seit meiner Kindheit vertrauten Hass hochkochen. Für einen Moment wünsche ich mir die alten Zeiten zurück, als wir noch zu viert auf ihn Jagd machen konnten und ihm das Fell über die Ohren ziehen.
Wenn man den Gedanken so zuende denkt, hört es sich unglaublich grausam an – immerhin war er ein Waisenkind und ein volles Jahr jünger als wir und hatte es wohl auch sonst nie leicht in seinem Leben – aber wenn man Snape kennt, ist es einfach verdammt schwer, Mitleid zu haben. Er war und ist die reinste Pest – nichts was je war oder noch sein wird, kann mich davon abbringen.
Aber es ist mehr als nur das. Jedesmal, wenn ich ihn ansehe, werde ich daran erinnert, was aus mir selbst hätte werden können. Er ist so was wie mein dunkler Zwilling, an der Erkenntnis komme ich wohl nicht vorbei. Mein Vater, der uns nie lobte, sprach mit Anerkennung von „Sander Snapes Sohn, der in die Fußstapfen unseres großen Vorfahren Phineas Nigellus tritt", als Severus von Nicholas Flamel als Schüler aufgenommen wurde. Und meine Mutter, die nichts auf der Welt zu einem Hauch von Begeisterung hinreißen konnte, hielt mir den Schleimbolzen als leuchtendes Vorbild unter die Nase. Aber da hatte ich längst andere Vorbilder gefunden.
Wenn mir an meinem ersten Schultag jemand gesagt hätte, wie das Schuljahr enden würde – dass James Potter mein bester Freund werden und wir gemeinsam herausfunden würden, dass unser Schlafsaalkollege Remus Lupin ein Werwolf war, dass wir ihn nicht an die andern verpetzen, sondern im Gegenteil fieberhaft daran arbeiten würden, ihm die Sache zu erleichtern... Na, ich weiß nicht genau, was ich gesagt hätte, aber auf jeden Fall nicht: Alles klar, bin dabei, klingt nach einem Heidenspaß!
Doch so geschah es. Nie wieder hat ein Jahr einen solch entscheidenden Einfluss auf meine Entwicklung gehabt. Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich völlig verwandelt nach Grimmauld Place zurückkehrte, aber der erste Schritt war getan auf einem langen Weg, der mich schließlich von meiner Familie und ihren Ansichten wegführen sollte. Ich wusste, dass Andromeda sich Sorgen um mich machte. Narcissa nahm eigentlich nichts richtig wahr, was sich außerhalb ihres Kopfes abspielte. Und was Bellatrix anging: die war – abgesehen von der Schande, die es bedeutete, einen Cousin in Gryffindor zu haben – Feuer und Flamme, dass sie einen weiteren Grund hatte, mich zu drangsalieren. Die Tatsache, dass sie alle in sie gesetzten Erwartungen immer bis aufs i-Tüpfelchen erfüllte, während ich es nicht einmal schaffte, in das richtige Haus zu kommen, machte sie natürlich erst recht zu jedermanns Liebling.
Eine Familie sollte so etwas sein wie die Luft zum Atmen – man sollte sie brauchen und doch kaum merken, dass sie vorhanden ist. So ist es meiner Beobachtung nach bei normalen Leuten. (Kenne ich welche? Egal.) Meine ging mir auf eine Art unter die Haut, die man nur als ungesund bezeichnen kann.
Insbesondere eine von ihnen.
Zu Beginn meines zweiten Jahres musste ich miterleben, wie mein kleiner Bruder Regulus nach Slytherin kam. Ich erinnere mich genau, wie ichzwischen James und Peter in der Halle saß, als die Erstklässler hereinmarschierten. Ich war viel nervöser, als ich es bei meiner eigenen Einschulung gewesen war, und insgeheim erleichtert, dass niemand es richtig zur Kenntnis nahm. Meine Freunde waren allesamt Einzelkinder und nur Remus war sensibel genug, sich in diesem Moment in mich hineinzuversetzen. Um mich herum schnatterten meine Mitschüler, glücklich wieder in Hogwarts zu sein, doch ich saß still unter ihnen und hielt quer durch die Halle den Blick zweier schwerlidriger, graublauer Augen in einem Gesicht, das ebenso ernst und angespannt wirkte wie mein eigenes.
Es war ein altvertrauter Wettbewerb zwischen uns seit der Kindheit. Wir nannten es das Augenspiel: wer zuerst wegsah oder blinzeln musste, hatte verloren. Meistens war ich es, doch ich erinnere mich aus irgendeinem Grund nicht, wie diese spezielle Partie ausging. Vielleicht wurden wir gleichzeitig abgelenkt durch Professor McGonagalls Stimme, die Regulus aufrief. Ich weiß nicht mehr, ob es lange dauerte. Möglich, dass es ganz schnell ging, dass der Hut überhaupt keine andere Wahl für ihn in Betracht zog.
„SLYTHERIN!"
Was ich aber noch weiß, ist, wie Bellatrix aufsprang und ihn umarmte, als er mit einem erleichterten Lächeln zum Schlangenhaus hinübergesprintet kam. Und wie ihre Augen über seinen Kopf hinweg erneut meine suchten. Mit einem triumphierenden Glanz darin. Sie hatte gewonnen – alle in Slytherin bis auf mich. Da erst wurde mir klar, wie viel ich insgeheim davon abhängig gemacht hatte, dass Regulus zu mir nach Gryffindor kam. Es wäre so schön gewesen, einen Verbündeten innerhalb der Familie zu haben. Damals machte mir der dauernde Antagonismus noch etwas aus. Ich hatte das Fürnehme und Gar Alte Haus der Blacks als meinen Platz im Leben noch nicht völlig aufgegeben.
