Kapitel 7: Vom Regen in die Traufe
Seufzend blickte Elrond hinaus in den Regen und zog die Kapuze seines Mantels tiefer in sein scharf geschnittenes Gesicht. Diese Reise würde bestimmt nicht angenehm werden. Erst recht nicht in Thranduils Gesellschaft, doch wurde von ihnen beiden erwartet, dass sie gemeinsam mittig ritten, um ihre Sicherheit leichter gewährleisten zu können.
Noch einmal seufzte der Halbelb tief und schwang sich dann auf den Apfelschimmel, den er auch auf dem Weg in den Düsterwald geritten hatte. Ein sanfter Druck mit seinen Schenkeln, und das Pferd nahm seinen Platz neben dem Fuchs des blonden Königs ein. Es war merkwürdig für ihn, neben dem Elben zu reiten, mit dem er in den letzten Tagen kein Wort gewechselt hatte. Er wünschte, er hätte diesen Streit nicht so eskalieren lassen, denn es hatte das Verhältnis zwischen ihnen wieder auf das erste Feld zurückgesetzt. Doch derzeit konnte und wollte er nicht noch einmal zu Kreuze kriechen.
„Seid gegrüßt, Thranduil", sprach der Herr des Letzen Heimeligen Hauses kühl und richtete den Blick nach vorne, darauf wartend, dass sie sich endlich in Bewegung setzen würden.
Thranduil sah nicht zu dem Halbelben hinüber, denn er wusste, dass auch Elrond ihn nicht ansah. Noch immer war er keineswegs davon überzeugt, diese Reise könnte auch nur annähernd angenehm für Einen von ihnen werden. Es war ihm zuwider, am liebsten wäre er sofort davon galoppiert und hätte den Herrn Bruchtals alleine zurück gelassen. Sein Pferd tänzelte bereits unruhig unter ihm, und er spürte, dass es den braunen Wallach ebenso zum Aufbruch drängte wie ihn selbst. Mit eisiger Stimme durchschnitt er die Stille: "Wir brechen auf!" Eine kurze Verstärkung des Drucks seiner Schenkel an den Seiten des Pferdes genügte und schon ritt er los.
Frustriert trieb nun auch Elrond seinem Pferd die Fersen in die Flanken, woraufhin es erschrocken einen Satz nach vorne machte.
„Verzeih, mein Freund", raunte er dem Tier zu und schloss dann missmutig zu dem blonden König auf, der ihn keines Blickes würdigte.
„Wenigstens an die elementaren Höflichkeitsregeln könntet Ihr Euch halten, um uns beiden die Reise so angenehm wie möglich zu machen", zischte er, und war selbst erstaunt über die Schärfe in seiner Stimme.
Empörung stieg im König des Waldlandreiches auf.
"Es war nie mein Wunsch, diese Reise mit Euch zu begehen. Es steht Euch jederzeit frei, ohne mich weiter zu reiten."
Wenn es Elrond so sehr zusetzte, neben Thranduil zu reiten, dann sollte er doch zusehen, wo er blieb. Thranduil würde sich nicht um ihn kümmern.
Nur kurz flackerten seine Wut und sein Stolz auf, doch der dunkelhaarige Elb warf diese Emotionen gelassen nieder. Nie wieder würde er es zulassen, dass ein Streit so schnell und sinnlos eskalierte. Leider kannte er aber auch das Temperament und die Sturheit Thranduils. Wahrlich, dies versprach keine angenehme Reise zu werden.
„Vielleicht solltet Ihr einmal darüber nachdenken, weswegen diese Fahrt unternommen wird. Nicht mein Reich ist es, welches in Gefahr schwebt." Mühsam beherrschte er seine Stimme und verlieh ihr einen leichten, fast beiläufigen klang.
Fast hätte der Blonde nach Luft geschnappt, doch im letzten Moment gelang es ihm, Herr seiner Gefühle zu werden. Spielte Elrond sich etwa gerade als großzügiger Helfer auf?
"Mein Dank für Eure Gnade wird Euch von nun an auf ewig anhaften."
In seiner Stimme schwang ein sarkastischer Unterton mit, den er sich nicht verkneifen konnte. Schon gleich darauf beschlich ihn ein schlechtes Gewissen, als er an das Versprechen dachte, welches ihm seine Töchter abgenommen hatten.
Kurz überlegte Elrond, ob er nicht einfach Thranduil erdrosseln sollte, doch ein kurzer Blick auf die anwesende Leibgarde belehrte ihn schnell eines Besseren. Wieso nur war der Umgang mit dem blonden König immer so schwierig?
