Disclaimer: in alter Frische

Author's Note: Ich weiß gar nicht, was für eine Entschuldigung hier eigentlich noch überzeugend wäre flöt Nur so viel: Ich hatte wunderbare Ferien, dies mich endlich erlaubt haben, das 8. und letzte Kapitel fertigzuschreiben und zu posten. Für eure unerschütterliche Treue und Geduld werdet ihr mit einem ganz besonders langen und actionreichen Kapitel belohnt. Haut rein! ;)

Extrem dickes großes Dankeschön an alle, die das letzte Kapitel reviewt haben und mir Mails geschickt haben, um mich weiter zu ermuntern oder mir mit Kidnapping zu drohen :) Ihr seid so klasse schwärm

Hier also ist mein letztes Kapitel, das meiner Meinung nach einen besonders schönen Titel hat ;)

VIII. Blackout

Fall for me, my southern cross, my star
Shine for me when love has gone too far

-- Heather Nova, Heal

Am späten Nachmittag wird es laut – zu laut, um weiter so tun zu können, als sei ich tot oder nicht da. Weil ich nichts besseres zu tun habe, verlasse ich meinen einsamen Posten unter dem Dach und bewege mich vorsichtig – weil ich nicht genau weiß, was mich erwartet – die Treppe hinunter. Auf dem untersten Treppenabsatz lümmeln Snape und Minerva McGonagall herum. Zwischen ihnen steht eine große Ebenholztruhe, die nicht gerade einen federleichten Eindruck macht. Weswegen sie mit bekümmerten Gesichtern auf ihre Last herniederstieren.

Schwarze Brauen wölben sich sarkastisch in seinem fahlen Gesicht. „Es entbehrt jeden empirischen Beweises, dass man mit so was bis unters Dach kommt, ohne die Treppe runterzufallen und sich den Hals zu brechen – ganz zu schweigen davon, dass der Fracht was zustoßen könnte."

McGonagall scheint mir mit den Nerven mehr oder weniger am Ende. „Würdest du dich jetzt bitte an der Truhe festhalten, anstatt dumm rumzulabern?"

„Na schön," Snape bückt sich nach der Truhe mit einem Gesichtsausdruck, der sein ganzes Elend ausdrückt. „Wo ist eigentlich der Herr des Hauses? Der könnte auch mal mitanpacken. Ich will nicht hoffen, dass wir hier klar Schiff machen müssen, während der da oben seiner verlorenen Kindheit nachjagt."

„Wieso lasst ihr das Ding nicht einfach magisch unters Dach schweben?" frage ich im wahrsten Sinn des Wortes von oben herab. Beide verrenken sich die Hälse nach mir zwei Treppenabsätze weiter oben.

„Du wirst es nicht glauben," höhnt Snape. „Daran hab ich auch schon gedacht. Nur deine Ex-Hauslehrerin meint, Magie könnte dem kostbaren Inhalt schaden, den wir dringend noch benötigen werden. Indes sie mir nicht verraten will, worum es sich handelt." Er strafte McGonagall mit einem Blick tiefster Verachtung.

„Aber mir?" strahle ich sie hoffnungsfroh an. Meine Neugier ist geweckt.

„Träumen Sie weiter, Mr. Black," holt mich McGonagall auf den Boden der Tatsachen zurück.

„Was ist jetzt?" raunzt mich Snape an. „Machst du hier vielleicht mal zu unserer Unterstützung einen Finger krumm?"

„Ähm," ich lege den Kopf schief, als sei ich hart am Nachdenken, „nein. Wenn es so streng geheim ist, wollt ihr ja sicher nicht, dass ich Hand dran lege und meine Neugier nicht bezähmen kann, stimmt's?" Gutgelaunt wie schon lange nicht mehr verziehe ich mich ins Erdgeschoss und tue so, als könnte ich die Dolche nicht spüren, die sie mir im Geiste in den Rücken rammen.

Was Dumbledore mir im Frühherbst, wenige Wochen nach Harrys Geburt, erzählt hatte, klang noch in mir nach, als ich eines Nachts anfang Dezember heimkam und meinen Bruder Regulus in voller Todessermontur vor meiner Wohnung auf der Treppe sitzend vorfand. Im ersten Moment dachte ich, ich hätte einen in der Krone, dann, dass ich halluzinierte. Beides stimmte nicht.

Sirius." Er lächelte mich an. „Ich hab auf dich gewartet."

Mit einem leisen Pfeifen stieß ich den Atem aus, den ich angehalten hatte, seit ich ihn erblickt hatte, und verlieh damit meiner Sprachlosigkeit Audruck. Ich rechnete eigentlich nicht damit, dass er einen Packen seiner cruciofreudigen Kollegen mitgebracht hatte, dafür saß er hier zu feierabendlich entspannt in der Gegend rum. Allerdings konnte das nicht dazu beitragen, dass ich mich wesentlich wohler fühlte.

Ich hatte meinen Bruder nicht mehr gesehen seit dem Abschlussball meines Jahrgangs in Hogwarts. Natürlich war ich einigermaßen auf dem Laufenden, was er machte (Astronomie im Stonehenge Observatorium, wie es sich für den Erben der Blacks geziemte). Dennoch hatten wir uns gegenseitig so gründlich aus unserem Leben geschmissen, wie es für Blutsverwandte möglich war. Achselzuckend schloss ich die Wohnungstür auf, in gewisser Weise zu erschöpft, um mehr zu tun.

Unauffällig äugte er in meiner Wohnung umher, wobei er nicht versäumte, sich den Anschien zu geben, als passierte es alle Tage, dass er das Heim eines assimilierten Zauberers betrat. (So nannte meine Generation diejenigen von uns, die in einer Muggelumgebung mit ihren Nachbarn Verstecken spielten, anstatt unter ihresgleichen zu leben.) Und Salazar allein mochte es wissen – vielleicht war es tatsächlich so. Assimilierte – Muggelfreunde, wie man sich in Regulus' Kreisen ausdrückte – waren schließlich die bevorzugten Zielscheiben der Todesser. Misstrauisch sah ich zu, wie er seine Manteltasche abtastete. „Lass dir nicht einfallen hier zu rauchen, sonst schmeißt mich meine Vermieterin achtkant raus."

Du Armer. Die Straße ist zwar nicht besser, aber sie ist immer da, nicht wahr?"

„Was willst du, Regulus?" schnappte ich. Die Zigarette ließ er immerhin stecken, legte nur die Packung auf meinen Küchentisch und sah mich dann an.

„Ich brauche deine Hife, Sirius."

Ich überlegte, ob ich mich verhört hatte. Mein Bruder, der Erbe der Blacks, das jüngste Mitglied, das die Sternguckergesellschaft von Stonehenge je gehabt hatte, kam zu mir dem Blutsverräter und allgemeinen Versager und bat um Hilfe. Die Welt war aus den Fugen.

Regulus ließ sich auf der Kante meines Bettes nieder, als ich nichts sagte. Die tiefen Ringe unter seinen Augen, die sich gegen die ansonsten wachsbleiche Haut seines Gesichts abhoben, fielen mir erst jetzt auf. Er sah aus wie jemand, der seit einer Woche nicht mehr geschlafen hat. „Du weißt, dass ich wie die meisten aus unserer Familie dem Dunklen Lord verpflichtet bin."

Ich war im Grunde erstaunt, dass ich es schaffte, so ruhig zu bleiben. Hier kam das erste Mitglied der Familie Black, das freiwillig einen Fuß in meine bescheidene Hütte setzte, und erklärte mir kalt wie eine Hundeschnauze, dass alles stimmte, was ich die letzten Jahre an Verdächtigungen gegen meine Familie geäußert hatte. Und nicht nur das: seine ganze Haltung zeugte von der Hoffnung, bei mir auf Anteilnahme zu stoßen.

