Leonel: Bei Denethor scheint es halt immer nur bei den guten Vorsätzen zu bleiben. Das mit den Elben verstimmte ihn wieder mal.
Meleth : Denethor ist leider schon wieder geladen, weil Faramir die Elben mitgebracht hat. Faramirs eigenständiges Handeln ist ihm halt ein Dorn im Auge.
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Kapitel 10: Faramir und Denethor
„Wo ist Vater?" fragte Faramir seinen Bruder eifrig. „Was hat er denn gesagt über meine Rückkehr?"
Boromir schlug die Augen nieder. Er konnte den jungen Mann unmöglich anlügen.
„Du weißt doch, wie Vater ist. Er hat sich über deine elbische Begleitung aufgeregt. Er mag Elben nicht so gerne."
„Ich werde jetzt zu ihm gehen", sagte Faramir mutig. „Er wird bestimmt auf meinen Bericht warten".
Er winkte Heru zu sich. Alatariel beschloß mitzukommen. Sie gab ihren Kriegern Anweisungen und sie blieben im Hof der Zitadelle stehen.
„Am besten wartet Ihr hier vor dem Eingang zum Thronsaal, bis ich mit meinem Vater gesprochen habe", meinte Faramir freundlich zu den beiden Elben.
Heru und Alatariel nahmen auf einer Marmorbank vor der Tür Platz, während Faramir den Thronsaal betrat.
Die Berater waren inzwischen auf Denethors Geheiß gegangen. Der Truchseß saß auf seinem schmucklosen Marmorstuhl unterhalb des Thrones und wartete mit finsterer Miene auf seinen Sohn.
Langsam trat Faramir näher zu seinem Vater: wieder einmal hatte er vergebens gehofft, von Denethor freundlich empfangen zu werden. Er konnte seine Traurigkeit darüber kaum verbergen. Er ahnte nicht, dass sein Vater innerlich zerrissen war. Einerseits verspürte er den Wunsch, seinen Sohn erleichtert in seine Arme zu schließen, andererseits zwang sein verletztes Ego ihn, seinen Sohn zurechtzuweisen. Und wieder einmal siegte seine Eitelkeit am Ende.
„So bist du also zurück?" fragte der Truchseß schlechtgelaunt. „Was soll dieser Firlefanz mit den Elbensoldaten?"
„Ich bringe eine wichtige Person aus Laurelindórenan mit", erklärte Faramir gefasst. „Heru, der älteste Elb hat versucht, deinen Traum zu deuten. Er möchte mit dir persönlich darüber sprechen".
Das interessierte natürlich Denethor brennend.
„Dann hol mir rasch diesen Elben herbei!" wies er Faramir unfreundlich an.
„Ist das alles?" stieß der junge Mann mühsam hervor. „Freust du dich denn gar nicht, dass ich wieder hier bin? Fast wäre ich auf der Reise umgekommen."
„Ich habe gesehen, dass du wieder hier bist", erwiderte Denethor etwas freundlicher und plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Geh nun in deine Gemächer und ruhe dich aus."
Für Faramir bedeutete dieses kurze Lächeln unendlich viel. Am liebsten hätte er jetzt seinen Vater umarmt. Aber der Truchseß rührte sich nicht vom Fleck. Wie eine alte, geduldige Spinne saß er auf seinen Thron und zeigte Faramir nicht mit der geringsten Geste, dass er ihn auch gerne umarmt hätte. So stand der junge Mann nur da und schluckte.
„Du kannst gehen", wiederholte Denethor jetzt etwas ungeduldiger. „Und vergiß nicht, mir die beiden Elben hereinzuschicken."
Faramir blickte seinen Vater unglücklich an und er drehte sich um zum Gehen. Mit gesenktem Kopf schlich er aus der Halle.
„Ihr könnt nun hineingehen", sagte er zu Heru und Alatariel tonlos.
§
Boromir traf Faramir auf dem Weg zu den Privaträumen der Truchsessfamilie. Er sah seinem kleinen Bruder sofort an, dass er vom Vater alles andere als herzlich empfangen worden war.
„Ich kann es nicht glauben", sagte er empört. „Dabei hat er sich ebenso Sorgen gemacht wie ich. Er hatte es bitter bereut, dich nach Lothlórien losgeschickt zu haben. Mithrandir war sehr lange hier, weil er auch so beunruhigt war. Doch dann musste er schließlich wieder fort. Glücklicherweise hat sein Vetter Radagast vorher einen Boten geschickt."
„Warum hast du mein Testament gelesen?" fragte Faramir etwas barsch.
„Ich habe es die ganze Zeit bei mir getragen", erzählte Boromir bedrückt. „Irgendwann hielt ich es dann nicht mehr aus und habe es gelesen. Das war nach der Nachricht von Radagast."
„Naja, wer weiß, was Vater als nächstes mit mir vorhat", entgegnete Faramir mit beißendem Spott. „Vielleicht war es nicht umsonst, dass du es gelesen hast".
„Faramir!"
Boromir war entsetzt, solche Worte von seinem Bruder zu hören. Er packte ihn unsanft an der Schulter.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir Vater noch einmal so einen gefährlichen Auftrag gibt. Manchmal fürchte ich, er ist nicht mehr Herr seiner Sinne".
„Der Palantír", flüsterte Faramir tonlos. „Vater beschäftigt sich zu oft mit diesem Ding. Bestimmt versucht er sich mit dem Dunklen Herrscher zu messen, was ihm natürlich nicht gelingt. Der Palantír macht ihn krank."
„Das glaube ich nicht!" entgegnete Boromir fast ein wenig ärgerlich. „Ich halte Vater für vernünftig genug, dass er dieses Ding nicht zu oft benutzt. Er müsste selbst wissen, dass er dem Dunklen Herrscher nicht gewachsen ist."
Faramir lächelte wehmütig. Er wollte jetzt mit seinem Bruder nicht herumstreiten.
„Laß mich in mein Zimmer gehen, Boromir. Ich will ein Bad nehmen und mich ausruhen."
Als er im endlich im Badezuber saß, fühlte er sich gleich bedeutend besser. Er versuchte das Verhalten seines Vaters irgendwie zu verstehen. Ja, eigentlich wusste er, dass Denethor keine Elben mochte. Er hatte wohl einen gewaltigen Fehler begangen. Seufzend lehnte sich Faramir im Badezuber zurück und schloß die Augen.
