Weltherrscherchen: Haldir kannst du gerne haben, ich will nur meinen Faramir behalten. ;-)

Leonel: Vor diesem Kapitel hatte ich ein wenig gebibbert, ob ich das alles so hinkriege mit der Beschreibung Lóriens und von Caras Galadhon. Ich danke für dein Lob.

§§§§§§§

Kapitel 6: Herus Entscheidung

Nach dem Essen ging Faramir ein wenig spazieren. Der Goldene Wald war wirklich ein bezaubernder Ort. Der junge Mann fühlte einen tiefen Frieden und eine bisher unbekannte Geborgenheit. Er verspürte den Wunsch, hier für immer zu bleiben. Aber er hatte einen Auftrag auszuführen. Sein Vater erwartete sicher schon sehnlichst seine Rückkehr. Jedoch nicht, weil er Faramir etwa vermisste. Nein, er wartete auf die Deutung seines Traumes.

Faramir stieg auf einen kleinen Hügel. Von dort aus hatte man eine wundervolle Aussicht auf die Stadt Caras Galadhon. Plötzlich merkte er, dass Alatariel zu ihm getreten war.

„Ein traumhafter Abend, nicht wahr?" fragte er die Elbin verlegen.

„Der Hügel, auf den wir stehen, wird Cerin Amroth genannt," erzählte Alatariel leise. „Vor vielen Jahren verlobten sich hier ein Mensch und eine Elbin."

Faramir sah sie erstaunt an.

„So etwas kommt höchst selten vor," meinte er schließlich. „Wie nennen sich diese Beiden?"

„Der Mensch wird von uns Elben Estel genannt und lebt in Bruchtal," fuhr die Kriegerin fort.

„Und seine Verlobte ist der Abendstern unseres Volkes, Arwen Undómiel."

„Das ist eine schöne Geschichte," seufzte Faramir. „Sicherlich leben die beiden längst als glückliche Eheleute in Bruchtal."

Alatariel schwieg. Sie wollte Faramir nicht erzählen, was sie über Estel wusste – dass er Isildurs Erbe war und Anspruch auf Gondors Thron hatte.

Sie blieben noch eine Weile stehen, bis die Sonne am Horizont verschwunden war. Dann gingen sie zurück in die Stadt.

Faramir begab sich in das Schlafgemach, das man ihm zugewiesen hatte. Das Zimmer sah aus wie das Innere eines hohlen Mallornbaumes und war es vermutlich auch. Faramir legte sich in die weichen Kissen und war augenblicklich eingeschlafen.

§

Am nächsten Morgen wurde er früh geweckt. Heru wollte ihn sprechen. Zwei Elbenkrieger brachten ihn zu dem alten Elb.

Heru sah Faramir ernst an, als ihm dieser einen guten Morgen wünschte.

„Ich habe die Botschaft Eueres Vaters gelesen, junger Mensch," sagte der Elb bedächtig. „Euer Vater hatte einen prophetischen Traum. Es handelt sich um Ereignisse, die schon in naher Zukunft passieren könnten."

„Ich würde gerne mehr von diesem Traum erfahren," erwiderte Faramir gefasst. „Denn auch ich hatte kürzlich von merkwürdigen Dingen geträumt."

Heru runzelte seine faltenlose Stirn.

„Es scheint, dass Ihr diese Gabe von Euerem Vater geerbt habt. Nun gut: Euer Vater träumte von einem schwarzen Heermeister, der mit seinen Schergen die Weiße Stadt belagerte."

„Ich sah das Feuer," flüsterte Faramir atemlos. „Ich sah, wie der erste Ring der Stadt – von meiner Stadt – brannte."

„Euer Vater sah auch ein anderes Feuer," sagte Heru leise. „Einen Scheiterhaufen in der Gruft der Truchsessen Gondors."

Faramir erschauderte, als er das hörte.

„Wer wurde auf diesem Scheiterhaufen verbrannt?" wollte er von dem Elben wissen.

„Ich werde jetzt nicht weitersprechen," erwiderte Heru ernst. „Ich habe heute nacht bereits mit Frau Galadriel und Herrn Celeborn gesprochen. Sie sind damit einverstanden, dass ich mit Euch nach Gondor zurückreise."

Faramir sah ihn erstaunt an. Heru wusste mehr, als er sagen wollte. Und jetzt wollte er auch noch nach Gondor!

„Ich möchte mit Euerem Vater sprechen, Faramir," fuhr Heru traurig lächelnd fort. „Frau Galadriel ist sehr beunruhigt. Bei diesem schwarzen Heermeister könnte es sich um das Böse aus Mordor handeln, das in diesen Tagen neue Kräfte sammelt. Ich habe angeboten, einen letzten Botengang für Laurelindórenan zu machen, bevor ich nach Valinor reise."

„Es ist mir eine Ehre, Euch nach Gondor geleiten zu dürfen," flüsterte Faramir ehrfurchtsvoll.

Heru nickte ihn zu.