An jenem Tag wurden die Grenzen gezogen: Gryffindor versus Slytherin, mein freier Wille gegen die Traditionen meiner Familie. Und wenn das bedeutete, dass ich auf meinen kleinen Bruder verzichten und mir meine Cousine zum Feind machen musste, dann sollte es eben so sein.
Was hatte ich nur in der Birne? frage ich mich jetzt. Meinen Bruder so abzuservieren, nicht einmal zu versuchen, ihn trotz allem auf meine Seite zu ziehen. Kein Wunder, dass Regulus mir nie vertraut hat. Er muss gedacht haben, ich mache mir nichts aus ihm. Das sollte sich noch bitter rächen.
Flasche Numero 2 ist leer. Snape wirft mir hinter einem Vorhang aus fettigem Haar hervor einen neugierigen Blick zu, als ich so schwer seufze. Er kann mich gern haben. Er rückt ja auch nichts raus, von dem, was ihn beschäftigt. Er soll erst mal selbst die Hosen runterlassen, was er wieder getrieben hat. Ups, falsche Wortwahl.
Wieso ist er nie deprimiert? Jeden Grund dazu hätte er mit seiner Vergangenheit. Aber kein Gedanke – er gehört zu diesen Leuten, die sich aus dem größten Dreck wieder rauskrallen Und meinen, sie können ihr Leben weiterführen, ohne für irgendwas bezahlen zu müssen. Dass so jemand es wagt, sich mit anständigen Leuten an einen Tisch zu setzen, ist schon reichlich derb.
Wahrscheinlich, weil er nie in meiner Situation war. Er weiß nicht, wie das ist, wenn deine Freunde durch deine Schuld ihr Leben verloren haben. Er ist noch nie von einem Freund verraten worden. Schon deswegen, weil er nie welche gehabt hat. Wer würde auch mit ihm befreundet sein wollen?
Das ist's: Ich habe echte Probleme. Snape ist einfach nur gestört.
Während der ersten fünf Schuljahre entwickelte ich mich vom Stigma der Angehörigkeit zu einer der alten Slytherin-Dynastien weg und wurde einer der beiden beliebtesten Jungen der Schulen. Meine Freunde wurden der Mittelpunkt in meinem Leben, dagegen verblasste erst mal alles andere. Vor allem die Verpflichtungen, die ich meiner Familie gegenüber hatte – oder die sie glaubte, einfordern zu können. Es war ein allmählicher Prozess: Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht und hab gemerkt, dass alles schlecht war, was man elf Jahre lang zuhause in mich reingehämmert hatte. Irgendwann hatte Gryffindor einfach den stärkeren Einfluss.
Ich wusste, dass die anderen das gut fanden. Nicht nur meine engen Freunde und Hauskameraden bewunderten mich dafür – nahezu alle außer den Slytherins taten es.
Bellatrix ließ keine Gelegenheit aus, mir unter die Nase zu reiben, was genau sie von mir hielt. Sie hatte Regulus völlig eingewickelt, und ich glaubte, dass auch er von mir als einem totalen Versager dachte. Ich trug meinerseits den Kopf um so höher, verkündete überall lauthals meine Verachtung für Slytherins im Allgemeinen und solche mit dem Nachnamen Black im Besonderen. Teilweise führte ich mich absichtlich schrecklich auf und brach eine Menge Streitereien vom Zaun, nur um Bellatrix zu provozieren.
James mochte die Dunklen Künste und alle, die damit zu tun hatten, wirklich hassen, Peter einfach mitziehen und Remus es nicht immer gut finden, aber ich knöpfte mir Snape hauptsächlich deshalb vor, weil er ein Mitglied von Bellatrix' Gang war. Sie waren zu sechst – vier Jungen und zwei Mädchen, alles Slytherins aus unserem Jahr. Snape war der Jüngste, Dumbledore hatte ihn die ganze zweite Klasse überspringen lassen, weil er da anscheinend nur Ärger machte. In unserer Klassenstufe machten jedoch wir den Ärger und das bekam der kleine Schleimball deutlich zu spüren.
In der Zwischenzeit gingen meine Eltern und ich uns immer mehr gegenseitig auf die Nerven. Ich konnte nicht mehr ruhig sitzen bleiben, wenn bei Tisch über „Schlammblüter" und dass mal wieder „Säuberungen" angebracht wären, geredet wurde. Andererseits legte man bei uns zuhause natürlich großen Wert darauf, dass die Mahlzeiten zusammen eingenommen wurden. Woanders mochten Kinder zur Strafe ohne Essen ins Bett geschickt werden – meine Eltern schienen zu wissen, dass es für mich keine größere Hölle geben konnte als mit am Tisch zu sitzen, und folterten mich regelmäßig damit.
In meinem dritten Schuljahr passierte dann etwas, das unsere häusliche Situation gewaltig verändern sollte, und ohne das mein Leben vielleicht noch eine ganz andere Wendung genommen hätte – obwohl ich das nicht hoffen will.
An einem friedlichen Montagmorgen kurz vor Ostern hatten wir's mal wieder übertrieben.
„Black, Strafarbeit!" brüllte Professor Karkarova. Wir sahen sie fragend an. „Alle beide!"
