Liest hier denn niemand mehr weiter? schluchz
Das nächste Kapitel wird auch ganz spannend, versprochen!
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Kapitel 4: Ein gefährlicher Umweg
Langsam näherte sich Faramir auf seiner Reise den Mündungen der Entwasser. In einem kleinen Dorf, das noch zu Anórien gehörte, machte er in einem Gasthof Rast. Die Menschen dort behandelten ihn respektvoll, da sie an seiner ledernen Rüstung mit dem Gondorwappen sahen, dass es sich um einen hohen Herrn aus Minas Tirith handeln musste. Müde streifte Faramir die ledernen Handschuhe ab. Der Ritt heute war recht anstrengend gewesen. Es gab in dieser Richtung, in der er reiten musste, keine befestigten Straßen. Plötzlich kamen einige Männer aufgeregt in die Gaststube hereingelaufen.
„Das Nachbardorf Umneth wurde gebrandschazt," erzählten sie. „Es waren Orks, die aus Nord-Ithilien kamen."
Faramir spitzte die Ohren.
„Wo sind die Orks jetzt?", wollte er wissen.
Die Männer sahen ihn erstaunt an. Einer von ihnen trat hervor.
„Ihr seid doch ein Hauptmann hohen Ranges aus Minas Tirith, wie man an Euerer Kleidung sieht. Warum schickt uns der Truchseß keine Hilfe?"
„Auch im Süden von Gondor werden Dörfer von den Orks gebrandschazt," erwiderte Faramir besonnen. „Der Truchseß kann nicht überall Truppen hinsenden. Aber ich werde mich darum kümmern, wenn ich wieder zuhause bin."
„Wo wollt Ihr eigentlich hin?" fragte der eine Mann neugierig.
„Hinauf zu den Rauros-Fällen und dann weiter nordwärts," erklärte Faramir ausweichend.
„Auf dieser Seite des Flusses könnt Ihr nicht weiterreisen," sagte der Mann und die anderen Gäste nickten beifällig. „Es wimmelt hier von Orks und anderem Natterngezücht. Die Mündungen der Entwasser bieten ihnen gute Verstecke. Am besten, Ihr nehmt die Weststraße und überquert den Meringbach, bevor Ihr Euch wieder nordwärts wendet. Oder Ihr kehrt ganz einfach um."
„Das kann ich nicht," erklärte Faramir schlicht.
„Es gibt noch einen anderen Weg," sagte der Wirt plötzlich. „Er ist aber sehr gefährlich."
„Ihr meint das Sumpfgebiet," sagte Faramir zurückhaltend.
„Genau, das Fennfeld, auch Nindalf genannt," fuhr der Wirt fort und polierte zum wiederholten Male den Zinnkrug, den er in der Hand hielt. „Wenn Ihr dort vom Wege abkommt, könnt Ihr leicht in die Totensümpfe geraten. Dort irren immer noch die Geister der erschlagenen Krieger von den einstigen Schlachten herum. Sie werden Euch ins Verderben ziehen."
Faramir kannte diese alten Spukgeschichten. Er blieb gelassen und nahm einen großen Schluck von seinem Bier.
„Ich denke, ich nehme diesen Weg," sagte er schließlich, was für einen kleinen Tumult sorgte.
„Das ist Wahnsinn, Herr Hauptmann!" rief einer der Gäste empört. „Wer in Minas Tirith schickt denn jemanden wie Euch in den fast sicheren Tod?"
Faramir erhob sich.
„Der Truchseß, der mein Vater ist, gab mir den Auftrag," sagte er mit tonloser Stimme.
Im Gastraum wurde es schlagartig totenstill.
Faramir verließ den Gastraum erhobenen Hauptes und begab sich in die Gästekammer zum Schlafen.
Als er am nächsten Morgen aufbrechen wollte, kamen viele Dorfbewohner noch herbei, die ihm gute Ratschläge wegen seines weiteren Weges geben wollten. Doch Faramir blieb stur: er wollte unbedingt durch die Sümpfe reiten. Der Weg durch Rohan dauerte ihm zu lange. Er würde Monate unterwegs sein. Mit viel Glück würde er stattdessen in wenigen Wochen bereits in Lothlórien sein.