„Ich gehöre zu den Seinen seit ich sechzehn bin. Und jetzt hat es ein Ende, das hab ich mir geschworen. Wenn die anderen so weitermachen wollen, wie bisher, bitte sehr. Aber ich... Ich halte das nicht aus, Sirius. Du hast keine Ahnung," er klang panisch noch bei der Erinnerung. „Die Dinge, die ich gesehen habe... Die ich tun musste..." Seine Stimme erstarb.

Du hast also Angst?" fauchte ich. „Ist es das?"

Mein Bruder erwiderte meinen Blick nicht. In meiner Erregung ging ich darüber hinweg. „Salazar, eure Dummheit macht mich krank! Ihr werdet erst klug, wenn ihr eure eigenen Eingeweide oder die eurer Freunde im Dreck liegen seht. Jahrelang hab ich mir den Mund fusselig geredet, dass Mord und Folter keine Vorgehensweise sind, wenn man nachts ruhig schlafen will." Ich griff nun doch nach den Kippen, die er mitgebracht hatte und zündete mir mit zitternden Fingern eine an. „Und jetzt, wo du diese einfache Wahrheit endlich begriffen hast, da kommst du zu mir, deinem Blutsverräter von Bruder, mit dem du über Jahre kein Wort mehr gewechselt hast –"

Regulus war aufgestanden, sein Gesicht war kalt und entschlossen. „Jetzt hör mal zu: entweder sie bringen mich offen um oder es wird ein Unfall sein. Ich bin in Gefahr, du könntest mich retten und mit diesem Wissen wirst du den Rest deines armseligen Lebens zubringen, Bruderherz."

Vielleicht – wenn er das Wort armselig nicht benutzt hätte – wäre alles anders ausgegangen, aber als ich das hörte, knallten mir ein paar Sicherungen durch, wie die Muggel sagen. Ich warf ihn praktisch aus meinem Haus. Er habe sich die Suppe eingebrockt, nun solle er sie auslöffeln. Ich könne ihm da nicht helfen. Es sei zu spät. Regulus ging, hängende Schultern und gerötete Augen. Ich nahm eine doppelte Dosis Baldrian, um mich zu beruhigen. Drei Tage später weckte mich die Flohnetzwerkverbindung mitten in der Nacht. James teilte mir in knappen Worten mit, dass man meinen Bruder tot aufgefunden hatte. Mit dem Dunklen Mal über ihm schwebend.

Und so stahl ich mich durch die kleine Gartenpforte und landete ich an dem Ort, an den nie mehr zurückzukehren ich mir geschworen hatte. Eine Beerdigung im Schnee, der früh gefallen war in diesem Jahr und noch fiel, in großen, dichten Flocken, die ich in meinem Haar schmelzen fühlte, als ich mich der Trauergesellschaft näherte. Ich sah meine Eltern, meine Tante Elladora. Lucius Malfoy an Narzissas Seite – die mich kommen sah und eine schlanke, weiße Hand auf den Arm der Hexe neben ihr legte. Bellatrix hob den Kopf bei der Berührung und folgte Narzissas Blick, so dass sie mich in einiger Entfernung von ihnen zum Stehen kommen sah. Ihre großen, schwerlidrigen Augen schwammen in Empfindungen, die ich nicht deuten konnte. Bis heute weiß ich nicht, ob der Ausdruck darin Liebe oder Schuld oder Verachtung oder Gleichgültigkeit war.

Meine Mutter stürzte sich auf mich, noch bevor alle Anwesenden dem Verblichenen die letzte Ehre erwiesen hatten. Einen wahnsinnigen Moment lang befand ich mich unter der Illusion, dass sie ihren verlorenen Sohn zuhause willkommen heißen mochte. Doch als sie an meinem Hals hing, schrie sie, unbeherrscht, schreckliche Dinge, die kein Kind sich von seinen Eltern anhören müssen sollte, und schlug auf mich ein. Der wesentliche Punkt aber war, dass unsere Plätze vertauscht seien: Regulus sollte leben und ich in der Erde liegen.

Ich war geschockt, wie sehr sich der Zustand meiner Mutter verschlechtert hatte seit wir uns zuletzt gesehen hatten. Sie spuckte und sabberte, konnte nicht mehr aufrecht gehen und kreischte mehr, als dass sie sprach. Irgendetwas sagte mir, dies sei nicht nur auf die Umstände, unter denen wir uns hier begegneten, zurückzuführen. Ich erinnerte mich plötzlich lebhaft an meine Kindheit. An Gerüchte, Fetzen, geflüsterte Worte hinter vorgehaltener Hand über die Krankheit der Melifluas. Trunksucht und Wahnsinn.

Ich sah ihnen nach, wie mein Vater und Tante Elladora sie halb davontragen mussten, und fühlte mich wie betäubt. Narzissa und Bellatrix folgten ihnen an den Seiten ihrer Ehemänner. Wie von selbst unternahmen meine Füße die vertrauten Schritte in Richtung des Hauses, und dann saß ich dort, mitten unter ihnen. Der Ermordete im Garten verscharrt, die Mörder bei Tisch versammelt. Es war genug, entschied ich, um meiner Mutter ihr letztes bisschen Verstand zu rauben.

Ja, dann," meinte Lucius Malfoy gedehnt und reichte mir über den Tisch hinweg ein Glas Portwein, „bist du wohl der letzte Erbe des Hauses Black. Und bei dir liegt die Verantwortung, Nachkommen zu zeugen, die den Namen von dir übernehmen können." Ich starrte ihn kalt an und er lächelte ebenso kalt zurück. Ich wusste, er dachte an seinen eigenen Sohn, der demnächst ein Jahr alt wurde, und dass die Verbindung mit Narcissa Black womöglich gewinnbringender war, als er früher angenommen hatte. „Ein Bein scheinst du dir nicht gerade auszureißen, bei dem Versuch, eine Mutter für deine Kinder zu finden," kommentierte er mein Privatleben ungebeten. „Oder ist das etwa doch dein schwarzes Haar, das Eliza McKinnons Kleine auf dem Kopf hat?"

Neugierige Blicken schwenkten von allen Seiten zu mir. Ich atmete tief durch. „Was Eliza McKinnons Kleine auf dem Kopf hat, geht dich einen feuchten Staub an." Ich ließ die Augen über die Tafel schweifen, bereit, Bellatrix niederzustarren, wenn sie den Fehler machte, mich anzusehen. Doch das tat sie nicht. Sie war nicht da. Ich sah die Lestrangebrüder links und rechts von meiner Tante Elladora sitzen, doch meine Cousine fehlte.

Ich folgte Narzissa hinaus, als sie gegen Ende des Leichenschmauses aufstand. „Können wir vernünftig miteinander reden?"

Narzissa wölbte fragend ihre eleganten Brauen. „Ich weiß nicht, Sirius. Kannst du?"

Ich kämpfte den aufkeimenden Zorn nieder. Hier ging es um mehr. „Ihr habt ihn umgebracht, nicht wahr? So war es doch –"

Sie musterte mich wie einen ganz besonders nervtötenden Phantasten. „Ich weiß wirklich nicht, wie du auf solch einen Gedanken kommst."

Oh, eure kranken Spielchen mit Muggeln und Du-Weißt-Schon-Wems Feinden waren ihm zu blutig, da wollte er aussteigen. Und bevor er dem Ministerium erzählen konnte, wer von seinen zahlreichen Verwandten noch in die Sache verwickelt ist, habt ihr ihm ein Angebot gemacht, dass er nicht ablehnen konnte."

Sie sah so wenig schuldbewusst drein wie ich es tat, wenn meine Familie wegen meiner Ansichten über die Reinheit des Blutes auf mich losging. Statt dessen zeigte sich etwas anderes in ihrem Gesicht. Eine derart unverfälschte Ablehnung und Geringschätzung, dass ich es trotz allem, was ich in dieser Familie schon erlebt hatte, wie einen Schlag ins Gesicht empfand. „Was weiß du denn schon? Du Versager."

