Kapitel 6: Gute Nachrichten schleppen sich mühsam voran, aber schlechte Nachrichten haben Flügel.

Ein warmes Feuer prasselte fröhlich im Kamin vor sich hin, und Elrond lächelte still in sich hinein, während er über seinen nächsten Zug nachdachte. Er schien im Moment die bessere Stellung zu haben, als Thranduil, und er war sich sicher, ihn bald zu besiegen. Schwarz war schon immer seine Glücksfarbe beim Schach gewesen. Die letzten drei Tage über waren sich die beiden Elbenfürsten näher gekommen, und nun saßen sie gemütlich in Thranduils Arbeitszimmer über einer Partie eben jenen Spieles. Elrond hätte nie gedacht, dass er wirklich sein Verhältnis zu Thranduil würde verbessern können, aber sein kleiner Unfall schien Wunder gewirkt zu haben. Unaufmerksam verlor er sich in seinen Überlegungen, und so kam es, dass Thranduil ihn nun doch würde besiegen können, als es an der Tür klopfte.

Er hatte sich bemüht, herauszufinden, was Thranduil bedrückte, was ihm Probleme bereitete, doch dieser war jeder vorsichtigen Andeutung in diese Richtung geschickt entgangen, oder hatte sie schlichtweg überhört.

Thranduil hatte soeben einen taktisch klugen Zug vollendet, der ihm seinen Sieg sicherte. Er musste sich beherrschen, nicht vor Schadenfreude aufzulachen, doch lag bestimmt ein fröhliches Lächeln auf seinen Zügen, als er plötzlich das Klopfen vernahm. "Herein", sagte er und blickte zur Tür, die sich nun öffnete.

Ein in Grau und Schwarz gekleideter Elb betrat den Raum. Er verbeugte sich kurz vor Thranduil und wandte nach einem Gruß sich Elrond zu, der sich bereits alarmiert aufgesetzt hatte, als er die Farben des Gewandes als die seiner Botschafter erkannt hatte. "Mein Herr, Eure Söhne schickten mich, Euch diese beiden Briefe auszuhändigen." Knapp überreichte er zwei Umschläge und verließ den Raum, als Elrond es ihm signalisierte.

Thranduil schaute zu Elrond herüber, während er die beiden Umschläge in seinen Händen hielt. Er hoffte, dass es keine schlechten Nachrichten seien, die so dringlich waren, dass sie nicht bis auf Elronds Rückkehr warten konnten.

Erstaunt, nervös, aber auch ein wenig neugierig öffnete Elrond den ersten der beiden Briefe, er war von Elladan, und er versicherte darin nur, dass Haldir gut angekommen und bereits zwei Tage später mit Legolas auf dem Rückweg gewesen war. Auch ansonsten schrieb sein Sohn nur, dass in Bruchtal alles glatt lief, bis auf das Eintreffen des anderen Briefes, den sie ihm lieber hinterhergeschickt hatten. Langsam untersuchte er den Anderen. Er trug das Siegel Sarumans.

„Eine Nachricht vom Weißen Rat?", murmelte er, "Was könnten sie wollen?" Nun doch hastig zerbrach er das Siegel und begann zu lesen.

Thranduil beugte sich ungewollt ein wenig vor, als er Elronds Worte vernommen hatte. "Vom Weißen Rat?" Erschrecken spiegelte sich auf seinen Zügen. Er hoffte, dass es keine schlechten Neuigkeiten gab, die die dunkle Bedrohung aus dem Süden betrafen. Doch wenn der Weiße Rat sich schon damit beschäftigte, konnte es keine Nichtigkeit sein. Nervös biss er sich auf die Unterlippe, während er Elronds Züge studierte, um aus ihnen zu lesen, welcher Art der Brief war.

Erstaunt las Elrond den Brief, und plötzlich setzte sich das Puzzle zusammen. Endlich verstand er, was Thranduil so bedrückte. Mit großen Augen blickte er ihn an. "Ich denke, Ihr werdet demnächst auch eine Einladung zu einem Treffen erhalten." Mehr wusste er einfach nicht zu sagen, erst einmal versuchte er, das Chaos in seinem Kopf zu ordnen.

"Was... Was steht in dem Brief?", fragte Thranduil fast verzweifelt. Nun war es endgültig zu spät, irgendetwas vor Elrond zu verbergen, denn sicherlich fügten sich nun die Bruchstücke in seinem Geiste zusammen, und er musste die Zusammenhänge erkannt haben.