Das bedeutete einen langen öden Nachmittag in der Sektion für Alte Runen – und das während draußen der Frühling Einzug hielt. „Diese Leere," übersetzte ich in einem Tonfall, der meine Begeisterung widerspiegelte, „die bleibt, wenn ein Freund... öh, sich geht?"
Professor Karkarova seufzte, als säße ihr alles Leid des Lehrerdaseins in ihrer Brust. „Das haben Sie jetzt sehr schön kaputtübersetzt, Mr. Black. Trotzdem scheint mir das kein hinreichender Grund für einen Heiterkeitsausbruch, Miss Black. Weiter im Text, wenn ich bitten dürfte!"
„Äh..." begann Bellatrix nicht weniger vielversprechend. „Wenn ein Freund geht, dann... Dann ist das immer ziemlich scheiße," lachte sie. „Ich weiß es auch nicht!"
„Bravo," meinte ich.
„Halt den Rand, du Streber!" Sie warf ihr Federmäppchen nach mir. Ich hätte mit Leichtigkeit ausweichen können, allerdings tauchte in dem Moment jemand in der Klassenzimmertür auf, dessen Erscheinen mich ablenkte.
„Bellatrix," sagte Narcissa. "Ihr müsst mit mir nach oben kommen zu Professor Dumbledore. Unser Vater ist gestorben!" Und sie brach in Tränen aus. Es war erschütternd, ich hatte Narcissa noch nie weinen sehen. Aber Bellatrix drehte sich nur mit fragendem Gesichtsausdruck zu Professor Karkarova um, die ihr bedeutete, sich um ihre Schwester zu kümmern. Am frühen Abend saßen wir zusammen mit Regulus in Dumbledores Büro und warteten auf Nachricht aus Grimmauld Place. Dumbledore hatte Phineas Nigellus oder besser gesagt sein Portrait hingeschickt und uns alle mit heißer Schokolade versehen, während wir auf Anweisungen unserer Eltern warteten.
„Sirius, du Schandfleck!" begrüßte Phineas mich spöttisch, als er zurückkam. „Nicht grade, was ich mir unter einem würdigen Erben für das Fürnehme und Gar Alte Haus der Blacks und Nachfolger von Orion Black vorstelle. Warum kannst du es bloß nicht sein, Mädchen?" wandte er sich an Bellatrix, die ihn mit hochgezogenen Augenbrauen anblickte. „Aber eine Frau heiratet sowieso und nimmt einen anderen Namen an. Du bist auch zu nichts nutze."
Tod den Reaktionären, dachte ich. „Schnauze, Phineas! Du hast hier überhaupt nichts zu melden!"
„Ich kann mich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen," meckerte unser Ururgroßvater weiter. „Mein Erbe – in Gryffindor! Die Blacks waren schon in Slytherin, als Nicholas Flamel noch ein kleiner Junge war..."
„Und du warst damals im besten Mannesalter, Phineas." konterte Bellatrix. „Ich bedaure, aber das war vor unsrer Zeit."
„Schlag ein," meinte ich zu ihr und hob die Hand. Sie tat es.
„Ihr seid recht gut drauf, dafür dass gerade dein Vater gestorben ist." meinte Dumbledore und blickte sie aus eigenartig müden Augen an.
„Ich kann nichts heucheln, was ich nicht empfinde," klärte sie ihn auf. „Er hat mich nie leiden können, daraus hat er nie ein Hehl gemacht."
„Das ist so was von nicht wahr, Bellatrix." fiel Narzissa ein und legte eine Hand auf die Schulter ihrer kleinen Schwester, die diese ungehalten abschüttelte.
„Doch, ist es. Ich hab das schon immer gewusst." Ihre Augen waren weiter auf Dumbledore gerichtet. „Den Grund dafür kenne ich selbstverständlich nicht. Aber dann habe ich ja auch nie herausgefunden, warum Professor McGonagall sich benimmt, als hätte ich ihr als Kleinkind mal über ihr neues Kleid gereihert oder etwas ähnlich Unerhörtes." Sie lächelte. Wieder schwieg ich – obwohl ich genau wusste, dass Onkel Orion und Professor McGonagall aus dem selben Grund gegen sie eingenommen waren. Nur hasste der eine eben ihren Vater an ihr und die andere ihre Mutter.
Orion und Elladora hatten sich kurz vor Bellatrix' Geburt aufs Land zurückgezogen. Nach Black Manor, wo meine Großeltern lebten. Das konnte man nur als Schadenbegrenzungsmaßnahme bezeichnen, da Elladora ein paar Wochen zuvor noch vor dem Wizengamot gestanden hatte, angeklagt wegen Propagierung unlauterer Magie in ihrem kürzlich veröffentlichten Buch „Die Entwicklung der Unverzeihlichen Flüche". Meine Tante – hochschwanger und nicht gewillt, sich von irgendjemandem ihre Ansichten vorschreiben zu lassen – verteidigte die Studie, mit der sie viele Jahre zugebracht hatte, so mustergültig, dass ihr ein Ahnenplatz in der Geschichte des Dunklen Ordens w ohl auf immer sicher ist. (Ich bleibe dabei, dass dieser ganze Prozess so kurz vor ihrer Geburt Einfluss auf den Charakter und die Mentalität meiner Cousine hatte. Die Dunklen Künste schon im Mutterleib mitverteidigt sozusagen.)