In der Nähe des Dorfes gab es eine alte Brücke über den Anduin. Er ritt hinüber und konnte schon bald in der Ferne das Sumpfgebiet sehen. Er wusste, dass das der Sumpf und anschließend die Emyn Muil der anstrengenste Teil seiner Reise sein würde. Am Mittag hatte er den Anfang des Sumpfgebietes erreicht. Von nun an musste er Flammenmähne führen. Er musste vorsichtig sein, denn ein falscher Tritt konnte leicht sein Leben kosten. Der Boden war weich und federte unter jedem Schritt nach. Dieses unabsehbare Netz von Tümpeln, Sumpflöchern und trügerisch einladenden Grasflächen schien kein Ende zu nehmen. Am Abend rastete Faramir am Rande eines braunen, faulig riechenden Schilfdickichts. Flammenmähne graste ein wenig in der Nähe.
„Geh nur nicht zu weit weg, mein Freund," warnte Faramir sein treues Pferd.
Flammenmähne schnaubte unwillig. Dem fuchsfarbenen Hengst gefiel die Gegend genauso wenig wie seinem Herrn.
Am nächsten Tag wurde der Weg noch beschwerlicher: das Moor wurde immer feuchter und Faramir tat sich hart, noch festen Boden zu finden. Vor ihm lag ein riesiger Teich stehenden Wassers, das übelst roch. Der junge Mann hatte keine Wahl: er musste sich weiter Richtung Osten bewegen. Dort wurde der Weg bald wieder fester.
Doch dann tauchten die ersten blass schimmernden Lichter auf.
Die Irrlichter, dachte Faramir schaudernd. Ich bin in die Totensümpfe geraten.
Aber er hatte jetzt keine andere Wahl mehr: er musste diesen etwas besseren Weg durch das Sumpfgebiet nehmen. Flammenmähne spürte die Nähe der Geister und wollte nicht mehr weitergehen.
„Nun komm schon!" feuerte Faramir den Hengst an. „Sie tun uns nichts. Beachte sie einfach nicht."
Nur widerwillig ließ sich Flammenmähne weiterführen. Der anstrengende Marsch durch die Sümpfe zehrte an Faramirs Kräften. Er gönnte sich kaum eine Rast. So schnell wie möglich wollte er diese schauerlichen Totensümpfe durchquert haben. Kurz vor Sonnenaufgang konnte er nicht mehr: er ließ sich direkt vor einem Wasserloch auf die Knie fallen.
Dann sah Faramir sie: die toten Gesichter der erschlagenen Menschen- und Elbenkrieger, die ihn mit ihren starren Augen anzusehen schienen. Wie gebannt blickte er auf das Wasser. Immer tiefer beugte er sich. In diesem Moment wieherte Flammenmähne auf und lief weg. Faramir sprang auf.
„Bleib stehen, Flammenmähne, auf der Stelle!" schrie er.
Doch das Pferd galoppierte wie von Furien gehetzt davon. Wie durch ein Wunder geriet es nicht in den Sumpf. Faramir lief ihm nach und hatte weniger Glück: für einen Moment passte er nicht auf und rutschte in ein Wasserloch. Sofort spürte er, wie eiskalte Hände nach ihm griffen und ihn in die Tiefe hinabzogen. War das jetzt das Ende?
Seine Gedanken kreisten um Boromir, seinem Vater, um Gondor..... Bevor er das Bewusstsein verlor, packten ihn plötzlich zwei starke Arme und zogen ihn aus dem sumpfigen Wasser.
Faramir spürte, wie er an das Ufer gezogen wurde. Japsend und prustend rang er nach Atem. Über ihn beugte sich ein Mann in einem braunen, langen Gewand und mit einem zotteligen grauen Bart.
„Wer..wer seid Ihr?" stammelte Faramir, während er sich langsam aufrappelte. „Ein Freund von Mithrandir?"
Der alte Mann lachte leise und strich sich über den Bart.
„Mithrandir – so nennt man meinen Vetter in Gondor. Ich bin Radagast, der Braune."
„Ich danke Euch, Ihr habt mir das Leben gerettet," sagte Faramir und hustete noch einmal kräftig.
„Was führt einen jungen Soldaten wie Euch in diese tückische Sümpfe?" fragte Radagast erstaunt.
„Ich bin mit einem wichtigen Auftrag unterwegs," erklärte Faramir zurückhaltend. „Ich muß hinauf in den Norden."
„Da gibt es bessere Wege: über Rohan zum Beispiel," meinte der Zauberer kopfschüttelnd und griff den jungen Mann am Arm.
„Kommt, wir wollen diesen unseligen Ort verlassen, bevor es dunkel wird."