„Thranduil, ich möchte nicht mit Euch streiten, ich möchte Euch nur bitten, uns diese Reise so leicht wie möglich zu machen, denn Ihr wisst genau wie ich, was von uns beiden erwartet wird." Innerlich hoffte Elrond, dass der Herr der Düsterwaldelben auf diesen Vorschlag einging, und sie sich beide nicht die Blöße gaben, sich schon zu Beginn ihrer Fahrt zu streiten.
Auch wenn es ihm schwer fiel, so wusste Thranduil doch, dass der Herr des Letzten Heimeligen Hauses Recht hatte mit dem, was er sagte. Der König wusste, dass es keinem etwas bringen würde, wenn sie sich stritten, und das schon so kurz nach dem Aufbruch. Gedanklich seufzte er auf.
"In der Tat, wir sollten uns bemühen, diese Reise so angenehm zu gestalten, wie es uns möglich ist."
Nun hatte er diesem besserwisserischen Halbelben auch noch Recht gegeben. Thranduil verstand sich selbst nicht mehr, suchte für sich selbst die Ausrede in dem Versprechen, das er seinen Zwillingen gegeben hatte.
Nur ein schwaches Lächeln huschte über die Züge des Herrn Bruchtals, als er Thranduils Einverständnis vernahm. Es hoffte, dass sich irgendwann während dieser Reise eine Gelegenheit bieten würde, sich länger mit dem König des Düsterwaldes zu unterhalten. Doch würde er dies nur unter vier Augen tun, und er wusste nicht, ob er die Chance dazu haben würde. Die Bedrohung durch Dol Guldur war jedoch zu groß, um sie einfach zu ignorieren oder ihren Standpunkt durch einen Zwist zu schwächen.
„Ich danke Euch, Thranduil", erklärte Elrond leise durch den prasselnden Regen. So leise, dass es nur der blonde Elb, welcher an seiner Seite ritt, vernehmen konnte.
Obwohl oder gerade weil die Worte so leise gesprochen waren, dass nur Thranduil sie hörte, gaben sie ihm ein Gefühl der plötzlichen Verbundenheit. Schneller als diese Gedanken sich in sein Bewusstsein geschlichen hatten, hatte er sie auch schon wieder verworfen. Eines Tages vielleicht würde der Moment kommen, in dem sie sich unterhalten und alles klären würden, was zwischen ihnen vorgefallen war. Doch dieser Tag war nicht heute, dieser Moment war nicht jetzt. Und so trieb er nur sein Pferd an, nicht stehen zu bleiben.
Schweigend ritten sie noch viele Stunden, bis sie endlich beschlossen, im aufgeweichten Morast eine Pause einzulegen und das Nachtlager aufzuschlagen.
Schwungvoll ließ Elrond sich aus dem Sattel gleiten und zuckte ein wenig unter dem Geräusch zusammen, das seine Stiefel verursachten, als sie auf den Schlamm auftrafen. Es würde eine sehr unbequeme Nacht werden, soviel stand fest. Warum hatte es nur nicht aufgehört zu regnen? Nicht, dass er Regen nicht mochte, doch was zuviel war, war zuviel.
Mürrisch kniete er sich an das kleine Lagerfeuer, das die Wachen innerhalb kürzester Zeit entzündet hatten, und starrte nachdenklich in die Flammen.
Thranduil saß ein ganzes Stück vom Herrn Bruchtals entfernt und schien gänzlich in Gedanken vertieft zu sein. Seine Kleider waren aufgeweicht, seine Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht, bis seine Hand sie von dort entfernte und nach hinten strich. Nie hatte er eine Abneigung gegen den Regen gehegt. Doch musste er ausgerechnet den Zeitraum ihrer Reise zu einem solchen Wolkenbruch nutzen?
Er sah nicht, wie sich Haltharon zu Elrond an das spärlich flackernde Feuer gesellte.
Haltharon hatte die beiden hohen Herren lange Stunden beobachtet, während seine scharfen Augen nach möglichen Feinden Ausschau hielten. Jeder von ihnen hatte das angespannte und merkwürdig steife Verhältnis zwischen Elrond und Thranduil bemerkt, doch keiner wagte es, sie darauf anzusprechen.
Zuerst bemerkte Elrond den Gardemeister Thranduils nicht, der neben ihn getreten war. Doch die ruhige Präsenz schlich sich in seine Gedanken, und er sah hoch in das verschlossene Gesicht Haltharons.