Elrond holte tief Luft, er wusste, dies würde jetzt nicht einfach werden, aber er hoffte, dass wenigstens nicht alle Fortschritte der letzten Tage vergebens gewesen waren. "Es ist eine Bitte, ich soll innerhalb der nächsten Zeit nach Lothlorien reisen, um mich dort mit Galadriel und Euch zu treffen, es geht um Dol Guldur."

Thranduil schloss die Augen und atmete tief ein. "Ja", sagte er nur leise. "Dann wisst Ihr es nun."

Er wollte aufspringen, den Elbenkönig anschreien, warum er nichts gesagt hatte, warum er nicht um Hilfe gebeten hatte. Aber Elrond konnte nicht, wie festgewurzelt saß er auf dem Stuhl und blickte auf Thranduils müdes und vor Sorge eingefallenes Gesicht. "Ihr habt die letzen Wochen nicht viel gegessen, oder? Verdammt Thranduil...", er konnte den stolzen Elbenkönig nur bittend ansehen.

Doch Thranduil schloss die Augen nur fester, um nicht in Elronds wütendes Gesicht blicken zu müssen. Vielleicht war es wirklich töricht gewesen, nichts zu sagen, doch er hatte nicht um Hilfe flehen wollen, erst recht nicht Elrond. Und doch hatten sie sich in den letzten Tagen gut verstanden. Er hätte sich ihm anvertrauen sollen, doch war er dazu nicht in der Lage gewesen. Thranduil blickte stumm zu Boden, nicht fähig, die richtigen Worte zu finden.

"Ich kann Euch verstehen, ich hätte an Eurer Stelle auch nicht um Hilfe bitten wollen." Zaghaft war Elrond nun aufgestanden und legte eine Hand auf Thranduils Schulter. Sein Herz tat ihm weh, den blonden Elben so zu sehen. Er wünschte, irgendetwas tun oder sagen zu können. "Wir werden nun einen Weg finden. Aber wenn ich ehrlich sein soll, ich bin froh, dass Euer Sohn diesen Brief gefälscht hat. Ihr könnt verdammt stolz auf ihn sein."

Ein Seufzen entkam Thranduils Kehle. "Vielleicht habt Ihr Recht, und ich habe in meinem Stolz nicht die Weisheit meines Sohnes erkennen wollen." Er schaute nun zu Elrond auf und war dankbar, dass der Halbelb ihm Verständnis entgegen brachte. "Ich frage mich, ist Legolas noch in Bruchtal? Ich sorge mich auch um sein Wohlergehen in diesen schlimmen Zeiten."

Elrond schüttelte den Kopf. "Nein, kurz nachdem ich Bruchtal verließ und Galadriels Botschafter dort ankam, ist er mit ihm nach Lothlorien gegangen, ich denke, wir werden ihn dort treffen. Ich hoffe, Ihr begleitet mich dorthin."

Auf Thranduils Nicken hin lächelte Elrond, doch den fragenden Ausdruck, der kurze Zeit später die stolzen Züge zeichnete, verstand er nicht: "Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass es sich bei dem Botschafter um Galadriels Hauptmann Haldir handelte, und deswegen wunderte es mich auch nicht, dass Legolas in Bruchtal bleiben wollte."

Doch Thranduil runzelte nur die Stirn. "Wie meint Ihr?"

Ohne tiefer darüber nachzudenken, antwortete Elrond: "Hättet ihr Euch denn nicht gewundert an meiner Stelle, wenn Legolas einfach so in Bruchtal geblieben wäre? Wahrscheinlich schon, aber da ich wusste, dass er seinen Liebhaber erwartete, kam es mir nicht im Geringsten seltsam vor."

Thranduils Augen weiteten sich, als er Elronds Worte vernahm. Er schüttelte verwirrt den Kopf und rief sich die Aussage von eben nochmals ins Gedächtnis. "Seinen.... Liebhaber?", fragte er schließlich entrüstet. Zwar hob er die Stimme, doch brach sie heiser.

Erst verstand Elrond nicht, was dieser Ausbruch sollte, als jedoch die Erkenntnis langsam in seinen Geist drang, erbleichte er doch merklich. "Ihr... Ihr wusstet es nicht? Aber wie hat er das vor Euch so lange geheim halten können?" Elrond biss sich auf die Lippe, zu geschockt, um noch etwas sagen zu können, was hatte er nur angerichtet? Warum war er davon ausgegangen, dass Legolas zu seinem Vater genauso offen war, wie seine Söhne zu ihm? Er hatte von allen ihren Liebschaften gewusst, sie hatten ihm immer davon erzählt, sogar Arwen hatte sich ihm in dieser Weise anvertraut, aber erst nachdem Celebrian gen Westen gesegelt war, vorher hatte sie immer mit ihr darüber gesprochen. Er verstand nicht, wieso man seinem Vater nicht alles erzählen konnte.