Wie ein boshafter, kleiner Schatten tauchte Kreacher an Narzissas Seite auf und erkundigte sich, was die junge Mistress wünschte. „Bring meiner Schwester etwas zu essen auf ihr Studierzimmer," orderte meine Cousine und kehrte zu Tisch zurück, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Unwillkürlich wanderten meine Augen durch die Halle und die Treppe hinauf in die Richtung, in der ich Bellatrix' altes Zimmer wusste. Ich fühlte Kreachers Augen auf mir – als fühlte er sich verpflichtet sicherzustellen, ob das weiße Schaf keinen Sabotageakt plante.

Ich funkelte ihn an und er verzog sich widerwillig, um Bellatrix ihr Essen anzurichten. Kurz entschlossen nahm ich den Weg über die Haupttreppe und fand mich alsbald in dem Korridor wieder, wo sich die Gemächer meiner Cousine befanden, die sie vor ihrer Eheschließung mit Lestrange bewohnt hatte. Ich musste erfahren, was passiert war, und sie war der eine Mensch in diesem Haus, der es wissen musste und mir mit etwas Glück eine klare Antwort geben würde.

Der Raum mit den Bücherregalen ringsum und dem kleinen Erker, in dem sie ihren Schreibtisch untergebracht hatte, erstrahlte in einem warmen, freundlichen Licht, wie ich es von den Räumen dieses Hauses überhaupt nicht gewohnt war. Ich sah mich nach der Lichtquelle um und entdeckte meine Cousine, die unter der Dachschräge aus Eichenholz stand und mit ihrem Zauberstab flammende Zeichen in die Luft schrieb. Sie bemerkte mich nicht und im ersten Moment konnte ich nicht viel mehr tun, als sie anzustarren. Der Feuerschein löschte die dunklen Schatten unter ihren Augen aus und ließ ihre Züge in einem milden Glanz erstrahlen, der mich an Heiligenbilder in Kirchen erinnerte. Ah, so schön...

Dann fiel mir die Schwärze der Decke über ihrer Flammenschrift auf. Wenn sie hier weiterkokelte, würde sie noch etwas in Brand setzen. Im selben Augenblick als diese Erkenntnis zu mir durchdrang, fing das erhitzte Materiial Feuer. Mit drei Schritten war ich bei ihr, hatte meinen Umhang ausgezogen und die Flammen damit erstickt.„Willst du das Haus anzünden?" fragte ich und dachte, dass das vielleicht die beste Lösung gewesen wäre.

Sie stand sprachlos vor mir, von ihrem dichten, glänzendem, dunklen Haar eingehüllt, den Zauberstab fest umklammert. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich ein solcher Horror, ein solch ratloser Schmerz, dass ich die Hand ausstreckte und sie vorsichtig, aber fest um ihren Nacken legte. Mit einem erstickten Laut sank sie an meine Brust, und ich konnte nichts tun, als sie an mich gedrückt halten und ihren Namen flüstern. „Bellatrix... Bellatrix, meine Liebe..."

Das Feuer spiegelte sich in ihren Augen, als sie den Kopf in den Nacken legte, ohne sich von mir zu lösen. „Oh, Sirius."

So weich, so täuschend nachgiebig... Ich hatte das Gefühl, mein ganzes Sein löste sich unter disem dunklen, strahlenden, hilflosen Blick auf. Ich hatte schon vergessen, aus welchem Anlass ich eigentlich hergekommen war. Oh Merlin, dachte ich, es war alles falsch. Wenn das der Preis ist, dann war ich im Irrtum. Es ist schon gut, Bellatrix. Ich bin hier. Ich bleibe, ich komme nach Hause, ich bleibe bei dir...

Schon spürte ich ihren Atem auf meinen Lippen schmelzen, ihre Wangen unter meinen Fingern, zart wie Rosenblütenblätter. Dieser Kuss war anders als alle, die wir vorher geteilt hatten. Sie war mir nie so zerbrechlich vorgekommen. Ich stand wie ein Fels über sie gebeugt und ertränkte meine Hände in der Flut ihrer schwarzen Haare.

Das Herz ist ein Organ aus Feuer. Die Menschen tun ihr Möglichstes, am Leben zu bleiben, damit es weiterschlägt. Warum? Ich weiß es. Weil in uns allen die Hoffnung lebt, dass bei all den Augenblicken, die wir erleben – schönen und schwierigen, öden und aufregenden – auch einmal ein Moment wie dieser sein könnte.

Sie schmeckte nach Schnee, nach Winterwind, der über die Ebenen von Wiltshire brauste, wo mein Bruder nach den Sternen gegriffen hatte... Myriaden von Sternen, die sich in Bellatrix' Augen entzündet hatten im Schein der Kerzen, die die Große Halle von Hogwarts erhellt hatten bei unserem Abschlussball... Das alles trug sie in sich. Meine Vergangenheit, die Möglichkeit meiner Zukunft. Sterne und Wind und Feuer und Schatten und Himmel... Himmel ohne Ende.

Zumindest in der Theorie. Sie löste sich von mir und trat an mir vorbei, ohne mich anzusehen. Ich stand wie vom Donner gerührt. Wenn mir jetzt jemand gesagt hätte, ich wäre tot – ich hätte es geglaubt.

Du solltest nicht hier sein." Sie war es, die sprach, aber wo sie meine Augen mied, begegneten sie dem boshaften Blick des Hauselfen. Ich hatte Kreacher mit dem Essen nicht hereinkommen hören, erinnerte mich überhaupt erst an ihn, als er an mir vorbeischlurfte und das Tablett auf dem niedrigen Tischchen in der Sitzecke abstellte. Er hatte uns wohl gesehen. Seine heilige Bellatrix, der er sich verpflichtet fühlte wie niemandem sonst in der Familie – und der Schandfleck, der Blutsverräter. Die Welt musste für ihn eingestürzt sein.

Und das werd ich nicht mehr lange," flüsterte ich. „Aber vorher will ich Antworten. Jemand muss mir die Wahrheit sagen."

Wenn du sicher bist, dass du sie aushalten kannst." Sie saß in ihrem Sessel, die Arme um die Knie geschlungen wie ein kleines Mächen. Doch in diesem Moment erschien sie mir alt. Älter als ich es je werden würde. Die Schwere dieses Verbrechens und all der anderen, die ich nicht kannte und über die ich nur Mutmaßungen anstellen konnte, floss wie ein breiter Strom zwischen uns.

Hast du...?" fragte ich nur. Meine Stimme verriet, wie nahe ich den Tränen war, doch es war mir gleichgültig. Ich wusste nicht einmal genau, ob ich um meinen Bruder weinen wollte oder um Bellatrix oder um mich selbst. Sie gab keine Antwort, aber plötzlich wusste ich nicht mehr, warum es mich je nach einer verlangt hatte. Die Wahrheit hatte die ganze Zeit so glasklar vor mir gestanden, dass ich mich durch Regulus' Tod in meiner Haltung hätte bestätigt fühlen müssen, doch stattdessen war ich hierhergekommen und hatte es aus ihnen herausschütteln müssen. Ich hatte nur hören wollen, wie jemand mir das Gegenteil versicherte. Und ich hatte es von ihr hören wollen.

Oh, wieso?" stöhnte ich, ein klagender Laut, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich ihn in mir hatte. „Wieso?"

Bellatrix schüttelte leicht den Kopf und wölbte ihre dunklen Brauen, ohne den Blick zu heben. „Weil ich's kann, Sirius," sagte sie weich. „Ich hatte immer sehr genaue Vorstellungen, wie meine Rolle in unserer Geschichte aussehen soll. Ich will gern Verbrechen und Strafe, Wahnsinn und Tod auf mich nehmen – solange mir nur die Schande erspart bleibt."

Die Schande kannst du nicht ertragen?" schrie ich. Sie redete wirr. „Du meinst uns, oder nicht? Aber du täuschst dich. In der Welt, wie du sie willst, hätte ich nicht mit dir schlafen dürfen – ich mag ein Blutsverräter sein, aber du bist nicht mal ein Reinblut. Für dich wär kein Platz in Voldemorts Universum. Dein Vater –"

Hör bitte auf, solchen Unsinn zu reden," murmelte sie nachsichtig. „Mir wird noch bang um dich. Du weißt ja, was sie sagen... über die Familienkrankheit. Und wenn du so sprichst, hörst du dich verdächtig danach an."

