Kapitel 9
Andrew:
Ich dachte, dass Stacy alles für mich ist. Die perfekte Frau, nach der sich jeder Mann sehnt: schön, intelligent und einfach nur liebenswert. Es gab eine Zeit, da waren wir so glücklich. Ich konnte mir vorstellen sie zu heiraten. Ich wollte für immer mit ihr zusammen sein, aber dann kam die ungeahnte Wendung. Wir haben uns nur noch gestritten. Ich hab ihre Nähe einfach nicht mehr ertragen. Morgens, wenn ich neben ihr aufgewacht bin und sie an mich gekuschelt dalag. Ich wollte nur noch raus aus dem Bett, mich duschen und weg aus dem Zimmer, weg von Stacy. Ich habe mich unter ihren Berührungen gewunden. Ich habe alles Mögliche versucht, um ihr zu entkommen. Natürlich ist ihr mein abwehrendes Verhalten nicht entgangen und wir haben gestritten, gestritten und gestritten. Sie denkt, dass eine andere Frau im Spiel ist. Aber dem ist nicht so. Ich liebe und interessiere mich für keine andere Frau.
Ich wollte Stacy sogar eines Tages heiraten. Mein ganzes Leben mit ihr verbringen. Jetzt daran zu denken, bringt mich innerlich zum zerbersten.
Nach unserer Trennung ist es sowieso egal.
Es fing alles nach Adam´s Rückkehr an sich zu verändern in unserer Beziehung. Statt Wärme fühlte ich nur Kälte. Der Liebesakt eine einzige Zumutung. Liebesakt? Allein die Bezeichnung ist ein einziger Hohn. Wenn sie mich so lange bedrängt und stimuliert hat, bis ich nicht anders konnte, als sie wild und zügellos zu ficken. Ich habe meine ganze Wut, vielleicht sogar unter- schwelligen Hass, eingebracht. Sie hat ihre Lust hemmungslos herausgeschrieen, umso zorniger wurde ich. Ich glaube im Nachhinein betrachtet habe ich ihr damit die besten Orgasmen ihres Lebens beschert.
Es war keine Seltenheit, dass ich hinterher, hinter verschlossenen Türen, vor Ekel und Selbst- hass übergab. Ich kotzte jedes Gefühl aus mir raus. Aber im Endeffekt hat sich nichts geändert. Je mehr ich mich distanzierte, umso mehr hängte sich Stacy an mich dran. Es wurde unerträglich. Mein gesamtes Innenleben bestand aus einem brodelnden Brandherd, der nur darauf wartete zu explodieren und auszubrechen. Jetzt frage ich mich, ob Stacy wirklich so blind war und nicht sah, was mit mir los war, was mit uns, unserer Beziehung passiert war. Vom einstigen Traum zum lebenden Albtraum. Oder war sie nur so verdammt ignorant???
Aber es gibt eine Person, von der ich mich auf unerklärliche Weise angezogen fühle. Es fühlt sich falsch an und ich versuche es zu ignorieren, mich dagegen zu wehren. Aber es geht nicht! Ich bin zu schwach. Ich bin verwirrt. Ich weiß nicht was mit mir los ist. Ich suche ständig nach Erklärungen und Ausflüchten. Es darf nicht sein, dass ich so denke und fühle. Keiner würde es verstehen und er erst recht nicht. Er gehört zu meinen besten und engsten Freunden.
Wir kennen uns seit Jahren, sind zusammen auf Tour gegangen und haben schon das ein oder andere Mal zusammen in einem Hotelzimmer übernachtet. Es war alles ganz normal bis jetzt. Liegt es an den dreizehn Monaten Pause, die er verletzungsbedingt einlegen musste? Aber wie konnte das plötzlich aus heiterem Himmel alles ändern für mich? Wieso habe ich mich in Adam verliebt???
Ich bin nicht schwul! Ich war noch nie mit einem Mann zusammen. Ich habe mich nie von einem Mann hingezogen gefühlt. Aber was ist das nun mit Adam? Warum schlägt mein Herz wie wild, wenn ich ihn sehe oder nur an ihn denke? Warum sehne ich mich nach ihm, nach seinem starken Körper? Wenn ich in seiner Nähe bin fühle ich mich so unbeholfen. Ich komme mir vor wie ein völliger Depp. Ob er es bemerkt? Sicher denkt er, dass ich wegen Stacy durch den Wind bin. Jeder denkt das.
