Spoiler: die Geschichte passiert Mitte der 2.Staffel, bevor Angel zu Angelus geworden ist.
Inhalt: In Sunnydale taucht jemand auf, der Buffy eine andere Perspektive vermittelt.
Hauptcharakter(e)/Paar(e): Buffy , Giles , Gabriel
Disclaimer: I do not own the characters in this story, nor do I own any rights to the television show "Buffy the Vampire Slayer", "Highlander", "Cats'Eye" or to the RPG "Vampire: the Masquerade".
"Buffy the Vampire Slayer" was created by Joss Whedon and belongs to him, Mutant Enemy, Sandollar Television, Kuzui Enterprises, 20th Century Fox Television and the UPN Television Network.
"Highlander" was created by Gregory Whiden and belongs to him, Davis/Panzer Production Inc., Gaumont Television and Rysher Entertainment.
"Cat's Eye" was created by Tsukasa Houjou and belongs to him.
"Vampire the Masquerade" was created by Mark Rein-Hagen and belongs to him and to White Wolf Inc.
The Characters Gabriel and Sul Kiem were created by the Author and belong to him.
Kommentar: Ich habe diese Story aus mehreren Gründen geschrieben : Erstens wollte ich eine Crossover zu den "Highlander"- und "World of Darkness"- Universen schreiben, die beide unheimlich intensiv und großartig durchdacht sind und sich mit ein paar geringfügigen Änderungen fantastisch ergänzen. Zweitens wollte ich in dieser Fanfic auch eine gewisse Entwicklung bei Buffy und Giles fördern, die meiner Meinung nach in der Serie nicht ganz so gut rüberkommt, wie ich es mir wünschen würde.
Ich hoffe, ihr habt, trotz meines manchmal weitschweifigen und altmodischen Stils, Spaß an der Geschichte und da es meine Erste ist, ist Feedback sehr erwünscht.
Danksagung: Ich danke ganz besonders meinem Bruder für die (oft) sehr konstruktive Kritik und meinen Betareaderinnen Corinna und Fabienne.

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4. Lektion beendet

Eine halbe Stunde später hatten sie auf dem Friedhof eine Steinbank gefunden, die lang genug für Kiem war und Gabriel hatte die letzten zehn Minuten damit verbracht, den Körper sorgsam und minutiös aufzubahren. Er hatte sogar den Kopf so geschickt plaziert, daß man fast nicht mehr sah, daß Kiem enthauptet worden war.
Jetzt trat er zurück und überprüfte noch mal seine Arbeit.
"Wieso machst du dir den ganzen Streß?" fragte Buffy gereizt, da die Nacht langsam kühl wurde und sie nach Hause gehen wollte. Aber Gabriel ignorierte sie vollkommen und schloß die Augen, um sich zu konzentrieren.
Plötzlich bemerkte Buffy auf seiner Kleidung wieder kleine Blitze, die seine Arme entlang tanzten und machte vorsorglich ein paar Schritte zurück. Nur Augenblicke später entzündete sich Kiems Körper mit einem lauten Zischen selbst und fing an lichterloh zu brennen.
Buffy betrachtete mit weit aufgerissenen Augen einen Moment lang die hellen Flammen und sah dann wieder zurück zu Gabriel, der jetzt angefangen hatte, in einer Sprache zu singen, die an Spanisch erinnerte. Seine tiefe Stimme folgte ungefähr eine Minute lang den in gemächlichen Tempo gesungenen Noten und verstummte schließlich, als die Flammen herunterbrannten und von Kiems Körper nichts übrig ließen, als sich im Wind verstreuende Asche.
Buffy sah betäubt auf die steinerne Bank, an der nicht mehr das geringste Zeichen zu sehen war und fragte sich, was da wohl gerade passiert war. Gabriels Stimme holte sie zurück in die Wirklichkeit und ihr Blick schnalzte zurück zum Unsterblichen.
"Er war ein Mensch."
"Was willst du damit sagen?" fragte Buffy verständnislos zurück.
"Du hast vorhin gefragt, wieso ich mir die ganze Arbeit mache. Nun das ist meine Antwort."
"Und was willst du nun damit sagen?" Buffys Geduldsbogen war schon ziemlich gespannt, aber der Unsterbliche schien daran keinen Anstoß zu nehmen und fuhr ruhig fort, während er sich zum Gehen aufmachte.