Und mit plötzlicher Klarsicht kam ich zu der Erkenntnis, dass es das war, was sie beabsichtigte, was sie umtrieb. Dass dieser ganze, leicht gestörte oder verstörte Zustand eine Inszenierung von ihr war, die sie mir und der ganzen Familie vorspielte, ob sie sich dessen nun bewusst war oder nicht. Dass sie diesen Grenzgang zwischen Vernunft und Wahnsin wagte, weil er vor ihr selbst als letztendlicher Beweis für ihre Zugehörigkeit zu uns gelten konnte. Irgendwie wusste sie, dass sie anders war. Ein Verdacht nagte in ihrem Unterbewusstsein und hier war das Ergebnis der Entwicklung einer Persönlichkeit, die sich scheute, das Fundament ihres Daseins infrage zu stellen.

Ich lief davon, wie schon einmal. Auf meinem Weg die Treppe hinunter und aus dem Haupteingang hinaus begegnete mit niemand. Ich war allein mit meinem schmerzhaft hämmernden Herzen. Ich verließ das Haus, trat auf den mondlichtüberfluteten Grimmauld Place, ging zu meinem Motorrad, das ich früher am Tag dort geparkt hatte und startete durch, dass es kreischte. „So ein verrückter Penner!" hörte ich im Losfahren einen Muggel hinter mir schelten. „Geben die jetzt eigentlich jedem den Führerschein?"

Das ganze Haus ist okkupiert und das zu meiner vollsten Zufriedenheit. Mir war nie klar, wie zahlreich unsere Ordensmitglieder eigentlich sind – bis ich sehe, wie sie eine düstere Bude wie Grimmauld Place 12 mit ihrem Geplapper erfüllen und alles daran setzen, den Saustall wieder bewohnbar zu machen. Es ist unmöglich, allein einen einzige Gang zu durchqueren, irgendwem begegne ich immer. Arabella. Kingsley. Emmeline, die mit einem Wutschen ihres Zauberstabs ein Smiley vor mir in die Luft zeichnet.

„Hast du jetzt eigentlich nichts Besseres zu tun, als dir vor den Kindern einen anzusaufen?" fällt Molly gerade über Mundungus her, als ich in die Küche komme. „Hallo, Sirius." Sie lächelt mich freundlich an, ein seltsamer Kontrast zu der strengen Miene, die sie Dung gegenüber gleich wieder aufsetzt. Mundungus ist nicht mehr so sicher auf den Beinen, dabei ist erst früher Abend. Vielleicht vertragen Quartalsäufer ab einem gewissen Punkt in ihrer Karriere den Alkohol wieder schlechter.

Ich blicke mich in der Küche um, sie ist voller Rotschöpfe. Ron winkt mir vom Tisch aus zu, neben ihm sitzt die Jüngste der Weasleys, das einzige Mädchen. Ich grinse zurück. Sie machen nicht den Eindruck, als würde Dungs schlechtes Beispiel irgendwelchen Schaden bei ihnen anrichten. Arthur Weasley wischt sich die Hände an einem Geschirrtisch ab, das über dem Herd hängt. „Ach, Sirius, was ich dich fragen wollte: Gibt es nicht zufällig einen Plan von dem alten Kasten? Man verläuft sich ja in den vielen Treppenfluchten..."

Ich war blöd, dass ich nicht früher heruntergekommen bin. Jetzt sind es nicht länger nur meine häuslichen Angelegenheiten. Alle haben daran teil – und ich bin vom Fach, dies ist mein altes Zuhause und wenn ich schon sonst für niemanden zu was nutze bin, kann ich doch wenigstens dafür sorgen, dass meine Alliierten sich im Haus meiner Väter zurecht finden. „Klar," sage ich. „Gibt's bestimmt. Ich werd mal in der Bibliothek gucken, das wär der Ort, an dem sie so was aufgehoben hätten."

„Großartig," meint Arthur mit seinem verbindlichen Lächeln. „Dann haben wir einen Überblick über die Räumlichkeiten und können einen Plan aufstellen, wie wir am besten vorgehen, um alles auszukundschaften und sauberzumachen."

Allerdings großartig. Hausarbeit hab ich als Kind schon gehasst, aber was tut man nicht alles – jeder muss Opfer bringen für die gerechte Sache. Ich mache mich auf den Weg in die Bibliothek.

Das letzte Jahr, damals begann es. Der Anfang vom Ende. Es gab nie einen entscheidenden Zusammenstoß, keinen Punkt, an dem ich meine Niederlage fest machen könnte, nur viele, viele kleine Schritte, die zu unserer Vernichtung führten. Manchmal denke ich, es wurde nie wieder mit uns wie es war, seit der Nacht in der sechsten Klasse, als ich Snape in die Heulende Hütte geschickt hatte.

Man macht einen Fehler und Jahre später rächt er sich, man weiß nicht, wie. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn man lang genug am Ufer eines Flusses sitzt, sieht man die Leichen seiner sämtlichen Feinde vorbeitreiben." Das trifft auf Snape mehr zu, als auf jeden anderen Menschen, den ich kenne. Er brauchte keinen Finger krumm zu machen, wir erledigten das schon selber für ihn. Er musste nur zuschauen und einen nach dem andern von uns abhaken.

Wir waren nicht die einzigen, beileibe nicht, die mitansehen mussten, wie alles, was sie geliebt und woran sie geglaubt hatten, den Bach runterging. Um uns herum bröckelte die Welt, wie wir sie kannten, verloren Hexen und Zauberer ihre Hoffnung, ihren Mut und ihre Selbstachtung. Für das nackte Leben verrieten sich Freunde und Verwandte gegenseitig an den Feind. Es war schwer, nicht an allem, was man eingetrichtert bekommen hatte, zu zweifeln. Und so war ich von mir selber nicht wirklich enttäuscht, als ich damit anfing.

Lily und ich hatten kurz bevor sie starben einen furchtbaren Streit deswegen und am Ende heulten wir beide. Sie wusste nicht, was in der Schule vorgefallen war, das für Jahre danach einen Keil zwischen Remus und mich treiben sollte. Ihr war ebenso klar wie mir, dass viele sogenannte Dunkle Kreaturen (Werwölfe, Vampire und ähnliche) sich auf Voldemorts Seite schlugen. Und vor der Tatsache, dass einer ihrer Freunde Informationen an den Feind weitergegeben haben musste, konnte sie genausowenig die Augen verschließen wie James. Aber Remus war für sie immer noch Remus. Sie mochte ihn am meisten von sämtlichen Freunden ihres Mannes.

Anfang Oktober stand unser Entschluss fest: wir würden uns verstecken. Es wurde zunehmend ungemütlich, trotzdem hatte es eine Weile gedauert, bis wir uns dazu durchgerungen hatten. Der außergewöhnlich blutige Angriff auf die McKinnons überzeugte dann schließlich sogar James. Er nahm wie selbstverständlich an, dass ich das gleiche tun würde. Und wenn ich es auch für eine gute Idee hielt, das wichtigste war in meinen Augen, dass die kleine Familie in Sicherheit sein würde. Um mein eigenes Wohlergehen machte ich mir weniger Sorgen.

Wir hatten immer noch keinen zuverlässigen Zauber ausgekundschaftet, als Lily und James etwa eine Woche vor Halloween von Dumbeldore angeschrieben wurden. Ich wartete in Godric's Hollow auf sie, wo ich auf Harry aufpasste, während sie bei Dumbledore waren. Wir saßen am Tisch und spielten mit dem Inhalt der Obstschale, als Lily und James zurückkamen, beide in einem Zustand höchster Erregung. Lily stürzte sich auf den Kleinen, der unruhig in meinem Arm zappelte, und vergrub die Nase in seinem weichen, zerzausten Schwarzhaar, dem seines Vaters so ähnlich.