„Kann ich etwas für Euch tun?", fragte der Halbelb höflich und gebot dem anderen Elben, sich zu ihm zu knien oder auf einen nahe stehenden Baumstumpf zu setzen.
Haltharon dankte ihm mit einem Nicken für die Erlaubnis und ließ sich auf dem Baumstumpf nieder.
"Verzeiht mein Stören, Herr Elrond!" Kurz hielt er inne und versuchte, in seinem Kopf eine Formulierung für das zu finden, was er sagen wollte. "Herr Elrond, ich bin mir sicher, auch Ihr habt das merkwürdige Verhalten meines Königs zur Kenntnis genommen?"
Seufzend blickte Elrond auf den Elben, der nun neben ihm saß.
„Natürlich habe ich dies bemerkt, wieso fragt Ihr?" Noch wahrte er ein wenig Distanz, wollte erst herausfinden, wie der Andere zu der Situation stand. Doch insgeheim hoffte er, dass Haltharon ihm helfen konnte, diesen Zwist mit Thranduil beizulegen.
Dem Gardemeister feil die Distanz auf, die Elrond an den Tag legte, und er konnte sie durchaus nachvollziehen.
"Nun, verzeiht, falls ich irre, doch Ihr scheint mir der Auslöser für den Missmut des Königs zu sein." Sein Blick richtete sich gen Himmel, von wo der Regen unablässig auf sie herab prasselte. Dann wandte er sich wieder dem dunkelhaarigen Elben neben sich zu. "Der Regen macht uns die Reise nicht sonderlich angenehm, so sollten wir doch alle bemüht sein, zumindest Streitigkeiten zu vermeiden oder zu klären."
Elronds Augenbrauen zogen sich leicht verärgert zusammen, doch hielt er dem Mann zugute, dass dieser sich Sorgen um die Reise und um seinen König machte.
„Auch wenn es mir nicht sonderlich taktvoll erscheint, so angesprochen zu werden, werde ich Euch doch antworten. Nun, Euer König und ich hatten eine Meinungsverschiedenheit wegen einer Lappalie, und da wir uns schon seit dem Ende des zweiten Zeitalters nicht mehr verstehen, ist die Situation ein wenig eskaliert." Die Stimme des Halbelben hatte einen leicht frostigen Klang.
Haltharon war beschämt, Elrond verärgert zu haben, und von diesem als taktlos betitelt zu werden, doch achtete er peinlichst darauf, sich nichts anmerken zu lassen.
"Auch Ihr scheint mit der Situation unglücklich zu sein."
„Damit habt Ihr sicherlich Recht. Es gab eine Zeit, da nannte ich Euren König einen Freund, und um dieser Zeit Willen möchte ich ihm helfen. Doch weiß ich, dass ich ihm das nicht sagen kann, es würde nur alles verschlimmern. Wisst Ihr, als ich hierher ritt nur aufgrund der Nachricht, war ich mir nicht sicher, ob es richtig war, was ich tat. Jetzt bin ich eines Besseren belehrt worden, denn ich habe gemerkt, wie sehr ich die Freundschaft vermisse. Warum erzähle ich Euch dies überhaupt?", antwortete Elrond langsam und leise. Niemand sollte etwas von diesen Gedanken erfahren, und ein Teil von ihm wünschte sich sehnlichst, seine beiden Berater bei sich zu wissen.
Erstaunt über die plötzliche Offenheit brauchte Haltharon einen Moment, um sich wieder zu sammeln. Wäre der Herr Bruchtals ein Elb gewesen, den er als Freund bezeichnete, so hätte er ihm nun die Hand auf die Schulter gelegt.
Doch Elrond war nicht sein Freund, und es wäre eine unerhörte Geste gewesen.
"Vielleicht würde es alles einfacher machen, wenn Ihr und der König einmal so offen miteinander sprechen würdet, wie Ihr es gerade mit mir tatet. Thranduil ist kein König, der jemanden wegschickt, der die Versöhnung sucht. Zumindest lernte ich ihn bislang nicht so kennen."
Nun war es an Elrond, leicht den Kopf zu schütteln.