„Ich muß mein Pferd einfangen,"meinte Faramir beunruhigt.
„Ich habe Euer Pferd bereits gefunden," erklärte Radagast lächelnd. „Es weidet neben meiner braunen Stute am Rande der Sümpfe."
Der Zauberer ging voran und Faramir folgte ihm widerstrebend, denn er ging in nördlicher Richtung. Flammenmähne aber war Richtung Südwesten galoppiert.
„Seid Ihr Euch sicher, dass dieser Weg richtig ist?" fragte Faramir zweifelnd.
„Keine Bange, mein Junge," sagte Radagast freundlich und klopfte ihm auf die Schulter.
Einige Stunden später hatten sie die Totensümpfe hinter sich gelassen. Faramirs Kleider waren immer noch feucht und klamm von dem unfreiwilligen Bad.
„Ihr müsst Euere Kleider ausziehen und trocknen," meinte Radagast besorgt. „Ich will derweil Reisig und Feuerholz sammeln."
Als der Alte in einem kleinen Wäldchen verschwunden war, entdeckte Faramir überrascht Flammenmähne. Der Hengst kam langsam angetrabt und blieb schließlich vor seinem Herrn folgsam stehen. Faramir sah sofort in den Satteltaschen nach, ob auch nichts fehlte. Zum Glück war die Schriftrolle noch da. Er atmete auf. Dann zog er seine nassen Kleider aus und hüllte sich in eine Decke.
Bald darauf kehrte Radagast zurück und entzündete mit einer raschen Fingerbewegung das Feuer. Für Faramir war das nichts Besonderes. Er hatte schon bei Gandalf so manchen Zaubertrick gesehen. Früher als Kind hatte ihn der alte Zauberer oft zum Lachen mit seinen magischen Kunststücken gebracht.
Faramir setzte sich neben Radagast ans Feuer.
„Gandalf hat mir oft von Euch erzählt, Faramir," sagte Radagast plötzlich.
Der junge Mann schreckte hoch: wie hatte der braune Zauberer ihn erkennen können?
Er fragte ihn erstaunt dannach.
„Es gibt nicht viele Menschen mit so einer hellen Haarfarbe in Gondor. Außerdem tragt Ihr eine besonders wertvoll gearbeitete Lederrüstung,"meinte Radagast grinsend. „Zuerst dachte ich schon, Ihr seid vielleicht Boromir. Aber ich sah kein Horn an Euerem Gürtel. Jetzt würde ich gerne wissen, wohin Ihr tatsächlich wollt."
„Ich habe eine schriftliche Botschaft meines Vaters nach Lothlórien zu bringen," begann Faramir zögernd zu erzählen und zupfte nachdenklich an seinen immer noch feuchten Locken herum.
„Das muß ja ein Schreiben von enormer Wichtigkeit sein," murmelte Radagast kopfschüttelnd. „Euer Vater musste doch wissen, dass er mit diesem Auftrag Euer Leben aufs Spiel setzte."
„Ich bin eben nicht so viel wert wie manch anderer in Gondor,"sagte Faramir verbittert und starrte in das Feuer. „Wenn ich sterbe, ist es kein großer Verlust für mein Land."
„Sagt so etwas nicht!" fuhr Radagast erschrocken auf. „Mein Vetter hält große Stücke auf Euch. Er sagte einmal sogar, Ihr würdet einen gerechten Truchseß abgeben."
„Mithrandir weiß aber auch, dass ich als Zweitgeborener nie den dunklen Thron besteigen werde," meinte Faramir schief lächelnd. „Aber ich strebe nicht nach Macht und Ruhm. Die Valar mögen verhüten, dass meinem Bruder etwas zustößt!"
„Das Leben verläuft oft ganz anders, wie geplant," murmelte der Zauberer vor sich hin. „Ich werde Euch helfen, nach Lórien zu kommen. Es wäre auch in Gandalfs Sinne. Habt Ihr ihn eigentlich noch gesehen? Er wollte in diesen Tagen nach Minas Tirith kommen."
„Nein, ich habe ihn nicht angetroffen," erwiderte Faramir bedauernd.
Beide schwiegen jetzt und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Faramir ahnte jetzt, warum es sein Vater so eilig gehabt hatte, ihn fortzuschicken. Es war wegen Gandalf. Der Truchseß hatte bestimmt von dessen Ankunft gewusst.
Langsam brannten das Feuer nieder. Nach einem kargen Imbiß schliefen die beiden neuen Gefährten ein.