Zu meiner Verblüffung sah ich James zum Wohnzimmerschrank gehen und eine ordentliche Flasche Feuerwhiskey herausholen, von dem er sich eine gediegene Ladung genehmigte. „Also?" sagte ich befremdet. Lily nahm Harry hoch und schilderte mir in knappen Worten die Situation. Sie müssten sich sofort verstecken. Voldemort hatte offenbar Wind davon bekommen, dass es noch ein anderes Kind gab, auf das alle Faktoren der Prophezeihung zutrafen.

Woher wissen wir das?" fragte ich. Lilys erschöpfte Augen trafen James' düstere. „Wir wissen's halt," mumelte er. „Dumbledore hat uns auch einen Zauber gefunden, mit dem wir das unbeschadet überstehen." Er sah Lily, die das Kind auf der Hüfte balancierte, anklagend an. „Du findest auch, dass ich ein verantwortungsloser Idiot bin, stimmt's?" Mir fiel die Kinnlade herunter.

Nein, James," erwiderte Lily, „das finde ich nicht. Aber du scheinst es zu denken, wenn du dich jetzt schon davon provozieren lässt, was..." Sie brach ab.

Wer hat das gesagt? Dumbledore?" fragte ich fassungslos.

Nein," wehrte James ab und wandte sich wieder seinem Feuerwhiskey zu.

Wer denn?" Lily machte eine hilflose Handbewegung. „Euer Spion?" hakte ich nach, einer plötzlichen Eingebung folgend.

Sirius, bitte. Du weißt, dass wir darüber nicht reden können, es ist gefährlich." Sie wandte sich an Harry. „Was gab's denn zum Abendessen?"

Griesbrei," antwortete ich für ihren Sohn. „Mit Kirschkompott."

Fein, ja?" Harry strahlte sie an und sie küsste sein Näschen. Bald würde er selbst anfangen zu sprechen. Ich hoffte, dass ich dabei war, wenn er sein erstes Wort sagte. Und dass ich mit etwas Phantasie „Tatze" hineininterpretieren konnte.

Was ist das für ein Zauber?" wollte ich wissen. Und was folgte, war der letzte Schritt hin zu unserem Verhängnis. Noch am selben Abend saßen wir zu fünft um den Wohnzimmertisch von Godric's Hollow. Lily und wir vier Freunde. Wie in alten Zeiten. Die Clique, die so vieles gemeinsam durchgestanden hatte, in der sich einer auf den anderen verlassen konnte wie auf sich selbst. Und auch das hier würden wir zusammen in den Griff bekommen. Ich saß zwischen meinen Freunden, als James und ich den Zauber ausführten und fühlte ganz deutlich, dass es das war, was ich vom Leben erwartete: Loyalität war meine Göttin und auf deren Altar würde ich alles opfern, wenn es drauf ankam – sogar mein Leben. Ich beobachtete Remus genau, dabei spürte ich Lilys Blick auf mir und wusste, dass sie mit dem Gedanken spielte, das Portrait ihrer verblichenen Schwiegermutter von seinem Platz an der Wand zu nehmen und es mir über den Schädel zu ziehen.

Ich tat die Nacht lang kein Auge zu. Über mir zogen die Sterne ihre Kreise, sichtbar durch das Fenster in der Dachschräge über meinem Bett. Bei Sonnenaufgang war ich mir sicher. Wir hatten einen Fehler gemacht. Jeder Idiot würde in mir James Potters Geheimniswahrer vermuten – und Voldemort war etwas intelligenter als der durchschnittliche Dunkle Zauberer. Aber noch war es nicht zu spät. Bislang wusste er nichts von dem Fideliuszauber und hatte somit noch keine Gelegenheit gehabt, sich Gedanken über mögliche Geheimniswahrer zu machen. Und wenn er damit anfing, würde sein Verdacht als erstes auf mich fallen.

Nur dass ich es dann nicht mehr sein würde. Ich sprang aus dem Bett. Wir würden nicht das Nächstliegende tun und uns auf Verderb und Gedeih Voldemort ausliefern. Ich war aus einer Slytherinfamilie. Ich war nicht so leicht berechenbar. Wir würden vorbereitet sein, weil wir uns eben nicht wie die sentimentalen Trottel verhalten würden, als die wir Gryffindors den Slytherins galten.

Das ist nicht der Grund!" fuhr Lily mich an, als ich noch am selben Tag mit Peter bei ihnen anrückte und erklärte, wir hätten einen Fehler gemacht. „Es geht um Remus! Du willst ihn nicht dabei haben, er soll nicht wissen, wer unser wirklicher Geheimniswahrer ist!"

Lily," sagte James, „bitte."

Was ist hier los? Ich versteh nicht mehr, was läuft..." Sie vergrub das Gesicht in den Händen. „Wenn ihr nichts besseres in dieser Situation wisst, als euch am laufenden Meter gegenseitig zu verdächtigen, hätten wir Dumbledore nehmen sollen."

Peter rutschte auf der Couch nach vorne. „Ich hab nie viel für euch tun können, Lily. Auch wenn ich wusste, dass ihr in Gefahr seid, waren es immer Remus und Sirius, die für euch gekämpft haben. Aber was ich habe, gehört euch – meine Freundschaft und meine Treue." Er blickte aus wässrigen, blauen Augen zu ihr auf. „Oder vertraust du mir nicht, Lily?"

Ach, Peter," sagte Lily. „Natürlich vertraue ich dir, was denn sonst? Und es stimmt doch nicht, dass du nie was für uns getan hast. Ich bin nur so... wegen Remus. Das alles nimmt mich so mit." Und so kam es mir auch vor: dass sie nachgab, weil sie schlicht und einfach zu erschöpft war, um weiter zu streiten. Vor ihren Augen unterschrieben wir ihr Todesurteil.

Fliegt vorsichtig!" verabschiedete sie sich später von uns und umarmte uns beide. Ich grinste und pflückte ein einzelnes, langes, feuerrotes Haar aus meinen. „Immer."

Wir umarmten auch James, bevor wir uns auf den Weg zu meinem vor der Einfahrt geparkten Motorrad machten. „Ich hab solche Freunde eigentlich nicht verdient," hörte ich ihn im Weggehen sagen. „Stimmt," nickte Lily im Brustton der Überzeugung. „Aber nachdem sich sogar deine sogenannten Feinde ein Bein rausreißen, um dir beizustehen in der Not, müssen deine Freunde sich was einfallen lassen, um da mitzuhalten." Ich drehte mich um und sah sie in der Tür ihres Heims stehen, lächelnd, sie mit dem Rücken an seine Brust gelehnt, seine Arme um ihre schlanke Gestalt geschlungen. Es war das letzte Mal, dass ich sie lebend sah.

Peter lächelte auch, als er hinter mir auf die Mühle kletterte. „Danke, dass du das machst, Wurmschwanz," sagte ich zu ihm, als ich ihn zu Hause absetzte. „Ist doch Ehrensache," meinte er. Auf dem Heimweg fühlte ich mich so ruhig, wie schon seit Monaten nicht mehr. Wie ich es genaugenommen seit der Winterwoche mit Bellatrix nicht mehr gewesen war. Ein unangenehmer Gedanke streifte mich: Ob sie für ihn nach ihnen suchen würde? Ein bizarres Gesellschaftsspiel entwickelte sich: Voldemort und die Potters als feste Inseln in einem Supf, der von meiner Cousine und mir durchstreift wurde. Sie schlich herum, um etwas herauszufinden, ich um ebendas zu verhindern.