„So vieles gibt es, das zwischen uns liegt, soviel uraltes Misstrauen, Wut, Enttäuschung. Teilweise weiß ich weshalb, weiß, was es auslöste, doch glaube ich, nicht alle Gründe zu kennen", erklärte der Herr von Imladris leise und richtete den Blick wieder auf die Flammen. „Viel Unrecht geschah ihm damals vor fast dreitausend Jahren… Meint Ihr wirklich, dass der stolze, unbeugsame König so leicht den Tod von Zweidritteln seines Volkes verzeiht? Und einen Tod, der ihn in die Verantwortung zwang, die er nie wollte? Es war nicht nur der Streit um seinen Sohn, es liegt soviel tiefer, und ich weiß nicht, ob ich es ertrage, das alles noch einmal aufzuwühlen."
Beinahe entfuhr Halthraon ein leiser Seufzer. Wie in Gedanken starrte er auf einen Punkt vor sich und doch ins Leere. Seine Stimme war kaum ein Wispern.
"Wie wollt Ihr je klären, was geschah, wenn es Euch zur gleichen Zeit danach sehnt, es zu vergessen? Vergebung suchen und bekommen verlangt immer Opfer, von beiden Seiten. Seid Euch nicht so sicher, dass all dies spurlos an meinem König vorbei ging. Auch an ihm nagen die Erinnerungen, und auch er verspürt den unterdrückten Wunsch nach einer Aussprache mit Euch."
„Glaubt mir, wenn ich Euch sage, ich würde die Gelegenheit ergreifen, sollte sie sich mir bieten. Doch weiß ich nicht, wann dies geschehen wird", erwiderte der Herr Bruchtals langsam, während er sich erhob. Seine grauen Augen wanderten über das Lager, als einer der Wachen auf ihn zuschritt.
„Mein Herr, wir haben eine kleine Höhle fünfzig Schritt von hier entdeckt", gab der junge Elb bekannt – seine Augen leuchteten aufgrund der Erleichterung auf den Zügen des Halbleben.
„Hab Dank, Lendorion. Wärest du so freundlich, mich dorthin zu führen?"
Zügig folgte Elrond der jungen Wache.
Als Elrond gegangen war, saß der Gardemeister noch vor sich hinstarrend an seinem Platz. In ihm breitete sich der Gedanke aus, dass man den beiden stolzen Elben eine Gelegenheit geben sollte, denn von alleine würden sie wohl nie eine erschaffen. Er dachte an seinen König, dessen Vertrauter er war, und der ihm mit seinem unerschütterlichen Stolz so manche schlaflose Nacht bereitete.
Etwas gebückt, um nicht an die Decke zu stoßen, betrat Thranduil die kleine Höhle und sah sich darin um. Fürwahr kein gemütliches Heim, doch sicherlich gut genug für eine Rast. Gerade ärgerte er sich über sich selbst, noch einmal in den Regen treten zu müssen, um sein Bündel zu holen, da vermeinte er Stimmen zu hören.
Schon einige Schritte vom Eingang entfernt konnte Elrond die vertraute Gestalt Thranduils erkennen, was ihn dazu veranlasste, die Schultern zu straffen. Denn auch wenn er Haltharon angedeutet hatte, er würde eine Gelegenheit nutzen, so glaubte er nicht an eine solche.
„Wie ich sehe, bin ich nicht der Einzige, der sich nach einem trockenen Ort sehnt", sprach er kühl, als auch er die kleine Höhle betrat, sie aufmerksam musternd. Nicht mehr als mannshoch war die Decke, doch konnte bequem ein Dutzend Elben in ihr Unterschlupf finden. Sicherlich war es auf dem staubigen Boden nicht sonderlich bequem, aber wenigstens war es trocken.
Gerade wollte er sich erneut an Thranduil wenden, als die Erde zu beben begann.
X.X.X.X.
Tut uns ehrlich leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich hatte von der Uni her recht viel Stress.
Narwain: Danke für dein liebes Review. Fühl dich geknuddelt. Nur zur Info: Nur die Wahrheit verletzt steht in keinem Zusammenhang mit Die, die wir lieben ;). Und bei DDwL habe ich schon ewig nichts mehr von unserer beta gehört, das heißt, es kann noch dauern bis zum nächsten Kapitel… unfair so was!
Lord elo: Danke für dein Review. Nur zur Info, ich schreibe diese FF mit jemand anderem, d.h. ich kann nicht einfach weiter schreiben, nur weil ich in einer anderen FF Vorsprung habe… und ich hatte sehr viel für die Uni zu tun, dass auch schon ewig kein neues ddwl Kap mehr geschrieben wurde…
Seni: Danke für das Review... sorry, wegen der langen Wartezeit… ob und wie der Konflikt gelöst wird, werde ich noch nicht verraten ;).
Liderpin: Danke auch dir für das Review…