Der soziale und politische Schaden war jedenfalls angerichtet und so verbrachten Orion, Elladora und die Mädchen die nächsten dreizehn Jahre in Sussex. Nach Orions Tod beschlossen meine Tante und meine Großmutter jedoch, nach London zurückzukehren und in Grimmauld Place Einzug zu halten, wo es Platz genug für alle gab.
Was bedeutete, dass ich von nun an in der Schule und daheim mit Bellatrix unter demselben Dach leben musste. Jahre später sollte dieser Umstand zum entscheidenden Problem werden.
„Nun?" poltert eine tiefe Stimme in unsere berauschte Dreisamkeit hinein. Wir fahren herum, so gut wir noch dazu in der Lage sind nach zwei Flaschen Wodka. Mir dreht sich so der Kopf, dass ich den Eindringling nicht gleich erkenne, doch bei dem Klonk! Klonk! mit dem er sich und sein Holzbein in die Küche manövriert, kann man keinen Irrtümern unterliegen. Alastor Moody beehrt meine bescheidene Hütte.
„Wie sieht's aus?" Er nimmt die leergesoffenen Flaschen auf dem Tisch zur Kenntnis und pliert uns alle drei gründlich mit seinem magischen Auge an, doch am längsten lässt er es auf Severus verweilen.
Ich glaube ja, er kann mich nicht leiden wegen dem Streich damals, aber wenn man sich mal vor Augen hält, wie die beiden miteinander umspringen, kann ich eigentlich kaum glauben, dass Alastor so viel an seinem Neffen liegt. Auf der anderen Seite hat Snape es fertig gebracht, ein volles Schuljahr mit einem Moody-Duplikat unter einem Dach zu hausen und ihm dabei so gründlich aus dem Weg zu gehen, dass ihm die ganze Zeit über nicht auffiel, dass es gar nicht sein Onkel war, vor dem er Reißaus nahm. Das spricht doch ziemlich für sich.
„Exzellent," lässt sich Snape vernehmen. Es sieht so aus, als würde ich heute doch noch erfahren, was vor sich geht. Snape kann man ja bis in alle Ewigkeit den Buckel runterrutschen, wenn man versucht, etwas aus ihm rauszukriegen, aber wenn Moody hier ist, wird er Aufklärung verlangen. Nicht nur, weil er ein paranoider alter Auror ist, sondern auch weil es ihn kraft Blutsverwandtschaft was angeht, wenn Severus sich in Gefahr bringt. Die Aussicht, eine deftige Geschichte aus Todesserkreisen zu erfahren, macht mich auf einmal sehr nüchtern. Ich bringe es sogar fertig, mich aufrecht hinzusetzen.
Moody kaut auf keiner Unterlippe herum, auch er sieht sich gezwungen, diplomatisch vorzugehen, wenn er mit Snape verhandelt. „Habt ihr hier noch was zu trinken?" fragt er mich.
„Butterbier," sage ich freundlich, ganz der unfreiwillige Hausherr. Es tut gut seine Unsicherheit zu sehen, wie ich zu behandeln bin. Ich bin Sirius Black, um Merlins Willen. All die Jahre dachte man, ich sei der vom Orden in seiner Gutgläubigkeit beherbergte Verräter. Und irgendwie... passte das natürlich auch in Moodys Weltbild. Jeder mit dem Nachnamen Black war für ihn immer ein potenzieller Dunkler Zauberer (und in neun von zehn Fällen liegt man mit so einer Vermutung ja auch richtig). Ich hab mir seinerzeit viel in dieser Richtung anhören können.
Und dann ist da natürlich noch die andere Geschichte. Ich habe seinen Neffen in Lebensgefahr gebracht, das sieht er mir nicht so leicht nach. Als es dann hieß, ich hätte Lily und James an Voldemort verkauft, fanden er und viele andere das nur logisch. Böses Blut eben. Man kann nicht ändern, von wem man abstammt. Vielleicht habe ich das ja seit meiner Schulzeit mit mir herumgeschleppt, den Status einer Zeitbombe, die jederzeit explodieren kann. Seit dem Vorfall.
In meinem Leben gab es nichts, was mich in Gefahr gebracht hätte, mein Gesicht zu verlieren – abgesehen von der am Rande meines Bewusstseins stets vorhandenen Familienbindung. In Hogwarts repräsentiert in Gestalt einer Gleichaltrigen mit dem Rabenhaar und den Stahlaugen wie ich sie auch hatte. Meine Lieblingsfeindin unter den Slytherins, die alles verkörperte, dem ich zu entkommen trachtete: das Haus Black, die Dunklen Künste, angestaubte Traditionen, die uns vorschreiben wollten, wie wir zu leben hatten, und wer sich nicht daran hielt, wurde verstoßen, wie es meiner Cousine Andromeda passiert war als sie diesen Muggelstämmigen geheiratet hatte. Oh ja, ich kannte meine Aufgabe im Leben: genau dagegen zu kämpfen nämlich.
Dann wurde ich fünfzehn und die Schwierigkeiten begannen.
Es ist traditionsgemäß das Alter, in dem man(n) regelmäßig sagen wir mal unruhig träumt und morgens das Bettlaken wechseln muss. Einer von uns stellte plötzlich fest, dass die rothaarige Nervensäge, die er in Zaubertränke als Partner zugeteilt bekommen hatte, auf halbem Weg seit dem ersten Schultag ihrer Zahnspange verlustig gegangen war und riesige, langbewimperte grüne Augen hatte. Mit anderen Worten: die Pubertät hatte uns mit einem Mal voll im Griff.
