Kapitel 4: Auf biegen und brechen

Das helle Licht blendete ihn, als er wieder zu Bewusstsein kam, und schnell schloss er die Augen. Sein Schädel pulsierte, und er hatte das Gefühl, als wäre der letzte Wein schlecht gewesen. Stöhnend führte er eine Hand an die Schläfen. Was war gestern passiert? Vorsichtig öffnete er noch einmal die Augen und erkannte, dass er sich nicht in Bruchtal befand, aber wo war er? Langsam kamen die Erinnerungen an den vergangenen Abend wieder, und langsam machte sich erneut Scham in ihm breit. Wieder stöhnend schloss er die Augen, er wollte nichts sehnlicher, als im Boden versinken. Er hatte einen kompletten Narren aus sich gemacht.

Ein Teil von ihm hoffte, er müsste sobald Thranduil nicht wieder begegnen, als er hörte, wie die Tür leise geöffnet wurde.

Es war schon sehr spät am Abend, als Thranduil noch einmal an dem Raum, in dem Elrond lag, vorbeiging und einen Blick hinein warf. Es würde sich nicht besonders gut auf seinen Ruf auswirken, wenn der Herr von Bruchtal in seinem Hause zu Schaden käme, und so war er sehr darauf bedacht, für sein Wohlergehen zu sorgen. Als er die Tür öffnete, sah er, dass Elrond wieder bei Bewusstsein war. "Guten Abend", sagte er höflich. "Ich wollte noch mal nach Euch sehen. Ich hoffe, es geht Euch schon etwas besser."

Vorsichtig blinzelte er Thranduil an, und schmerzverzerrten Gesichtes antwortete er: "Ich kann nicht behaupten, dass es mir besser geht. Ich habe das Gefühl, als wäre ein Olifant über meinen Kopf gelaufen." Resignierend seufzte er. "Ich hasse es, mich so zum Narren gemacht zu haben."

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, dies vor Thranduil zuzugeben, und innerlich fluchte er. Er war noch nicht fähig, klar zu denken, und so hoffte er, Thranduil würde nicht zu spöttisch reagieren, er wusste nicht, ob sein angekratzter Stolz damit klar käme.

Thranduil konnte sich nicht mehr beherrschen und lachte nun aus voller Kehle. Als Elrond ihm einen wütenden Blick zuwarf, klärte er das Missverständnis jedoch auf. "Nun, wenn wirklich ein Olifant über Euer Haupt gelaufen wäre, sähet ihr nicht mehr so gut aus."

Verwirrt versuchte Elrond, zu verstehen, was Thranduil da gerade eben gesagt hatte, doch sein Geist arbeitete noch nicht richtig, und so beließ er es einfach bei dem Kommentar: "Sagt, Thranduil, habt Ihr hier irgendetwas, das die Kopfschmerzen ein wenig vermindert?"

Hoffnungsvoll blickte er in die smaragdgrünen Augen, die im Moment vor Belustigung funkelten. Ihm war noch nie aufgefallen, dass Thranduils Augen so lebhaft waren und dadurch wirklich atemberaubend sein konnten.

Thranduil nickte nur und ging dann durch die Nebentür des Zimmers in die Kammer von Nestahir. Der Heiler saß in einem großen Sessel, die Augen leicht trüb und distanziert. " Nestahir?", fragte Thranduil und wartete, bis der andere Elb erwachte. "Was wünscht Ihr, mein König?", fragte er schließlich. "Herr Elrond ist erwacht. Er benötigt etwas gegen die Kopfschmerzen", antwortete Thranduil und ging dann wieder zurück in das Zimmer des Patienten. "Ihr werdet gleich etwas bekommen", sagte er Elrond. "Benötigt Ihr sonst noch etwas?"

Etwas wackelig setze Elrond sich auf. Er wusste nicht, was er sagen würde, bevor die Worte seinen Mund verlassen hatten: "Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich Euch bitten, mir ein wenig Gesellschaft zu leisten." Verwundert über sich selbst blickte er Thranduil an.

Dieser wusste zunächst nicht, wie er reagieren sollte. Noch einige Stunden zuvor hatte Elrond selbst seine Hilfe angeboten, und Thranduil hatte sie ausgeschlagen, und nun schien der Herr von Bruchtal von seiner kleinen Verletzung noch ein wenig mitgenommen und bat selbst um seinen Beistand oder vielmehr seine Gesellschaft. In einer solchen Situation die Gesellschaft eines Freundes zu erbitten, war verständlich, doch waren Elrond und er alles Andere, als Freunde, und das sollte auch dem Halbelben bewusst sein. Außerdem war Thranduil kein Hofnarr, der dazu da war, andere Leute zu unterhalten. "Nun, ich werde ein Weilchen bleiben, wenn Ihr es wünscht", sagte er höflich und nahm dann auf einem Stuhl neben dem Bett Platz.