Wut machte sich in Thranduil breit. "Nein, ich habe nicht davon gewusst", stieß er aus und erhob sich von seinem Platz, um nervös und aufgebracht in dem Gemach auf und ab zu laufen. "Und wie kommt es überhaupt, dass IHR davon wisst? Wie kann es sein, dass ihr besser über das Leben meines Sohnes Bescheid wisst, als ich selbst?" Und wie konnte es sein, dass Legolas sich ihm nicht anvertraut hatte? Und warum ausgerechnet musste er sich einen Mann erwählen und nicht eine Frau, die Thranduil Enkelkinder schenken könnte?

Elrond konnte den tobenden Elbenfürsten gut verstehen, er würde an seiner Stelle ähnlich reagieren, und das sagte er auch: "Thranduil, ich kann Euch verstehen, ich würde auch nicht anders reagieren an Eurer Stelle. Woher ich es weiß? Arwen erzählte es mir, als sie von einem Besuch aus Lorien zurückkehrte, und Legolas sich zeitgleich mit ihr dort aufgehalten hatte." Er konnte nur die Schultern zucken.

„So wie sie es mir erzählte, war es wohl in Lothlorien offensichtlich gewesen. Es schien mir kein Geheimnis."

Thranduil hörte Elronds Worten kaum zu, denn der Zorn hatte sich bereits über sein Gemüt gelegt, wie eine bedrohliche Gewitterwolke. Wusste denn jeder in Mittelerde besser über sein eigenes Kind Bescheid, als er? "Nun, wie es aussieht, war es mir ein Geheimnis, aber Ihr wisst ja mal wieder über alles bestens Bescheid. Ihr habt ja immer Eure Finger überall drin!", schnaubte er wütend, als könnte er Elrond dafür verantwortlich machen, dass sein Sohn ihm aus irgendeinem Grund heraus nicht genug vertraute, um ihn von seiner Liebschaft zu unterrichten.

Elrond blinzelte kurz, hatte er das eben richtig verstanden? Gab Thranduil ihm gerade für etwas die Schuld, womit er nie etwas zu tun gehabt hatte? "Wie kommt Ihr nur auf diese absurde Idee? Wie könnt Ihr Euch erdreisten, so etwas zu sagen." Nun war es auch Elrond zuviel, die letzen Tage hatte er sich blamiert und alles getan, um wenigstens ein wenig zu dem Blonden durchzukommen, und nun das. Er musste tief einatmen, um nicht aus Frustration loszubrüllen.

"Erdreisten?", fragte Thranduil sarkastisch lachend, doch bald schon wurde seine Stimme lauter. "Erdreisten?", schrie er nun. "Ich erdreiste mich? Ich glaube, Ihr vergesst Euch. Als ich das letzte Mal nachfragte, war ICH König von Düsterwald und nicht Ihr. Und sowieso erdreistet IHR Euch, mir solche Neuigkeiten aufzutischen und Euch so souverän zu geben, nur um mich mal wieder zu verspotten, weil mein Sohn nicht mal genügend Anstand besitzt, mir so etwas zu erzählen statt irgend jemand anderem."

In Elrond wuchs die Erkenntnis, dass Thranduil einfach nur verletzt davon war, dass sein Sohn ihm nicht vertraut hatte, doch er weigerte sich, dies anzuerkennen, er hatte einfach genug davon, vor Thranduil zu Kreuze zu kriechen. "Was heißt hier verspotten? Wer hat sich denn hier zum Narren gemacht, weil der Andere zu stolz und stur war, um Hilfe zu bitten? Und wer hat gesagt, ich hätte irgendein Interesse an diesem Königreich? Immerhin wurde es von Eurem Vater erbaut, und dabei kann ja nichts herauskommen!" Wütend funkelte Elrond Thranduil an.

Das Blut schien hinter Thranduils Schläfen zu kochen, als er die Worte Elronds vernahm. Kurz zwang er sich zu Beherrschung, und leise, fast nur flüsternd, sprach er: „Wie könnt Ihr es wagen?" Doch dann flutete der Zorn über ihn wie eine gewaltige Flutwelle, und seine Stimme erhob sich zu einem wütenden Schreien. „Wie könnt IHR es wagen, so über meinen Vater zu sprechen? Während er in EUREM Krieg fiel, habt Ihr Euch mit Eurem Liebhaber vergnügt und tatenlos zugesehen, wie mein Volk ins Verderben rannte. Ihr seid es nicht mal würdig, Euren Titel zu tragen, geschweige denn den Ring, den Ihr an Eurer gierigen Hand tragt. Mein Reich hätte ihn bekommen sollen. ICH hätte ihn bekommen sollen. Und nun kommt Ihr her mit all Eurer selbstsicheren Erhabenheit und Eurem Stolz und WAGT es, das Andenken meines Vaters zu beschmutzen?"