"Ich kannte Kiem schon seit einer Weile, Buffy und ich kann dir versichern, daß er mitunter zu den übelsten Individuen gehörte, die man sich vorstellen kann. Er hat geplündert, vergewaltigt und gemordet. Er hatte nicht den geringsten Respekt vor dem Besitz oder gar dem Leben Anderer und die Zahl seiner Opfer ist im Laufe der Jahrhunderte erschreckend hoch geworden."
"Aber wieso machst du dir dann die ganze Mühe mit diesem Ritual?" unterbrach Buffy ungeduldig. "Wenn er wirklich so' n übler Typ war, dann laß ihn doch einfach verrotten."
"Weil es nicht an mir ist zu urteilen, Buffy. Er mag vielleicht ein schlechter Mensch gewesen sein, aber in dieser Hinsicht halte ich mich an Jesus' Worte: ‚Wer von euch frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein'. Ich kann von mir nicht reinen Gewissens sagen, daß ich keine Schuld auf mich geladen habe, denn auch ich habe getötet."
"Aber daß ist etwas anderes. Du tötest nur wenn du mußt, und nicht weil es dir Spaß macht. Du bist ein guter Mensch." Zu Buffys Überraschung verzog der Unsterbliche seine Lippen zu einem freudlosen Lächeln und schüttelte den Kopf.
"Gut und Böse sind zwei sehr relative Begriffe, Buffy." Bei diesen Worten blieb Buffy stehen und zog die Augenbrauen in offensichtlichem Unverständnis zusammen. Gabriel erkannte, daß er da ein Thema angeschnitten hatte, das der Jägerin sehr wichtig war, da es die Grundfesten ihrer Motivation berührte. Er wußte, daß er jetzt sehr vorsichtig sein mußte und wünschte sich, er hätte nie davon angefangen, denn ein unbedachtes Wort konnte jetzt das gesamte Weltbild des Mädchens erschüttern. Aber andererseits konnte er sie auch nicht belügen.
"Vor vielen Jahren" begann er direkt und ohne Umschweife zu erzählen. "kam ein Mann von einer verlorenen Schlacht zurück in seine Heimatstadt und fand sie vollkommen zerstört vor. Die Häuser und Farmen waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden und die ganze Bevölkerung war tot. Frauen, Kinder, Alte und Kranke: sie alle waren gnadenlos dahingeschlachtet worden. Er fand nur noch eine Alte Frau, die im Sterben lag, aber bevor sie ihren letzten Atemzug machte, erzählte sie ihm, wer für das Massaker verantwortlich gewesen war.
Der ortsansässige Fürst, der die Ländereien gerade erbeutet hatte, hatte sich dieses Dorf herausgepickt und ein Exempel daran statuiert, um den anderen Gemeinden zu demonstrieren, was im Falle des Ungehorsams passieren würde.
Der wütende Mann zog los und erreichte bald das Schloß des Fürsten, lauerte und beobachtete und schon bald ergab sich die erwartete Chance. Als der Fürst die Schützenden Mauern verließ, um einen Spaziergang zu machen, trat ihm der Mann gegenüber und erschlug ihn."
"Geschieht dem Mistkerl recht." nickte Buffy entschlossen und stemmte ihre Fäuste in die Seiten.
"Mag sein." entgegnete Gabriel traurig.
"Aber ich frage mich, was wohl die Kinder des Fürsten gedacht haben mögen, als sie mich über dem Leichnam ihres Vaters stehen sahen." Buffys Augen wurden groß und ihr Atem stockte einen Augenblick lang, als sie den letzten Satz des Unsterblichen zu verdauen versuchte.
"Ganz recht, Buffy. Ich habe diesen Mann getötet. Diesen Mann, der Vater von jemandem war. Und der auch Sohn und Ehemann von jemandem war." setzte Gabriel fast im Flüsterton nach. Die Augenblicke der Stille die darauf folgten, erschienen Buffy wie Stunden und ihre Gedanken rasten in wilder Unordnung durcheinander. Sie versuchte diese neue Information irgendwie einzuordnen, sie irgendwie so unterzubringen, daß Gabriel danach trotzdem noch zu den Guten zählte. Erst die Berührung einer Hand auf ihrer Schulter brachte sie zurück in die Realität.
"Hier ist eine der wichtigsten Lektionen, die ich dir beibringen kann, Buffy." sagte der Unsterbliche langsam und hielt sie mit seinem Blick so fest, wie es seine Arme nie und nimmer vermocht hätten.