Inzwischen hatte der Heiler den Kräutersud gebracht, und Elrond verzog angewidert das Gesicht, als er die bittere Flüssigkeit trank. Auch entging ihm Thranduils erheitertes Lächeln nicht.

"Danke."

Seufzend lehnte er sich zurück und betastete seinen Hinterkopf, der dick eingebunden war. Er hatte sich wohl eine Verletzung zugezogen.

"Verzeiht, Thranduil, wenn ich Euch Umstände bereite, dies war sicherlich nicht meine Absicht. Und sollte ich jetzt etwas weniger Sinnvolles von mir geben, verzeiht auch Dies, ich fühle mich noch immer nicht gänzlich klar." Auch seine grauen Augen waren noch trüb.

Nestahir verschwand auf ein Nicken von Thranduil hin wieder in seinem Gemach und ließ den König mit dem Patienten allein. "Nun, ich werde es einfach ignorieren, solltet Ihr Solches von Euch geben." Er runzelte die Stirn. "Doch ich muss zugeben, es verwundert mich etwas, dass dieser Aufprall Euch so schwer zu schaffen macht."

"Wahrscheinlich bin ich nur falsch aufgekommen und habe mir den Kopf gestoßen. Glorfindel hatte Erestor einmal so umgerannt, dass dieser sich mehrere Tage nicht bewegen konnte, weil er sich den Kopf gestoßen hatte. Aber immerhin hatte es den Vorteil, dass die Beiden sich näher kamen. Vorher konnten sie sich kaum gleichzeitig in einem Zimmer aufhalten, ohne einander anzugiften." Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich daran erinnerte, wie es dazu gekommen war, dass seine beiden Berater zueinander gefunden hatten.

Elrond musste wirklich wirres Zeug reden, dachte sich Thranduil, als er den Worten des dunkelhaarigen Elben lauschte. Sobald seine Sinne wieder vollständig hergestellt waren, würde er sich sicherlich darüber ärgern, was er gesagt hatte, doch hatte Thranduil nicht vor, ihn zu unterbrechen. Immerhin war es amüsant. "Näher kamen, sagt ihr?", fragte er herausfordernd.

"Ja, seitdem sind sie kaum noch auseinander zu bekommen. Nur leider ist es immer wieder störend, wenn man nicht in seine eigene Bibliothek kann, da zumindest ich meine Berater nicht in Verlegenheit bringen will, nur weil ich abends beschließe, noch etwas zu arbeiten."

Seufzend schüttelte Elrond den Kopf, es war wirklich manchmal sehr anstrengend, "Aber noch schlimmer ist es mit dem öffentlichen Bad, wir sind die einzigen Drei, die morgens kurz nach Sonnenaufgang die Baderäume aufsuchen. Man könnte fast neidisch werden."

Thranduil war sich nun ganz sicher, dass die Kopfverletzung doch mehr Schaden angerichtet hatte, als zunächst vermutet. In Situationen wie diesen kam wohl sein menschliches Blut zum Vorschein, doch wollte Thranduil nur all zu gerne mehr hören, auch wenn es ihm schwer fiel, sein Lachen noch länger zu verbergen. Der Besuch hatte wohl doch etwas Gutes gehabt. "Neidisch auf was genau?", fragte er unschuldig.

"Auf ihre Gemeinsamkeit, worauf denn sonst?" Elrond war nun ernsthaft verwirrt. Für ihn war es offensichtlich, was er meinte, aber da Thranduil ihn immer noch fragend musterte, versuchte er es zu erklären: "Wisst Ihr, nachdem Celebrian gen Westen segelte, hatte ich niemanden mehr an meiner Seite. Und es ist schon einsam so. Und natürlich auch auf Glorfindels Einfallsreichtum. Obwohl es durchaus störend sein kann, wenn man abends noch einen Spaziergang durch die Gärten machen möchte und über zwei ineinander verschlungene Elben stolpert, im wahrsten Sinne des Wortes."

"Ineinander verschlungen?" Thranduil war nun wirklich kurz davor, in lautes Gelächter auszubrechen. Er fürchtete schon den Tag, an dem Elrond wieder bei Sinnen sein und sich an dieses Gespräch erinnern würde, doch so lange es andauerte, wollte er es genießen. "Und ja, ich kann mir vorstellen, dass das störend ist. Was denken sich die Beiden eigentlich dabei?"

"Oh, ich bezweifle, dass sie in diesem Moment viel gedacht haben, aber immerhin haben sie mir freundlicherweise wieder aufgeholfen, als ich mich irgendwie in einem Busch verheddert hatte, um nicht auf sie zu fallen." Elrond konnte nur den Kopf schütteln. Leider war ihm Solches des Öfteren passiert, und Glorfindel hatte die unangenehme Angewohnheit, ihn immer damit zu necken. "Aber wenigstens ist das Erestor genauso unangenehm, wie mir, erst recht beim Essen."