Er wollte nicht glauben, was er hörte, wollte es nicht wahrhaben. Bleich vor Wut und mit belegter Stimme war seine Antwort gefährlich ruhig: "Ich weiß ja nicht, wie blind ihr seid, aber falls es Euch entgangen ist, ist Euer starrsinniger Vater ohne Signal und Absprache losgestürmt. Ereinion hatte damit NICHTS zutun. Euer Vater war selbst daran Schuld. Und was meine Beziehung zu Ereinion angeht, bin ich Euch sicherlich keine Rechtfertigung schuldig. Ihr seid nicht Bewahrer meines Gewissens. Und wart es auch nicht Ereinion gegenüber, somit war es SEINE Entscheidung, wem er den Ring übergab. Einem verräterischen Sinda oder seinem treuen Herold." Schwer ging sein Atem, und er musste an sich halten, Thranduil keine schallende Ohrfeige zu geben.

Thranduil schloss die Augen und ballte seine Hände zu Fäusten. Würde er nun seine Lippen öffnen und den wutentbrannten Gedanken, die seinen Geist einnahmen, Luft machen, wäre er nicht mehr in der Lage, für sein oder Elronds Wohlergehen zu garantieren. Er nahm all seine Energie zusammen und stürmte dann an Elrond vorbei aus dem Zimmer, nicht ohne den Elbenfürsten heftig an der Schulter zu streifen, und teilweise war dies auch Absicht gewesen. Der Wunsch, Elronds hochmütiges Gesicht Bekanntschaft mit seinen Fäusten schließen zu lassen, war beinahe unerträglich, und so lief er schnellen Schrittes den Gang entlang, bis er sein Schlafgemach erreichte und die Tür mit einem lauten Knallen ins Schloss fallen ließ. Erst dann atmete er tief ein und aus und versuchte, sich wieder zu beruhigen, um seine Wut nicht an irgendwelchen Möbelstücken auszulassen. Wie in Erus Namen hatte dieser Streit nur so weit kommen können, und warum konnte Elrond nur so arrogant sein und ihm so sehr seine scheinbare Erhabenheit demonstrieren wollen? Resignierend ließ sich Thranduil auf sein Bett fallen und schloss fest die Augen, um das Bild von Elronds Gesichtsausdruck aus seinem Geiste zu verbannen.

Erleichtert atmete Elrond aus, als Thranduil an ihm vorbeigestürmt war, und er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Er hatte den Streit nicht so weit kommen lassen wollen, aber irgendwo war es ihm zuviel geworden. Nie hatte er verstanden, warum Thranduil so eine Aversion gegen ihn gehegt hatte, aber jetzt glaubte er sich ein wenig näher an des Rätsels Lösung. Seine Wut war in der Zwischenzeit verraucht, und er fühlte sich nur noch müde und ausgelaugt. Nun waren sie wohl wieder auf Feld eins, aber diesmal würde er nicht alles daran setzen, das Verhältnis zu verbessern. Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg zu seinem Zimmer, in der Erwartung, Thranduil erst wieder bei ihrer Abreise nach Lothlorien zu begegnen.

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Galu: Danke für dein Review ;). Dann fühl dich jetzt mal wieder geknuddelt ;). Die beiden sollen sich also näher kommen… nunja… öhm… gut… wie du siehst, sie sind beide Hitzköpfe… Und ja, den Anblick des badenden Thranduil, den hätte ich auch sehr gerne genossen ;).

Narwain: Danke für dein Review ;), fühl dich geknuddelt. Bei mir weiß man nie... jop ;). Aber eigentlich hätte es doch klar sein müssen, dass ich die beiden nicht sooo schnell zusammenbringe… also wirklich, hey, da ist einiges ziemlich besch… gelaufen in der Vergangenheit… Das sollen die beiden Sturköpfe endlich mal klären… Naja, wenigstens sind sie nicht mit einander verwandt…

Gwillith: Danke für dein Review ;). Fühl dich mit den anderen beiden geknuffelt ;). Alsooo, da bahnt sich etwas an? Oki, wenn ihr alle das sagt ;).