Die darauffolgende Woche machte ich Pläne für meine eigene Sicherheit. Normalerweise hätte ich Eliza gefragt, ob sie meinen Geheimniswahrer machen wollte, doch das war ja nun nicht möglich. Peter wollte und konnte ich nicht noch mehr aufbürden. Remus schied aus... Ich musste in Ruhe darüber nachdenken. Das wichtigste und dringlichste Problem war gelöst: James, Lily und der Kleine waren sicher. Alles andere – konnte man gemächlich angehen. Lily und James piesackten mich jedoch damit, sie machten sich Sorgen um mich, die zu zerstreuen mir nicht gelang. Wir konnten uns natürlich nicht mehr über das Flohnetzwerk unterhalten, nur noch über verzaubertes Papier, was mir ein magerer Ersatz für meine Freunde schien. Daher war ich froh, als sie mich für Halloween zu sich nach Hause einluden. Wir waren nicht mehr sicher, wie es funktionierte und zogen uns gegenseitig auf mit unserer Unfähigkeit, sich die einfachsten Zauber zu merken: musste ich Peter mitschleppen, damit ich Zugang zu Godric's Hollow hatte oder genügte es, wenn sie einfach die Tür öffneten und sich zu erkennen gaben?

Ich beschloss, Peter zu holen, weil ich ihm das Apparieren nach Godric's Hollow nicht so recht zutraute. Er war immer schlecht darin gewesen, was mehr als einmal Anlass geboten hatte, ihn aufzuziehen. Doch er war nicht da, als ich gegen acht Uhr am Halloweenabend zu seinem Haus kam. Ich wartete ein Weilchen. Überlegte, ob ich mir Sorgen machen musste, entschied mich aber dagegen. Der Trottel hatte vermutlich vergessen, dass wir uns bei ihm treffen wollten, und erwartete mich nun in Godric's Hollow. Wenn man ihm nicht alles fünfzig Mal erklärte, dachte ich und stieg wieder auf meine Mühle.

Zuerst sah ich das Haus oder was davon übrig war aus der Luft. Und obwohl mein Verstand mir sagte, worauf ich da blickte, wollte mein Herz ihm nicht glauben. Dabei wusste ich, was mich unten erwartete, ich kannte das Bild: grüner Nebel über den Ruinen von Godric's Hollow. Ich hatte davon geträumt. Glaubte ich jedenfalls. Ich wusste... es hatte so weit kommen müssen. Es war wie ein grauenhaftes Déjà-vu. „Nein!" stöhnte ich, auf den Knien vor dem zerstörten Heim meiner Freunde, ohne zu wissen, wie ich aus der Luft dorthin gelangt war. Ich hätte es wissen müssen. Ich hatte die Warnung erhalten und nichts daraus gemacht. Ich war schuld. Wenn ich doch nur...

Ich hörte Harry leise weinen. Es war tatsächlich alles wie in meinem Fiebertraum. „Oh, Sirius," hörte ich Hagrid mit tränenerstickter Stimme sagen. Geschickt half er mir vom Boden auf, ohne dabei das Kind in seinem Arm fallen zu lassen. Auf Harrys Stirn war Blut, eine ehemals klaffende Wunde, die bereits notdürftig versorgt war. Ich streckte die Hand nach ihm aus, wagte aber nicht, ihn zu berühren. Leise greinte er weiter. „Wie ist das...? Was hat er...?" stammelte ich.

Es muss Du-wißt-schon-wer gewesen sein." Hagrid zog die Nase hoch. „Er hat Lily und James... Und dann wollte er den Kleinen..." Er presste Harry so fest an sich, dass ich um das Leben meines Patenkindes zu fürchten begann.

Ich streckte nun doch einen Finger aus und berührte die heiße, glühende Haut an den Rändern des Fluchmals. Harry stieß ein Wimmern aus. „Was läuft hier?" flüsterte ich. „Wie kann so was sein?" Unsere Blicke trafen sich in der Finsternis. Doch ich erhoffte mir von Hagrid keine Erklärung. Wir mussten zu Dumbledore, entschied ich, jetzt gleich.

Gib mir Harry," sagte ich mit trockenem Mund. „ich bin sein Pate. Ich kümmere mich um ihn."

Nein, Sirius," schüttelte Hagrid den Kopf. „Dumbledore will, dass ich den Jungen zu ihm bringe. Er kennt einen sicheren Ort für ihn, wo man ihn nicht finden wird."

James wollte, dass er zu mir kommt," begehrte ich auf. „Wenn ihm was passiert..." Mir versagte für einen Moment die Stimme. „Das hat er immer gesagt. Ich soll für ihn nach Harry sehen."

Dumbledore will, dass Harry zu seiner Tante und ihrer Familie kommt."

"Dumbledore weiß nicht –" Ich brach ab und beschloss, nichts zu sagen. Ich würde mir Peter greifen und dann konnte er dem Rest der Welt erzählen, was vorgefallen war. Wenn ich ihn nicht vorher tötete. „Gut," sagte ich. „Dann tu mir den Gefallen und nimm das Motorrad, ja? Damit kommst du schneller zu ihm. Und ich werd es sowieso nicht mehr brauchen."

Ich sah ihnen nach, wie sie davonflogen. Harry war... nun ja, so sicher, wie man sein konnte, wenn man gerade von einem Dunklen Zauberer überfallen worden war und Mutter und Vater dabei verloren hatte. Wenn man einen Paten hatte, der zu dumm war, einen Verräter zu erkennen, wenn er einen sah. Der Morgen kam, strahlender Sonnenschein nach einer Regennacht. Ich zitterte, doch nicht vor Kälte, als ich im Licht des neuen Tages vor Peters Haus stand. Ich fand ihn dort natürlich nicht. Aber dafür etwas anderes, was ich brauchte, um ihn ausfindig zu machen. Schwarze Magie hatte Lily und James getötet, dann sollte Schwarze Magie auch dazu beitragen, den Mann zur Verantwortung zu ziehen, der dafür verantwortlich war.

Es fiel mir erstaunlich leicht, den Zauber anzuwenden. Und er erwies sich als erstaunlich effektiv. Aber wenn die Dunklen Künste Schrott wären, hätten wir keine Probleme und die Auroren wären arbeitslos, nicht wahr? Nun, wenn Peter glaubte, er könnte wieder zum Muggel werden und so seiner gerechten Strafe entfliehen, indem er sich in Mugellondon versteckte. Dann hatte er sich verrechnet. Er musste wissen, dass ich ihm auf der Spur war. Er musste wissen, dass es keine Methoden gab, für die ich mir in dieser Lage zu fein war.

Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass Wurmschwanz sich ebenfalls keine Methoden zu fein war, als er feststellte, dass ich ihn in aller Öffentlichkeit in die Enge getrieben hatte. Ich folgte ihm durch die Menschenmenge, seiner verstohlenen Blicke über die Schulter, als er Land zwischen uns beide legen wollte, sehr wohl gewahr. Ohne zu blinzeln hatte ich die Augen auf ihn geheftet. Und dann überraschte er mich damit. Er stellte sich mir. Ich trat auf ihn zu und sah, dass er weinte. Er rang die Hände. Bei dem Anblick stieg ein solcher Zorn in mir hoch, wie ich ihn noch nie gespürt hatte. Glaubte er, er könnte jetzt an mein Mitgefühl appellieren? Nachdem ich Godric's Hollow gesehen hatte?

Passanten wurden aufmerksam. Ich spürte ihre Blicke, obwohl ich meinen keinen Sekundenbruchteil von Wurmschwanz abwandte. Sein Geflenne und mein steinerner Ausdruck erregte ihre Neugierde. Er schluchzte, doch seine Hand fingerte nach seinem Zauberstab. Ich war ganz ruhig. Er war immer ein hoffnungsloser Fall im Duellieren gewesen. Es gab keine Chance, dass er hieraus als Sieger hervorgehen konnte. Ich verzog keine Miene, bis ich ihn sprechen hörte.

„Lily und James, Sirius! Wie konntest du nur?"

Die Dreistigkeit ließ mich tatsächlich stocken. Und mein Schicksal war besiegelt. Greller Lichtschein erhellte Wurmschwanz' verzerrte Gesichtszüge und die Welt ging zu Bruch mit einem ohrenbetäubenden Donnerschlag.