Irgendwie war ich ganz froh, dass Lily so schwer zu erobern war – es hätte mich angekotzt, meinen besten Freund so schnell an das holde Geschlecht zu verlieren. Mich ließ das alles innerlich kalt. Ich interessierte mich für keine – abgesehen von ein paar Knutschereien aus Neugier und Spaß an der Freude natürlich. Man kam irgendwie gar nicht drum herum, wenn die Mädchen von Hogwarts einmal entschieden hatten, dass man ein lohnender Fang sei.
Selbstverständlich kam mir bei alldem nie der Gedanke, dass das daran liegen könnte, dass sich meine ganze emotionale Energie auf (oder besser gegen) eine Person richtete, die für mich tabu war. Meine Gefühle unterschieden sich so stark von denen, die meine Jahrgangskollegen diesem oder jenem Mädchen entgegenbrachten, dass es mir nie in den Sinn kam, das eine könnte etwas mit dem andern zu tun haben.
Ich genoss es, wenn ihre Aufmerksamkeit ganz auf mich gerichtet war. Überhaupt beschäftigten sich meine Gedanken häufiger mit ihr als mit jedem anderen Feind, den wir hatten. In höheren Klassen tat mir manchmal beim Gedanken an sie vor Hass der Magen weh – aber gleichzeitig verspürte ich weiter das Verlangen sie anzuschauen. So einen eigenartigen Hunger. Es war alles sehr seltsam.
Diese... Besessenheit kann man fast schon sagen, war so sehr ein Teil meiner Welt, dass ich es nie für nötig hielt meine Gefühle weiter zu analysieren. Ich wäre ziemlich abgestoßen gewesen, wenn mir jemand das ins Gesicht gesagt hätte, was ich so erfolgreich verdrängt hatte. Ich war es, als schließlich mit dieser meiner Lieblingsillusion aufgeräumt wurde.
Ich erinnere mich noch sehr genau an die Nacht, aber ich hätte den 26. Oktober 1974 so oder so vermutlich im Gedächtnis behalten, weil es der bis dahin schlimmste Tag im Leben meines besten Freundes war.
Okay. James hätte ihn nicht an den Füßen aufhängen müssen, da stimme ich zu. Es war eigentlich klar, dass sich das rächen würde, und zwar zu einem Zeitpunkt, wenn wir vier – seine Lieblingsfeinde – längst mit ganz anderen Sachen beschäftigt waren und überhaupt nicht mehr daran dachten. So kam es auch. Es war ein Alptraum.
Unmittelbar nach dem Vorfall am See verbrachten wir eine ungemütliche Zeit – bei jeder sich bietenden Gelegenheit fielen die Mitglieder der Slytheringang über uns her, nicht mal im Zug zum Gleis 9 ¾ ließen sie uns in Frieden. Meine Cousine legte höchstpersönlich Hand an und als Resultat verbrachten James und ich eine von Alpträumen geplagte Nacht und dementsprechend verlief die Prüfung in Verwandlung am darauffolgenden Tag. (Muss ich noch erwähnen, wer an meiner Statt den ersten Platz bei den ZAGs im Fach Verwandlung einheimste? Die Blacks wussten sich gar nicht mehr zu fassen vor Entzücken über ihr kluges Mädchen.)
Snape selber machte keinen Finger krumm, um sich zu rächen, und das hätte uns stutzig machen müssen, zumal die Sommerferien vor der Tür standen, so dass er jede Menge Zeit hatte, etwas auszutüfteln. Ich kann beim besten Willen nicht behaupten, dass er die verschwendet hätte. Veritaserum – es war ebenso simpel wie brilliant. Er hatte es dahingehend verändert, dass man nicht nur die Wahrheit sagen musste, sondern dass man sie auch aussprach, wann immer sie einem durch den Kopf ging. Man konnte sich einfach nicht stoppen. Jedenfalls schloss ich das sehr rasch aus James' Verhalten, ich selber hatte glücklicherweise nichts abbekommen.
Ich weiß nicht, wie Snape überhaupt auf die Idee kam, ihn gerade das zu fragen. Es musste ein Schuss ins Blaue gewesen sein. „Dann erzähl uns doch mal, wie du den Mantel einsetzt." hatte er gesagt. „Das muss ja sehr von Vorteil sein, wenn man von Zeit zu Zeit den Mädchenduschräumen einen Besuch abstatten will." Und James antwortete. Die versammelten Slytherins kriegten sich natürlich nicht mehr ein, sie überboten sich gegenseitig mit neugierigen Fragen.
Doch das wirklich Üble war, dass Lily mitten in dieser „Unterhaltung" in der Bibliothek auftauchte und einiges davon – ihre eigenen Körpermaße betreffend – mitbekam. Wie man hört, hat sie sich gleich an Ort und Stelle mit Snape duelliert. Wir bekamen es nicht mehr mit, weil ich James hinausgeschleift hatte, bevor es noch schlimmer kommen konnte. Aber wir waren natürlich schon ganz unten. Aus diesem Dilemma würde James nie herauskommen. Lily würde ihn hassen für den Rest ihres Lebens – und mit Recht. Was immer man sonst über Schniefelus sagen konnte, der Mann wusste, wie man eine Rache, die sich gewaschen hat, ausheckt und in Szene setzt.