Ich frage mich, ob es gut wäre Adam meine Gefühle zu gestehen. Er ist anders als früher. Seine gesamte Persönlichkeit hat sich gestärkt. Vielleicht war ich immer auf der Suche nach einer Person, die stärker ist als ich. Der Wunsch nach Schutz und eines Partners, der mir Kraft ver-mittelt, die ich selbst nicht habe.
Aber wie soll ich es ihm verständlich machen? Eine positive Reaktion werde ich kaum erwarten können. Oder doch? Wie würde ich reagieren, wenn es umgekehrt wäre? Okay, ich würde mich freuen. Was sage ich da? Ich würde Luftsprünge vor Glück machen! Verständlich, weil ich in ihn verliebt bin. Die Frage, die ich mir immer und immer wieder stelle: Wie ist es möglich, dass ich mich in einen meiner besten Freunde verliebt habe? Es gab zwischen uns nie mehr als freund- schaftliche Gefühle. Nun ist es mehr, viel mehr. Ich sehne mich so sehr nach seiner Nähe. Ich will ihn! Da war nie ein stärkeres Verlangen. Oh Gott, ich fühle mich so hilflos. Das unerträgliche Gefühl der Machtlosigkeit! Als ich letzte Nacht neben ihm geschlafen habe. Ich habe fast kein Auge zu bekommen. Ich habe zugehört, wie er geatmet hat. Langsam und gleichmäßig. Ich habe mich gefragt, ob er träumt und von was?
Dann kam mir die Erinnerung, wie er mich angesehen hat, als ich aus dem Bad kam. Hat er gemerkt, dass da ein Funke zwischen uns ist? Er muss es gemerkt haben, denn so wie ihn angestarrt habe. Warum konnte ich mich nicht zusammenreißen? Ich bin so fasziniert von ihm, dass ich nicht anders kann. Bald wird sicher jeder wissen, was mit mir los ist. Sie werden mich als „Homo", „Schwuchtel", „Schwanzlutscher" und was weiß ich nicht, wie noch, bezeichnen. Sie werden mich ignorieren und schneiden. Aber wenn ich Adam bekommen kann, ist mir all das wert. Ich begehre ihn. Ich habe ein unbändiges Verlangen nach ihm. Es brennt ein Feuer in mir, was ich nie zuvor gespürt habe. Es ist einfach unglaublich!
Vielleicht erfährt es aber auch niemand. Sie sind doch alle zu blind, um zu erkennen, was mit einem los ist. Ich frage mich, wie viele verkappte Schwuchteln wir in unserer Reihen haben, die vorgeben mit Frauen auszugehen, aber hinter unseren Rücken nur mit ihnen befreundet sind und in Wirklichkeit jeden halbwegs passablen Männerarsch hinterhergeiern. Wieso rege ich mich auf? Bin ich besser? In diesem Business sind alle so homophop, da kann man sich den Schwanz gleich selbst abschneiden.
In manchen Momenten frage ich mich, ob ich noch normal bin? Was ist mit mir passiert? Was soll aus mir noch werden? Ich bin ein Psycho. Will ich Adam deswegen so unbedingt, weil er auch zum Psycho mutiert ist? Gleich zu gleich? War ich eigentlich jemals normal? Oder steckte es immer in mir und hat nur auf den Ausbruch gewartet? Wenn ja, ist der Zeitpunkt nun gekommen.
Manchmal liege ich zusammengerollt auf meinem Bett und weine wie ein verdammtes Baby. Ich will seinen Namen laut herausschreien, aber es wird nur ein Flüstern, was fast einem Wimmern gleicht: „Adam!"
Und manchmal frage ich warum das Leben so unvorhersehbar ist? Man denkt, man weiß wie es läuft, wo es langgeht und im nächsten Moment stellt man fest, man steht vor einem Scherben- haufen. Alles ist so verwirrend und undurchsichtig. Ich irre herum und finde keinen Ausweg... Soll mein Chaos bei dir enden, Adam?
Ich weiß es einfach nicht! Und es bringt mich zur puren Verzweifelung!
Ich muss unbedingt mit jemand reden, sonst zerfrisst mich das. Bloß mit wem? Vielleicht mit Jay? Er ist Adam´s ältester und allerbester Freund. Sie sind schon von Kindesbein an befreundet. Keiner kennt Adam so gut wie er. Und ich denke, wenn ich es Jay erzähle wird er es auch für sich behalten. Ich muss nur auf den richtigen Zeitpunkt warten...