Es wurde still in meinem Kopf. Ich war allein, so schien es mir, für eine lange Zeit mit einem Bild der Verwüstung. Peter war verschwunden, die Straße vor mir aufgerissen. Ströme von Blut bedeckten die Trümmer. Entsetzte und wachsame Augen näherten sich mir. Ich hörte jemanden lachen. Ausgelassen. Wahnsinnig. Wenn ich je ein entfesseltes Lachen gehört hatte, war es das. Es wollte mir nicht in den Kopf, wer da lachen konnte bei solch einem Anblick. Hände packten mich, und da merkte ich erst, dass ich es war, der lachte. Und ich war noch nicht so weit aufhören zu können.

Sie schafften mich fort. Das war falsch. Sie sollten nach Peter suchen, riet ich ihnen. Jemand schlug mir ins Gesicht. Ich sackte zusammen, so dass sie mich regelrecht weiterschleifen mussten. Die umwerfende Komik der Situation schien allen außer mir verborgen zu bleiben. James hätte mich verstanden. Lily... Das brachte mir den nächsten Schlag ein, woraus ich schloss, dass ich ihre Namen laut ausgesprochen hatte. Man sprach mit mir, nicht dass es viel Sinn gehabt hätte. Askaban? Lebenslänglich? Soso. Ich begriff nicht, was vor sich ging. Sie spuckten mir ins Gesicht, mein Meister sei verschwunden, der kleine Harry hätte ihm wohl den Garaus gemacht.

Das nächste, was ich wusste, war, dass mich der Seewind umfing und die Gespenster der Erinnerung mit sich brachte.

Es heißt, in Azkaban sieht man sein ganzes Elend, Tag um Tag und nichts anderes.

Ich sah mein Glück. Die glücklichsten Tage meiner Jugend. Im Kreis meiner Freunde. Von denen einer den anderen zu Tode bringen und mich in diese Hölle schicken sollte. Jedes Lächeln von Peter, das ich sah, war ein Judaskuss. Jedes Bild von James (dreckig und verschwitzt strahlend mit dem Schnatz in der Hand ), jedes von Lily (hilflos lachend über meiner Schulter hängend, als wir in den Drei Besen unseren Schulabschluss feierten) wurde zum Martyrium.

Remus... „Ich war das, ich hab ihm gesagt, wie man an der Weide vorbeikommt." Meine Mutter... Regulus... „Ich bin in Gefahr, du könntest mich retten und mit diesem Wissen kannst du den Rest deines armseligen Lebens verbringen." Harry, mein Kleiner... Ich hab dich im Stich gelassen.

Sirius... Sirius Black... zum Schlechtwerden sorglos und von sich selbst überzeugt. Jede Gewissheit, jede Überzeugung wurde hervorgezerrt und zu einem lächerlichen Fetzen Gefühl zerrissen. Jede Dummheit, jede Niedrigkeit, jede Eifersucht, jeder Schmerz. Ich hatte nie gewusst, dass ich so viel gelitten hatte in meinem Leben. Was würde wohl passieren, wenn man einem umgekehrten Effekt unterworfen würde? Nur noch gute Erinnerungen übrig. Der Himmel... und hier war die Hölle... Bemerkenswert, das noch unterscheiden zu können.

Sirius... Sirius!"

Lass mich, dachte ich. Lass mich schlafen. Vielleicht sterbe ich im Schlaf... Doch die Stimme ließ sich einfach nicht vertreiben, sie zerrte hartnäckig an meinem schlaf- und dementorenumnebelten Bewusstsein. Sie rührte an Dinge... Herbstlaub... Ich verband etwas Gutes mit ihr, was aber gleich wieder davonwirbelte und durch andere Erinnerungen ersetzt wurde.

Du kommst nie von uns frei. Und wenn du stirbst, wird unser Name auf deinem Grabstein stehen...

Ich schlug die Augen auf, wandte mühsam den Kopf. Und blickte in zwei schwerlidrige, graue Augen unter elegant geschwungenen schwarzen Brauen. Das Gesicht, zu dem sie ghörten, war sehr blass. Kreidebleich traf es vermutlich besser, den Umständen angemessen. Die Lippen jedoch waren sehr rot. Als Kind hatte sie ihren Mund gehasst. Der Mund ihrer Mutter mit dieser vollen Unterlippe – zuviel des Guten für ein kleines Mädchen. Außerdem schien er bei ihr, im Gegensatz zu Elladoras, ein bisschen aus der Form gegangen zu sein. Die Konturen schienen immer wie etwas verwischt. Aber nun war sie längst erwachsen. Und wusste damit umzugehen. Wie jetzt, als sie die Frage wie einen seidenweichen Hauch ihren Lippen entströmen ließ. „Du bist zum Verräter geworden, hab ich gehört?"

Ich rollte herum, stellte fest, dass ich auf dem Boden meiner Zelle lag, direkt neben dem vorderen Gitter, durch das mein Besuch sich mit mir unterhalten wollte.

Mit deiner Hilfe fand der Dunkle Lord die Potters, heißt es. Du warst die ganze Zeit sein Diener, heißt es. Es heißt sogar..." Sie beugte sich etwas weiter vor, so dass ich ihren Atem an meiner Wange spürte. Ein Dementor schwebte direkt über uns, offenbar genießend, was ihre Gegenwart für mich tat. „Es heißt sogar, du hast in seinem Auftrag deinen Bruder ermordet. Seitdem frage ich mich natürlich..."

Umsonst!" Mit einem Satz war ich am Gitter meiner Zelle und umklammerte die Stäbe. „Es steckt kein Körnchen Wahrheit darin. Ich bin kein Verräter, vor allem nicht an James. Ich bin nicht verrückt, ich bin kein Mörder!"

„Das weiß ich, Sirius." Sie betrachtete ihre Fingernägel. Ramponiert, vermerkte ich. „Es wär zu schön gewesen, um wahr zu sein."

Was sollte ich darauf sagen? Meine Familie lebte in einer verkehrten Welt. Wo weiß schwarz war. Und schwarz weiß. Und nun war ich, der Blutsverräter, im Gefängnis und die Verkörperung des Black'schen Ideals frei um mich hier heimzusuchen und zu verhöhnen.

Ich will gern Verbrechen und Strafe, Wahnsinn und Tod auf mich nehmen – wenn mir nur die Schande erspart bleibt...

Was ging ihr durch den Kopf, wenn sie mich hier sah, dachte ich. Was hatte ich für Worte gesprochen, die sie jetzt quälten. Deren ich mir vermutlich ebensowenig bewusst war, wie sie sich ihrer Aussprüche, die mir nun einfielen. Wir hatten uns weh getan, über die Jahre, zwei Jahrzehnte, war einiges zusammengekommen.

Ich ließ die Gitterstäbe los und trat zurück vor den herandrängenden Dementoren. Bellatrix griff in die Untiefen ihrer Robe und zückte ihren Zauberstab. „EXPECTO PATRONUM!" Ein Basilisk aus Licht richtete sich drohend vor den Wächtern von Askaban auf und ich tat meinen ersten befreiten Atemzug seit dem Tag nach Allerheiligen.

Das ist hier nicht erlaubt, Mrs. Lestrange."

Ich wünsche, ungestört mit meinem Cousin sprechen zu können. Ganz gleich, welche Schande er über sich und uns gebracht hat, wenn er auch ein Verräter und ein Mörder ist – er gehört doch zur Familie," erklärte sie salbungsvoll. Der Wächter neigte beeindruckt den Kopf. Ich lachte wieder, der Wächter registrierte es mit Schaudern und einem unbehaglich verzogenen Gesicht. Vermutlich dochte er an die zerfetzten Muggelleichen. „Sie haben euch festgenommen?" Das war wirklich zu ironisch.

Und verhört. Wir sind schon sechs Wochen hier, jedenfalls sagte man mir das heute."

Was ist heute?" wollte ich wissen.