Ich ließ James in Peters Obhut zurück – ich befürchtete zwischenzeitlich ernsthaft, dass er sich etwas antun würde – und begleitete Remus in die Heulende Hütte, doch er schickte mich zurück. James bräuchte mich jetzt dringender. Ich war auf dem Rückweg zum Schloss und beglückwünschte mich gerade, dass ich solche oder ähnliche Probleme nicht hatte – Ja? Wirklich nicht? klang die sanfte, höhnische Stimme meiner Cousine in meinen Ohren. Ja, versicherte ich. Wirklich nicht. – als etwas meine Aufmerksamkeit erregte. Da war jemand unten am See, im Mondschein konnte ich eine schlaksige Gestalt mit langem Haar und einer ungesunden Haltung ausmachen. Schniefelus. Ich spürte den Zorn wieder aus meinen Eingeweiden emporschießen wie eine Flamme.
Ich war schon oft nahe drangewesen, ihn zu schnappen, wenn er hinter uns herschnüffelte, was zu meiner Frustration die meiste Zeit der Fall war. Man konnte wirklich fast keinen Schritt mehr tun, ohne dass die fetthaarige Vogelscheuche einem nachschlich. Ich wusste, er hatte es auf unser kleines Geheimnis abgesehen.
Heute Nacht war noch jemand bei ihm, ein rothaariger Mensch Mitte zwanzig. Ich sah, wie Snape dem anderen eine Rolle Pergament zurückreichte, die dieser in einem kleinen Aktenkoffer verstaute. „Moody würde mich vierteilen, wenn er von dem hier wüsste," sagte der Fremde. „Ich hoffe, du hast erfahren, was du wissen wolltest?"
„Ja", sagte Severus leise. „Und noch etwas mehr. Danke, Arthur. Das werd ich dir nie vergessen."
„Kein Problem, mein Junge." Noch nie hatte ich jemanden in diesem Ton mit Snape reden hören, nicht mal Professor Karkarova. So wohlwollend, so tolerant. Schweigend schlurfte er durch die Bäume davon. Snape sah ihm kurz nach und schlug dann mit einem Seufzen, als läge eine unerträgliche Last auf seinen Schultern, den Pfad zurück zur Schule ein. Er riss den Kopf in die Höhe und sog erschrocken die Luft ein, als ich vor ihm auf dem Weg auftauchte. Feuchtigkeit schimmerte auf seinen hohen Wangenknochen. Auch die dunklen Wimpern sahen verklebt aus, als ob...
Als ob er geweint hätte, dachte ich einigermaßen befremdet. „Was hast du schon wieder hier rumzuschleichen?" herrschte ich ihn an.
„Ich kümmere mich um meinen eigenen Dreck, Black," fauchte er zurück. „Wenn du weißt, was besser für dich ist, machst du es genauso."
Ich verstellte ihm den Weg, als er sich vorbeischlängeln wollte. „Du bist mein Dreck, Schniefelus." gab ich zurück. „Wieso schnüffelst du uns ständig hinterher, du Rabenaas?"
„Was?! Und wieso denkst du, dass an eurem Rumgehusche irgendwas von Interesse für mich ist?"
„Ganz einfach: du bist immer draußen, wenn wir's auch sind."
Seine Tollkirschaugen verengten sich. „Einbildung ist auch 'ne Bildung, Black."
„Jetzt pass mal auf, ich dulde es nicht, dass ein Schleimbolzen wie du meine Freunde und mich terrorisiert. Du kriechst jetzt auf der Stelle dahin, wo du hergekommen bist und hältst dich aus – "
„Du hast nicht das Recht, mich irgendwohin zu schicken, Black," fiel er mir ins Wort. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, du bist kein Vertrauensschüler. Wundert mich ehrlich gesagt auch nicht, dass sie Lupin euch vorgezogen haben." Spöttisch musterte er mich. „Wie ist das, Black, wenn einem ein – " Er brach ab, biss sich auf die Lippen. Als er mich wieder ansah, war ein seltsamer Schimmer in seinem Blick. Etwas Lauerndes, als wüsste er, dass er jetzt die Oberhand hatte. Oder als sei ihm eine Idee gekommen.
„Um ehrlich zu sein," sagte er, „es ist spät und ich bin ziemlich müde. Anders als ihr Gryffindors müssen wir Slytherins ja was tun für gute Noten. Wir kriegen nicht alles in den Arsch geschoben. Und Potters peinliche Darbietung heute in der Bibliothek hat mich schon genug Zeit gekostet."
Ich packte ihn beim Kragen. „Du weißt nur zu gut, was du angerichtet hast, nicht wahr, du Stück Scheiße? Du hast ihm jede Chance mit Lily verbaut."
„Als ob er die je gehabt hätte," grinste Snape hämisch. „Schade trotzdem. Es lief nicht alles, wie es sollte bei der Verabreichung. Denn, wie du dir ja denken kannst...war Potter nicht das eigentliche Ziel."
„Was soll das heißen?" zischte ich. Seine unverwandt auf mich gerichteten schwarzen Augen waren mir nie boshafter erschienen. Es war ein Gefühl, als zappelte man wie ein Fisch im Netz. (Ein Hoch auf die Legilimentik, Anm. der Erz.)
„Du warst es. Ich meine, es wäre doch interessant gewesen, wenn du deine tiefsten, bestgehüteten Geheimnisse hättest ausplaudern dürfen – noch dazu... in Anwesenheit derjenigen welchen."
Ich ließ ihn los. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als ob sich eine schwere, eisige Flüssigkeit in meinem Magen ausbreitete. „Wovon quatschst du eigentlich?" fragte ich, obwohl ich zu meinem Entsetzen eine ziemlich gute Vorstellung davon hatte, welchem Themenbereich wir uns hier annäherten.