"Kämpfe. Tue was du tun mußt, um dich selbst und deine Freunde zu verteidigen. Und wenn du mußt, dann töte auch. Aber unterstehe dich, jemals über Andere zu richten. Daß verhindert nämlich, daß du jemals aus Zorn oder Rache handelst, was das Schlimmste ist, was du tun kannst."
Buffy sah Gabe noch einen Moment wie betäubt an, nickte aber schließlich, als seine Worte anfingen Sinn zu ergeben.
"Begriffe wie Gut und Böse" fuhr er fort "werden immer vom jeweiligen Betrachter definiert, aber das Wichtigste ist nicht, was Andere über dich denken. Es geht in erster Linie darum, wie du mit der Verantwortung umgehst, die deine Handlungen mit sich bringen.
Es ist meiner Meinung nach ein weit verbreiteter Irrglaube, daß das größte Geschenk Gottes an uns das Leben ist. Ich glaube der Freie Wille ist eine weitaus größere Gabe und deshalb auch eine immense Verantwortung, denn du allein mußt mit der Last deiner Sünden Leben und so fällt letztendlich jede in deinen Augen ungerechte Handlung wieder auf dich zurück.
Ich für meinen Teil werde für den Rest meines Lebens die Gesichter der beiden Mädchen vor mir sehen, die um ihren Vater weinten und kann nur hoffen, daß mir irgendwann von irgend jemandem vergeben wird. Denn ich kann es nicht." beendete der Unsterbliche seine Predigt und als Buffy den erstarrten Ausdruck in dem so jung anmutenden Gesicht betrachtete, konnte sie nicht umhin, als Gabriel zu bemitleiden.
"Aber du kannst doch nicht dein ganzes Leben mit diesen Schuldgefühlen herumlaufen." hauchte Buffy, bemüht darum, sich den Knoten in ihrem Hals nicht anmerken zu lassen.
"Das wird mich wenigstens daran erinnern, den selben Fehler nicht noch mal zu wiederholen." lächelte Gabriel dünn und wandte sich dann wieder zum Gehen.
"Aus diesem Grund habe ich Kiem diese Zeremonie gewidmet." fuhr er fort, während sie den Friedhof überquerten.
"Ich weiß nicht, ob das Ritual seinem Glauben entsprach. Ehrlich gesagt, bezweifle ich stark, daß der Mistkerl überhaupt einen Glauben hatte. Aber jeder Mensch verdient es, daß man ihm nach seinem Tod einen gewissen Respekt entgegenbringt, unabhängig davon wie er war, oder was er in seinem Leben getan hat." Buffy nickte überzeugt, denn sie hatte die Argumente des Unsterblichen verstanden.
"Außerdem ," fügte Gabriel noch hinzu, als sie den Parkplatz betraten "hab ich mich dadurch gleichzeitig seiner Leiche entledigt." Buffy stolperte fast und starrte Gabriel entgeistert an, aber dieser fügte nur trocken hinzu:
"Auch der praktische Aspekt daran ist wichtig." und steckte dann seinen Autoschlüssel ins Schloß.
"Meine ganzen Kleider, die Schuhe und die Plattensammlung..." dachte Buffy und warf resigniert die Arme hoch, bevor sie den Wagen umrundete und einstieg.

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Am nächsten Morgen trafen sich Buffy und Willow wie immer auf einer Bank vor der Schule und beredeten die aktuellsten Themen. Bei zwei normalen Mädchen wäre es wohl um Schminke, Jungs oder das ach so tolle Aussehen von George Clooney in seinem neusten Film gegangen. Aber bei diesen Beiden war es die Art und Anzahl der von Buffy beseitigten Dämonen, die ihre Gespräche anheizte, hin und wieder unterbrochen von einen Gedanken an George.
"Du hast was?" fragte das rothaarige Mädchen gerade erstaunt, als Xander und Oz sich zu ihnen gesellten.
"Ich schwöre es dir." nickte Buffy aufgeregt. "Alles schien zu explodieren und ich hab gewußt, daß er kommt, bevor ich ihn überhaupt gesehen hab. Und im nächsten Moment... Puff."
"Ein Vampir?" fragte Xander einfältig.
"Nein, Xander. Ein riesiger fünfbeiniger Elefant. Natürlich ein Vampir."
"Und was hat Gabriel gemacht?" bohrte Willow weiter.