15. Dezember 1981, der Tag meiner Entlassung. Ich kann wohl kaum dafür verantwortlich gemacht werden, was du verbrochen hast."

Man sollte meinen, deine eigenen Taten würden ausreichen."

Mach dich nicht lächerlich, ich bin ein Stützpfeiler der Gesellschaft. Wir werden ja sehen, hab ich zu Longbottoms gesagt, wie lange das St. Mungo's Spezialteam für Erforschung von Cruciatus ohne mich auskommen wird."

Dein Sturz, Bella. Das war's dann."

Träum weiter, Sirius," gab sie zurück, ein altes Spiel wieder aufnehmend. „Mein Weg wird hier nicht enden."

Dein Weg war zuende, als ein einjähriges Kind deinen Meister zu Asche und Staub verglüht hat."

Ihre Augen flackerten gefährlich, aber sie hatte sich noch im Griff. Erstaunlich, nach sechs Wochen Askaban. „Wie?" fragte sie nur.

Ich hatte gehofft, du könnstest mir das sagen. Mir hat man nur mitgeteilt, dass mein... äh, Meister bedauerlicherweise verschwunden ist. Hat sich in Luft aufgelöst. Sieht gar nicht gut aus für dich und deine Todesserfreunde."

Das nehme ich nicht hin. Ich kämpfe dagegen."

Wirst du nie klug?" fuhr ich sie an. „Es ist aus. Die Toten sind tot. Du kannst ihn nicht wieder zum Leben erwecken."

Sie umklammerte die Gitterstäbe links und rechts von meinem Kopf und trat ganz nah an mich heran. „Du hast so keine Ahnung, Sirius," zischte sie verachtungsvoll, „was ich alles kann." Sie wühlte die Fingerspitzen in mein Haar, links und rechts oberhalb der Schläfen. „Du hattest als Kind keine Ahnung, du hast sie jetzt nicht und du wirst nie welche haben."

Und dafür dank ich meinem Schöpfer. Nichts hab ich in meinem Leben weniger betrauert als den Verlust der ,Ahnung', wie du das nennst, wenn einem eingetrichtert wird, dass man ein besseres Mensch ist nur aufgrund seines Blutes. Und alles, was damit einhergeht..."

Ach, dass du verzichtet hast ist nichts Neues. Aber was hast du gewonnen?"

Meine Selbstachtung?"

Das erzähl mal Lily und James Potter."

Mit einer Schnelligkeit, die mir selbst in meinem diffusen Geisteszustand noch höchst bemerkenwert erschien, hatte ich sie beim Hals gepackt. Meine Finger drückten auf ihre Kehle.

Verwandtenmord," lächelte sie fast schalkhaft. „Sehr originell."

Hast du Angst?"

Und wie." Nach einer gewissen Zeit hier drin fürchtet man den Tod nicht mehr. Ich konnte ihren Puls unter meinen Fingern spüren. Die Haut ihres Halses war fast durchsichtig.

Ich liebe dich, Sirius," sagte sie fast verträumt und so beiläufig, dass ich es um ein Haar versäumt hätte. Sie hatte den Kopf in meine stützende Hand zurückgelegt, die schweren Augenlider auf Halbmast. „Ich konnte das vorher nicht mal denken, aber ich hab's gemerkt, als sie die Erinnerung an meine Liebe zu dir aus mir rausgesaugt haben. Es war noch mehr Liebe da, ich war selbst überrascht, wie nahrhaft meine Gefühle sein konnten, aber die Liebe wächst vielleicht mit der Erkenntnis... Du merkst, ich spreche in der Gegenwart."

Für mich ist es Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft," murmelte ich wie im Fieber. Meine Finger um ihren Hals lockerten sich. Ich zog ihren Kopf näher, so dass ihre Stirn meine berührte. „Ich hasse dich, aber ich werde dich bestimmt noch lieben, wenn ich ins Grab sinke."

Eher unwahrscheinlich, dass ich dann da sein werde, um dein geröcheltes Bekenntnis zu vernehmen."

Wir lehnten erschöpft aneinander, beide so schwer atmend, als seien wie meilenweit gerannt. Die Dementoren fingen wieder an zu schwärmen, bereit, die Kraft, die wir uns gegenseitig gegeben hatten, von uns zu stehlen. „Mrs. Lestrange," hörte ich eine weibliche Stimme rufen. Auror Longbottom, wenn mich nicht alles täuschte. „Die Besuchszeit ist zu Ende."

Ich öffnete die Augen und sah Alice Longbottom missbillgend zu uns herüberblicken. Ich wusste, sie wurde nicht recht schlau aus dem, was sie sah. „Hoffentlich zieht sie jetzt nicht die falschen Schlüsse," murmelte ich.

Bellatrix hob den Kopf von meiner Schulter. „Oder die richtigen, noch schlimmer," flüsterte sie.

Ich sah ihr nach, wie sie durch den langen, schimmernden Korridor davonging.

Was hernach passierte, weiß ich. Sie wartete geduldig ihre Chance ab. Kehrte nach St. Mungo's zurück, als sei nichts vorgefallen. Arbeitete. Aß. Schlief. Bejubelte öffentlich Voldemorts Sturz. Brachte in Erfahrung, dass die Longbottoms in jener Nacht als erste in Godric's Hollow gewesen waren. Lauerte ihnen auf zusammen mit ihrem Schwager und ihrem Mann und Barty Crouch junior. Folterte sie um den Verstand. Ergebnislos.

Verraten vielleicht? Ich kann mir keine Umstände vorstellen, unter denen Bellatrix Black um Gottes Willen Lestrange geschnappt werden würde. Ich weiß es nicht, aber ich muss es nicht wissen. Das Leben (in seiner ganzen Sinnlosigkeit an diesem Ort) ist kompliziert genug. Ich verbanne meine Cousine aus meinen Gedanken und betrete die Bibliothek meines Vaters...

Nur um vor Schreck beinah einen Herzanfall zu erleiden. Jemand steht vor der Wand mit den Familienfotos. Eine schlanke, sehr gerade Gestalt in einer dunklen Robe. Dichtes, glänzendes dunkles Haar fällt ihr um die Schultern. Sie hat mich gehört. Halb wendet sie sich um.

Ich kenne dieses Gesicht sehr gut. Besser vielleicht als irgendein anderes, wie ich in lichten Momenten bereit bin mir einzugestehen. Hohe Wangenknochen und eine ausgeprägte Kinnpartie. Weiße, im düsteren Licht der Bibliothek fast durchscheinende Haut und volle, himbeerrote Lippen. Das Beeindruckendste in diesem Gesicht jedoch sind die Augen – groß, tiefliegend und so schwerlidrig, dass sie fast schwarz wirken. Obwohl ich doch weiß, dass sie grau sind.

Ich sehe in das Gesicht meiner Cousine Bellatrix. Das auch auf der Fotografie direkt hinter ihr zu sehen ist. Doch vor meinen Augen verändert sich dieses Gesicht, verzieht sich zu einem Lächeln, arglos und liebenswürdig wie nichts, das man jemals auf Bellatrix' Gesicht angetroffen hat. Aber bei dieser Veränderung bleibt es nicht. Die Konturen verändern sich, die Form. Sogar die Farben. Bis ein völlig unbekanntes Mädchen mit einem herzförmigen Gesicht und strahlenden dunklen Augen vor mir steht. Sie scheint mich jedoch zu kennen.

„Sirius?" fragt das Mädchen mit einem breiten Lächeln. Und streckt mir auf mein sprachloses Starren hin die Hand entgegen. „Ich bin Tonks."

Author's Note: Ich kann nur hoffen, Ihr haltet genausoviel von diesem Abgang wie ich :):):) Nee, ernsthaft. Feedback wär göttlich. Und es kommt ja noch der Epilog. Der ist auch gut ;) Wann der fertig ist, kann ich nicht versprechen, aber jeder der reviewt wird angemailt, wenn es so weit ist.

Frohes Neues!!!