Snape grinste so triumphierend, als hätte er mit genau der Reaktion gerechnet. „Es ist verdammt schwer, aus dir schlau zu werden, Sirius... Black. Bei all der Mühe, die du dir gibst, anders zu sein, als deine Familie – wer hätte ahnen können, wie viel dir am reinen Blut deiner Nachkommen liegt. Es ist ja auch wirklich nichts außergewöhnliches in deinen Kreisen. Deine Eltern werden bestimmt erleichtert sein, dass du die Tradition aufrechterhalten willst."
Ich konnte mich nicht erinnern, wann mir zum letzten Mal derart die Worte gefehlt hatten. Lieber Merlin, die Schande, sich das von Snape ins Gesicht sagen lassen zu müssen. Ich hörte seine Worte, die wie schleichendes Gift in mich einsickerten und das Bild, das ich von mir selber hatte - Sirius Black, Draufgänger, Mädchenschwarm, heimlicher Animagus, Gryffindor bis ins Mark, Schandfleck der Familie Black und stolz darauf- auf eine bloße Fassade reduzierten, hinter der sich alle möglichen kranken, unnormalen Begierden tummelten - einem Spross meiner Familie wahrhaft würdig.
„Verrat mir eins, Black," fuhr er erbarmungslos fort, während er langsam um mich herumging. Ich konnte nur stehenbleiben, wo ich war und mit brennenden Augen in die Finsternis starren, als er mir ins Ohr flüsterte. "Wie würde der beste Freund, den du jemals hattest, wohl auf diese Enthüllung reagieren? Paranoid was die Dunklen Künste betrifft wie er ist. Oder dieser Wurm Pettigrew. Ich wette, der würde sich ergötzen, wenn es zwischen euch mal so richtig kracht. Und der arme Lupin, der bestimmt denkt, er wär so gut dran mit zwei wahren, treuen, aufrichtigen Freunden wie dir und Potter. Ganz zu schweigen..." er lachte leise "von Bellatrix selber."
Scharf sog ich den Atem ein, und Snape lachte.
„Nein, keine Angst," beruhigte er mich. „Ich glaub nicht, dass sie's weiß und ich werd es ihr nicht erzählen. Aber Lupin könnte ich es zuspielen. Über andere Leute. Mir würde er nicht glauben. Verständlich, ich meine, ich würde euch ja auch nichts glauben, wenn ihr mir was erzählt. Peter könnte ich es ins Gesicht sagen. Der würde selbstredend zu James rennen, um sich Klarheit zu verschaffen. James würde dich konfrontieren – und dann wissen es alle deine Freunde. Ein schönes Szenario, finde ich."
Ich fand dann schließlich doch noch meine Stimme. „Was für eine perverse Phantasie muss man haben, um sich so was auszudenken." Ich flüsterte tatsächlich mehr als dass ich sprach. „Du bist doch eine kranke, verdrehte Entschuldigung für einen Zauberer."
„Möglich, Black." flüsterte er zurück, jeder Laut ein feiner Nadelstich. „Aber was – bist dann du?"
Ich hatte doch tatsächlich geglaubt, ich wüsste, was Hass ist. Ich hatte gemeint, meine Eltern zu hassen, meine Cousine, den Schatten, Dessen Name Nicht Genannt Werden Durfte – aber ich hatte keine Ahnung gehabt. Das Gefühl war so gewaltig, dass ich einen Moment lang dachte, meine Beine würden unter mir nachgeben.
„Du hältst dich für so schlau," rief ich ihm hinterher, meine Stimme im Nachtwind heiser vor Wut. "Du denkst, du wärst so ein Genie im Bespitzeln anderer Leute - aber das, wohinter du die ganze Zeit herwarst, hast du doch nicht rausgekriegt."
Er stand einen Moment still mit dem Rücken zu mir. "Das da wäre?" Er drehte sich um, als ich nichts sagte.
"Willst du's wirklich wissen?" fragte ich lächelnd. Meine verkrampfte Muskulatur löste sich allmählich wieder. "Ich werd's dir nicht sagen."
"Ooooh," hauchte er. Seine dunklen Brauen wölbten sich spöttisch.
"Aber," meinte ich gedehnt, "du könntest es dir einfach selbst ansehen. Remus verbringt die Nacht in der Heulenden Hütte. Unter der Peitschenden Weide ist ein Tunnel, der bringt sich direkt hin."
"Und warum sollte jemand so lebensmüde sein, in die Nähe der Peitschenden Weide zu gehen?" erkundigte er sich träge.
"Weil an der Weide ein Knopf ist, der sie lähmt, wenn man draufdrückt."
"So." sagte er.
"Ja." sagte ich. Grinsend reckte ich die Arme über den Kopf und streckte mich. Ich wusste, er würde es tun. Ich wusste, ich hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. "Viel Glück," meinte ich und machte mich auf den Weg zurück ins Schloss, um nach James zu sehen.
Im Weggehen hörte ich Snape noch sagen „Das mag ich an euch. Ihr seid so kalkulierbar. Man weiß immer genau, wie ihr auf was reagiert." Ich schüttelte das leise Unbehagen ab und ließ ihn stehen.
„Dein alter Spießgeselle Karkaroff." grollt Moody, Butterbier in der Hand. „Er befindet sich in einem für ihn etwas unerfreulichen Zustand."