Das wurde ja immer besser. Doch lange konnte Thranduil seine Beherrschung nicht mehr aufrechterhalten. "Erst recht beim Essen?", wiederholte er. "Weshalb denn das?"

"Hatte ich nicht gesagt, dass Glorfindel mich immer damit aufzieht, dass ich mehrfach über sie gestolpert bin?" Seltsamerweise begann Thranduil gerade, vor ihm zu verschwimmen und sich zu verdoppeln. "Thranduil, was tut Ihr?"

"Was tu ich?", er verstand nicht ganz, als Elrond ihn plötzlich aus ganz glasigen Augen anblickte und leicht mit dem Kopf zu schwanken begann.

"Du verdoppelst dich gerade." Er wusste nicht mehr, was er tun sollte, als sich plötzlich Alles anfing, zu drehen "Oh Eru, Thranduil, hilf mir, halt das an."

"Ich was?" Er konnte kaum noch ein Kichern unterdrücken, als Elrond sich plötzlich den Schädel hielt und dabei leicht hin und her schwankte. Es musste ihm wirklich schlecht gehen, denn er hatte nun gänzlich seine Manieren vergessen und Thranduil mit 'du' angeredet, obwohl es einst eine Zeit gegeben hatte, in der dies für Beide gewöhnlich gewesen war.

"Du verdoppelst dich gerade, oh verdammt, warum muss sich das Zimmer drehen. Was hast du gemacht? Hast du hier irgendetwas verhext? Oh nein, ich muss..." Flehentlich betrachtete er den blonden Elbenherrn, er hoffte, Thranduil würde verstehen, denn noch einmal den Mund zu öffnen würde in einer übel riechenden Katastrophe enden.

Bis eben war Thranduil noch belustigt gewesen, doch nun schien es Elrond wirklich schlecht zu gehen. "Nestahir!", rief er laut, ohne jedoch den Blick von dem Halbelben zu wenden. "Elrond? Geht es dir gut?"

Elrond lief in der Zwischenzeit grünlich an und konnte nur noch verzweifelt den Kopf schütteln, als er spürte, wie das Abendessen sich erneut den Weg in seinen Mund bahnte. Völlig machtlos dagegen, konnte er nur noch hoffen, dass er Thranduil nicht zu sehr traf.

Schneller als Thranduil reagieren konnte, hatte Elrond sich nach vorne gebeugt und in einem Anfall von Übelkeit seine Gewänder vom Schoße bis zum Saum beschmutzt. Aufspringen und flüchten brachte nichts mehr, und so stand Thranduil nur langsam auf und begutachtete das Ausmaß der Zerstörung mit einem angeekelten Gesichtsausdruck. In diesem Moment war der Heiler endlich wieder zu ihnen gestoßen, blieb jedoch einige Schritte vor dem Bett stehen, da er erkannte, dass es für jede Hilfe zu spät war. Er eilte dann zu einem Tisch, um ein paar Tücher herbei zu bringen, mit denen er den gröbsten Anteil von Thranduils Gewand und dem Boden wischte.

Unfokussiert blickte Elrond zu Thranduil. "Tut mir leid. Wollte das nicht", er spürte, wie sein Kopf schon wieder begann, sich zu drehen. "Eimer, schnell."

Eru sei Dank konnte Nestahir schnell genug reagieren, während Thranduil immer noch wie angewurzelt am Flecke stand. "Ich werde mich um Herrn Elrond kümmern, mein König", sagte der Heiler und bedeutete ihm, zu gehen. Thranduil nickte und verließ dann das Gemach. Er schüttelte den Kopf und ging in Richtung seiner Räume. Er brauchte dringend neue Kleider und ein Bad. Nach Elrond würde er morgen wieder sehen, wenn es ihm hoffentlich wieder besser ging.

X.X.X.X.X

Huhu ihr Stillen Leser, wenn ihr schon nicht zu meiner, mir sehr am Herzen liegenden Ficlet-Reihe (Zerbrochen… endlich auch der fünfte Teil fertig) reviewt, dann doch wenigstens hier… wisst ihr eigentlich, wie sehr es mich traurig stimmt, dass ich auf das fünfte Ficlet noch NIRGENDWO ein Review bekommen habe… kein eines (ist es wirklich so grottenschlecht???)… seid so gut, und meldet euch dann wenigstens hier…

Narwain: danke für dein Review, fühl dich in den Boden geknuffelt. Jaja, der liebe Elrond, er hat unter mir ganz schön zu leiden (ich übernehme seinen Part in dieser FF… oki, bei die, die wir lieben eigentlich auch fast immer…). Ich hoffe, dir hat dieses Kapitel beim lesen genauso viel Spaß gemacht, wie uns beim schreiben.

Galu: Danke für dein Review, süße. Fühl dich zerwuschelt ;). Dich überzeugen… hmmm… ich werde einfach nach und nach die nächsten Kapitel posten… aber langsam… es dauert immer, bis ich ein passendes Sprichwort / Redewendung gefunden habe… seufz.