„Wir beide werden nicht alleine reisen. Einige Krieger wird uns begleiten. Und nun lasst mich alleine, denn ich habe noch Vorbereitungen zu treffen."

Faramir verneigte sich und verließ das Gebäude. Er war ziemlich beunruhigt. So hatte also sein Vater das Gleiche geträumt wie er, aber Denethors Traum war noch weitergegangen. Was hatte es mit diesem Scheiterhaufen auf sich? Wer wurde in Rath Dinen verbrannt? Es war seit vielen Zeitaltern nicht mehr üblich, Scheiterhaufenbestattungen vorzunehmen. In der Zeit der Altvorderen hatte man Könige auf diese Weise beigesetzt. Faramir wollte unbedingt mehr über diesen Traum wissen.

Er war froh, als er Alatariel wiedersah. Sie trug heute morgen wieder ihre Kriegerrüstung. Faramir lächelte ihr zu. Doch die Kriegerin blieb ernst. Der junge Mann wollte wissen, warum sie zurückhaltend reagierte.

„Ich habe Angst," gestand sie schließlich. „Ich habe noch nie die Welt der Menschen betreten und jetzt soll ich mit zehn Kriegern Heru und Euch nach Gondor begleiten."

„Ihr müsst keine Furcht haben," sagte Faramir erfreut. „Die Menschen sind den Elben nicht feindlich gesinnt."

Einige Tage später brach die kleine Gruppe nach Gondor auf.

Sie ritten durch die Wälder südwärts, Richtung Raurosfälle. Faramir hatte gehört, dass Heru nicht wieder zurückkehren würde nach Lothlórien. Er wollte von Gondor aus dann weiter zu den Grauen Anfurten reisen.

Als sie am ersten Abend ihrer Reise am Lagerfeuer saßen, fasste sich Faramir ein Herz und fragte Heru über sein künftiges Leben in Valinor aus.

„Die ewige Glückseligkeit wartet dort auf mich," lächelte der alte Elb wehmütig. „Schon bald werden mir viele Elben nachfolgen. Denn in Mittelerde ist kein Platz mehr für uns."

„Warum denn?" fragte Faramir erschrocken. „Mittelerde ist doch groß genug für alle Völker."

„Das meinte ich nicht," fuhr Heru geduldig fort. „Die Zeit der Elben geht zuende. Bald beginnt ein neues Zeitalter. Es wird große, weltbewegende Ereignisse geben."

„Ich habe Angst vor diesen Ereignissen," gestand der junge Mann beunruhigt.

„Ihr denkt, dass Euer Traum damit zusammenhängt," erwiderte Heru leise. „In gewisser Weise tut er das. Aber es wird nicht nur negative Ereignisse geben, auch wenn Viele ihr Leben lassen müssen, bevor das vierte Zeitalter beginnt. Isildurs Erbe wird bald ans Licht treten."

Faramir sprang jetzt auf.

„Isildurs Erbe? Ich dachte, die Linie sei so gut wie erloschen. Ich glaube, mein Vater und mein Bruder wären nicht erfreut, wenn Einer daherkommt und den Thron Gondors beansprucht. Ja, selbst ich, der ich niemals Trucheß sein werde, wäre nicht begeistert darüber. Seit 1000 Jahren hat dies niemand getan, warum ausgerechnet jetzt?"

Heru antwortete nicht. Er wusste, dass es keinen Sinne hatte, mit dem aufgewühlten jungen Mann jetzt weiterzureden.

„Ich bin müde, Faramir," sagte er nur. „Ich möchte mich zurückziehen in mein Zelt."

Faramir unterdrückte die vielen Fragen, die ihm auf der Zunge lagen. Er sah dem Elben nach, der im Zelt verschwand und begann völlig durcheinander am Lagerplatz hin- und herzulaufen.

Er fragte sich, ob Gondor wirklich einen König brauchte. Er dachte an seinen Vater, der schwer an der Bürde mit der Herrschaft über Gondor zu tragen hatte. Und an Boromir, seinen Nachfolger: er war noch jung, aber auch sehr ungestüm und manchmal sogar arrogant. Doch er war ein sehr tapferer Krieger und der beste Kämpfer, den Gondor je gesehen hatte. Boromir würde niemals jemanden akzeptieren, der daherkam und behauptete, Isildurs Erbe zu sein.

Der künftige König müßte sich erst als würdig erweisen.

Alatariel kam jetzt mit einigen Kriegern von einem Kundschaftsritt zurück. Sie sah die nachdenkliche Miene des jungen Mannes. Doch sie wagte ihn nicht zu fragen. Haldir hatte ihr auf dieser Reise den verantwortungsvollen Posten des Hauptmannes übertragen. Sie durfte nicht nur den Kriegern, sondern auch Heru und Faramir Befehle erteilen, wenn es sein musste. Besser, sie wahrte Abstand zu Faramir. Das hatte ihr auch Haldir vor ihrer Abreise geraten.