Das hört sich interessant an, als es so nach und nach in mein alkoholvernebeltes Hirn einsickert. Ich linse hinüber zu Snape, der ein Bein angezogen auf seinem Stuhl kauert. Die Art, wie er mit der Wodkaflasche zu Moody hinübergrüßt, lässt vermuten, dass auch er zumindest ein bisschen was spürt. Nur ein bisschen was selbstverständlich – er hat ja auch nur etwa das fünffache von unserem Quantum gekippt. Seine Aufnahmefähigkeit hab ich schon in unserer Schulzeit immer höchst erstaunlich gefunden.
„Wenn du willst, dass etwas richtig gemacht wird, schick einen Lehrer." murmelt er.
Moody verdreht das normale Auge und fixiert mit dem magischen seinen missratenen Neffen umso genauer. Snape erwidert den Blick hinter seinem Vorhang aus fettigem schwarzem Haar hervor. „Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass meine Wiederaufnahme in gewisse Kreise nicht mit ein paar Bedingungen verknüpft sein würde."
Da sitzt er, gleichmütig, nicht im Geringsten in der Defensive, seine Aussprache auch nach dem 15. Glas noch exakt, und redet über einen Mord, als gehöre der zwar nicht unbedingt in den Feierabendbereich, sei aber mit wenigen Worten abzuhandeln und jetzt könnten wir uns wieder um unseren eigenen Dreck kümmern, von dem hätten wir ja mehr als genug. Das alles sagt er mehr oder weniger wortlos, mit der ihm eigenen arroganten Grazie, und ich denke, dass Snape selbst im Suff noch anders ist als alle, die ich kenne.
„Also das hat er von dir verlangt als Zeichen deiner Treue. Und du bist hingegangen und hast mal eben einen alten Freund exekutiert."
„Nicht mal eben." erwidert Snape und wölbt eine rabenschwarze Braue. „Ich denke, Krakaroff hat damit gerechnet, dass ich es sein würde."
„Was faselst du da?" hakt Moody unwirsch nach.
Snape lehnt sich zurück und fängt an, auf den hinteren Stuhlbeinen zu balancieren. „Karkaroff hat mich als einziger von ihnen vor Gericht belastet, und er bekam auch als einziger von Dumbledore den Grund zu hören, warum ich freigesprochen wurde, als du mich eigentlich in Askaban verrotten lassen wolltest." Er zögert. „Und er war einer von genau drei Leute außerhalb des Ordens, die wussten, dass... die über die andere Sache Bescheid wussten."
Aha, denke ich. Noch mehr Geheimnisse. Irgendwie überrascht mich das nicht. Snape ist ein Mörder, denke ich. Ein Mörder. Irgendwie war das zwar zu vermuten, nachdem er seine Mitgliedschaft bei den Todessern bereits enthüllt hatte. Trotzdem schockt es mich.
Moody stützt sich schwer auf den Tisch. „Wo wir grade dabei sind: als vorbildliches Verhalten würde dir das vor dem Erziehungsausschuss kaum ausgelegt werden."
„Was willst du damit wieder sagen?" Die plötzliche Spannung im Raum ist greifbar. Ein Familienkrach liegt in der Luft. Ich kann so was spüren, schließlich bin ich vom Fach.
„Nichts weiter," meint Moody. „Bloß... Ist dir eigentlich schon mal durch den Kopf gegangen, was Rowan denken wird, wenn sie hört, was –"
Ich zucke zusammen, als Snape blitzschnell von seinem Stuhl aufspringt, als wollte er sich gleich auf Moody stürzen. „Halt sie gefälligst da raus!"
„Ich denk nicht dran!" schnauzt Moody zurück. „Ich hab es vor vierzehn Jahren gesagt und ich bin heute noch derselben Meinung: mit deiner Vergangenheit und deinem Lebenswandel bist absolut ungeeignet, Verantwortung für ein Kind zu tragen. Seit er zurück ist, sogar noch mehr."
„Das muss ich mir von dir nicht anhören!" zischt Snape. „Von dir nicht, verstehst du? Man sieht ja, was dabei herauskommt, wenn man dir die Verantwortung für Minderjährige überträgt."
„Zur Hölle mit dir! Du kannst nicht die Schuld auf mich abwälzen für das, was du getan hast. Glaubst du, du hättest es besser getroffen, wenn du damals zu den Malfoys gekommen wärst? Du wärst noch schneller den Dunklen Künsten anheimgefallen."
„Ich wäre in einer normalen Familie aufgewachsen, wie Rowan es tut. Ich wäre nicht in Gefahr gewesen und sie ist es auch nicht."
„Diesen Leuten vertraust du sie an ohne mit der Wimper zu zucken!" meint Alastor anklagend. „Und du schickst sie nach Durmstrang. Dass Albus da zugestimmt hat, kann ich nach all der Zeit immer noch nicht glauben."
„Alastor!" platzt Snape heraus. „Lass uns doch einfach mal so tun, als wäre sie meine Tochter und als läge es bei mir zu entscheiden, was das Beste für sie ist, okay?"
Author's Note: Tjaaaa... Jetzt seid Ihr verwirrt, hm? Mehr Familienkrach und eine Lösung des Rätsels um Rowan gibt's im nächsten Kapitel :).
Was denkt Ihr so? Ich würd mir einen Arm abhacken lassen, wenn sich kraft Rowling herausstellt, dass das so gelaufen ist mit dem Werwolf-Streich.