"Tja, daß ist das merkwürdige daran: er saß auf einem Baum und hat gewartet. Und als er näher kam, war plötzlich alles weg." Auf Willows fragenden Blick konnte Buffy nur mit den Schultern zucken.
"Keine Ahnung, aber von einem Moment auf den Anderen waren alle Supersinne wie weggeblasen. Gabriel nannte es ein... ähh ... Duodente ."
"Eine Magenkrankheit?" fragte Willow und rümpfte dabei die Nase.
"Oder so ähnlich?" gab Buffy zögerlich zurück.
"Oder so ähnlich!" wiederholte Willow grinsend.
"Aber ihr wart trotzdem erfolgreich, oder?"
"Vier Blutsauger in einer Nacht. Und wir haben früh Feierabend gemacht." grinste Buffy und nickte dabei.
"Wieso denn das?"
"Tja, gerade als wir uns zum Parkplatz aufmachen wollten, tauche plötzliche dieser..." genau in diesem Moment erklang die Schulglocke und verkündete somit den baldigen Beginn der ersten Stunde.
"Oh, verdammt. Ich muß ja noch schnell Giles Bericht erstatten, bevor ich in den Unterricht muß. Ich darf diesmal wirklich nicht zu spät kommen. Also dann erzähl ich dir den Rest später, Ok ?" und damit stand Buffy auch gleich auf und ließ eine sehr enttäuschte Willow in der Obhut ihrer Freunde zurück.
" Hmm . Na ja, dann eben später!" Sie sah Buffy nach, erhob sich nach ein paar Sekunden von der Bank und suchte ihre Sachen zusammen.

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Buffy betrat die Bibliothek just in dem Moment, als Giles und Gabriel aus dem Büro des Bibliothekars kamen. Sie schüttelten sich gerade die Hände und Gabriel gab Giles noch einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, bevor er sich zur Tür wandte.
"Was ist denn hier los?" wollte Buffy wissen und ihre Lippen zogen sich zu einer dünnen Linie zusammen, während der Ärger in ihr aufzubrodeln begann.
"Ich wollte es dir noch sagen, Buffy. Ich muß..."
"Gehen!" unterbrach Buffy genervt und konnte ihre Wut jetzt kaum noch verschleiern. Aber die Antwort des Unsterblichen traf sie unvorbereitet:
"Ja!" schleuderte er ihr entschlossen entgegen und Buffy fühlte, wie sich seine Augen, die schon so viel gesehen hatten, in sie hinein bohrten. Aber in dem Augenblick, als sie erkannte, wie töricht sie gewesen war und der Ärger verflog, wurde Gabriels Blick wieder weich und sie erkannte deutlich die Trauer darin, so daß seine nächsten Worte eigentlich nicht mehr nötig waren.
"Es tut mir leid, Buffy. Ich habe einen dringenden Hilferuf erhalten und muß nach Seacouver ." Der Unsterbliche ließ seine Tasche auf den Boden gleiten und kam langsam näher.
"Außerdem war es sowieso nicht geplant, daß ich länger hier bleiben würde, aber daß wußtest du schon, oder?" fragte er weiter und als er nur einen knappen Meter vor ihr stand, konnte Buffy nicht anders als zu Boden zu schauen und zu nicken. Sie hörte seinen letzten Schritt und sah seine Hand in ihrem Blickfeld auftauchen, als er sie am Kinn anfaßte und es sanft aber bestimmt nach oben schob. Sie sahen sich einen Augenblick lang an, in dem Buffy ihm so viele Fragen stellen wollte, aber sein Lächeln ihr sämtliche Antworten lieferte, die sie jemals brauchen würde. Er nahm ihren Kopf zwischen seine starken Hände und küßte sie noch einmal auf die Stirn.
"Ich werde garantiert wieder zurück kommen. Das ist ein Versprechen, Ok ?"
Buffy wußte sofort und ohne Zweifel, daß sie sich auf dieses Versprechen verlassen konnte und lächelte Gabriel nickend an, während er seine Hände auf ihre Schultern legte.
"Gut. Aber ich habe noch eine letzte Bitte an dich, Buffy." Das Mädchen sah den Unsterblichen forschend an, während ihr Blick Gabriel aufforderte fortzufahren. Nach einem Augenblick des Schweigens atmete er einmal durch und sagte:
"Ich möchte, daß du die Geschehnisse von gestern Abend für dich behältst." Und nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu:
"Auch vor deinen Freunden." Buffy machte instinktiv einen Schritt zurück und sah den Unsterblichen mit offenen Mund an.
"Aber..." fing sie an zu stammeln "Traust du ihnen vielleicht nicht?"
Gabriel richtete sich auf und seufzte schwer, bevor er antwortete.
"Nein!" schoß er ihr direkt entgegen.
"Damit meine ich, daß Willow, Oz und du vollkommen vertrauenswürdig seid. Aber Xander ist ein Plappermaul, der meistens redet, bevor er überhaupt daran denkt, das Gehirn einzuschalten. Und bei Cordelia habe ich den Eindruck, daß sie manchmal nicht mal die Kontrolle über ihr Mundwerk behalten könnte, selbst wenn sie es wollte."
"Aber..." setzte Buffy an, wurde jedoch gleich von einer ungeduldigen Handbewegung des Unsterblichen unterbrochen.
"Ich akzeptiere in dieser Hinsicht keinerlei Wiederspruch, Buffy. Es hängen einfach zu viele Leben davon ab." Sein Gesicht wurde steinern, als er noch hinzufügte:
"Wenn du dich weigerst, werde ich es aus deinem Gedächtnis löschen müssen."
Buffy riß die Augen auf und konnte kaum fassen, was sie da gerade gehört hatte. Hatte Gabriel sie da gerade tatsächlich bedroht? Und konnte er sie das wirklich vergessen lassen? Das konnte nicht sein, aber ein Blick in den vereisten Ausdruck vor ihr, war genug, um ihr den Ernst des Unsterblichen klar zu machen.
Als sie schließlich nickte, entspannten sich Gabriels Züge wieder und ein schmales Lächeln kräuselte wieder seine Lippen. Er nickte kaum merklich und wandte ihr dann den Rücken zu, um seine Tasche zu holen.
Aber als er sich dann wieder umdrehte, um die Bibliothek zu verlassen, wurde Buffy klar, daß sie ihn so einfach nicht gehen lassen wollte: als er in Begriff war, an ihr vorbei zu gehen, wobei er ihren Anblick bewußt mied, stellte sie sich ihm plötzlich in den Weg und sah ihn mit einer Mischung aus strengen und flehenden Blicken an. Dann schlang sie ihre Arme um seine breite Brust und sagte:
"Viel Glück." Sie fühlte wie seine freie Hand sich um ihre Schultern legte und sie noch einmal fest an sich drückte, während er flüsterte: "Danke, Kleines."
Dann schob er sie von sich, lächelte sie noch ein letztes Mal an, schritt an ihr vorbei und verschwand durch die Tür, ohne sich noch mal umzusehen. Als sie die zurückschwingenden Türflügel betrachtete, fühlte sie, wie sich in ihrem Hals ein dicker Kloß bildete.
Plötzlich bemerkte Buffy, daß Giles neben ihr stand und ebenfalls zum Ausgang starrte.
"Ich werde ihn vermissen, Giles." gestand sie, ohne zu wissen, wieso sie das eigentlich gesagt hatte.
"Ich auch, Buffy." erwiderte der Bibliothekar schwermütig. Aber dann sah er seinen Schützling an und lächelte sie ermutigend an, während er ihr eine Hand auf die Schulter legte.
"Denk daran, was er immer gesagt hat: Das Leben geht weiter und man sollte versuchen, ihm voraus zu sein, anstatt es ständig einholen zu müssen." Bei der Erwähnung dieses Zitates mußte Buffy lächeln und nickte kurz, bevor Giles seine Hand wieder von ihrer Schulter nahm und dazu benutzte seine tadellos sitzende Brille zurecht zu rücken.
"Jetzt solltest du dich aber beeilen, sonst kommst du noch zu spät zu Mr. Bicksby's Unterricht."
Grinsend trottete Buffy los und mußte plötzlich an ein Telefonbuch in Zusammenhang mit MacBeth denken.

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Giles ging wieder in sein Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er nahm die Brille ab und sah zum kleinen Fenster, daß ihm gerade genug Licht spendete, um tagsüber auf die Lampen verzichten zu können. Er betrachtete die feinen Staubflocken, die durch den hellen Kegel trudelten und dachte über sein letztes Gespräch mit dem Unsterblichen nach.
Lange Zeit blieb er so sitzen und grübelte über die Möglichkeiten, aber letztendlich gelang er nur zu einer einzigen Alternative.
Er öffnete die Schublade zu seiner Rechten und holte einen Packen loser Blätter hervor. Die klare und markante Handschrift füllte die Seiten, hin und wieder begleitet von einer erläuternden Zeichnung. Jemand anderer, hätte den Inhalt nicht verstanden, der in eigenartigen Ideogrammen verfaßt worden war: ein Code, den Giles sich hatte einfallen lassen, um seine Berichte vor unbefugten Augen zu verbergen, bevor der Rat die entgültige Fassung bekam. Er war immer sehr sorgfältig in seiner Arbeit gewesen und noch nie hatte der Rat von ihm einen verspäteten oder gar schlampigen Bericht bekommen.
Am selben Abend verbrannten in Giles Kamin nacheinander die mühsam zusammengetragenen Fakten über den Unsterblichen Gabriel Danziger, während der Bibliothekar in seinem alten Sessel saß und sich mit einem Glaß Bourbon in der Hand an die vergangenen Wochen erinnerte.
Er dachte immer wieder an diese alten Augen, die ihn aus einem so jungen Gesicht ansahen und ihn ständig ermahnten, das Richtige zu tun. Er erinnerte sich an ihre Gespräche, die oft bis zum Morgen angedauert hatten und an seine enervierende Angewohnheit, auf eine direkte Frage immer mit einer Gegenfrage zu antworten. Auf einmal dämmerte es Giles, daß Gabriel nie Antworten geliefert hatte, sondern hauptsächlich Fragen gestellt hatte.
Es waren unangenehme, peinliche und manchmal sogar schmerzliche Fragen gewesen. Aber es waren die richtigen Fragen gewesen und plötzlich erkannte Giles, daß der Unsterbliche mehr für ihn und Buffy getan hatte, als der Wächter es in den anderthalb Jahren Zusammenarbeit mit seiner Jägerin je für möglich gehalten hatte.
Er hatte ihnen Beiden geholfen zu wachsen und jetzt waren sowohl Sie als auch Er besser gegen alles gewappnet, was vielleicht noch auf sie zukommen mochte.
Lächelnd lehnte sich der Bibliothekar in seinem Sessel zurück und beobachtete die tanzenden Flammen in seinem Kamin.
Plötzlich bemerkte er auf dem Kamintischchen ein Buch, daß er vorhin übersehen hatte. Er nahm es auf und untersuchte den braunen Ledereinband lange und gründlich, bevor er es aufmachte und auf dem Deckblatt den Titel laß.
"La divina commedia. Die göttliche Komödie." erklärte er laut, obwohl sich niemand außer ihm im Zimmer befand. Gabriel hatte es eine "Sammlung menschlicher Gefühle" genannt und es als wohl wichtigstes Schriftstück in der Geschichte der Literatur eingestuft.
"Und was bringt sie zu dieser Schlußfolgerung, Mister Danziger." hatte Giles mit zusammengezogenen Augenbrauen geantwortet, dem unter dieser Kategorie Werke wie die von Marlow oder Shakespeare vorschwebten.
"Weil es von einem Italiener geschrieben worden ist." war die knappe Antwort des Unsterblichen gewesen, der seinen Worten sofort ein spitzbübisches Grinsen hatte folgen lassen.
Giles wollte schon weiterblättern, aber plötzlich stockte ihm der Atem, als er ganz unten die Worte "Erstausgabe 1887" entzifferte. Er führte das Buch näher heran, um auch sicher zu gehen, daß er sich nicht geirrt hatte, als ihm ein kleiner Zettel in die Handfläche rutschte, der zwischen der ersten und zweiten Seite eingeklemmt worden war.
Er legte das Buch auf seinen Schoß und rückte sich die Brille zurecht, bevor er las:
"Hier ist ein kleines Abschiedsgeschenk für sie, daß sie erheitern und wenigstens durch ein paar Unebenheiten des Lebens geleiten soll. Ich hoffe die Tatschache, daß es in der Originalfassung ist, stellt für sie keine größeren Schwierigkeiten dar, aber in der Übersetzung verliert es einfach zu viel.
Auf Wiedersehen.
Mit tief empfundenen Respekt und Anerkennung,
Gabriele D'Annunzio"
Giles lächelte, legte den Zettel wieder zurück zwischen die Seiten und begann zu lesen:
"Inmitten des Weges unseres Lebens, befand ich mich in einem dunklen Wald und der rechte Weg war verloren..."